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News

Umsatzsteuer: Lieferung ausrangierter und aufbereiteter Bürostühle steuerbar
Unentgeltlich erworbene Bürostühle und andere Gegenstände, die vom Unternehmer zur Wiederverwendung aufbereitet werden, führen bei ihrem Verkauf zu steuerbaren Umsätzen - so lautet ein Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 14.3.2024 (1 K 11/24). Der Kläger ist gewerblich tätig. Er sammelt insbesondere ausrangierte Bürostühle, die er soweit möglich repariert und verkauft. Er beantragt, seine Umsätze mit Bürostühlen nicht der Umsatzsteuer zu entwerfen. Er trägt insoweit vor, dass er mit den Bürostühlen Abfälle im Sinne der Abfallhierarchie des § 6 Abs. 1 Nr. 2 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) zur Wiederverwendung vorbereiten würde. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 KrWG seien Abfälle im Sinne dieses Gesetzes unter anderem alle Gegenstände, derer sich ihr Besitzer entledige. Die Lieferung solcher Gegenstände habe bereits der Umsatzsteuer unterlegen. Daher würde, wenn die Lieferung der von ihm zur Wiederverwendung vorbereiteten Stühle oder anderen Gegenstände an seine Kunden der Umsatzsteuer unterlägen, eine Doppelbesteuerung eintreten. Eine solche würde sowohl gegen Europarecht als auch gegen Art. 20a GG verstoßen, nach dem der Staat in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen schütze. Doch die Klage scheiterte.

Die Begründung: Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Auch die Lieferung von Gegenständen, die zur Wiederverwendung vorbereitet werden, fällt hierunter. Weder Art. 3 Nr. 1 der Abfallrahmenrichtlinie noch Art. 20a GG ändern hieran etwas - und sei es umweltpolitisch oder betriebswirtschaftlich noch so wünschenswert. Eine "Doppelbelastung” liegt nicht vor, da ein Unternehmer die ihm berechnete Umsatzsteuer regelmäßig als Vorsteuerbeträge bei Vorliegen entsprechender Rechnungen als Vorsteuer abziehen könnte. Im Urteilsfall hat der Kläger die Gegenstände aber ohnehin unentgeltlich erhalten. Selbst wenn die Differenzbesteuerung nach § 25a UStG zur Anwendung gekommen wäre, wäre bei ihm wegen dieser Unentgeltlichkeit keine Doppelbesteuerung eingetreten.

Praxistipp:
Der Kläger hat beim Bundesfinanzhof Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil eingelegt. Das Az. lautet XI B 19/24 (Quelle: Newsletter FG Baden-Württemberg 1/2024).
gepostet: 08.12.2024
Geringfügige Beschäftigung: Erhöhung der Verdienstobergrenze
Die Verdienstobergrenze für eine geringfügige Beschäftigung ("Minijob-Grenze" bzw. "Geringfügigkeitsgrenze") liegt im Jahre 2024 noch bei 538 Euro im Monat. Diese Grenze ist aber dynamisch ausgestaltet. Das heißt, sie wird berechnet, indem der Mindestlohn mit 130 vervielfacht, durch drei geteilt und auf volle Euro aufgerundet wird. Da der gesetzliche Mindestlohn zum 1. Januar 2025 von 12,41 Euro auf 12,82 Euro/Stunde angehoben wird, wird folglich die Geringfügigkeitsgrenze von 538 Euro auf 556 Euro steigen (12,82 x 130 : 3 = 555,53, aufgerundet 556 Euro).

gepostet: 06.12.2024
Energetische Maßnahmen: Förderung bei Ratenzahlung erst mit letzter Rate
Für bestimmte energetische Maßnahmen am Eigenheim wird eine Steuerermäßigung nach § 35c EStG gewährt. Die Förderung verteilt sich auf drei Jahre. Im Kalenderjahr des Abschlusses der energetischen Maßnahme und im nächsten Kalenderjahr werden jeweils 7 Prozent der Aufwendungen (maximal 14.000 Euro jährlich), im dritten Jahr 6 Prozent der Aufwendungen (maximal 12.000 Euro) von der Steuerschuld abgezogen. Die Steuerermäßigung ist davon abhängig, dass die Rechnung unbar beglichen, der Rechnungsbetrag also auf ein Konto des Leistungserbringers überwiesen worden ist. Barzahlungen sind nicht begünstigt. Wann gilt eine Maßnahme aber als "abgeschlossen", wenn mit dem ausführenden Unternehmen eine Ratenzahlung, zum Beispiel für den Heizungsaustausch, vereinbart wurde? Liegt ein Abschluss der energetischen Maßnahme im Sinne des § 35c EStG bereits mit der ausgeführten Erneuerung der Heizungsanlage oder erst mit der vollständigen Begleichung des Rechnungsbetrages vor? Das heißt: Wann ist die Förderung erstmalig zu gewähren, wenn die Rechnung des Handwerkers über zwei oder drei Jahre verteilt beglichen wird?

Der Bundesfinanzhof hat nun entschieden, dass die Steuerermäßigung für energetische Maßnahmen erst dann gewährt werden kann, wenn die Montage vorgenommen und auch der Rechnungsbetrag vollständig auf das Konto des Installationsunternehmens bezahlt wurde (BFH-Urteil vom 13.8.2024, IX R 31/23). Ein Ehepaar hatte die Heizung des von ihnen bewohnten Einfamilienhauses im Jahr 2021 durch den Einbau eines neuen Gasbrennwertheizkessels modernisiert. Die Kosten für die Lieferung und die Montage des Kessels beliefen sich auf über 8.000 Euro. In der Rechnung waren auch Kosten für Monteurstunden und Fachhelferstunden enthalten. Seit März 2021 zahlten die Kläger gleichbleibende monatliche Raten in Höhe von 200 Euro auf den Rechnungsbetrag. Im Jahr 2021 wurden infolgedessen 2.000 Euro bezahlt. Das Finanzamt lehnte bei der Festsetzung der Einkommensteuer für das Jahr 2021 die von den Klägern beantragte Steuerermäßigung für energetische Maßnahmen ab. Erst mit Begleichung der letzten Rate im Jahr 2024 komme diese in Betracht. Das Finanzgericht und der BFH schlossen sich dieser Auffassung an.

Begründung: Die Steuerermäßigung für energetische Maßnahmen gemäß § 35c EStG kann nicht in Anspruch genommen werden, bevor der Steuerpflichtige den in der Rechnung über die förderungsfähige Maßnahme ausgewiesenen Betrag vollständig auf das Konto des Leistungserbringers gezahlt hat. § 35c Abs. 4 Nr. 1 EStG macht die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung von der Bedingung abhängig, dass der Steuerpflichtige eine Rechnung in deutscher Sprache mit bestimmten inhaltlichen Angaben erhalten hat. Zusätzlich verlangt § 35c Abs. 4 Nr. 2 EStG ausdrücklich, dass die Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung erfolgt ist. Bevor die vollständige Begleichung der Rechnung nicht stattgefunden hat, liegt der von § 35c Abs. 1 EStG geforderte Abschluss der Maßnahme nicht vor. Daraus folgt weiter, dass auch die im Jahr 2021 geleisteten Teilzahlungen nicht zu berücksichtigen sind.

Praxistipp:
Der BFH weist in seiner Entscheidung darauf hin, dass im Streitjahr 2021 eine Steuerermäßigung gemäß § 35a Abs. 3 EStG für Handwerkerleistungen in Betracht kommt. Nach dieser Vorschrift werden allerdings nur die Arbeitskosten und nicht auch die Materialkosten begünstigt. Wenn die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen in Anspruch genommen wird, ist aber eine - zusätzliche - Förderung auf der Grundlage des § 35c EStG ausgeschlossen (Quelle: BFH, Pressemitteilung vom 10.10.2024).

gepostet: 04.12.2024
Adoptionskosten: Ablehnende Haltung zum Kostenabzug gilt weiter
Aufwendungen für die Adoption eines Kindes stellen keine außergewöhnliche Belastung dar - so lautet bereits seit langem die Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH-Urteil vom 13.3.1987, III R 301/84; BFH-Urteil vom 10.3.2015, VI R 60/11). Das Finanzgericht Münster hatte die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs kürzlich bestätigt, allerdings die Revision zugelassen (FG Münster, Urteil vom 25.6.2024, 14 K 1085/23 E). Insofern bestand zumindest etwas Hoffnung, dass das oberste deutsche Steuergericht seine ablehnende Haltung revidieren könnte. Leider ist das Urteil der Münsteraner Richter aber rechtskräftig geworden; die zugelassene Revision wurde nicht eingelegt. Damit hat die bisherige Haltung des BFH weiterhin Bestand. Dem Urteil des FG Münster lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Kläger waren ungewollt kinderlos. Im Jahr 2022 adoptierten sie zwei im Ausland geborene Mädchen. Die Adoptionen wurden in Deutschland von einer staatlich anerkannten Adoptionsvermittlungsstelle begleitet. In ihrer Einkommensteuererklärung machten die Kläger die Adoptionskosten als außergewöhnliche Belastungen (§ 33 EStG) geltend. Sie verwiesen darauf, dass ihnen die Aufwendungen zwangsläufig entstanden seien. So hätten sie vor der Adoption die langwierige und strapaziöse Behandlung einer künstlichen Befruchtung erfolglos auf sich genommen. Da der BFH die Aufwendungen einer künstlichen Befruchtung zur Erfüllung des individuellen Kinderwunsches als zwangsläufig anerkannt habe (z.B. BFH-Urteil vom 5.10.2017, VI R 2/17), müssten auch die Kosten einer Adoption als zwangsläufig gelten und folglich als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden. Finanzamt und Finanzgericht verweigerten jedoch den Kostenabzug. Auch wenn der Entschluss zur Adoption erst nach erfolgloser Kinderwunschbehandlung gefasst wurde, komme ein Abzug der Kosten als außergewöhnliche Belastung nicht in Betracht.
gepostet: 02.12.2024
Weihnachtsfeier: Das sind die aktuellen steuerlichen Regelungen
Bald ist es wieder so weit: Viele Unternehmen laden ihre Mitarbeiter zu einer Weihnachtsfeier ein. Nachfolgend möchten wir hier auf die wichtigsten steuerlichen Regeln für Betriebsveranstaltungen hinweisen: Zuwendungen des Arbeitgebers anlässlich einer Weihnachtsfeier bleiben bis zu einem Betrag von 110 Euro (einschließlich Umsatzsteuer) pro Arbeitnehmer steuer- und sozialversicherungsfrei. Dabei handelt es sich seit 2015 um einen Freibetrag und nicht mehr - wie vorher - um eine Freigrenze. Falls also die Gaben des Arbeitgebers höher sind, ist nur der übersteigende Betrag zu versteuern und nicht mehr der gesamte Betrag. Statt individueller Besteuerung kann der Arbeitgeber den steuerpflichtigen Vorteil auch pauschal mit 25 Prozent versteuern.

Als Zuwendungen gelten alle Aufwendungen des Arbeitgebers, gleichgültig, ob diese einem Arbeitnehmer individuell zurechenbar sind oder ob sie in einem rechnerischen Anteil an den Kosten der Weihnachtsfeier bestehen. Erfasst werden also nicht nur die Kosten für das Essen und die Getränke, sondern auch die Kosten für den äußeren Rahmen, wie Raummiete, Eventmanager, Musikkapelle, Busfahrt, Eintrittskarten.

Zu den Gesamtkosten gehören seit 2015 ebenfalls Geschenke unabhängig von deren Wert, die anlässlich der Weihnachtsfeier überreicht werden. Außen vor bleiben Geschenke, die nicht anlässlich, sondern "nur bei Gelegenheit" der Betriebsveranstaltung zugewendet werden. Es wird nicht beanstandet, wenn Geschenke, deren Wert je Arbeitnehmer 60 Euro nicht übersteigt, als Zuwendungen anlässlich einer Betriebsveranstaltung in die Bemessungsgrundlage für die Ermittlung des Freibetrags einbezogen werden (BMF-Schreiben vom 07.12.2016, IV C 5 - S 2332/15/10001).

Die Gesamtkosten der Weihnachtsfeier werden durch die Zahl der teilnehmenden Personen geteilt. Falls Angehörige des Arbeitnehmers an der Feier teilnehmen, sind die anteiligen Aufwendungen der Begleitperson dem Arbeitnehmer zuzurechnen. Das bedeutet, dass die Begleitpersonen keinen eigenen Freibetrag erhalten.

Der Freibetrag von 110 Euro gilt arbeitnehmerbezogen und je Feier, allerdings maximal für zwei Betriebsveranstaltungen pro Jahr. Der Arbeitgeber sollte die Zahl der anwesenden Teilnehmer und der Begleitpersonen durch entsprechende Aufzeichnungen nachweisen.

Praxistipp:
Die Gesamtkosten des Arbeitgebers sind zu gleichen Teilen auf die bei der Betriebsveranstaltung tatsächlich anwesenden und nicht auf alle angemeldeten Teilnehmer aufzuteilen (BFH-Urteil vom 29.4.2021, VI R 31/18).

Praxistipp:
Die Finanzverwaltung verlangt für die Gewährung des Freibetrages und für eine eventuelle Lohn-steuer-Pauschalierung, dass die Teilnahme an der Betriebsveranstaltung allen Angehörigen des Betriebs oder zumindest eines Betriebsteils offensteht (BMF-Schreiben vom 14.10.2015, BStBl 2015 I S. 832). Dieser restriktiven Auffassung ist der BFH für die Frage der Lohnsteuer-Pauschalierung aber entgegengetreten und hat entschieden, dass eine Betriebsveranstaltung auch dann vorliegen kann, wenn an ihr beispielsweise nur die Führungskräfte teilnehmen dürfen (BFH-Urteil vom 27.3.2024, VI R 5/22). Bitte beachten Sie: Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass pauschalversteuerte geldwerte Vorteile - hier anlässlich einer Betriebsveranstaltung - nur dann sozialversicherungsfrei bleiben, wenn die Pauschalversteuerung fristgerecht erfolgt. Wird sie erst mehrere Monate nach Ablauf des Jahres vorgenommen, in dem die Betriebsveranstaltung stattgefunden hat, unterliegt der entsprechende geldwerte Vorteil der Sozialversicherungspflicht (BSG-Urteil vom 23.4.2024, B 12 BA 3/22 R). Und um Missverständnisse zu vermeiden: Für die Gewährung des Freibetrages von 110 Euro bleibt es bei der einengenden Auffassung, dass die Veranstaltung allen Mitarbeitern des Betriebs oder zumindest eines Betriebsteils offenstehen muss, denn insoweit gilt der Satz 3 des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG als Spezialvorschrift.

Praxistipp:
Noch ein Hinweis zur Umsatzsteuer: Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass der Arbeitgeber die Vorsteuer nur abziehen darf, wenn die Kosten einer Feier nicht höher sind als 110 Euro pro Teilnehmer. Der Betrag von 110 Euro ist für umsatzsteuerliche Zwecke - wie früher bei der Lohnsteuer - als Freigrenze und nicht als Freibetrag zu verstehen. Übersteigen die Kosten also 110 Euro pro Teilnehmer, entfällt der Vorsteuerabzug komplett (BFH-Urteil vom 10.05.2023, V R 16/21).

gepostet: 30.11.2024
Widerruf eines Darlehensvertrages: Nutzungsersatz der Bank nicht steuerbar?
In der Vergangenheit wurden zahlreiche Darlehensverträge angefochten, weil die Widerrufsbelehrung fehlerhaft war. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs löst der Nutzungsersatz, der im Rahmen der reinen Rückabwicklung eines Verbraucherdarlehensvertrags nach dessen Widerruf gewährt wird, keine Einkommensteuer aus. Dies hat er mit einer ganzen Serie von Urteilen entschieden (z.B. BFH-Urteil vom 7.11.2023, VIII R 7/21, VIII R 16/22). Nun hat der BFH seine Rechtsprechung fortentwickelt: Zahlt eine Bank auf der Grundlage einer Vergleichsvereinbarung zur einvernehmlichen Beilegung eines Zivilrechtsstreits eine als "Nutzungsentschädigung“ bezeichnete Summe und ist unklar, ob damit der im Vergleich vereinbarte Verzicht auf die Rechte aus dem Darlehenswiderruf abgegolten oder im Rahmen der einvernehmlichen Rückabwicklung des widerrufenen Darlehens Nutzungsersatz geleistet werden soll, führt die Zahlung beim Empfänger regelmäßig weder zu Kapitaleinkünften gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG noch zu sonstigen Einkünften gemäß § 22 Nr. 3 EStG (BFH-Urteil vom 22.5.2024, VIII R 3/22).

Eheleute schlossen im Jahr 2002 mit einer Bank einen Vertrag über die Gewährung mehrerer Darlehen zur Finanzierung eines Eigenheims. Im Jahr 2016 widerriefen sie den Vertrag unter Verweis auf eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung. Im Rahmen eines Rechtsstreits vor dem Landgericht kam ein gerichtlicher Vergleich zustande. Die Eheleute waren danach berechtigt, die Darlehen ohne Vorfälligkeitsentschädigung vorzeitig zurückzubezahlen. Die Bank verpflichtete sich, an die Eheleute einen Nutzungsersatz zu bezahlen. Es sollten damit alle Ansprüche erledigt und abgegolten sein. Die Bank zahlte die Vergleichssumme abzüglich Kapitalertragsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer auf ein Konto der Eheleute und erteilte hierüber eine Steuerbescheinigung. Die Eheleute erklärten unter Vorlage der Steuerbescheinigung in ihrer Einkommensteuererklärung zwar Kapitalerträge, waren aber der Auffassung, dass die von der Bank gezahlte Vergleichssumme nicht zu besteuern sei. Dem stimmten das Finanzgericht und nun auch der BFH zu.

Eine Entschädigung für einen Rechtsverzicht, der im Rahmen einer Vergleichsvereinbarung zur einvernehmlichen Beendigung eines Zivilrechtsstreits vereinbart wird, führt beim Verzichtenden regelmäßig nicht zu steuerbaren Einkünften, wenn sie nicht als Ergebnis einer Erwerbstätigkeit anzusehen ist. Im Streitfall war die Entschädigungszahlung nicht im Sinne eines leistungsbezogenen Entgelts durch das Verhalten der Kläger wirtschaftlich veranlasst. Die Kläger haben den gerichtlichen Vergleich nicht "um der Gegenleistung willen“ abgeschlossen. Die reine Rückabwicklung eines Darlehensvertrags ist nach den Maßstäben, die der BFH in den o.g. Urteilen vom 7.11.2023 dargelegt hat, keine steuerbare erwerbsgerichtete Tätigkeit. Das Rückgewährschuldverhältnis ist bei wirtschaftlicher Betrachtung ertragsteuerlich als Einheit zu behandeln, aus der sich der Anspruch des widerrufenden Darlehensnehmers auf ein Nutzungsentgelt nicht als Anspruch auf ein Entgelt für eine Kapitalüberlassung der bis zur Rückabwicklung erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen isolieren lässt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Rückabwicklung einvernehmlich, wie im Streitfall durch Vergleich, durch zivilgerichtliches Urteil oder auf andere Weise vollzogen wird. Der aufgrund des gerichtlichen Vergleichs von der Bank an die Kläger geleistete Betrag führt auch nicht zu Einkünften aus Leistungen im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG.

gepostet: 26.11.2024
Handwerkerleistungen: Kein Abzug bei Anzahlung ohne Rechnung
Aufwendungen für Handwerkerleistungen im Zusammenhang mit dem eigenen Haushalt können mit 20 Prozent, höchstens 1.200 Euro im Jahr, unmittelbar von der Steuerschuld abgezogen werden (§ 35a Abs. 3 EStG). Es müssen aber ordnungsgemäße Rechnungen vorliegen und die Beträge müssen unbar beglichen, also auf das Konto des jeweiligen Handwerkers überwiesen worden sein. Steuerlich abziehbar sind nur reine Lohnkosten sowie gegebenenfalls in Rechnung gestellte Maschinen- und Fahrtkosten. Das Finanzgericht Düsseldorf hat entschieden, dass zwar grundsätzlich auch Anzahlungen begünstigt sein können. Eine Anzahlung ohne jegliche Aufforderung des Leistungserbringers kann jedoch nicht berücksichtigt werden (FG Düsseldorf, Urteil vom 18.7.2024, 14 K 1966/23 E).

Im Oktober 2022 erhielten die Kläger ein Angebot über die Lieferung und Montage einer Heizungsanlage sowie einer Sanitäranlage. Lohnkosten wurden in Höhe von 5.264 Euro (netto) kalkuliert. Ohne Aufforderung des Unternehmers überwiesen die Kläger an diesen bereits Ende 2022 einen Teil der voraussichtlichen Lohnkosten. Die Arbeiten wurden in 2023 ausgeführt. In ihrer Einkommensteuererklärung 2022 machten die Kläger Aufwendungen für Handwerkerleistungen in Höhe der Anzahlung geltend. Doch das Finanzamt berücksichtigte die Anzahlungen mangels Rechnungen aus 2022 nicht. Das Finanzgericht bestätigte die Haltung des Finanzamts.

Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen nach § 35a Abs. 3 EStG ist, dass der Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten hat und die Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung erfolgt ist. Im Streitfall haben aber keine Rechnungen vorgelegen. Zwar seien Konstellationen denkbar, in denen Voraus- bzw. Anzahlungen vor Leistungserbringung im Veranlagungszeitraum der Zahlung anerkannt werden können. Dies bedinge allerdings, dass solche Zahlungsmodalitäten marktüblich und/oder (sonst) sachlich begründet sind, zumindest aber, dass sie seitens des Handwerksbetriebes angefordert wurden. Eine Anzahlung ohne jegliche Aufforderung des Leistungserbringers könne nicht berücksichtigt werden.

gepostet: 24.11.2024
Umsatzsteuer: Die elektronische Rechnungspflicht für B2B-Geschäfte naht
Ab dem 1.1.2025 wird im Umsatzsteuergesetz die Pflicht zur elektronischen Rechnung (E-Rechnung) eingeführt. Die obligatorische E-Rechnung betrifft inländische Umsätze im zwischenunternehmerischen Bereich ("B2B-Geschäfte"). Also werden in Deutschland ansässige Unternehmer für ihre steuerpflichtigen Umsätze zur Ausstellung einer E-Rechnung verpflichtet, wenn diese Umsätze an andere in Deutschland ansässige Unternehmer für deren Unternehmen erbracht werden. Dies betrifft prinzipiell auch Kleinunternehmer und Vereine sowie Vermieter, die zur Umsatzsteuer optiert haben. Nicht von dieser Verpflichtung betroffen sind Umsätze an Unternehmer in anderen Mitgliedstaaten und an Endverbraucher. Zudem gibt es verschiedene Übergangsregelungen. Nachfolgend werden die wichtigsten Regelungen im Zusammenhang mit der E-Rechnung vorgestellt.

E-Rechnung und sonstige Rechnung Als E-Rechnung gilt nur noch eine Rechnung, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird und eine elektronische Verarbeitung ermöglicht. Sie muss der EU-Norm für die elektronische Rechnungsstellung gemäß EU-Richtlinie 2014/55/EU entsprechen und damit der Norm EN 16931 (§ 14 Abs. 1 Satz 6 Nr. 1 UStG). Alternativ können Rechnungsaussteller und -empfänger eine Vereinbarung über das genutzte E-Rechnungs-Format schließen. Doch auch dann muss das Format die richtige und vollständige Extraktion der erforderlichen Angaben gemäß der EU-Richtlinie ermöglichen oder mit dieser interoperabel sein (§ 14 Abs. 1 Satz 6 Nr. 2 UStG). In Deutschland haben sich in der Vergangenheit insbesondere die E-Rechnungs-Formate XStandard/XRechnung und ZUGFeRD (ab der Version 2.0.1) etabliert, die die gesetzlichen Ansprüche der neu definierten E-Rechnung erfüllen.

Von der E-Rechnung abzugrenzen sind "sonstige Rechnungen". Unter den Begriff der sonstigen Rechnung fallen Papierrechnungen, aber auch Rechnungen, die in einem anderen elektronischen Format übermittelt werden. Eine per E-Mail versandte PDF-Rechnung gilt demnach ab 2025 nicht mehr als elektronische Rechnung. Auch Formate wie beispielsweise “.tif”, “.jpeg”, “.docx” erfüllen nicht die Anforderungen an die Weiterverarbeitung und gelten daher als sonstige Rechnung.

Übergangsregelungen und Ausnahmen Die grundsätzliche Verpflichtung zur elektronischen Rechnungstellung gilt ab 1.1.2025. Angesichts des hohen Umsetzungsaufwandes für die Unternehmen hat der Gesetzgeber jedoch Übergangsregelungen für die Jahre 2025 bis 2028 vorgesehen:
- Bei Umsätzen, die zwischen dem 1.1. 2025 und dem 31.12.2026 ausgeführt werden, kann statt einer E-Rechnung auch eine sonstige Rechnung auf Papier oder in einem anderen elektronischen Format ausgestellt werden. Bei Ausstellung einer sonstigen Rechnung in einem elektronischen Format bedarf es jedoch der Zustimmung des Empfängers (§ 27 Abs. 38 Nr. 1 UStG).
- Bei Umsätzen, die zwischen dem 1.1. 2027 und dem 31.12.2027 ausgeführt werden, kann statt einer E-Rechnung auch eine sonstige Rechnung auf Papier oder in einem anderen elektronischen Format ausgestellt werden, wenn der Gesamtumsatz des die Rechnung ausstellenden Unternehmers im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 800.000 Euro betragen hat (§ 27 Abs. 38 Nr. 2 UStG).

- Bei Umsätzen, die zwischen dem 1.1.2026 und dem 31.12.2027 ausgeführt werden, kann statt einer E-Rechnung auch eine sonstige Rechnung in einem anderen elektronischen Format ausgestellt werden, wenn diese mittels dem elektronischen Datenaustausch nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19.10.1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches übermittelt wird (so genannte EDI-Rechnung). Dies bedarf der Zustimmung des Empfängers (§ 27 Abs. 38 Nr. 3 UStG). Inländische unternehmerische Rechnungsempfänger müssen aber trotz der Übergangsfristen ab 1.1.2025 in der Lage sein, elektronische Rechnungen nach den neuen Vorgaben empfangen und verarbeiten zu können. Anders als bisher ist die elektronische Rechnungstellung nicht an eine Zustimmung des Rechnungsempfängers geknüpft. Diese ist nur noch für elektronische Rechnungen erforderlich, die nicht den neuen Vorgaben entsprechen bzw. in den Fällen, in denen keine E-Rechnungspflicht besteht (z.B. bei bestimmten steuerfreien Umsätzen oder Kleinbetragsrechnungen). Bei Rechnungen an Endverbraucher bleibt deren Zustimmung Voraussetzung für die elektronische Rechnungstellung.

Praxistipp:
Beim Empfang von E-Rechnungen wird nicht nach Art oder Größe eines Unternehmens differenziert. So müssen auch Kleinunternehmer, Unternehmer mit nur steuerfreien Umsätzen (z.B. Vermieter) oder Vereine ab 2025 technische Vorkehrungen zur Entgegennahme und zur Speicherung von E-Rechnungen treffen.

Wichtig: Der strukturierte Teil einer E-Rechnung ist so aufzubewahren, dass dieser in seiner ursprünglichen Form vorliegt und unveränderbar ist. Eine maschinelle Auswertbarkeit seitens der Finanzverwaltung muss sichergestellt sein. Sofern in einem zusätzlichen übersandten Dokument Aufzeichnungen enthalten sind, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, z.B. Buchungsvermerke, sind diese ebenfalls so aufzubewahren, dass diese in ihrer ursprünglichen Form vorliegen und die Anforderungen an die Unveränderbarkeit erfüllt werden. Auch wenn der Rechnungsaussteller neben der E-Rechnung ein inhaltsgleiches, digitales Dokument in einem Bildformat (z.B. PDF-Dokument) übermittelt, besteht die Archivierungspflicht für das Ursprungsformat der E-Rechnung. Nach derzeitiger Rechtslage gilt für Rechnungen eine Aufbewahrungsfrist von zehn Jahren.

Nicht in jedem Fall ist eine E-Rechnung verpflichtend. So können Kleinbetragsrechnungen bis 250 Euro weiterhin als sonstige Rechnungen übermittelt werden, also z.B. in Papierform oder als PDF-Dokument (§ 33 Abs. 4 UStDV). Gleiches gilt für Fahrausweise (§ 34 UStDV). Ausgenommen sind auch Rechnungen über Leistungen, die nach § 4 Nr. 8 bis 29 UStG steuerfrei sind.

Praxistipp:
Das Bayerische Landesamt für Steuern beantwortet auf seinen Internetseiten die wesentlichen Fragen im Zusammenhang mit der Neuregelung. Unter anderem werden folgende Punkte behandelt: Was ist eine E-Rechnung? Gibt es bereits etablierte, anerkannte E-Rechnungs-Formate? Was benötigt der Unternehmer für den Empfang einer E-Rechnung? Wie sind E-Rechnungen aufzubewahren?. Der Link zu dem Überblick lautet:
https://www.lfst.bayern.de/steuerinfos/weitere-themen/e-rechnung

gepostet: 22.11.2024
Inflationsausgleichsprämie: Ausschluss von Mitarbeitern in Altersteilzeit zulässig
Arbeitgeber dürfen ihren Mitarbeitern eine Inflationsausgleichsprämie gewähren, die bis zu einem Betrag von 3.000 Euro steuer- und sozialversicherungsfrei bleibt. Voraussetzung ist, dass die Leistung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt wird. Die Regelung gilt für Zahlungen, die vom 26.10.2022 bis zum 31.12.2024 geleistet werden (§ 3 Nr. 11c EStG). Steuerlich gibt es prinzipiell keine Verpflichtung, die Prämie an alle Arbeitnehmer auszuzahlen. Das heißt, der Arbeitgeber hat es in der Hand, dem einen Arbeitnehmer eine steuerfreie Inflationsausgleichsprämie zu zahlen und dem anderen nicht (BT-Drucksache 20/3987 vom 14.10.2022). Doch die steuerliche Sichtweise gilt nicht für das Arbeitsrecht. So dürfen Arbeitgeber nicht einfach willkürlich bestimmte Arbeitnehmer begünstigen bzw. andere benachteiligen. Sofern nicht alle Arbeitnehmer eine Prämie erhalten oder diese ihrer Höhe nach differenziert gezahlt wird, müssen objektive Gründe für die unterschiedliche Behandlung vorliegen. Ansonsten gilt arbeitsrechtlich der Gleichbehandlungsgrundsatz.

Nun haben mehrere Landesarbeitsgerichte zu der Frage Stellung genommen, ob eine Inflationsausgleichsprämie während der passiven Phase der Altersteilzeit gezahlt werden muss. Sowohl das LAG Niedersachsen also auch das LAG Hamm und das LAG Düsseldorf sind der Auffassung, dass Mitarbeiter, die sich in der passiven Phase der Altersteilzeit befinden, von der Zahlung der Inflationsausgleichsprämie ausgenommen werden dürfen (LAG Niedersachsen, Urteil vom 17.5.2024, 14 SLa 26/24; LAG Hamm, Urteil vom 11.6.2024, 16 SLa 27/24; LAG Düsseldorf, Urteil vom 5.3.2024, 14 Sa 1148/23). Die beiden Gerichte aus Nordrhein-Westfalen haben jeweils die Revision zugelassen, die auch bereits beim Bundesarbeitsgericht vorliegen (Az. 9 AZR 132/24; 9 AZR 71/24).

Hier kurz der Fall, über den das LAG Niedersachsen zu entscheiden hatte: Der Kläger befindet sich seit dem 1.10.2022 in der passiven Phase der Altersteilzeit. Sein Arbeitgeber zahlte an seine aktiv beschäftigten Mitarbeiter, auch an diejenigen, die noch in der aktiven Phase eines Altersteilzeitverhältnisses standen, eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 1.250 Euro. Der Kläger erhielt dementsprechend keine Inflationsausgleichsprämie. Hiergegen wandte er sich arbeitsgerichtlich. Er vertrat die Auffassung, dass er aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ebenfalls einen Anspruch auf Zahlung der Inflationsausgleichsprämie habe. Eine Differenzierung nach aktiver und passiver Phase der Altersteilzeit sei unzulässig. Doch mit seinem Begehren scheiterte er vor dem LAG.

Die Begründung: Der Arbeitgeber hat die Inflationsausgleichsprämie ausschließlich an aktiv beschäftigte Arbeitnehmer gezahlt und dies damit begründet, diese Arbeitnehmer mit der Leistung motivieren zu wollen. Er hat gerade nicht seine nicht aktiv im Arbeitsverhältnis Tätigen unterstützen wollen, weil eine Motivation dieser Arbeitnehmergruppe nicht geboten gewesen sei. Damit hat der Arbeitgeber einen Leistungszweck dargelegt, der durch die Gruppenbildung unmittelbar nachvollziehbar und ausreichend substantiiert ist. Ein solcher Zweck ist ein durchaus anerkennenswertes sachliches Differenzierungskriterium. Beschäftigte in der Passivphase der Altersteilzeit haben nach den vertraglichen Bedingungen zukünftig keine Arbeitsleistung mehr zu erbringen, der Arbeitgeber kann sie durch die Zahlung der Inflationsausgleichsprämie daher auch nicht zu solch einer Arbeitsleistung motivieren. Die Fälle der beiden anderen Gerichte lagen ähnlich, so dass sie hier nicht weiter vorgestellt werden sollen.

gepostet: 20.11.2024
PV-Anlagen: Balkonkraftwerke bis 800 Voltampere umsatzsteuerfrei
Für die Lieferung einer Photovoltaikanlage fällt seit dem 1. Januar 2023 keine Umsatzsteuer mehr an, wenn diese auf oder in der Nähe eines Wohngebäudes installiert wird. Es gilt der so genannte Nullsteuersatz (§ 12 Abs. 3 UStG). Auch "Inselanlagen" unterliegen dem Nullsteuersatz. Darunter fallen beispielsweise Balkonkraftwerke. Eigentlich muss der leistende Unternehmer nachweisen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen zur Anwendung des Nullsteuersatzes erfüllt sind. Zumindest muss der Erwerber erklären, dass er Betreiber der Photovoltaikanlage ist und es sich entweder um ein begünstigtes Gebäude handelt oder die installierte Bruttoleistung der Photovoltaikanlage nicht mehr als 30 kWp beträgt oder betragen wird. Bei kleineren Inselanlagen, insbesondere auch bei einem Verkauf über das Internet, wäre der Nachweis aber mit einem erheblichen Verwaltungs- und Dokumentationsaufwand verbunden. Daher hat das Bundesfinanzministerium eine Vereinfachungsregelung erlassen.

Bislang galt: Beträgt die Leistung der Photovoltaikanlagen nicht mehr als 600 Watt, entfällt die besondere Nachweispflicht, auch die Betreibereigenschaft des Leistungsempfängers wird unterstellt (BMF-Schreiben vom 27.2.2023, BStBl 2023 I S. 351). Nunmehr wurde die Grenze wurde von 600 Watt auf 800 Voltampere erhöht. Dies gilt für entsprechende Umsätze ab dem 16.5.2024 (BMF-Schreiben vom 15.8.2024, III C 2 - S 7220/22/10002 :017). Hintergrund für die Neuregelung ist das Gesetz zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und weiterer energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften zur Steigerung des Ausbaus photovoltaischer Energieerzeugung vom 8.5.2024 (BGBl 2024 I Nr. 151). Danach wurde mit Wirkung zum 16.5.2024 die für Steckersolargeräte zulässige maximale Einspeiseleistung (Wechselrichter-Scheinleistung) auf 800 Voltampere angehoben.

gepostet: 18.11.2024

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November 2024
Verluste aus Kapitalanlagen: Verlustbescheinigung bis 15.12.2024 beantragen
Banken nehmen eine Verrechnung von Verlusten und negativen Einnahmen mit positiven Kapitalerträgen bereits während des Jahres vor. Hierzu bilden sie für jeden Anleger einen so genannten Verlustverrechnungstopf. Bis zur Höhe der Verluste wird dann von positiven Kapitalerträgen keine Abgeltungsteuer einbehalten oder früher einbehaltene Steuer wieder erstattet. Genau genommen bilden die Banken sogar zwei Verlustverrechnungstöpfe, und zwar einen allgemeinen Verlustverrechnungstopf und einen Aktien-Verlustverrechnungstopf speziell für Verluste und Gewinne aus Aktiengeschäften. Die Verluste aus den Töpfen überträgt die Bank in das nächste Kalenderjahr, so dass der Verlust steuerlich weiter erhalten bleibt. Doch Sie können auch beantragen, dass die Bank Ihnen eine Bescheinigung über den verbleibenden Verlust ausstellt. Dann wird der Verlustverrechnungstopf auf Null gestellt.

Mit dieser Verlustbescheinigung können Sie den Verlustbetrag dann in Ihrer Steuererklärung geltend machen und gegebenenfalls mit positiven Kapitalerträgen anderer Bankinstitute verrechnen lassen. Dazu ist aber ein wichtiger Termin zu beachten: Nur bis zum 15. Dezember 2024 kann die Verlustbescheinigung bei der Bank für das Kalenderjahr 2024 beantragt werden.

Praxistipp:
Die Banken dürfen bei der Frage, ob ein Verlust steuerlich anzuerkennen ist, nur die Auffassung des Bundesfinanzministeriums berücksichtigen. Zuweilen gibt es positive Urteile, die einen Verlustabzug entgegen der Ansicht des BMF zulassen. Doch die Banken dürfen diese Urteile nicht anwenden, solange sie von der Finanzverwaltung nicht "allgemein akzeptiert" werden. Daher ist sehr genau zu prüfen, ob der Verlustverrechnungstopf und die Verlustbescheinigung tatsächlich alle Verluste enthalten.

Praxistipp:
Verluste aus wertlosen Aktien bei der reinen Depotausbuchung dürfen zwar mit Einkünften aus Kapitalvermögen ausgeglichen werden, allerdings gibt es hier eine betragsmäßige Grenze. Die Verluste können nur mit Einkünften aus Kapitalvermögen bis zur Höhe von 20.000 Euro ausgeglichen werden. Nicht verrechnete Verluste sind dann auf Folgejahre vorzutragen. Wichtig: Bei wertlos gewordenen Aktien nimmt die Bank keine Verlustverrechnung vor. Sie stellt Verluste also nicht in den Verlusttopf ein. Die Verluste aus wertlos gewordenen Aktien müssen also zwingend in die Steuererklärung übernommen werden. Das Gleiche gilt für entsprechende Verluste aus Options- und Termingeschäften. Bitte informieren Sie uns, wenn bei Ihnen entsprechende Verluste entstanden sind.

gepostet: 16.11.2024
Grundfreibetrag: Ist der Freibetrag für 2023 und 2024 zu niedrig?
Das Existenzminimum jeden Bürgers muss steuerlich verschont bleiben. Dies hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahre 1998 entschieden (Beschluss vom 10.11.1998, 2 BvL 42/93). Dementsprechend gibt es im Steuerrecht den Grundfreibetrag, der im Jahre 2023 auf 10.908 Euro festgesetzt wurde (§ 32a Abs. 1 S. 2 EStG). In 2024 beträgt der Grundfreibetrag 11.604 Euro, allerdings ist eine rückwirkende Erhöhung auf 11.784 Euro geplant. Bei Verheirateten gelten die doppelten Beträge. Der Grundfreibetrag soll der Höhe nach dem sozialhilferechtlich definierten Existenzminimum entsprechen. Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht hat diesbezüglich entschieden, dass die Höhe des Grundfreibetrages zwar für 2023 und 2024 nicht zu beanstanden ist, doch es wurde die Revision zugelassen, die bereits beim Bundesfinanzhof anhängig ist (Urteil vom 28.6.2024, 1 K 37/23, Revision unter III R 26/24).

Die Kläger beantragten, die Einkommensteuer-Vorauszahlungen für 2023 neu festzusetzen. Zwar sei der Gewinn zutreffend zugrunde gelegt worden; es sei jedoch lediglich ein Grundfreibetrag von 10.908 Euro bzw. für Verheiratete von 21.816 Euro berücksichtigt worden. Ausweislich eines Berichts in der Berliner Morgenpost betrügen die Leistungen nach dem Bürgergeld jedoch 14.280 Euro. Dieser Betrag sei höher als der steuerliche Grundfreibetrag, was einen Verstoß gegen den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsatz darstelle, wonach das steuerliche Existenzminimum für alle Steuerpflichtigen von der Einkommensteuer freizustellen sei. Einspruch und Klage wurden abgewiesen. Trotz bestehender verfassungsrechtlicher Bedenken sei das Gericht nicht von der Verfassungswidrigkeit der Vorschriften des § 32a Abs. 1 S. 2 EStG für das Jahr 2023 - und auch nicht für das Jahr 2024 - überzeugt. Doch wie erwähnt wurde die Revision zugelassen.

Die Richter geben durchaus zu verstehen, dass gegen den Gleichklang zwischen Sozial- und Steuerrecht sowohl im Jahre 2023 als auch im 2024 verstoßen wurde. Im Jahre 2023 sei dies unter anderem der Fall gewesen, weil die Kostenübernahme für die Unterkunft im Rahmen des Sozialrechts - faktisch - in weiten Teilen über den im Rahmen des Grundfreibetrags "berücksichtigten" Kosten gelegen haben dürfte. Und im Jahre 2024 würden die Ergebnisse des 14. Existenzminimumberichts zum Regelbedarfsniveau im Sozial- und im Steuerrecht in unterschiedlicher Weise berücksichtigt. Gleichwohl konnten sich die Richter nicht dazu durchringen, den Fall dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Für das Jahr 2023 sehen die Richter in der zum Teil hohen Kostenübernahme für das Wohnen eine sozialrechtliche Sondersituation, auf die im Steuerrecht - aufgrund der Typisierung - nicht reagiert werden musste. Für das Jahr 2024 hingegen sei die Abweichung zwischen Sozial- und Steuerrecht mit 15 Euro pro Monat nur gering, so dass noch keine Verfassungswidrigkeit gegeben sei.

Praxistipp:
Einsprüche gegen Einkommensteuerbescheide für das Jahr 2023 und gegebenenfalls gegen Vorauszahlungsbescheide für das Jahr 2024 werden auf Antrag ruhend gestellt (§ 363 Abs. 2 AO).

gepostet: 14.11.2024
Wirtschafts-Identifikationsnummer: Die Zuteilung beginnt ab November 2024
Bei Abgabe einer Steuererklärung erhalten Steuerpflichtige eine Steuernummer. Bereits seit vielen Jahren wird allen Bürgern in Deutschland zudem eine Steuer-Identifikationsnummer (IdNr.) zugeteilt. Unternehmer erhalten auf Antrag auch eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.). Nunmehr wird das "Spektrum" um die Wirtschafts-Identifikationsnummer (W-IdNr.) erweitert. Die bundesweite Einführung der W-IdNr. startet zum 1. November 2024. Die Vergabe und die Mitteilung an die wirtschaftlich Tätigen erfolgt in mehreren Stufen und soll 2026 abgeschlossen werden. Die W-IdNr. wird ausschließlich vom Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) vergeben. Das BZSt stellt hierfür keine Kosten in Rechnung.

Die W-IdNr. ist eine eindeutige Identifikationsnummer, die allen wirtschaftlich Tätigen in Deutschland zugewiesen wird. Dies betrifft Unternehmen aller Rechtsformen. Perspektivisches Ziel der Einführung der W-IdNr. ist die Vereinfachung der Kommunikation zwischen den wirtschaftlich Tätigen und Behörden sowie zwischen den Behörden untereinander. Mit der Wirtschafts-Identifikationsnummer-Verordnung sollen verschiedene Einzelheiten zur W-IdNr. geregelt werden, zum Beispiel der Zeitpunkt der Einführung der W-IdNr., Richtlinien zur Vergabe und Fristen zur Löschung.

Die W-IdNr. besteht aus den Buchstaben "DE“ und neun Ziffern. Die Steuernummer bleibt auch nach Einführung der W-IdNr. in ihrer Funktion bestehen und ist zunächst insbesondere auf den steuerlichen Vordrucken der Landesfinanzbehörden wie bisher zu verwenden. Die IdNr. bleibt auch nach Einführung der W-IdNr. in ihrer Funktion als eindeutiges Identifikationsmerkmal einer natürlichen Person nach § 139a AO im Verwaltungsverfahren erhalten. Im Gegensatz zur USt-IdNr. muss die W-IdNr. nicht beantragt werden. Das BZSt gibt auf seinen Internetseiten einen Überblick über die Einführung der W-IdNr. und hat zudem einen Fragen-Antworten-Katalog (FAQs) veröffentlicht. Unter anderem werden folgende Punkte behandelt: Wer bekommt eine W-IdNr. und warum? Werden mehrere W-IdNrn. erteilt, wenn mehrere Gewerbe betrieben werden? Was ist der Unterschied zwischen der W-IdNr. und der USt-IdNr.? Was muss ich tun, wenn sich an meinen Stammdaten (z.B. Adresse oder Betriebssitz, Änderung der Firma) etwas ändert? Welche Daten werden von mir gespeichert? Wer erhält Zugriff auf meine Daten? Zu dem Überblick gelangen Sie unter www.bzst.de, dort unter dem Pfad Unternehmen - Identifikationsnummern - Wirtschafts-Identifikationsnummer.

gepostet: 12.11.2024
Inflationsausgleichsprämie: Spätestens im Dezember 2024 auszahlen
Wenn Arbeitgeber ihren Mitarbeitern eine so genannte Inflationsausgleichsprämie gewähren, bleibt diese bis zu einem Betrag von 3.000 Euro steuer- und sozialversicherungsfrei. Voraussetzung für die Steuer- und Beitragsfreiheit ist, dass die Leistung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt wird. Die Regelung gilt für Zahlungen, die vom 26.10.2022 bis zum 31.12.2024 gewährt werden (§ 3 Nr. 11c EStG).

Wichtig: Die Prämie muss tatsächlich bis zum 31.12.2024 gewährt werden. Eine Auszahlung mit dem Dezember-Gehalt 2024 erst Anfang Januar 2025 wäre zu spät. Maßgebend ist der Zufluss beim Arbeitnehmer und nicht der Abfluss beim Arbeitgeber. Im Fragen-Antworten-Katalog des Bundesfinanzministeriums zur Inflationsausgleichsprämie heißt es diesbezüglich unter Punkt 12: "Es gilt das Zuflussprinzip gemäß §§ 11, 38a Einkommensteuergesetz. Für den Zufluss beim Arbeitnehmer kommt es darauf an, dass er wirtschaftlich über das Geld verfügen kann." Und verfügen kann der Arbeitnehmer über das Geld erst am Buchungstag, das heißt im Zeitpunkt der Gutschrift. Auf den Wertstellungstag bei der Bank kommt es nicht an (BFH-Urteil vom 17.8.2023, V R 12/22). Das Urteil ist zwar zur Umsatzsteuer ergangen, dürfte für die Lohn- und Einkommensteuer aber gleichermaßen gelten.

gepostet: 10.11.2024
Umsatzsteuer: E-Rechnungspflicht auch für Vereine
Ab dem 1. Januar 2025 müssen Unternehmen in Deutschland elektronische Rechnungen (E-Rechnungen) ausstellen, wenn sie anderen Unternehmen (z.B. Einzelhandel, Gewerbebetriebe, gemeinnützige Einrichtungen) Waren verkaufen oder Dienstleistungen erbringen. E-Rechnungen sind digitale Rechnungen, die in einem speziellen Format vorliegen, das von Computern gelesen werden kann, damit sie leicht verarbeitet werden können. Das Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern weist in einer Pressemittelung auf Folgendes hin:

Die neue Regel gilt auch für gemeinnützige Vereine, wenn sie Dienstleistungen oder Produkte an andere Unternehmen erbringen bzw. verkaufen. Auch wenn ein Verein die Kleinunternehmerregelung für die Umsatzsteuer gewählt hat, gilt die Pflicht zur E-Rechnung. Das bedeutet, dass E-Rechnungen in allen Bereichen (auch Sphären genannt) eines Vereins erstellt werden müssen, in denen Waren oder Dienstleistungen verkauft werden; betroffen können somit die Sphären der Zweckbetriebe, der Vermögensverwaltung oder der steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe sein.

Allerdings gibt es Übergangsfristen: Wenn der Verein im jeweiligen Vorjahr weniger als 800.000 Euro Umsatz erzielt hat, dürfen bis Ende 2027 weiterhin Papier- oder mit Zustimmung des Leistungsempfängers einfache digitale Rechnungen ausgestellt werden. Für Kleinbetragsrechnungen bis 250 Euro (und Fahrausweise) gibt es eine freiwillige Ausnahme von der Pflicht.

Vereine sollten sich jedoch darauf vorbereiten, ab dem 1. Januar 2025 E-Rechnungen empfangen zu können (ggf. als Anhang einer E-Mail), die den Sphären Zweckbetrieb, Vermögensverwaltung und steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zugeordnet werden können. Für den Empfang von E-Rechnungen ist nämlich keine Übergangsfrist vorgesehen (Quelle: Steuerportal FinMin Mecklenburg-Vorpommern, PM 1/2024).

gepostet: 08.11.2024
PV-Anlagen: Zum Prognosezeitraum der Gewinnerzielungsabsicht in Altfällen
Seit dem 1.1.2022 werden Photovoltaikanlagen auf Einfamilienhäusern bis zu 30 kWp gesetzlich steuerfrei gestellt. Bei Anlagen auf Mehrfamilienhäusern und gemischt genutzten Häusern liegt die Grenze bei 15 kWp pro Wohn- oder Gewerbeeinheit. Allerdings sind auch Verluste nicht mehr abziehbar. In den Jahren vor 2022 durften Verluste aus dem Betrieb von Photovoltaikanlagen hingegen steuerlich geltend gemacht werden, sofern nicht bereits vor 2022 das so genannte LiebhabereiWahlrecht für kleine Anlagen genutzt wurde. Allerdings musste mit der Photovoltaikanlage auf Dauer gesehen ein Totalgewinn bzw. ein Totalüberschuss erzielt werden. Ohne Gewinnerzielungsabsicht bzw. ohne Totalüberschuss waren die Verluste von Anfang an nicht abziehbar. Zur Ermittlung des Totalgewinns/-überschusses hat das Finanzgericht Baden-Württemberg ein sehr umfassendes Urteil gefällt, das hier stark verkürzt wiedergegeben wird. Von besonderer Bedeutung sind folgende Aussagen des Gerichts: Beim Betrieb von Photovoltaikanlagen ist für die Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht ein Prognosezeitraum von 20 Jahren anzusetzen. Ein Restwert ist nach Ablauf der 20 Jahre nicht anzunehmen (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.11.2023, 10 K 646/22).

Der Sachverhalt: In seiner Einkommensteuererklärung 2018 machte der Kläger einen Verlust aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage durch Bildung eines Investitionsabzugsbetrags geltend. Er erzielte auch 2019 einen Verlust aus dem Betrieb der Anlage. Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer des Streitjahres 2020 erstellte das Finanzamt eine Gewinnprognose. Es ermittelte über eine Gesamtnutzungsdauer von 20 Jahren einen Totalverlust. Daher änderte das Finanzamt die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2018 und 2019 und berücksichtigte die bislang angesetzten Verluste aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage nicht mehr. Auch das Finanzgericht entschied, dass die geltend gemachten Verluste nicht abgezogen werden dürfen.

Die Begründung des Gerichts lautet: Für die Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht bzw. für die Ermittlung eines eventuellen Totalüberschusses ist ein Prognosezeitraum von 20 Jahren zugrunde zu legen. Eine längere Nutzbarkeit wäre rein spekulativ und stützt sich nicht auf derzeit gesicherte Erkenntnisse. Bei seiner Schätzung der Betriebseinnahmen ging das Finanzamt bei einer Anlage mit 9.900 kWh/kWp von einer jährlichen Stromerzeugung von 9.900 kWh aus. Für den Prognosezeitraum von 20 Jahren ergibt sich hieraus eine Stromerzeugung von insgesamt 198.000 kWh. Dies ist nicht zu beanstanden. Des Weiteren hat das Finanzamt auf Basis der Werte des Jahres 2020 zutreffend einen Anteil von rund 29,04 % (57.500 kWh) für die Einspeisung mit 0,1079 Euro/kWh und einen Anteil von rund 70,96 % für den Eigenverbrauch (140.500 kWh) zugrunde gelegt. Hinsichtlich des selbst verbrauchten Stroms (140.500 kWh) kommt es zu einer als Betriebseinnahme zu erfassenden Entnahme, die mit dem Teilwert anzusetzen ist. Der Teilwert des selbst verbrauchten Stroms entspricht den für seine Erzeugung aufgewandten Kosten.

Ein Restwert der Anlage nach Ablauf der 20-jährigen Nutzungsdauer ist für die Prognose nicht als Einnahme zu berücksichtigen. Zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung des Klägers (spätestens) im Jahr 2018 war kaum vorhersehbar, welche Faktoren in welchem Umfang zu einem nennenswerten Restwert der Anlage beitragen könnten bzw. werden. Die diesbezügliche Unsicherheit besteht fort, so dass eine Ermittlung bzw. Schätzung des Restwerts auf ausreichend gesicherter Grundlage nicht möglich erscheint. Jedenfalls ergibt sich vor diesem Hintergrund kein Restwert, der im Streitfall zu einer positiven Ergebnisprognose führen könnte (Quelle: FG Baden-Württemberg, Newsletter 1/2024).

gepostet: 06.11.2024
Fahrten zur Arbeit: Verkehrsgünstigere anstelle der kürzesten Straßenverbindung
Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sind mit der Entfernungspauschale als Werbungskosten oder Betriebsausgaben absetzbar. Die Pauschale beträgt für die ersten 20 Entfernungskilometer je 30 Cent; ab dem 21. Entfernungskilometer beträgt sie 38 Cent. Für die Bestimmung der Entfernung ist die kürzeste Straßenverbindung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte maßgebend; eine andere als die kürzeste Straßenverbindung kann zugrunde gelegt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte benutzt wird (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 EStG).

Eine von der kürzesten Straßenverbindung abweichende Strecke ist offensichtlich verkehrsgünstiger, wenn der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte - trotz gelegentlicher Verkehrsstörungen - in der Regel schneller und pünktlicher erreicht. Die kürzeste Straßenverbindung ist auch dann maßgeblich, wenn diese mautpflichtig ist oder mit dem vom Arbeitnehmer tatsächlich verwendeten Verkehrsmittel straßenverkehrsrechtlich nicht benutzt werden darf (BMF-Schreiben vom 18.11.2021, BStBl 2021 I S. 2315). Die Fahrzeitersparnis sollte mindestens zehn Prozent der für die kürzeste Verbindung benötigten Fahrzeit betragen. Eine Strecke kann - außer der Zeitersparnis - auch dann offensichtlich verkehrsgünstiger sein als die kürzeste Verbindung, wenn die längere Route bessere Straßen, weniger Ampeln, weniger Ortsdurchfahrten, weniger Verkehr usw. enthält. Deshalb kann eine offensichtlich verkehrsgünstigere Straßenverbindung auch vorliegen, wenn nur eine relativ geringe oder gar keine Zeitersparnis zu erwarten ist, sich die Strecke jedoch aufgrund anderer Umstände als verkehrsgünstiger erweist als die kürzeste Verbindung (BFH-Urteil vom 16.11.2011, BStBl 2012 II S. 520; BFH-Urteil vom 16.11.2011, BStBl 2012 II S. 470).

Kürzlich hat das Niedersächsische Finanzgericht bestätigt, dass die längere Strecke regelmäßig verkehrsgünstiger sein muss als die kürzere Strecke. Dass die Umwegstrecke bei extremen Stauverhältnissen auch einmal verkehrsgünstiger und schneller sein kann als die kürzere Verbindung, reicht nicht aus. Entscheidend ist vielmehr, dass die erste Tätigkeitsstätte trotz gelegentlicher Verkehrsstörungen durch Benutzung der Umwegstrecke in der Regel schneller und pünktlicher erreicht wird (Niedersächsisches FG, Urteil vom 3.4.2024, 9 K 117/21).

Der Kläger gab in seiner Steuererklärung an, für die Fahrt zur Arbeit die längere Strecke zu nutzen, da sie seinen Angaben nach verkehrsgünstiger sei (102 Km statt 75 Km). Staubedingt ergäbe sich während der Berufszeiten auf der kürzeren Strecke häufig ein erheblicher Zeitverlust. Die kürzere Strecke sei zudem auch unfall- und baustellenträchtiger. Das Finanzamt akzeptierte dennoch nur die kürzere Strecke; die Klage blieb erfolglos. Das Gericht konnte nicht feststellen, dass die vom Kläger benutzte längere Strecke (hier über die A 7 / A 39) verkehrsgünstiger ist als die kürzeste Strecke (hier über die A2 / A 391). Die kürzere Strecke über die A 2 / A 391 sei nach einer Google-Maps-Recherche des Gerichts bei üblicher Verkehrslage sogar um 11 Minuten schneller.

Praxistipp:
Auch bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel richtet sich die Entfernungsbestimmung nach der Straßenverbindung. Allerdings kann die verkehrsgünstigere - aber längere - Strecke angesetzt werden, wenn die Linienführung über die verkehrsgünstigere Strecke verläuft (BMF-Schreiben vom 18.11.2021, BStBl 2021 I S. 2315 Rz. 12).

gepostet: 04.11.2024
Künstlersozialversicherung: Abgabe bleibt im Jahr 2025 bei 5,0 Prozent
Im Jahr 2025 wird der Abgabesatz zur Künstlersozialversicherung unverändert 5,0 Prozent betragen. Dies sieht die Künstlersozialabgabe-Verordnung 2025 vor (BGBl. 2024 I Nr. 274 vom 4.9.2024). Über die Künstlersozialversicherung werden derzeit mehr als 190.000 selbstständige Künstler und Publizisten als Pflichtversicherte in den Schutz der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung einbezogen. Die selbstständigen Künstler und Publizisten tragen, wie abhängig beschäftigte Arbeitnehmer, die Hälfte ihrer Sozialversicherungsbeiträge. Die andere Beitragshälfte wird durch einen Bundeszuschuss (20 Prozent) und durch die Künstlersozialabgabe der Unternehmen (30 Prozent), die künstlerische und publizistische Leistungen verwerten, finanziert. Die Künstlersozialabgabe wird als Umlage erhoben. Der Abgabesatz wird jährlich für das jeweils folgende Kalenderjahr festgelegt. Bemessungsgrundlage sind alle in einem Kalenderjahr an selbstständige Künstler und Publizisten gezahlten Entgelte.

gepostet: 02.11.2024
Oktober 2024
Umsatzsteuer: Innenumsätze einer Organschaft weiterhin nicht steuerbar
Bei der umsatzsteuerlichen Organschaft werden der Organträger und die Organgesellschaft als ein einziger Steuerpflichtiger behandelt. Lieferungen und Leistungen zwischen Organträger und Organgesellschaft gelten als reine Innenumsätze und sind umsatzsteuerlich nicht relevant. Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass die Nichtsteuerbarkeit der Innenumsätze von Organschaften mit dem EU-Recht konform ist. Die Entscheidung bestätigt die deutsche Auffassung und sorgt damit für Rechtssicherheit (EuGH-Urteil vom 11.7.2024, C-184/23). Vorausgegangen war ein Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs vom 26.1.2023 (V R 20/22 (V R 40/19)).

Im zugrunde liegenden Fall ging es um eine Stiftung öffentlichen Rechts (Trägerin einer Universität), die auch einen Bereich für Universitätsmedizin unterhält. Zudem ist sie Organträgerin einer GmbH. Letztere erbrachte für die Stiftung unter anderem Reinigungsleistungen. Diese umfassten den gesamten Gebäudekomplex des Bereichs Universitätsmedizin und damit sowohl den hoheitlichen (nicht-unternehmerischen) Bereich der Stiftung als auch deren wirtschaftlichen (unternehmerischen) Bereich. Das Finanzamt ging davon aus, dass die von der GmbH an die Stiftung erbrachten Reinigungsleistungen aufgrund der Organschaft als reine Innenumsätze zu werten seien, die umsatzsteuerlich irrelevant sind. Soweit diese Leistungen jedoch für den Hoheitsbereich der Stiftung erfolgt seien, dienten sie einer "unternehmensfremden“ Tätigkeit und lösten die Besteuerung wie bei einer unentgeltlichen Wertabgabe aus.

Im Laufe dieses und eines weiteren Verfahrens musste der EuGH zunächst klären, ob die deutsche Regelung zur Organschaft überhaupt mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Letztlich entschied er, dass die deutsche Organschaftsbesteuerung mit dem EU-Recht grundsätzlich konform ist (EuGH-Urteile vom 1.12.2022, C-141/20 und C-269/20). Der BFH hielt es allerdings für erforderlich, den EuGH erneut anzurufen und mit der Frage zu befassen, ob gegen Entgelt erbrachte Innenumsätze eines Organkreises der Mehrwertsteuer unterliegen können. Es stelle sich außerdem die Frage, ob solche Leistungen nicht wenigstens dann der Mehrwertsteuer unterliegen sollten, wenn der Leistungsempfänger nicht oder nur teilweise berechtigt ist, die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer als Vorsteuer abzuziehen, und zwar um die "Gefahr von Steuerverlusten“ zu vermeiden.

Der EuGH hat entschieden, dass Innenumsätze im Rahmen einer Organschaft selbst dann nicht der Mehrwertsteuer unterliegen, wenn die vom Empfänger dieser Leistungen geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer nicht als Vorsteuer abgezogen werden darf. Unentgeltliche Wertabgaben dürfen hingegen nicht angenommen werden. Der EuGH sieht in der deutschen Haltung auch nicht die Gefahr von Steuerausfällen.

Praxistipp:
In Fällen wie dem oben dargestellten kommt es zwar nicht zu einer Besteuerung von Innenumsätzen und auch nicht zur Annahme von - steuerpflichtigen - unentgeltlichen Wertabgaben. Soweit Leistungen aber den nicht-unternehmerischen Bereich betreffen, ist ein Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen des Organs, hier also etwa für den Bezug von Reinigungsmitteln, ausgeschlossen.
gepostet: 31.10.2024
Erhaltungsaufwand: Nachträglich eingebautes Notentwässerungssystem
Das Finanzgericht Düsseldorf hat entschieden, dass Aufwendungen für die nachträgliche Errichtung einer Notentwässerungsanlage sofort als Erhaltungsaufwand abgezogen werden dürfen (FG Düsseldorf, Urteil vom 24.5.2024, 3 K 2044/18 F). Der Klägerin gehörte ein Gebäude mit einem Flachdach. Dieses wurde in den Jahren 1999 bis 2001 gebaut. Entsprechend den Vorgaben der DIN 19686-100 errichtete die Klägerin im Jahr 2010 neben dem bereits bestehenden Dachentwässerungssystem, bei dem das Regenwasser über Abflussrohre in die Kanalisation eingeleitet wird, ein Notentwässerungssystem mit eigenen Rohrleitungen, über die bei Starkregen etwaiges sich auf dem Dach stauendes Wasser auf Überflutungsflächen abgeführt wird. Die hierdurch entstandenen Aufwendungen behandelte sie als sofort abzugsfähigen Erhaltungsaufwand. Das Finanzamt nahm hingegen Herstellungskosten an und berücksichtigte lediglich die AfA. Die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich.

Der Einbau der Notentwässerungsanlage gehe nicht über eine Modernisierung hinaus. Das Wesen der Modernisierung bestehe darin, einem Gebäude den zeitgemäßen Standard wiederzugeben, den es ursprünglich besessen, durch den technischen Fortschritt und die Veränderung der Lebensgewohnheiten / Umweltanforderungen jedoch verloren hatte. Das in den Jahren 1999 bis 2001 errichtete Gebäude wurde mit einer den damaligen Vorschriften entsprechenden Dachentwässerungsanlage ausgestattet. Da die technischen Anforderungen für Entwässerungsanlagen verschärft wurden, habe die Klägerin im Jahr 2010 die Notentwässerungsanlage eingebaut. Eine solche Anpassung des Gebäudes an die Zeitumstände bedeute aber weder eine Substanzvermehrung noch eine Veränderung im Wesen, sondern lediglich eine Modernisierung. Dass die neue Entwässerungsanlage zusätzlich zur alten Anlage errichtet wurde - das heißt etwas Neues hinzugefügt wurde - ändere daran nichts. Das Wesen und insbesondere die Nutzungsmöglichkeit des Gebäudes seien im Streitfall völlig unverändert geblieben.

Praxistipp:
Es wurde die Revision zugelassen, die auch bereits vorliegt. Das Az. beim Bundesfinanzhof lautet IV R 11/24.
gepostet: 29.10.2024
Steuerbescheide: Verlängerung der Bekanntgabevermutung auf vier Tage
Steuerbescheide - und auch andere Verwaltungsakte - gelten grundsätzlich drei Tage nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben. Das ist die so genannte Bekanntgabe- bzw. Zugangsfiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO). Der Tag der Bekanntgabe ist wichtig, da die Einspruchsfrist erst ab der tatsächlichen Bekanntgabe läuft. Da ab 2025 aufgrund des "Postrechtsmodernisierungsgesetzes" verlängerte Postlaufzeiten gelten, hat der Gesetzgeber auch die gesetzliche Zugangsfiktion geändert. Diese wird ab dem 1.1.2025 von bisher drei Tage auf vier Tage verlängert. Im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit wird auch die bisherige gesetzliche Bekanntgabevermutung bei elektronischer Übermittlung eines Verwaltungsakts von drei Tage auf vier Tage nach der Absendung angepasst. Dies vermeidet unterschiedliche Bekanntgabezeitpunkte in Abhängigkeit von der Übermittlung durch die Post oder der elektronischen Übermittlung (§ 122 Abs. 2a AO). Außerdem wird die bisherige gesetzliche Bekanntgabevermutung bei Bereitstellung eines elektronischen Verwaltungsakts zum Abruf von drei Tage auf vier Tage nach Absendung der elektronischen Benachrichtigung angepasst (§ 122a Abs. 4 AO).

Praxistipp:
Weiterhin gilt die bisherige Fristenregelung des § 108 Abs. 3 AO, nach der sich der Bekanntgabezeitraum zum nächsten Werktag verlängert, wenn der vierte Tag (bislang der dritte Tag) nach Aufgabe zur Post auf einen Sonnabend, einen Sonntag oder einen gesetzlichen Feiertag fällt. Das war im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zunächst umstritten.
gepostet: 27.10.2024
Verlust aus Nebenberuf: Kein Anspruch auf endgültige Steuerbescheide
Wer eine Tätigkeit aus persönlichen Neigungen heraus betreibt und dauerhaft Verluste erzielt, muss davon ausgehen, dass das Finanzamt diese nicht anerkennt, sondern eine so genannte Liebhaberei unterstellt. Andererseits können auch lang andauernde Verluste steuerlich abgezogen bzw. verrechnet werden, wenn ernsthaft die Absicht besteht, mit der Tätigkeit (positive) Einkünfte zu erzielen. Naturgemäß sind die Finanzämter aber skeptisch, wenn längere Zeit Verluste erwirtschaftet werden. Daher erlassen sie die Steuerbescheide bei Verlusten oftmals in dem entsprechenden Punkt vorläufig (§ 165 AO). Der Vorläufigkeitsvermerk erlaubt den Finanzämtern eine zeitlich unbegrenzte Änderung zulasten des Steuerpflichtigen. Wenn also auch nach Jahren nicht glaubhaft gemacht werden kann, dass ein so genannter Totalüberschuss erwirtschaftet werden kann bzw. dass eine Gewinnerzielungsabsicht besteht, können die Finanzämter die bereits erlassenen Steuerbescheide für die alten Jahre noch ändern. Aus Sicht des Betroffenen wäre es daher eigentlich wünschenswert, wenn der jeweilige Steuerbescheid von Beginn an endgültig erlassen würde.

In diesem Zusammenhang hat der Bundesfinanzhof entschieden: Bei der nebenberuflichen Anwaltstätigkeit einer Syndikusrechtsanwältin in eigener Kanzlei darf aufgrund einer dauerhaften Verlustsituation ein Vorläufigkeitsvermerk gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 AO hinsichtlich einer ungewissen Gewinnerzielungsabsicht jedenfalls dann ergehen, wenn die Art und Weise der Betriebsführung der Kanzlei unklar ist. Weitere Umstände des Einzelfalls, die den grundsätzlich bestehenden Anscheinsbeweis für eine Gewinnerzielungsabsicht der nebenberuflichen anwaltlichen Tätigkeit in der eigenen Kanzlei erschüttern, müssen nicht festgestellt werden (BFH-Beschluss vom 17.7.2024, VIII B 48/23).

Praxistipp:
Die Entscheidung ist auf andere selbstständige Tätigkeiten übertragbar. Um Missverständnisse zu vermeiden: Der Beschluss des BFH sagt nichts darüber aus, ob die Verluste eines Tages endgültig anzuerkennen sind oder der Abzug versagt wird. Es geht lediglich um die - rein verfahrensrechtliche - Frage, ob ein Vorläufigkeitsvermerk überhaupt zulässig ist.
gepostet: 25.10.2024
Aussetzung der Vollziehung: Zinssatz von 6 Prozent p.a. verfassungswidrig?
Wer gegen einen Steuerbescheid Einspruch einlegt oder gar Klage erhebt, muss die festgesetzte Steuer zunächst zahlen. Allerdings kann ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt werden, dem bei "ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids" stattzugeben ist. Dies bedeutet, dass die Steuer zunächst nicht entrichtet werden muss. Die Aussetzung der Vollziehung hat jedoch einen Haken: Bleiben Einspruch oder Klage endgültig ohne Erfolg und muss die Steuer dann "nachträglich“ doch gezahlt werden, sind für die Dauer der Aussetzung Zinsen zu zahlen, und zwar 0,5 Prozent pro Monat (Aussetzungszinsen, § 237 i.V.m. 238 Abs. 1 Satz 1 AO).

Der Bundesfinanzhof hält den Zinssatz von 0,5 Prozent pro Monat bzw. 6 Prozent pro Jahr für die Aussetzungszinsen für verfassungswidrig. Er hat daher mit Beschluss vom 8.5.2024 (VIII R 9/23) das Bundesverfassungsgericht angerufen. Im Streitfall hatte der Kläger seinen Einkommensteuerbescheid 2012 angefochten. Dessen Vollziehung setzte das Finanzamt aus. Die Klage war erfolglos. Aussetzungszinsen von 0,5 Prozent wurden für 78 Monate festgesetzt, unter anderem für den Zeitraum vom 1.1.2019 bis zum 15.4.2021. Der Kläger wandte sich gegen die Zinsfestsetzung. Nach Auffassung des BFH verstößt ein Zinssatz von 0,5 Prozent pro Monat für die Aussetzungszinsen im Zeitraum vom 1.1.2019 bis zum 15.4.2021 gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Zumindest während einer anhaltenden strukturellen Niedrigzinsphase ist der gesetzliche Zinssatz der Höhe nach evident nicht (mehr) erforderlich, um den durch eine spätere Zahlung typischerweise erzielbaren Liquiditätsvorteil abzuschöpfen. Zudem werden Steuerpflichtige, die Aussetzungszinsen nach einem verlorenen Einspruchs- oder Klageverfahren schulden, und Steuerpflichtige, die "nur" Nachzahlungszinsen aufgrund einer Steuernachforderung entrichten müssen, ungleich behandelt. Denn Nachzahlungszinsen werden seit dem 1.1.2019 lediglich mit einem Zinssatz von 0,15 Prozent für jeden Monat, also 1,8 Prozent p.a., berechnet. Auch diese Zinssatzspreizung ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt (Quelle: BFH, PM vom 22.8.2024).

Praxistipp:
Mit Beschluss vom 8.7.2021 (1 BvR 2237/14) hat das Bundesverfassungsgericht die Höhe der Zinsen auf Steuernachzahlungen (und auch auf Steuererstattungen), die so genannte Vollverzinsung, für verfassungswidrig erklärt. Auch hier wurden früher Zinsen in Höhe von 6 Prozent p.a. festgesetzt. Die Verfassungshüter halten den Zinssatz zwar seit dem 1.1.2014 für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG, doch der Gesetzgeber musste erst zum 1.1.2019 reagieren. Seitdem werden lediglich 1,8 Prozent p.a. erhoben. Die Entscheidung aus Karlsruhe erstreckte sich aber nicht auf die Aussetzungszinsen und andere "Teilverzinsungstatbestände".
gepostet: 23.10.2024
Finanzierungskosten: Was gilt bei anteiliger Grundstücksschenkung?
Wenn Eltern einem Kind eine vermietete Immobilie übertragen, ohne dass der Beschenkte vorhandene Darlehen schuldrechtlich mit übernimmt, können die Schuldzinsen für das Darlehen nicht - mehr - steuerlich geltend gemacht werden. Der Bundesfinanzhof hatte schon vor vielen Jahren entschieden: Überträgt der Grundstückseigentümer ein Grundstück unter Zurückbehaltung der Darlehensverpflichtung schenkweise auf seine Kinder, so verlieren die Schulden ihre Objektbezogenheit und gehen in den privaten, nicht mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Bereich über (BFH-Urteil vom 30.1.1990, IX R 182/84). Was aber gilt, wenn das Kind lediglich einen Miteigentumsanteil an einer vermieteten Immobilie erhält? Das Niedersächsische Finanzgericht hat diesbezüglich geurteilt: Schenkt der Vater seinem Sohn einen Miteigentumsanteil an einer vermieteten Immobilie, ohne die Darlehen anteilig mit zu übertragen, so kann er seine Schuldzinsen anschließend nur noch anteilig entsprechend seinem verbliebenen Miteigentumsanteil abziehen (Urteil vom 13.12.2023, 3 K 162/23). Doch ob diese Auffassung richtig ist, muss nun der Bundesfinanzhof in dem Revisionsverfahren mit dem Az. IX R 2/24 klären.

Der Vater war zunächst Alleineigentümer eines vermieteten Grundstücks. Zur Finanzierung des Erwerbs nahm er insgesamt drei Darlehen auf. Zum 1. Juli 2019 übertrug der Vater einen ideellen 2/5-Miteigentumsanteil im Wege vorweggenommener Erbfolge auf seinen Sohn, so dass eine vermögensverwaltende GbR entstanden ist. Der Sohn übernahm zwar auch die Grundschuld entsprechend seinem Miteigentumsanteil, doch zu einer vertraglichen Schuldübernahme oder einem Schuldbeitritt ist es nicht gekommen. Die nunmehr bestehende Vermietungs-GbR machte im Jahre 2020 Darlehenszinsen aus den Darlehen des Vaters in Höhe von rund 60.000 Euro als Sonderwerbungskosten geltend. Das Finanzamt berücksichtigte die Schuldzinsen hingegen nur entsprechend dem Miteigentumsanteil des Vaters. Die übrigen Zinsen blieben unberücksichtigt. Die hiergegen gerichtete Klage wurde zurückgewiesen. Bei Grundstücken des Betriebsvermögens habe der BFH zwar entschieden, dass die Schuldzinsen auch dann voll als Betriebsausgaben abziehbar bleiben, wenn die Immobilie ins Gesamthandsvermögen eingebracht wird und der Einbringende an der Mitunternehmerschaft nicht zu 100 Prozent beteiligt ist (BFH-Beschluss vom 27.4.2017, IV B 53/16). Die Entscheidung sei aber auf den Streitfall nicht übertragbar, da es hier um ein Grundstück des Privatvermögens geht.

Praxistipp:
Der BFH muss in der Revision entscheiden, ob es sachlich gerechtfertigt ist, den Sachverhalt bei einer vermögensverwaltenden GbR anders zu behandeln als bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb.
gepostet: 21.10.2024
Preisgelder: Keine Einkommensteuer auf Kunstpreis
Seit 1994 verleiht die Leipziger Volkszeitung (LVZ) einen mit 10.000 Euro dotierten Kunstpreis an Künstlerinnen und Künstler, die noch am Beginn ihres Schaffens stehen und die mit der Region Leipzig verbunden sind. Eine Bewerbung für den Preis ist nicht möglich; er wird auf Vorschlag von einer Jury verliehen. Mit dem Preis verbunden ist eine Ausstellung im Museum der bildenden Künste in Leipzig und die Erstellung eines Kataloges zur Ausstellung. Das Finanzamt sah das Preisgeld als Teil der freiberuflichen Einkünfte des Preisträgers und erhob hierauf Einkommensteuer. Das Sächsische Finanzgericht hingegen hat das Preisgeld mit Urteil vom 26.9.2023 (4 K 156/21) für nicht einkommensteuerbar erklärt. Das Urteil ist rechtskräftig.

Begründung: Es bestehe kein ausreichender Zusammenhang zwischen der freiberuflichen Tätigkeit des Künstlers und dem Preisgeld, denn das Preisgeld sei keine Gegenleistung für ein künstlerisches Werk. Der Kläger habe für den Erhalt des Preises kein besonderes Werk geschaffen oder als Bewerbung für den Preis eingereicht. Der Preis sei auch nicht zweckgebunden und müsse nicht für die Erstellung eines Werkes verwendet werden. Im Rahmen der Ausstellung habe der Kläger auch keine Werke verkaufen können. Es reiche nicht aus, dass der Künstler durch den Preis eine erhöhte Aufmerksamkeit erlange. Erziele er deshalb in Zukunft für seine Werke höhere Preise, so besteuere das Finanzamt diese. Auch aus Sicht der LVZ diene der Preis nicht in erster Linie zur Förderung einzelner Künstler, sondern beabsichtige die Aktivierung und Ermutigung der jungen Kunstszene in der Region Leipzig. Ein eigenes wirtschaftliches Interesse der LVZ sei nicht feststellbar (Quelle: Medienservice Sachsen, PM vom 20.2.2024).
gepostet: 19.10.2024
Verzinsliche Fremdwährungskonten: Wichtige Neuregelung ab 2025
Derzeit sind Währungsgewinne und -verluste aus verzinslichen wie auch aus nicht verzinsten Fremdwährungsguthaben allenfalls als privates Veräußerungsgeschäft gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu erfassen. Das bedeutet, dass Veräußerungsgewinne aus Fremdwährungen, die länger als ein Jahr gehalten werden, steuerfrei bleiben. Dementsprechend sind Verluste nach einem Jahr steuerlich unbeachtlich. Bei Veräußerung innerhalb eines Jahres nach Anschaffung unterliegen Veräußerungsgewinne nicht dem Abzug von Kapitalertragsteuer, sondern müssen in der Einkommensteuererklärung angegeben werden und unterliegen dem persönlichen Steuersatz. Entsprechende Verluste können ausschließlich mit anderen positiven Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften verrechnet werden. Für die Versteuerung kommt es also allein auf die Haltedauer des Fremdwährungsguthabens an. Ob das Guthaben verzinst wird oder unverzinslich ist, spielt keine Rolle. Doch zum 1.1.2025 tritt eine bedeutende Rechtsänderung ein.

Bei Anlagen, die ab dem 1.1.2025 angeschafft werden, wird zwischen verzinslichen und unverzinslichen Fremdwährungskonten unterschieden. Währungsgewinne aus verzinslichen Fremdwährungsguthaben sind künftig den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzurechnen (gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 7 und Abs. 4 EStG). Gewinne unterliegen somit - unabhängig von einer Haltedauer - dem Kapitalertragsteuerabzug von 25 Prozent, also der so genannten Abgeltungsteuer. Verluste können mit anderen positiven Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden. Für Währungsgewinne und -verluste aus unverzinslichen Fremdwährungskonten gibt es keine Rechtsänderung. Es bleibt dabei, dass nach einer Haltedauer von einem Jahr Gewinne steuerfrei und Verluste steuerlich unbeachtlich sind (BMF-Schreiben vom 19.5.2022, BStBl 2022 I S. 742, Rz. 131; BMF-Schreiben vom 11.7.2023, BStBl 2023 I S. 1471, Rz. 325).

Bei verzinslichen Fremdwährungskonten stellt künftig jede Einzahlung oder Zinsgutschrift einen Anschaffungsvorgang dar. Im Falle der späteren Rückzahlung liegt ein veräußerungsgleicher Vorgang im Sinne von § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG vor. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine etwaige Fremdwährungskapitalforderung zugleich in Euro oder in eine dritte Währung umgewandelt wird. Das Gleiche gilt, wenn die Fremdwährungskapitalforderung nach Fälligkeit erneut verzinslich angelegt wird oder auf ein anderes verzinsliches Konto bei demselben oder einem anderen Kreditinstitut umgebucht wird. Diese Vorgänge stellen steuerlich eine Veräußerung der ursprünglichen Kapitalforderung und zugleich eine Anschaffung einer neuen Kapitalforderung dar. Die Prolongation täglich fälliger Kapitalforderungen (beispielsweise Tagesgeldanlagen) sowie die Änderung des Zinssatzes stellt für sich genommen keinen Anschaffungs- oder Veräußerungstatbestand dar, es sei denn das Guthaben wird erstmalig verzinslich oder ein bisher verzinsliches Guthaben wird erstmalig unverzinslich angelegt. Bei der Anschaffung und Veräußerung mehrerer gleichartiger Fremdwährungsbeträge ist zu unterstellen, dass die zuerst angeschafften Beträge zuerst veräußert werden. Bei unverzinslichen Fremdwährungskonten gelten Währungsgewinne/-verluste aus der Veräußerung oder Rückzahlung weiterhin als privates Veräußerungsgeschäft (gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG).

Bei Fremdwährungsguthaben auf Zahlungsverkehrskonten (z.B. Girokonten) kann unterstellt werden, dass diese nur als Zahlungsmittel eingesetzt werden und eine Einkunftserzielungsabsicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nicht vorhanden ist. Eine Erfassung von Währungsgewinnen/-verlusten nach § 20 EStG scheidet daher aus. Lediglich die mit diesen Fremdwährungsguthaben erzielten Zinsen unterliegen einer Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.
gepostet: 17.10.2024
Reisekosten: Bei dauerhafter Tätigkeit bei einem Kunden nur Pendlerpauschale?
Arbeitnehmer dürfen ihre Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte lediglich mit der Entfernungspauschale, auch als Pendlerpauschale bezeichnet, steuerlich geltend machen. Das sind 0,30 Euro pro Entfernungskilometer bzw. 0,38 Euro ab dem 21. Entfernungskilometer. "Erste Tätigkeitsstätte" kann auch der Betrieb eines Kunden oder eines verbundenen Unternehmens sein, wenn der Arbeitnehmer dort längerfristig tätig wird. Was aber gilt bei Selbstständigen, wenn diese nur einen einzigen Kunden besuchen und ihre Tätigkeit dort dauerhaft verrichten? Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass auch in diesem Fall nur die Entfernungspauschale anzusetzen ist (Urteil vom 19.6. 2024, 1 K 1219/21). Es wurde aber die Revision zugelassen, die der Kläger auch eingelegt hat (Az. des BFH: VIII R 15/24, Quelle: FG Rheinland-Pfalz, PM vom 24.7.2024).

Ein IT-Berater erzielte in den Streitjahren 2016 bis 2018 Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Seine Tätigkeit übte er an vier Tagen pro Woche am Sitz seines einzigen Kunden aus. Er machte die Aufwendungen für die Fahrten von seiner Wohnung zum Kunden und zurück als Betriebsausgaben geltend, und zwar nach Dienstreisegrundsätzen und nicht mit der Entfernungspauschale. Das Finanzamt hingegen vertrat die Auffassung, dass dem Begriff der "ersten Tätigkeitsstätte“ in § 9 EStG, der seit 2014 für den Bereich der Werbungskosten gilt, auch Bedeutung für die Auslegung des Begriffs der "Betriebsstätte“ in § 4 Abs. 5 EStG zukomme, also für den Bereich der Betriebsausgaben von Selbstständigen. Das Finanzamt stützte sich insoweit auf eine Anweisung des Bundesfinanzministeriums (BMF-Schreiben vom 23.12.2014, BStBl 2015 I S. 26). Folge: Der IT-Berater habe bei seinem Kunden seine erste Tätigkeitsstätte, so dass nur die Entfernungspauschale anzusetzen sei. Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg - allerdings aus einem anderen Grund als den, den das Finanzamt vorgebracht hat.

Die Anforderungen an eine erste Tätigkeitsstätte im Sinne des § 9 EStG seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Darauf komme es aber auch gar nicht an, denn maßgebend sei, wo sich die Betriebsstätte des Steuerpflichtigen befinde. Bezüglich des Begriffs der "Betriebsstätte" dürfe nicht auf den seit 2014 geltenden Begriff der "ersten Tätigkeitsstätte" abgestellt werden. Vielmehr müsse der Betriebsstättenbegriff anhand der bisherigen BFH-Rechtsprechung eigenständig ausgelegt werden. Im vorliegenden Fall sei der Sitz des einzigen Kunden des Klägers als seine Betriebsstätte anzusehen, so dass er seine Fahrtkosten zwischen Wohnung und Betriebsstätte nur in Höhe der Entfernungspauschale als Betriebsausgaben geltend machen könne. Die Wohnung des Klägers bzw. sein häusliches Arbeitszimmer stellen hingegen keine Betriebsstätte dar.
gepostet: 15.10.2024
Kinderbetreuungskosten: Bundesverfassungsgericht nimmt Beschwerde nicht an
Kinderbetreuungskosten, darunter fallen auch Kindergartenbeiträge, sind unter bestimmten Voraussetzungen als Sonderausgaben absetzbar, und zwar mit zwei Drittel der Aufwendungen, höchstens 4.000 Euro je Kind (§ 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG). Begünstigt sind Dienstleistungen zur Betreuung eines Kindes, das das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Sonderregelungen gelten für Kinder mit einer Behinderung. Voraussetzung für den Abzug ist unter anderem, dass das Kind zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehört. Der Bundesfinanzhof hatte kürzlich bestätigt, dass es maßgebend auf die Haushaltszugehörigkeit ankommt. § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG verstoße jedenfalls dann nicht gegen das Grundgesetz, wenn die Betreuungsaufwendungen desjenigen Elternteils, der das Kind nicht in seinen Haushalt aufgenommen hat, durch den ihm gewährten Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf abgedeckt werden (BFH-Urteil vom 11.5.2023, III R 9/22). Es ist darauf hinzuweisen, dass auch die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde erfolglos geblieben ist. Genauer gesagt wurde dieser erst gar nicht zur Entscheidung angenommen. Damit bleibt die Auffassung des BFH bestehen, wonach die Haushaltszugehörigkeit des Kindes beim so genannten Residenzmodell maßgebend ist (BVerfG, Beschluss vom 22.4.2024, 2 BvR 1041/23).
gepostet: 13.10.2024
Arbeitslohn: Kostenerstattung für Führungszeugnis nicht zu versteuern
Kostenerstattungen eines kirchlichen Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer für die Einholung erweiterter Führungszeugnisse zum Zweck der Prävention gegen sexualisierte Gewalt führen nicht zu steuerpflichtigem Arbeitslohn (BFH-Urteil vom 8.2.2024, VI R 10/22). Die Kläger gehören zum Arbeitgeberkreis eines Generalvikariats. Nach der Ordnung zur Prävention gegen sexualisierte Gewalt an Minderjährigen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen haben sich die kirchlichen Rechtsträger unter anderem folgende Verpflichtungen auferlegt: Mitarbeitende sowie ehrenamtlich Tätige, die Minderjährige, schutz- oder hilfebedürftige Erwachsene beaufsichtigen, betreuen, erziehen, ausbilden oder vergleichbaren Kontakt zu ihnen haben, müssen bei der Einstellung bzw. Beauftragung und nachfolgend im regelmäßigen Abstand von fünf Jahren ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen. Die Kosten werden den Mitarbeitern erstattet. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die erstatteten Aufwendungen für die Erteilung von erweiterten Führungszeugnissen in den jeweils laufenden Beschäftigungsverhältnissen als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu erfassen seien. Die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich und die Revision des Finanzamts wurde zurückgewiesen.

Begründung: Arbeitslohn ist dann nicht anzunehmen, wenn ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers vorliegt. So verhält es sich im Streitfall. Die Einholung der erweiterten Führungszeugnisse durch die Arbeitnehmer erfolgte aufgrund einer (nur) die kirchlichen Rechtsträger, nicht aber die Arbeitnehmer treffenden (kirchenrechtlichen) Verpflichtung. Die entstehenden Kosten hat der Arbeitgeber im eigenen Interesse aufgewendet. Haben die Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber für dessen eigenbetriebliche Tätigkeit zu tragenden Kosten zunächst aus eigenen Mitteln verauslagt, wendet der Arbeitgeber ihnen mit der Erstattung ihrer Aufwendungen keinen Vorteil zu, der sich im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweisen könnte.

Praxistipp:
Der BFH hat offen gelassen, ob er über die kirchlichen Arbeitgeber hinaus auch in weiteren Sachverhalten die Kostenerstattung für ein (erweitertes) Führungszeugnis als steuerfrei ansehen würde. Daher müssen Betroffene in anderen Fällen ihrerseits darlegen, dass ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse vorgelegen hat. Allerdings geht es zumeist ohnehin nur um wenige Euro und für Arbeitnehmer, die ehrenamtlich tätig sind, werden die Gebühren auf Antrag zumeist sogar ganz erlassen.
gepostet: 12.10.2024
Aufsichtsrat einer kommunalen GmbH: Ehrenamtsfreibetrag von 840 Euro
Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten im Dienst oder Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts sind bis zu 840 Euro im Jahr steuerfrei. Das ist der Ehrenamtsfreibetrag gemäß § 3 Nr. 26a EStG. Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 26a EStG auch für eine nebenberufliche ehrenamtliche Tätigkeit als Aufsichtsrat einer kommunalen GmbH zu gewähren ist (BFH-Urteil vom 8.5.2024, VIII R 9/21).

Der Kläger ist hauptberuflich Rechtsanwalt. Nebenberuflich war er Mitglied des Aufsichtsrats einer kommunalen GmbH, die die Pflichtaufgaben der Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung mehrerer Gemeinden wahrnimmt. Er war insoweit von der Stadtverordnetenversammlung einer der beteiligten Gemeinden bestellt und als ihr Vertreter in dieses Gremium entsandt worden. Er erhielt eine als Aufwandsentschädigung bezeichnete Zahlung in Höhe von 620 Euro. Die Zahlung an den Kläger erfolgte aus dem Vermögen der GmbH. Das Finanzamt sah hierin - nach Abzug der Betriebsausgaben - steuerpflichtige Einkünfte gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG, ohne den Freibetrag nach § 3 Nr. 26a EStG zu gewähren. Der BFH entschied hingegen: Die Aufsichtsratstätigkeit des Klägers fällt zwar unter § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG, allerdings ist die Zahlung, die der Kläger als Aufsichtsrat der kommunalen GmbH bezogen hat, in voller Höhe nach § 3 Nr. 26a Satz 1 EStG steuerfrei.

Der Kläger hat seine Aufsichtsratstätigkeit im Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die in einem Mitgliedstaat der EU belegen ist, nebenberuflich ausgeübt. Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 26a EStG stellt nicht darauf ab, aus welchem Vermögen das Entgelt für die begünstigte Tätigkeit entrichtet wird. Das heißt, das Entgelt muss nicht aus dem Vermögen der auftraggebenden juristischen Person des öffentlichen Rechts stammen, sondern kann auch - wie hier - von der GmbH gezahlt werden. Eine von § 3 Nr. 26a EStG begünstigte Tätigkeit ist ohne weitere Voraussetzungen schon dann anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige im Auftrag oder im Dienst einer juristischen Person des öffentlichen Rechts tätig wird. Im Urteilsfall war der Kläger aufgrund des Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung einer Gemeinde, also eines förmlichen Bestellungsakts, als ihr Vertreter in den Aufsichtsrat der GmbH bestellt worden. Der Kläger trat auch nach außen als Vertreter der Stadt auf, indem er an den Aufsichtsratssitzungen der GmbH teilnahm. Dies ist für die Steuerbefreiung ausreichend. Auf die Art der Tätigkeit kommt es ebenso wenig an wie auf deren Gewichtung.
gepostet: 11.10.2024
Regelinsolvenzverfahren: Aufwendungen sind keine Werbungskosten
Der Bundesfinanzhof hat im Jahre 2021 für das Verbraucherinsolvenzverfahren entschieden, dass die Tätigkeitsvergütung des Insolvenzverwalters beim Insolvenzschuldner steuerlich nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen ist (BFH-Urteil vom 16.12.2021, VI R 41/18). Es ist aber noch die Frage offen, ob die Kosten eines Regelinsolvenzverfahrens abgezogen werden können, und zwar gegebenenfalls sogar als Werbungskosten oder Betriebsausgaben, wenn es um die Verwertung von Wirtschaftsgütern geht, deren Veräußerung zu steuerpflichtigen Einkünften führt. Das Finanzgericht Hamburg hat zwar geurteilt, dass die Aufwendungen weder Werbungskosten noch außergewöhnliche Belastung darstellen. Es wurde aber die Revision zugelassen, die zwischenzeitlich beim BFH vorliegt (FG Hamburg, Urteil vom 19.10.2023, 1 K 97/22, Revision unter Az. IX R 29/23).

Der Sachverhalt: Über das Vermögen der Klägerin wurde wegen Zahlungsunfähigkeit ein Regelinsolvenzverfahren eröffnet. Im Eigentum der Klägerin stehende Vermietungsobjekte wurden durch die Insolvenzverwalterin verwertet. Aufgrund der Verwertung des Vermögens kam es zu einer vollständigen Befriedigung der Gläubiger. Durch den Verkauf der Immobilien wurden allerdings steuerpflichtige Veräußerungsgewinne erzielt. Die Klägerin beantragte, dass die Gewinne um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu reduzieren seien. Das Finanzamt lehnte dies ab und erhielt vom Finanzgericht Recht. Die Begründung des Finanzgerichts ist sehr umfassend. Unter anderem hat es insbesondere berücksichtigt, dass das Insolvenzverfahren durch Fremdinsolvenzanträge initiiert worden war und die den Fremdinsolvenzanträgen zugrunde liegenden Verbindlichkeiten keinen näheren Bezug zu den Vermietungsobjekten aufgewiesen hätten. Auch seien die Grundsätze zum Verbraucherinsolvenzverfahrens (§§ 304 ff. InsO), wonach die Vergütung eines Insolvenzverwalters nicht in einem sachlichen Zusammenhang mit der Einkünfteerzielung stehe, auf das Regelinsolvenzverfahren zu übertragen. Zwar sei vorliegend weder eine Restschuldbefreiung beantragt noch erteilt worden, sondern eine vollständige Gläubigerbefriedigung durch die Verwertung des Vermögens der Schuldnerin erzielt worden. Gleichwohl fehle es am notwendigen Veranlassungszusammenhang. Die Kosten des Insolvenzverfahrens seien folglich weder Werbungskosten im Zusammenhang mit dem steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn noch Werbungskosten bei den laufenden Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

Praxistipp:
Man darf gespannt sein, wie der BFH im Revisionsverfahren entscheiden wird, zumal er für die Umsatzsteuer beim Regelinsolvenzverfahren eine Aufteilung in private und betriebliche (unternehmerische) Aufwendungen zulässt und so einen anteiligen Vorsteuerabzug ermöglicht (vgl. BFH-Urteil vom 15.4.2015, V R 44/14, BStBl 2015 II S. 679; s.a. Abschnitt 3.10 Abs. 6 Nr. 15 UStAE).
gepostet: 09.10.2024
Privatinsolvenz: Insolvenzverwaltervergütung keine außergewöhnliche Belastung
Das Verbraucherinsolvenzverfahren, auch als Privatinsolvenzverfahren bezeichnet, soll es Schuldnern ermöglichen, von ihren Restschulden befreit und nach einer Wohlverhaltensphase wieder wirtschaftlich integriert zu werden. Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass die zugunsten des Insolvenzverwalters festgesetzte Tätigkeitsvergütung beim Insolvenzschuldner steuerlich aber nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen ist (BFH-Urteil vom 16.12.2021, VI R 41/18). Die Aufwendungen seien nicht "außergewöhnlich". Die Überschuldung von Privatpersonen sei kein gesellschaftliches Randphänomen. Insolvenzverfahren von Verbrauchern und bestimmten unternehmerisch tätigen Privatpersonen seien keineswegs unüblich. Von der Möglichkeit des vereinfachten (Verbraucher-)Insolvenzverfahrens hätten seit Einführung im Jahr 1999 bis Ende 2019 immerhin rund 2,13 Mio. Privatpersonen Gebrauch gemacht. Es könne deshalb nicht angenommen werden, dass dem Insolvenzschuldner durch die Tätigkeitsvergütung eines Insolvenzverwalters größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen seien.

Vor einigen Jahren hatte der BFH noch eine andere Auffassung vertreten und entschieden, die Vergütung für den Insolvenzverwalter oder Treuhänder könne unter bestimmten Voraussetzungen, insbesondere wenn der Steuerpflichtige die Ursache seiner Überschuldung und damit die Notwendigkeit eines Verbraucherinsolvenzverfahrens nicht selbst gesetzt habe, als außergewöhnliche Belastung abziehbar sein (BFH-Urteil vom 4.8.2016, VI R 47/13). Diese Ansicht hat der BFH aber ausdrücklich aufgegeben.
gepostet: 07.10.2024
Sozialversicherung: Ist der Lohnanspruch durch eine Pkw-Gestellung erfüllt?
Bei dem Mindestlohn handelt es sich um einen Bruttolohn, der als Geldleistung zu berechnen und auszuzahlen ist. Die Entlohnung im Wege der Gewährung von Sachbezügen, beispielsweise in Form einer Pkw-Gestellung anstelle von Geld, ist nicht zulässig. So zumindest wird überwiegend das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.5.2016 (5 AZR 135/16) interpretiert. Es stellt sich in diesem Zusammenhang aber eine weitere Frage: Sind die Sozialversicherungsbeiträge, wenn Sachlohn anstelle von Barlohn gewährt wird und dadurch der Mindestlohn nicht erreicht wird, vom Sachbezug zuzüglich eines - bislang nicht realisierten - Anspruchs auf den Mindestlohn zu berechnen? Anders ausgedrückt: Sind Sozialversicherungsbeiträge von einem "Phantomlohn" zu berechnen? Mit dieser Frage muss sich nun das Bundessozialgericht in dem Verfahren mit dem Az. B 12 BA 6/23 R befassen. Vorausgegangen ist ein - für den klagenden Arbeitgeber positives - Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG-Urteil vom 19.4.2023, L 5 BA 1846/22).

Der Kläger beschäftigte einen Monteur in Teilzeit mit 43,5 Arbeitsstunden monatlich (es ging um den Zeitraum 1.4.2014 bis 31.1.2016). Vereinbart war eine monatliche Vergütung in Höhe von 398 Euro, die aus einem geldwerten Vorteil für die Überlassung eines Firmenwagens bestand. Aus dem Sachbezug wurden Sozialversicherungsbeiträge entrichtet. Daneben übte der Monteur eine Hauptbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber aus. Nach einer Sozialversicherungsprüfung sollte der Arbeitgeber Gesamtsozialversicherungs- und Umlagebeiträge nachzahlen. Dem Monteur sei nicht der seit 1.1.2015 gültige gesetzliche Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) in Höhe von seinerzeit 8,50 Euro brutto je Zeitstunde gezahlt worden. Der Mindestlohn werde als Geldbetrag geschuldet. Der Arbeitnehmer habe folglich über den Sachbezug hinaus Anspruch auf weiteres Arbeitsentgelt nach § 1 Abs. 1, Abs. 2 MiLoG, so dass sich die Sozialversicherungs- und Umlagebeiträge aus dem Sachbezug und dem darüber hinaus gehenden Arbeitsentgelt berechneten. Letztlich wurde also ein "Phantomlohn" der Sozialversicherung unterworfen. Der hiergegen eingelegte Widerspruch und die Klage blieben zunächst erfolglos, doch das LSG ist im Berufungsverfahren anderer Auffassung und sieht die Nachforderung der Sozialversicherungsbeiträge als rechtswidrig an.

Begründung: Im Streitfall haben der Kläger und der Arbeitnehmer einen Arbeitsentgeltanspruch in Höhe von monatlich 398 Euro vereinbart - nur auf diesen Betrag kommt es für die Bemessung der Sozialversicherungsbeiträge an. Ein höheres Arbeitsentgelt schuldete der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auch unter Anwendung des MiLoG nicht. Der vereinbarte Arbeitsentgeltanspruch von 398 Euro wahrt der Höhe nach den Mindestlohn von damals 8,50 Euro je Zeitstunde, da 43,5 Arbeitsstunden vereinbart waren und auch geleistet wurden. Der Kläger zahlte demnach dem Arbeitnehmer einen Stundenlohn von 9,15 Euro. Der Arbeitsentgeltanspruch erhöht sich auch nicht deshalb, weil dieser nur in Form einer Sachzuwendung erbracht wurde und damit - möglicherweise - der Teil des Arbeitsentgeltanspruchs, der auf den Mindestlohn entfiel, als nicht erfüllt anzusehen ist. Es wäre lediglich ein Teil seines Anspruchs bislang nicht erfüllt, weil die Vereinbarung, den Arbeitsentgeltanspruch (vollständig) durch einen Sachbezug zu tilgen, gemäß § 134 BGB nichtig wäre. Der Arbeitnehmer könnte dann Erfüllung durch Geldzahlung verlangen, müsste aber im Gegenzug den Wert der Sachzuwendung aus bereicherungsrechtlichen Gründen erstatten. Ein Anspruch auf beide Beträge (den Wert der Sachzuwendung und den Mindestlohn) besteht aber weder arbeitsrechtlich noch nach dem MiLoG.
gepostet: 05.10.2024
Betriebsprüfung: Änderung von Steuerbescheiden trotz Bestandskraft?
Will das Finanzamt einen einmal erteilten Steuerbescheid ändern, bedarf es dazu einer rechtlichen Grundlage. Das gilt auch im Rahmen einer Betriebs- oder anderen Außenprüfung. Bei selbstständig tätigen Steuerpflichtigen besteht die Möglichkeit der Änderung oftmals nach § 164 AO. Das heißt, die Steuerbescheide können geändert werden, weil sie vom Finanzamt zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen wurden. Hat das Finanzamt die entsprechenden Steuerbescheide aber nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen, kommt als Änderungsvorschrift üblicherweise nur § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO in Betracht. Danach sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Kürzlich hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass auch die Art und Weise, in der ein Einnahmen-Überschussrechner seine Aufzeichnungen geführt hat, eine Tatsache ist. Wird sie dem Finanzamt nachträglich bekannt, kann sie zur Korrektur eines bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids führen (BFH-Urteil vom 6.5.2024, III R 14/22).

Der Kläger war als Einzelhändler tätig und ermittelte seinen Gewinn im Wege der Einnahmen-Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG). Das Finanzamt veranlagte ihn zunächst erklärungsgemäß und ohne Vorbehalt der Nachprüfung. Eine spätere Außenprüfung beanstandete die Aufzeichnungen des Klägers als formell mangelhaft und führte zu einer Hinzuschätzung. Das Finanzamt änderte daraufhin die bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide der Streitjahre. Dies sei auch verfahrensrechtlich zulässig, da im Rahmen der Außenprüfung nachträglich steuererhöhende Tatsachen bekannt geworden seien (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO). Dem folgte der BFH im Grundsatz.

§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO lasse eine Änderung bestandskräftiger Steuerbescheide nicht nur dann zu, wenn sicher feststehe, dass der Steuerpflichtige Betriebseinnahmen nicht aufgezeichnet habe. Auch die Art und Weise, in der der Steuerpflichtige seine Aufzeichnungen geführt habe, sei eine Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Dies gelte für Aufzeichnungen über den Wareneingang (§ 143 AO) ebenso wie für sonstige Aufzeichnungen oder die übrige Belegsammlung eines Steuerpflichtigen, der seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittle, auch wenn § 4 Abs. 3 EStG keine Verpflichtung zur förmlichen Aufzeichnung der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben vorsehe. Darüber, ob im Streitfall eine Änderung der bestandskräftigen Steuerbescheide gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zulässig war, konnte der BFH allerdings - mangels hinreichender Feststellungen des Finanzgerichts zur Rechtserheblichkeit - nicht abschließend entscheiden. Die Tatsache, ob und wie der Steuer-pflichtige seine Bareinnahmen aufgezeichnet habe, sei rechtserheblich, wenn das Finanzamt bei deren vollständiger Kenntnis bereits im Zeitpunkt der Veranlagung zur Schätzung befugt gewesen wäre und deswegen eine höhere Steuer festgesetzt hätte. Da eine Schätzungsbefugnis des Finanzamts in bestimmten Fällen auch bei (lediglich) formellen Mängeln der Aufzeichnungen über Bareinnahmen bestehe, müsse das Finanzgericht im zweiten Rechtsgang prüfen, ob die Unterlagen des Klägers Mängel aufwiesen, die zur Hinzuschätzung von Betriebseinnahmen führen (Quelle: BFH, PM vom 4.7.2024).
gepostet: 03.10.2024
Bilanzierung: Rückstellung für Altersfreizeit darf gebildet werden
Betriebe, die ihren Mitarbeitern zusätzliche freie Arbeitstage in Form von Altersfreizeit gewähren, können hierfür eine steuermindernde Rückstellung bilden. Dies hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 5.6.2024 (IV R 22/22) entschieden. Die Klägerin gewährt ihren älteren Beschäftigten aufgrund eines Manteltarifvertrags neben ihrem vertraglichen Jahresurlaub einen zusätzlichen jährlichen Anspruch auf bezahlte Freizeit. Konkret stand den Arbeitnehmern zusätzliche bezahlte Freizeit von zwei Arbeitstagen je vollem Jahr ihrer Betriebszugehörigkeit zu, soweit sie dem Betrieb mindestens zehn Jahre ununterbrochen zugehörig waren und das 60. Lebensjahr vollendet hatten. Im Rahmen einer Betriebsprüfung lehnte das Finanzamt die steuermindernde Berücksichtigung der Rückstellung ab. Die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten seien nicht erfüllt. Insbesondere hätten die beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keine Mehrleistungen erbracht, die der Betrieb zu bezahlen hätte. Das Finanzgericht gab der hiergegen gerichteten Klage statt; die Klägerin könne eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten bilden. Der BFH hat das Urteil bestätigt.

Begründung: Der Anspruch der Arbeitnehmer ist durch ihre Arbeitsleistung - zum Teil aufschiebend bedingt durch eine mindestens zehnjährige Betriebszugehörigkeit und die Vollendung des 60. Lebensjahres - entstanden und damit erdient bzw. "realisiert“. Die Altersfreizeit gilt vergangene Arbeitsleistung ab und kann zeitlich zugeordnet werden. Durch die Anknüpfung an die Dauer der Betriebszugehörigkeit handelt sich bei der Altersfreizeit um ein Entgelt für während dieser Zeit erbrachte Arbeitsleistungen sowie für die Nichtausübung des Kündigungsrechts. Die Arbeitnehmer haben dadurch eine Vorleistung erbracht. Hingegen muss die Klägerin ihre Gegenleistung in Gestalt der Altersfreizeit noch erbringen. Sie hat am Bilanzstichtag weniger geleistet, als sie nach dem Arbeitsvertrag und den Bestimmungen des Manteltarifvertrags zu leisten verpflichtet ist. Insofern befindet sie sich in einem Erfüllungsrückstand.
gepostet: 01.10.2024
September 2024
Leiharbeitnehmer: Dienstreisepauschale für Fahrten zur Arbeit?
Kosten für die Fahrten zur Arbeit, das heißt zur "ersten Tätigkeitsstätte", dürfen nur mit der Entfernungspauschale ("Pendlerpauschale") steuerlich geltend gemacht werden, während Fahrten zu Auswärtstätigkeiten nach Reisekostengrundsätzen zu berücksichtigen sind. Zu Streitigkeiten mit dem Finanzamt kommt es oftmals bei Fahrtkosten von Leih- oder Zeitarbeitnehmern. Diese stehen in einem Arbeitsverhältnis zum Verleiher, fahren aber typischerweise täglich zum Kunden ihres Arbeitsgebers, also dem Entleiher. Steuerlich ist geregelt, dass der Betrieb des Entleihers in bestimmten Fällen zur ersten Tätigkeitsstätte wird und die Fahrtkosten zu dessen Betrieb dann nur mit der Pendlerpauschale abgezogen werden dürfen. Dies ist der Fall, wenn das Zeitarbeitsunternehmen als Arbeitgeber im Arbeitsvertrag festlegt, den Arbeitnehmer im Betrieb des Entleihers unbefristet ("bis auf Weiteres"), für die Dauer des Dienstverhältnisses oder von vornherein länger als 48 Monate zu beschäftigen. Vereinfacht ausgedrückt: Ist von vornherein klar, dass der Leiharbeitnehmer recht lange bei einer einzigen Entleihfirma eingesetzt wird, darf er seine Fahrtkosten nur mit der Entfernungspauschale geltend machen.

Doch aufgrund einer bereits in 2017 erfolgten Gesetzesänderung im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (§ 1 Abs. 1b AÜG) stellt sich die Frage, ob es überhaupt noch "lange Einsatzzeiten" bei einer einzigen Entleihfirma geben kann. Nach dieser Vorschrift, die seit dem 1.4.2017 gilt, darf der Verleiher denselben Leiharbeitnehmer nämlich nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate demselben Entleiher überlassen. Und der Entleiher darf denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate tätig werden lassen. Das Ganze gilt, soweit nicht in Tarifverträgen eine andere Überlassungshöchstdauer festgelegt ist. Jedenfalls muss der BFH der Frage im Verfahren VI R 22/23 nachgehen. Zumindest muss er klären, ob bei Arbeitnehmern, die bereits vor dem 1.4.2017 "dauerhaft" bei einem einzigen Entleiher eingesetzt wurden und damit bislang nur die Entfernungspauschale abziehen konnten, zum 1.4.2017 eine "Neubewertung" des Einsatzes und auch der steuerlichen Rechtslage erfolgen muss. Vorausgegangen ist ein - allerdings abschlägiges - Urteil des FG München vom 21.3.2023 (6 K 1233/20).

Praxistipp:
Die arbeitsrechtliche Neuregelung lässt gegebenenfalls den Schluss zu, dass ein Leiharbeitnehmer bereits aus Rechtsgründen nicht dauerhaft einem Entleihbetrieb zugeordnet werden kann - so ist zumindest die Auffassung des Klägers. Folgt man der seit dem 1.4.2017 geltenden arbeitsrechtlichen Sichtweise für das Steuerrecht, könnten wesentlich mehr Leiharbeitnehmer als bislang die Fahrtkosten nach Reisekostengrundsätzen abziehen. Die Entscheidung des BFH bleibt aber natürlich abzuwarten.

Praxistipp:
Unabhängig vom Ausgang des aktuellen Verfahren gilt, dass bei nur befristeten Einsätzen im Rahmen eines Leiharbeitsverhältnisses keine dauerhafte Zuordnung zur Entleiherfirma und damit dort keine "erste Tätigkeitsstätte" besteht (BFH-Urteil vom 12.5.2022,VI R 32/20). Folglich können die Fahrtkosten mit 30 Cent je gefahrenen Km abgesetzt und gegebenenfalls Mehraufwendungen für Verpflegung geltend gemacht werden.
gepostet: 30.09.2024
Adoptionskosten: Abzug als außergewöhnliche Belastung erneut verweigert
Aufwendungen für die Adoption eines Kindes stellen keine außergewöhnliche Belastung dar - so hat das Finanzgericht Münster entschieden und damit die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs bestätigt. Allerdings wurde die Revision zugelassen (FG Münster, Urteil vom 25.6.2024, 14 K 1085/23 E). Der Sachverhalt: Die Kläger waren ungewollt kinderlos. Im Jahr 2022 adoptierten sie zwei im Ausland geborene Mädchen. Die Adoptionen wurden in Deutschland von einer staatlich anerkannten Adoptionsvermittlungsstelle begleitet. In ihrer Einkommensteuererklärung machten die Kläger die Adoptionskosten als außergewöhnliche Belastungen (§ 33 EStG) geltend. Sie verwiesen darauf, dass ihnen die Aufwendungen zwangsläufig entstanden seien. So hätten sie vor der Adoption die langwierige und strapaziöse Behandlung einer künstlichen Befruchtung erfolglos auf sich genommen. Da der BFH die Aufwendungen einer künstlichen Befruchtung zur Erfüllung des individuellen Kinderwunsches als zwangsläufig anerkannt habe (z.B. BFH-Urteil vom 5.10.2017, VI R 2/17), müssten auch die Kosten einer Adoption als zwangsläufig gelten und folglich als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden. Finanzamt und Finanzgericht verweigerten jedoch den Kostenabzug.

Begründung: Die Aufwendungen, die einem Paar aufgrund der Adoption eines Kindes im Falle organisch bedingter Sterilität eines Partners entstehen, stellen nach der ständigen Rechtsprechung des BFH keine Krankheitskosten dar (z.B. BFH-Urteil vom 20.3.1987, III R 150/86; BFH-Urteil vom 10.3.2015 VI R 60/11). Weder liege eine medizinische Leistung vor noch könne der Vorgang einer Adoption einer solchen gleichgestellt werden. Adoptionen seien keine (medizinischen) Heilbehandlungen. Sie seien nicht medizinisch indiziert und werden nicht in Übereinstimmung mit den Richtlinien der Berufsordnung der Ärzte vorgenommen. Etwas anderes gelte auch dann nicht, wenn der Entschluss zur Adoption erst nach erfolgloser Kinderwunschbehandlung gefasst wurde. Der Entschluss zur Adoption beruhe vielmehr - auch nach erfolgloser Kinderwunschbehandlung - auf einer vom Willen getragenen (neuen) freien Entscheidung, die ungewollte Kinderlosigkeit nunmehr durch Adoptionen zu beenden.

Praxistipp:
Wie eingangs erwähnt wurde die Revision zugelassen. Ob diese tatsächlich eingelegt wurde, war bei Redaktionsschluss aber leider noch nicht bekannt.
gepostet: 28.09.2024
Verabschiedung eines Arbeitnehmers: Feier muss nicht zu Arbeitslohn führen
Ein Empfang anlässlich der Verabschiedung eines Arbeitsnehmers kann eine Veranstaltung des Arbeitgebers darstellen, die nicht zu Arbeitslohn führt. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber als Einladender die Gästeliste bestimmt und den Empfang in den eigenen Geschäftsräumen durchführt (Niedersächsisches FG, Urteil vom 14.5.2024, 8 K 66/22). Es ging um folgenden Sachverhalt: Bei einem Geldinstitut trat der damalige Vorstandsvorsitzende in den Ruhestand. In diesem Zusammenhang veranstaltete die Bank einen Empfang in ihrer Unternehmenszentrale. Für die Organisation und die Umsetzung der Veranstaltung war der eigene Personalbereich zuständig. Unter den ca. 300 geladenen Gästen befanden sich frühere und jetzige Vorstandsmitglieder der Bank, ausgewählte Mitarbeiter sowie der Verwaltungsrat, Angehörige des öffentlichen Lebens aus Politik, Verwaltung sowie bedeutenden Unternehmen und Institutionen aus der Region. Weiter waren Vertreter von Banken und Sparkassen, Vertreter von Verbänden, Kammern und kulturellen Einrichtungen sowie Pressevertreter anwesend. Zudem waren acht Familienangehörige des ausscheidenden Arbeitnehmers als Gäste geladen. Im Rahmen des Empfangs stellte die Bank auch ihren neuen Vorstandsvorsitzenden vor. Das Finanzamt kam zu der Auffassung, dass es sich bei dem Empfang nicht um eine Betriebsveranstaltung gehandelt habe, da nicht alle Arbeitnehmer der Bank eingeladen gewesen seien. Im Übrigen sei ein Betrag von 110 Euro (einschl. Umsatzsteuer) je teilnehmender Person überschritten worden. Nach der Regelung in R 19 Abs. 2 Nr. 3 LStR sei in einem solchen Fall von Arbeitslohn auszugehen. Anders als bei Betriebsveranstaltungen wie Weihnachtsfeiern soll es sich hier nur um eine Freigrenze und nicht um einen Freibetrag handeln. Daher seien die Aufwendungen für den Empfang entsprechend dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden als Arbeitslohn zuzurechnen und eine Nachversteuerung durchzuführen. Doch die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg.

Begründung: Der Bundesfinanzhof hat für den Fall eines besonderen runden Geburtstags eines Arbeitnehmers entscheidend darauf abgestellt, dass zwar der Geburtstag des Arbeitnehmers als Anlass des Festes dafür spreche, dass es sich um ein Fest des Arbeitnehmers handele. Aus den übrigen Umständen könne sich jedoch ergeben, dass es sich gleichwohl um ein Fest des Arbeitgebers handele (BFH-Urteil vom 28.1.2003 VI R 48/99). Trete der Arbeitgeber als Gastgeber auf, der die Gästeliste bestimme, spreche dies dafür, dass es sich um ein Fest des Arbeitgebers handele. Ferner sei von Bedeutung, ob es sich bei den Gästen um Geschäftspartner des Arbeitgebers, Angehörige des öffentlichen Lebens sowie der Presse, Verbandsfunktionäre sowie Mitarbeiter des Arbeitgebers handele oder um private Freunde und Bekannte des Arbeitnehmers. Finde der Empfang in den Räumen des Arbeitgebers statt, spreche dies ebenfalls dafür, dass es sich um ein Fest des Arbeitgebers handele. Schließlich sei zu berücksichtigen, ob das Fest den Charakter einer privaten Feier aufweise oder ob das nicht der Fall sei. Stelle sich der Empfang danach als Fest des Arbeitgebers dar, sei eine private Mitveranlassung unschädlich.

Nach diesen Grundsätzen scheide auch im vorliegenden Verfahren die Annahme von Arbeitslohn aus. Allein die Bank sei als Gastgeberin des Empfangs aufgetreten. Sie habe die Einladungskarten entworfen und die Gästeliste bestimmt. Der Arbeitnehmer hatte lediglich die Möglichkeit erhalten, eine kleine Anzahl enger Familienangehöriger zu benennen, die ebenfalls zu der Veranstaltung eingeladen werden sollten. Der Empfang fand in den Geschäftsräumen des Geldinstituts statt. Im Übrigen wurde neben der Verabschiedung des bisherigen Vorstandsvorsitzenden den geladenen Gästen zugleich der neue Vorstandsvorsitzende vorgestellt. Lediglich der Kostenanteil, der auf die persönliche Gäste entfällt, sei zu versteuern. Dies könne über den Arbeitgeber nach § 37b Abs. 2 EStG pauschal mit 30 Prozent der aufgewendeten Kosten erfolgen.

Praxistipp:
Die Richter haben die Revision zugelassen, die auch bereits eingelegt wurde. Das Az. beim Bundesfinanzhof lautet VI R 18/24.
gepostet: 26.09.2024
Elektronische Registrierkassen: Mitteilungen an Finanzverwaltung ab 1.1.2025
Wer ein so genanntes elektronisches Aufzeichnungssystem, darunter fallen insbesondere digitale Registrierkassen, nutzt, muss dem Finanzamt bald - verpflichtend - diverse Informationen übermitteln, beispielsweise die Art der zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung (TSE), die Art des verwendeten elektronischen Aufzeichnungssystems, dessen Seriennummer, das Datum der Anschaffung des Aufzeichnungssystems und gegebenenfalls das Datum von dessen Außerbetriebnahme. Geregelt ist dies in § 146a der Abgabenordnung (AO) in Verbindung mit der Kassensicherungsverordnung (KassenSichV). Die Mitteilungspflicht sollte schon vor Jahren in Kraft treten; sie ist aber ausgesetzt worden, bis die Finanzverwaltung eine elektronische Übermittlungsmöglichkeit zur Verfügung stellt. Diese wird nunmehr ab dem 1. Januar 2025 vorliegen (BMF-Schreiben vom 28.6.2024, IV D 2 - S 0316-a/19/10011 :009). Es gilt Folgendes:

Die Mitteilung von vor dem 1. Juli 2025 angeschafften elektronischen Aufzeichnungssystemen (im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 KassenSichV) ist bis zum 31. Juli 2025 zu erstatten. Ab dem 1. Juli 2025 angeschaffte elektronische Aufzeichnungssysteme sind innerhalb eines Monats nach Anschaffung mitzuteilen. Dies gilt ebenfalls für ab dem 1. Juli 2025 außer Betrieb genommene elektronische Aufzeichnungssysteme. Es ist zu beachten, dass bei der Mitteilung der Außerbetriebnahme elektronischer Aufzeichnungssysteme vorher die Anschaffung mitzuteilen ist. Nicht angeschaffte (z.B. gemietete oder geleaste) elektronische Aufzeichnungssysteme stehen angeschafften elektronischen Aufzeichnungssystemen gleich.

Elektronische Aufzeichnungssysteme im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 KassenSichV, die vor dem 1. Juli 2025 endgültig außer Betrieb genommen wurden und im Betrieb nicht mehr vorgehalten werden, sind nur mitzuteilen, wenn die Meldung der Anschaffung des elektronischen Aufzeichnungssystems zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgt ist.

Da der Anwendungsbereich der KassenSichV auch auf EU-Taxameter und Wegstreckenzähler ausgeweitet wurde, gilt auch hier die Mitteilungspflicht. EU-Taxameter und Wegstreckenzähler im Sinne des § 1 Abs. 2 KassenSichV, die vor dem 1. Juli 2025 angeschafft oder mit einer TSE ausgerüstet wurden, sind bis zum 31. Juli 2025 mitzuteilen. Ab dem 1. Juli 2025 angeschaffte oder mit einer TSE ausgerüstete EU-Taxameter und Wegstreckenzähler im Sinne des § 1 Abs. 2 KassenSichV sind innerhalb eines Monats nach Anschaffung oder Ausrüstung mit einer TSE mitzuteilen.

Praxistipp:
Die elektronische Übermittlungsmöglichkeit wird über das Programm "Mein ELSTER“ und die ERiC-Schnittstelle zur Verfügung gestellt.

Praxistipp:
Bei jeder Mitteilung sind stets alle elektronischen Aufzeichnungssysteme einer Betriebsstätte in der einheitlichen Mitteilung zu übermitteln.
gepostet: 24.09.2024
Grundstücksschenkung: Führt Schuldübernahme zur Spekulationsbesteuerung?
Wenn eine vermietete Immobilie auf Sohn oder Tochter übertragen wird, müssen diese mitunter die Schulden übernehmen, die noch auf der Immobilie lasten. Wenn die Schulden bzw. eventuelle Zahlungen der Kinder unterhalb des Verkehrswerts der Immobilie liegen, spricht man von einer teilentgeltlichen Übertragung. Der Bundesfinanzhof muss sich bald mit der Frage befassen, ob eine teilentgeltliche Übertragung - neben eventueller Schenkungsteuer - auch zusätzlich noch Einkommensteuer auslösen kann. Vorausgegangen ist ein Verfahren vor dem Niedersächsischen Finanzgericht (Urteil vom 29.5.2024, 3 K 36/24).

Der Sachverhalt: Der Vater hatte im Jahr 2014 ein bebautes Grundstück für insgesamt 143.950 Euro erworben und anschließend vermietet. Einen Teil des Erwerbs hatte er durch ein Bankdarlehen finanziert. In 2019 übertrug der Vater diese Immobilie im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf seine Tochter. Das Bankdarlehen valutierte noch mit 115.000 Euro. Die Tochter übernahm diese Verpflichtung. Beim Notar gaben die Vertragsparteien den aktuellen Verkehrswert der Immobilie mit 210.000 Euro an. Das Finanzamt wertete diesen Vorgang als nach § 23 EStG steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft ("Spekulationsgeschäft"), da zwischen dem Erwerb durch den Vater und der Übertragung auf die Tochter noch nicht mehr als zehn Jahre vergangen waren. Die Übertragung sei in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Vorgang aufzuteilen. Maßstab für die Aufteilung sei dabei der Verkehrswert der Immobilie im Zeitpunkt der Übertragung im Verhältnis zu den übernommenen Verbindlichkeiten. Letztlich wollte das Finanzamt einen Betrag von 40.653 Euro versteuern. Das Finanzgericht hat der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben.

Es entspreche bereits der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, dass die gänzlich unentgeltliche Übertragung einer Immobilie - also ohne Übernahme von darauf lastenden Verbindlichkeiten - im Wege der vorweggenommenen Erbfolge nicht den Tatbestand des § 23 EStG erfüllt - und zwar selbst dann nicht, wenn die auf diese Weise begünstigten Kinder die Immobilie alsbald weiterveräußern (BFH-Urteil vom 23.4.2021, IX R 8/20). Im Wege der teleologischen Reduktion sei auch die teilentgeltliche Übertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge aus dem Tatbestand des § 23 EStG auszuscheiden. Steuergegenstand der Regelung in § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG seien realisierte Werterhöhungen oder Wertminderungen aus verhältnismäßig kurzfristigen Umsatzgeschäften von Immobilien im Privatvermögen. Bei Übertragungen von Immobilien im Wege der vorweggenommenen Erbfolge - jedenfalls unterhalb der historischen Anschaffungskosten - könne es zu keinem realisierten Wertzuwachs kommen, der der ertragsteuerlichen Besteuerung zugänglich ist. Anderenfalls unterläge ein fiktiver steuerlicher Ertrag, nämlich aus einem reinen Vermögenstransfer im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ohne einen positiven Cashflow, beim Übertragenden zusätzlich der Ertragsteuer.

Praxistipp:
Es wurde die Revision zugelassen, die auch bereits unter dem Az. IX R 17/24 beim BFH vorliegt. Insofern besteht in ähnlichen Fällen eine erhebliche Rechtsunsicherheit.
gepostet: 22.09.2024
Steuerbescheide: Spätere Korrektur bei Datenübermittlung durch Dritte
Bei der Bearbeitung der Steuererklärung übernimmt das Finanzamt automatisiert zahlreiche Daten, die ihm von bestimmten Unternehmen und Institutionen digital mitgeteilt werden (§ 93c AO). Das sind insbesondere die Daten der Arbeitgeber und der Sozialversicherungsträger. Manchmal werden die Daten aber zu spät übertragen und liegen bei der Veranlagung noch gar nicht vor. Oder aber die übermittelten Daten sind fehlerhaft und werden später geändert. Das kann zunächst zu falschen Steuerbescheiden führen. Für diese Fälle hat der Gesetzgeber der Finanzverwaltung die Möglichkeit eingeräumt, die fehlerhaften Steuerbescheide ohne weitere Voraussetzungen nach § 175b AO zu ändern. In diesem Zusammenhang hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass eine Änderung nach § 175b AO auch dann zulässig ist, wenn der Veranlagungsfehler selbst bei Vorlage einer Papierbescheinigung aufgetreten wäre und das Finanzamt den Vorgang durchaus umfassend rechtlich geprüft hat (BFH-Urteil vom 20.2.2024, IX R 20/23).

Der Kläger erhielt im Kalenderjahr 2018 eine Abfindung in Höhe von 9.000 Euro. Diese war laut Lohnsteuerbescheinigung, die der Arbeitgeber der Finanzverwaltung digital übermittelt hatte, im Bruttoarbeitslohn enthalten. Der Kläger trug die Abfindung in seiner Einkommensteuererklärung zwar zutreffend ein, erklärte jedoch hinsichtlich des Bruttoarbeitslohns einen um 9.000 Euro gekürzten Betrag. Das Finanzamt übernahm die Eintragungen trotz eingehender Prüfung, was im Ergebnis dazu führte, dass die Abfindung - zunächst - unbesteuert blieb, denn der Bruttoarbeitslohn hätte in der entsprechenden Kennziffer der Steuererklärung in voller Höhe, also inklusive der Abfindung, eingetragen werden müssen. Erst später, das heißt fast zwei Jahre nach Ergehen des Einkommensteuerbescheides, erkannte das Finanzamt den Fehler und erließ einen geänderten Steuerbescheid. Hiergegen wandte sich der Kläger ohne Erfolg.

Die Begründung des BFH lautet vereinfacht: § 175b Abs. 1 AO erlaubt die Änderung von Steuerbescheiden ohne "Wenn und Aber", wenn Daten von so genannten mitteilungspflichtigen Stellen übermittelt werden. Die vom Arbeitgeber übermittelten elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen stellen Daten im Sinne des § 93c AO dar, die bei der ursprünglichen Steuerfestsetzung nicht zutreffend berücksichtigt wurden. Unerheblich ist, worauf die unzutreffende Berücksichtigung der übermittelten Daten durch die Finanzbehörde zurückzuführen ist. Es kommt weder auf eine Verletzung der Mitwirkungspflichten durch den Steuerpflichtigen, einen Schreib- oder Rechenfehler des Steuerpflichtigen noch auf ein mechanisches Versehen der Finanzbehörde nach § 129 AO oder einen Fehler der Finanzbehörde bei der Tatsachenwürdigung oder Rechtsanwendung an. Auch nach der Gesetzesbegründung soll es auf die Ursache der fehlerhaften Berücksichtigung der übermittelten Daten nicht ankommen.
gepostet: 20.09.2024
Außergewöhnliche Belastung: Sanierungskosten bei Schadstoffbelastung
Kosten im Zusammenhang mit dem Eigenheim sind steuerlich grundsätzlich irrelevant. Es kommt allenfalls ein Abzug von Handwerkerleistungen nach § 35a EStG in Betracht, der jedoch der Höhe nach beschränkt ist (20 Prozent der Aufwendungen, höchstens 1.200 Euro). Eine weitere Ausnahme kann allerdings gegeben sein, wenn ein Haus wegen einer hohen Schadstoffbelastung saniert werden muss. In diesem Fall können außergewöhnliche Belastungen vorliegen, die zwar um die zumutbare Eigenbelastung gekürzt werden, ansonsten aber der Höhe nach unbeschränkt abgezogen werden dürfen. Kürzlich hat das Finanzgericht Baden-Württemberg zu dem Thema umfassend Stellung genommen und vor allem aufgezeigt, welche Nachweise ein Immobilienbesitzer vorbringen muss, um die Sanierungskosten später als außergewöhnliche Belastungen abziehen zu können. Zudem hat das Gericht dargelegt, "wann" die Nachweise einzuholen sind (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 1.2.2024, 1 K 1855/21).

Der Kläger erwarb ein Einfamilienhaus, bei dem nach dem Einzug eine hohe Formaldehydkonzentration festgestellt wurde. Ein Diplom-Ingenieur empfahl daraufhin "Minimierungsmaßnahmen", um die Schadstoffkonzentration und die Geruchsauffälligkeit zu mindern. In einem ärztlichen Attest wurde zudem ausgeführt, dass der Kläger unter Beschwerden leide, wenn er sich insbesondere in den Herbst- und Wintermonaten in seinen Wohnräumen aufhalte. Diese Beschwerden seien bei Geschäfts- und Urlaubsreisen auch im Winter "praktisch weggeblasen”. Der Zusammenhang mit dem häuslichen Raumklima sei durch Baugutachten zur Schadstoffbelastung mit Formaldehyd belegt. Letztlich entschied sich der Kläger zum Abbruch des bestehenden Wohngebäudes und zum Neubau eines Einfamilienhauses. Er machte insoweit außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 191.567 Euro geltend, deren Abzug jedoch sowohl vom Finanzamt als auch vom Finanzgericht versagt wurde.

Die Begründung des Gerichts ist sehr umfassend. Zwar bestätigen die Richter, dass im Hinblick auf die Belastung der Raumluft mit Formaldehyd in einem Wohnhaus beim Überschreiten des Grenzwertes von 0,1 ppm von einer konkreten Gesundheitsgefährdung auszugehen ist. Ein Abzug der Kosten für die Sanierung des Eigenheims als außergewöhnliche Belastung komme aber nur in Betracht, wenn und soweit die Kosten notwendig waren. Die Kosten wurden im Urteilsfall nicht anerkannt, weil sich die Sanierungsmaßnahme des Steuerpflichtigen nicht auf die notwendigen Maßnahmen (z.B. Versiegelung, Abdichtung, Nachbeschichtung, Lüftungsmaßnahmen) beschränkt haben, sondern ein Abriss mit einem Neubau erfolgte. Ihm wurde darüber hinaus vorgehalten, dass sein eigenes Gutachten lediglich ein Parteigutachten sei, das nur wenig Relevanz habe; im Übrigen wurden selbst hier nur kleinere Maßnahmen vorgeschlagen. Das ärztliche Attest wiederum sei nicht geeignet, die Kausalität der Schadstoffbelastung für die gesundheitlichen Beeinträchtigungen nachzuweisen. Hierzu fehlen detailliertere Angaben zum zeitlichen Verlauf und der Schwere der Krankheiten und zu Untersuchungen zu den bereits eingetretenen Gesundheitsschäden sowie zum ausschließlichen Zusammenhang der Symptome mit der Formaldehydkonzentration.

Praxistipp:
Nach Auffassung des Gerichts hätte der Kläger bereits vor Beginn der Maßnahme auf eigene Initiative ein amts- oder vertrauensärztliches Zeugnis bzw. ein amtlich technisches Gutachten einholen müssen. Oder er hätte im Rahmen eines selbstständigen Beweisverfahrens gemäß § 155 Satz 1 FGO i.V.m. §§ 485 ff. ZPO die eine tatsächliche Zwangsläufigkeit begründenden Umstände feststellen lassen müssen.
gepostet: 18.09.2024
Bewirtungskosten: Aufzeichnungspflichten auch bei "Networking-Veranstaltung"
Kosten für die Bewirtung aus geschäftlichem Anlass sind mit 70 Prozent der Aufwendungen als Betriebsausgaben abzugsfähig. Wichtig ist, dass die Aufwendungen einzeln und getrennt von den sonstigen Betriebsausgaben aufgezeichnet werden (§ 4 Abs. 7 EStG). Von der geschäftlichen Bewirtung abzugrenzen ist die Bewirtung aus einem allgemeinen betrieblichen Anlass. Das ist üblicherweise die Bewirtung von eigenen Arbeitnehmern bei dienstlichen Veranstaltungen. In diesem Fall sind die Kosten zu 100 Prozent absetzbar. Ein voller Abzug ist auch möglich, wenn die Darreichung von Speisen und/oder Getränken gar nicht im Vordergrund steht (R 4.10 Abs. 7 EStR).

Nach Ansicht des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg ist eine Bewirtung aus geschäftlichem Anlass auch bei Netzwerkveranstaltungen, neudeutsch "Networking", anzunehmen. Die Kosten sind daher lediglich zu 70 Prozent abziehbar, und zwar nur dann, wenn die Aufzeichnungspflichten beachtet wurden (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.10.2023, 6 K 6089/20). Der Sachverhalt: Die Klägerin, ein Unternehmen der Immobilienwirtschaft, führte jeweils zum Anfang des Jahres eine "Kick-Off-Veranstaltung” mit jeweils rund 200 Teilnehmern durch. Etwa 50 Teilnehmer waren die eigenen Arbeitnehmer, ansonsten handelte es sich um Gäste des Unternehmens. Bei den Veranstaltungen liefen auf einigen Bildschirmen Werbetrailer. Außerdem waren zu Cateringzwecken provisorische Tresen aufgebaut, an denen die Gäste sich Speisen sowie Getränke abholen konnten. Die Gäste und Mitarbeiter sowie Geschäftsführer des Unternehmens nutzten die Veranstaltungen zu Kontaktgesprächen. Neben den Cateringaufwendungen fielen diverse Veranstaltungskosten an. Die Klägerin versäumte es, die Kosten für das Catering der Veranstaltungen einzeln und getrennt im Sinne von § 4 Abs. 7 EStG von den anderen Betriebsausgaben aufzuzeichnen. Das Finanzamt stufte die Ausgaben daher als nichtabziehbare Aufwendungen ein, weil die Aufzeichnungspflichten nicht erfüllt worden seien. Die hiergegen gerichtete Klage blieb erfolglos.

Die Cateringkosten hätten den Netzwerkcharakter der Veranstaltungen und damit vor allem die Bewirtung von Personen, zu denen Geschäftsbeziehungen bestehen, betroffen. Damit handele es sich um die Bewirtung von Personen aus geschäftlichem Anlass, für die die Abzugsbeschränkung und die Aufzeichnungspflichten gelten. Weil die Aufzeichnungspflichten nicht beachten wurden, scheide ein Kostenabzug aus.
gepostet: 16.09.2024
Menschen mit Behinderung: Kostenlose Broschüre mit Steuertipps
Menschen mit Behinderungen und deren Angehörige sind mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert. Um sie zu unterstützen, gibt es verschiedene steuerliche Entlastungen und Vergünstigungen. Darüber informiert eine neue Broschüre des Finanzministeriums Baden-Württemberg - insbesondere mit Blick auf die Lohn-, Einkommen- und Umsatzsteuer. Beispielsweise werden folgende Themen behandelt: Steuerfreie Einnahmen; behinderungs-bedingte Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen; Behinderten-Pauschbetrag; Behinderungsbedingte Aufwendungen als Werbungskosten oder Betriebsausgaben; Steuerermäßigung für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse und Dienst-, Pflege- und Betreuungsleistungen; Aufwendungen für ein Kind mit Behinderungen; Berücksichtigung von Freibeträgen im Lohnsteuerabzugsverfahren; Umsatzsteuerfreie Umsätze. Die Broschüre mit Stand Mai 2024 können Sie unter folgendem Link herunterladen: https://fm.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-fm/intern/Publikationen/ST_fuer_Menschen_mit_Behinderung_2024.pdf
gepostet: 14.09.2024
Grundsteuerreform: Nachweis eines niedrigeren Grundsteuerwerts nun zulässig
Von der Grundsteuerreform sind circa 36 Millionen wirtschaftliche Einheiten, also bebaute und unbebaute Grundstücke sowie Betriebe der Land- und Forstwirtschaft, in ganz Deutschland betroffen. Um diese Einheiten innerhalb einer angemessenen Frist bewerten zu können, arbeitet der Gesetzgeber mit Pauschalierungen und Typisierungen - so auch beim so genannten Bundesmodell, das die meisten Bundesländer anwenden. Das Gesetz sieht keine Möglichkeit vor, individuell per Gutachten nachgewiesene Grundsteuerwerte anzusetzen. Dies hat der Bundesfinanzhof bereits kritisiert. Im Rahmen zweier Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hat er entschieden, dass Steuerpflichtige im Einzelfall und unter bestimmten Bedingungen doch die Möglichkeit haben müssen, einen unter dem festgestellten Grundsteuerwert liegenden Wert ihres Grundstücks nachzuweisen. Mit verfassungsrechtlichen Zweifeln bezüglich der zugrundeliegenden Bewertungsregeln hat sich der BFH allerdings nicht befasst (BFH-Beschlüsse vom 27.5.2024, II B 78/23 (AdV) und II B 79/23 (AdV)).

Nun haben sich die betroffenen Bundesländer darauf verständigt, den Nachweis eines niedrigeren Grundsteuerwerts zu akzeptieren, diesen Nachweis allerdings an gewisse Voraussetzungen geknüpft (Oberste Finanzbehörden der Länder, Erlass vom 24.6.2024, S 3017). Es gilt unter anderem: Der Ansatz des nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Werts, also des Verkehrswertes, ist gesetzlich zwar nicht vorgesehen. Es kann aber das Übermaßverbot verletzt sein, wenn sich der pauschalierte Grundsteuerwert als erheblich über das normale Maß hinausgehend erweist. Ein für die gesamte wirtschaftliche Einheit nachgewiesener niedrigerer gemeiner Wert ist anzusetzen, wenn der pauschaliert ermittelte Grundsteuerwert den nachgewiesenen gemeinen Wert um mindestens 40 Prozent übersteigt.

Den Steuerpflichtigen trifft die Nachweislast für einen niedrigeren gemeinen Wert und nicht eine bloße Darlegungslast. Als Nachweis kann regelmäßig ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses im Sinne der §§ 192 ff. des Baugesetzbuchs oder von Personen, die von einer staatlichen, staatlich anerkannten oder nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständige oder Gutachter für die Wertermittlung von Grundstücken bestellt oder zertifiziert worden sind, dienen. Als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts kann darüber hinaus der Kaufpreis dienen, wenn das entsprechende Grundstück innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt veräußert worden ist. Der Kaufvertrag muss aber "im gewöhnlichen Geschäftsverkehr", üblicherweise also unter fremden Dritten, abgeschlossen worden sein.

Ab sofort ist Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung von Bescheiden über die Feststellung des Grundsteuerwerts zu entsprechen, wenn und soweit schlüssig dargelegt wird, dass der Grundsteuerwert den Verkehrswert um mindestens 40 Prozent übersteigt. Bei der Gewährung der Aussetzung der Vollziehung ist die Vorlage eines Verkehrswertgutachtens noch nicht erforderlich. Substantiierten Angaben des Steuerpflichtigen zur Höhe des Verkehrswerts ist zu folgen. Es bestehen keine Bedenken, als Ergebnis der summarischen Prüfung vorbehaltlich anderweitiger Erkenntnisse 50 Prozent des Grundsteuerwerts von der Vollziehung auszusetzen. Die Aussetzung der Vollziehung soll angemessen befristet und der Steuerpflichtige zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts (z.B. durch Vorlage eines Gutachtens) innerhalb dieser Frist aufgefordert werden.

Praxistipp:
Das Bundesmodell wenden an: Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen und das Saarland.
gepostet: 12.09.2024
Erbschaftsteuerbefreiung für Eigenheim: Einzug ins Objekt des Erblassers nötig
Die Vererbung des selbstgenutzten Familienheims an den Ehegatten oder Lebenspartner, an die Kinder, Stiefkinder oder Kinder verstorbener Kinder ist erbschaftsteuerfrei (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b und 4c ErbStG). Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist, dass der Erblasser das Familienheim vor dem Erbfall selbst bewohnt hat und die Erben die Immobilie nach der Erbschaft zehn Jahre lang selbst zu Wohnzwecken nutzen. Bei der Vererbung an den Ehegatten oder Lebenspartner kommt es nicht auf die Größe des Eigenheims an, in den anderen Fällen tritt eine Vergünstigung ein, soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 qm nicht übersteigt. Das Niedersächsische Finanzgericht hat entschieden, dass als Familienheim nur die Immobilie gelten kann, in der der Erblasser tatsächlich gewohnt hat. Selbst wenn zur Erbmasse eine Eigentumswohnung gehört, die mit der vom Erblasser genutzten Wohnung nahezu identisch ist, kann die andere Wohnung nicht als Familienheim gewertet werden. Wird also vom Erben nach dem Tod des Erblassers nicht das tatsächliche Familienheim, sondern lediglich eine vergleichbare Wohnung genutzt, so scheidet die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b und 4c ErbStG aus (Niedersächsisches FG, Urteil vom 13.3.2024, 3 K 154/23).

Der Kläger ist alleiniger Erbe seiner verstorbenen Mutter. Zur Erbmasse gehörten mehrere Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus. Darunter befanden sich die von der Mutter bis zu ihrem Tod selbst bewohnte Wohnung Nr. 1 sowie die vom Kläger von der Mutter angemietete Wohnung Nr. 2. Ein Umzug des Klägers in die Wohnung der verstorbenen Mutter erfolgte nicht. Er wohnte weiterhin in der Wohnung Nr. 2. Die Wohnung Nr. 1 vermietete er an Dritte. Der Kläger begehrte eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG für die Wohnung Nr. 2, also für die von ihm vor und nach dem Erbfall selbst genutzte Wohnung. Es handele sich um nahezu identische Wohnungen im selbigen Objekt. Doch sowohl das Finanzamt als auch das Finanzgericht versagten die Steuerbefreiung.

Der Tatbestand von § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG sei nicht erfüllt. Die Wohnung Nr. 1 stellte zwar das Familienheim der Erblasserin dar, da sie bis zu ihrem Tode darin gewohnt hat. Der Kläger ist als Kind der Erblasserin auch eine von der Befreiungsvorschrift erfasste Person. Er hat das Familienheim jedoch nicht unverzüglich nach dem Erbfall zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt, denn er zog nicht in diese Wohnung ein. Die Wohnung Nr. 1 als Familienheim kann auch nicht durch die Wohnung Nr. 2 ersetzt werden, denn die Vorschrift ist nicht dahingehend auszulegen, dass das Familienheim durch eine andere Wohnung im selben Mehrfamilienhaus substituiert werden kann.
gepostet: 10.09.2024
Sozialversicherung: Corona-Soforthilfen als beitragspflichtiges Einkommen
Mit dem Programm "Soforthilfe Corona“ wurden Unternehmen und Selbstständige unterstützt, die sich im Frühjahr 2020 unmittelbar infolge der Corona-Pandemie in einer existenzbedrohenden wirtschaftlichen Lage befanden und massive Liquiditätsengpässe erlitten. Nun hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg entschieden, dass die Corona-Soforthilfen dem sozialversicherungsrechtlichen Beitragsrecht unterliegen, auch wenn sie wieder zurückgezahlt werden mussten. Die Revision wurde nicht zugelassen (Urteil vom 19.6.2024, L 4 KR 82/24).

Ein hauptberuflich Selbstständiger hatte aus dem Programm "Soforthilfe Corona“ von der Landeskreditbank Baden-Württemberg im April 2020 einen Zuschuss in Höhe von 4.500 Euro erhalten. Dieser Zuschuss wurde vom Finanzamt mit dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2020 als Teil der Einkünfte aus Gewerbebetrieb berücksichtigt. Die Kranken- und Pflegeversicherung des freiwillig krankenversicherten Klägers hatte daraufhin den Zuschuss auch der Beitragsberechnung zugrunde gelegt. Hiergegen wandte sich der Kläger, der den Zuschuss im Jahr 2023 zurückzahlen musste, nachdem sich gezeigt hatte, dass die Bewilligungsvoraussetzungen nicht vorgelegen hatten. Er machte insbesondere geltend, dass der Zuschuss wie ein Darlehen zu bewerten sei und daher keine Beitragspflicht auslöse. Nachdem das Sozialgericht in erster Instanz die Klage abgewiesen hatte, blieb der Kläger auch mit seiner Berufung beim LSG erfolglos.

Zu den beitragspflichtigen Einnahmen des Klägers zählten die im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2020 ausgewiesenen Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Sie gelten als Arbeitseinkommen. Dieses sei nicht um den vom Kläger im Jahr 2020 erhaltenen Zuschuss zu reduzieren gewesen. Insbesondere handelte es sich hierbei nicht um ein Darlehen, sondern um einen Zuschuss, der vom Grundsatz her nicht zurückzuzahlen war. Mit einer gegebenenfalls bestehenden Rückzahlungsverpflichtung sollte nur im Einzelfall eine "Überkompensation“ vermieden werden. Damit sei der Zuschuss aus dem Programm "Soforthilfe Corona“ aber schon im Grundsatz als "nicht zurückzahlbarer verlorener Zuschuss“ und gerade nicht als Darlehen oder dergleichen ausgestaltet gewesen. In dem Jahr, in dem der Kläger den Zuschuss in Höhe von 4.500 Euro an die Landeskreditbank zurückzahlte, könne er dies gegenüber dem Finanzamt einkommensmindernd geltend machen. Diese Gewinnminderung führe dann - nach Erlass eines Einkommensteuerbescheids für das Rückzahlungsjahr - zu einer entsprechend geringeren Beitragsbemessungsgrundlage (Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 9.7.2024).

gepostet: 08.09.2024
Entfernungspauschale: Erhöhung für Fernpendler ist verfassungskonform
Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte werden mit der Entfernungspauschale steuerlich berücksichtigt. Diese beträgt - unabhängig vom benutzten Verkehrsmittel - für die ersten 20 Entfernungskilometer je 30 Cent. Zum 1.1.2021 wurde die Entfernungspauschale ab dem 21. Entfernungskilometer auf 35 Cent und zum 1.1.2022 auf 38 Cent angehoben. Dieser Betrag soll - vorerst - bis einschließlich 2026 gelten. Der Gesetzgeber will die Fernpendler damit etwas entlasten. Manch Arbeitnehmer, der "nur" 20 Kilometer zur Arbeit fährt, empfindet es aber als ungerecht, dass er lediglich 30 Cent pro Kilometer abziehen kann. Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat diesbezüglich jedoch entschieden, dass die Neuregelung mit der Erhöhung ab dem 21. Entfernungskilometer nicht verfassungswidrig ist. Für die ersten 20 Entfernungskilometer bestehe daher im Streitjahr 2022 auch kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf eine Entfernungspauschale von 38 Cent je Entfernungskilometer (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.3.2024, 16 K 16092/23).

Der Kläger beantragte in seiner Einkommensteuererklärung für 2022, dass ihm für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte die volle Entfernungspauschale von 38 Cent je Kilometer gewährt werde, also auch für die ersten 20 Kilometer. Dies lehnte das Finanzamt ab. Später trug der Kläger vor, dass die Versagung der vollen Pendlerpauschale gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Ein sachlich rechtfertigender Grund dafür, dass die volle Pendlerpauschale erst ab dem 21. Kilometer gewährt werde, sei nicht ersichtlich. Einspruch und Klage blieb aber der Erfolg verwehrt. Begründung: Nach wie vor kann der Steuerpflichtige vom ersten Kilometer an seine Kosten geltend machen, es findet lediglich eine Privilegierung für weitere Entfernungen statt. Diese hat auch einen sachlichen Grund. Denn bis zu einer Entfernung von 20 Kilometer sind die anfallenden Kosten natürlich begrenzter als bei weiten darüber hinaus gehenden Entfernungen. In der Regel werden Entfernungen bis zu 20 Kilometer auch noch mit dem öffentlichen Personennahverkehr oder sogar mit dem Fahrrad zu bewältigen sein. Gerade bei höheren Entfernungen wird die Möglichkeit, den öffentlichen Nahverkehr zu benutzen, nicht oder nur unter nicht zumutbaren Bedingungen bestehen. Da der Gesetzgeber einen weiten Ermessensspielraum hat bei der Bemessung von Pauschalen und die Pauschale für die ersten 20 Kilometer auch nicht völlig realitätsfern ist, vermag das Gericht einen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot oder das Nettolohnprinzip bzw. das Folgerichtigkeitsprinzip nicht zu ersehen.

Praxistipp:
Da die Entscheidung für eine Vielzahl von Fällen Bedeutung hat, hatte das Gericht die Revision zugelassen. Diese wurde aber nicht eingelegt, so dass das Urteil rechtskräftig geworden ist.
gepostet: 06.09.2024
Brandschaden nach Hauskauf: Renovierungskosten nicht sofort abziehbar?
Zu den Herstellungskosten eines Gebäudes gehören auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach Erwerb des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen (ohne Umsatzsteuer) 15 Prozent der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen. Man spricht hier von anschaffungsnahen Herstellungskosten; diese sind nur im Wege der Absetzung für Abnutzung - zumeist mit 2 Prozent pro Jahr - abzugsfähig (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG). Das Finanzgericht Düsseldorf hat entschieden, dass auch die Kosten für Renovierungsarbeiten nach einem Brandschaden den anschaffungsnahen Herstellungskosten zuzuordnen sind. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Ursache für den Brand unklar ist. Lediglich die Aufwendungen für die Beseitigung der unmittelbaren Brandschäden stellen sofort abzugsfähige Werbungskosten dar (FG Düsseldorf, Urteil vom 28.11.2023, 10 K 2184/20 E).

Der Kläger hatte im Jahr 2015 eine mängelbehaftete Immobilie zu einem Kaufpreis von 35.000 Euro erworben und sodann vermietet. Das Mietverhältnis war für die Dauer von fünf Jahren befristet, weil der Kläger beabsichtigte, das Gebäude abzureißen bzw. eine Kernsanierung vorzunehmen. Im Jahr 2016 wurde das Gebäude durch einen Brand erheblich beschädigt. Die Ursache für den Brand konnte nicht endgültig geklärt werden. Der Kläger beantragte den sofortigen Abzug von Erhaltungsaufwendungen für alle Kosten. Das Finanzamt beurteilte die Aufwendungen hingegen insgesamt als anschaffungsnahe Herstellungskosten, die lediglich im Rahmen der AfA zu berücksichtigen seien. Das Finanzgericht hat der hiergegen gerichteten Klage nur teilweise entsprochen.

Bei den Aufwendungen für die Beseitigung der unmittelbaren Brandschäden handele es sich um sofort abzugsfähige Werbungskosten. Dazu gehören beispielsweise die Kosten für die Entsorgung der durch Feuer und Löscharbeiten beschädigten Gebäudeteile und des Inventars der Mieterin. Die übrigen Aufwendungen für die durchgeführten Renovierungsmaßnahmen seien jedoch den anschaffungsnahen Herstellungskosten zuzuordnen. Der Bundesfinanzhof habe zwar den sofortigen Abzug von Kosten zur Beseitigung eines Schadens bejaht, wenn dieser im Zeitpunkt der Anschaffung nicht vorhanden und auch nicht "angelegt" war, sondern nachweislich erst zu einem späteren Zeitpunkt durch das schuldhafte Handeln eines Dritten verursacht worden ist (BFH-Urteil vom 13.3.2018, IX R 41/17). Vorliegend habe aber nicht festgestellt werden können, dass der Schaden durch die Mieterin verursacht worden sei. Einen solchen Nachweis müsse der Steuerpflichtige führen, wenn er den sofortigen Kostenabzug begehrt.

Praxistipp:
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil wurde Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesfinanzhof eingelegt. Das Az. lautet IX B 2/24 (FG Düsseldorf, Newsletter Februar 2024).
gepostet: 04.09.2024
Erbschaftsteuer: Parkhaus als nicht begünstigtes Verwaltungsvermögen
Ein Parkhaus ist erbschaftsteuerlich nicht begünstigt. Dies hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 28.2.2024 (II R 27/21) entschieden. Der Kläger war Alleinerbe seines im Jahr 2018 verstorbenen Vaters. Zum Erbe gehörte ein mit einem Parkhaus bebautes Grundstück. Der Vater hatte das Parkhaus als Einzelunternehmen ursprünglich selbst betrieben und ab dem Jahr 2000 dann unbefristet an den Sohn verpachtet. Das Finanzamt stellte den Wert des Betriebsvermögens fest. Dabei behandelte es das Parkhaus als so genanntes Verwaltungsvermögen, das bei der Erbschaftsteuer nicht begünstigt ist. Das Finanzgericht und der Bundesfinanzhof schlossen sich dieser Auffassung an.

Betriebsvermögen wird bei der Erbschaftsteuer zwar grundsätzlich privilegiert. Das gilt jedoch nicht für bestimmte Gegenstände des Verwaltungsvermögens. Darunter fallen dem Grunde nach auch "Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke“. Diese können bei der Erbschaftsteuer zwar auch begünstigt sein, etwa wenn der Erblasser seinen ursprünglich selbst betriebenen Gewerbebetrieb unbefristet verpachtet und den Pächter testamentarisch als Erben einsetzt. Eine Ausnahme besteht jedoch für solche Betriebe, die schon vor der Verpachtung nicht die Voraussetzungen der erbschaftsteuerrechtlichen Privilegierung erfüllt haben. Dies ist bei einem Parkhaus der Fall. Denn die dort verfügbaren Parkplätze als Teile des Parkhausgrundstücks wurden schon durch den Erblasser als damaligen Betreiber an die Autofahrer - und somit an Dritte - zur Nutzung überlassen. Zudem handelt es sich auch nicht um die Überlassung von Wohnungen, die der Gesetzgeber aus Gründen des Gemeinwohls für die Erbschaftsteuer privilegiert hat. Keine Rolle spielt auch, ob zu der Überlassung der Parkplätze weitere gewerbliche Leistungen wie etwa eine Ein- und Ausfahrtkontrolle und eine Entgeltzahlungsdienstleistung hinzukommen. Darauf stellt das Erbschaftsteuergesetz nicht ab.

Der BFH sah darin auch keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung im Verhältnis zu anderen Grundstücksüberlassungen, wie zum Beispiel im Rahmen des Absatzes eigener Erzeugnisse durch einen Brauereibetrieb oder im Zusammenhang mit einer land- und forstwirtschaftlichen Betriebstätigkeit. Denn dass der Gesetzgeber solche Betriebe - wie auch die erwähnten Wohnungsunternehmen - als förderungswürdig ansah, ist von seinem weiten Entscheidungsspielraum gedeckt (Quelle: BFH, Pressemitteilung vom 27.6.2024).
gepostet: 02.09.2024
August 2024
Grundsteuerreform: Bundesmodell weckt Zweifel des Bundesfinanzhofs
Die Grundsteuerreform erhitzt die Gemüter, da viele Immobilienbesitzer befürchten, ab dem 1. Januar 2025 höhere Grundsteuern zahlen zu müssen als bislang. Zahlreiche Bürger haben daher die Feststellungen ihrer Grundsteuerwerte angefochten und einige haben sogar Klage erhoben. Zwei Betroffene haben nun beim Bundesfinanzhof einen Etappensieg errungen, wenn auch jeweils nur in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes. Der BFH hat entschieden, dass Steuerpflichtige im Einzelfall unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit haben müssen, einen unter dem festgestellten Grundsteuerwert liegenden Wert ihres Grundstücks nachzuweisen. Da deswegen bereits Zweifel an der Höhe der festgestellten Grundsteuerwerte bestanden, war vom BFH nicht mehr zu prüfen, ob die neue Grundsteuer grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Zweifeln bezüglich der zugrundeliegenden Bewertungsregeln unterliegt (BFH-Beschlüsse vom 27.5.2024, II B 78/23 (AdV) und II B 79/23 (AdV)).

In beiden Streitfällen hatten die Antragsteller beim Finanzgericht erfolgreich beantragt, die Grundsteuerwertfeststellungen für ihre Wohnimmobilien von der Vollziehung auszusetzen. Die angefochtenen Bescheide waren auf der Grundlage der Neuregelung des Grundsteuer- und Bewertungsrechts durch das Grundsteuer-Reformgesetz vom 26.11.2019 ergangen (so genanntes Bundesmodell), das in mehreren Bundesländern Anwendung findet. Danach wird die Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer, die ab dem 1. Januar 2025 von den Gemeinden erhoben wird, durch Feststellung des Grundsteuerwerts auf den 1. Januar 2022 als einheitlichen Hauptfeststellungsstichtag ermittelt. Die für die Feststellung des Grundsteuerwerts maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften enthalten nach der gesetzgeberischen Konzeption aus Gründen der Automatisierung und Bewältigung der Neubewertung von über 36 Millionen wirtschaftlichen Einheiten eine Vielzahl von Typisierungen und Pauschalierungen.

Das Finanzgericht hatte ernstliche Zweifel sowohl an der einfachrechtlichen Rechtmäßigkeit der angefochtenen Grundsteuerwertbescheide als auch an der Verfassungsmäßigkeit der Bewertungsvorschriften und gewährte deshalb die beantragte Aussetzung der Vollziehung. Die gegen die Entscheidungen des Finanzgerichts erhobenen Beschwerden des Finanzamts hat der BFH in seinen Beschlüssen als unbegründet zurückgewiesen. Nach Auffassung des BFH bestehen bereits einfachrechtliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitigen Grundsteuerwertfeststellungen in Bezug auf die Höhe der festgestellten Grundsteuerwerte. Diese Zweifel ergäben sich daraus, dass den Steuerpflichtigen bei verfassungskonformer Auslegung der Bewertungsvorschriften die Möglichkeit eingeräumt werden müsse, bei einer Verletzung des Übermaßverbots einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen, auch wenn der Gesetzgeber einen solchen Nachweis nicht ausdrücklich geregelt habe. Der Gesetzgeber verfüge gerade in Massenverfahren der vorliegenden Art über einen großen Typisierungs- und Pauschalierungsspielraum. Das Übermaßverbot könne jedoch verletzt sein, wenn sich der festgestellte Grundsteuerwert als erheblich über das normale Maß hinausgehend erweise. Dies setze nach der bisherigen Rechtsprechung zu anderen typisierenden Bewertungsvorschriften voraus, dass der festgestellte Wert den nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert um 40 Prozent oder mehr übersteige.

In beiden Streitfällen kam der BFH zu dem Ergebnis, es sei bei summarischer Prüfung nicht auszuschließen, dass die Antragsteller jeweils aufgrund einzelfallbezogener Besonderheiten den erfolgreichen Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts ihrer Grundstücke mit der erforderlichen Abweichung zu den festgestellten Grundsteuerwerten führen könnten. Eine abschließende Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des neuen Bewertungsrechts ist damit nicht verbunden (Quelle: BFH, Pressemitteilung vom 13.6.2024).

Praxistipp:
Wie oben erwähnt ging es um die Feststellung der Grundsteuerwerte nach dem so genannten Bundesmodell. Dieses wenden an: Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen und das Saarland.

Praxistipp:
Bayern und Baden-Württemberg wenden das Bundesmodell nicht an. Hier werden die Grundsteuerwerte nach vereinfachten Verfahren ermittelt. Sowohl das FG Baden-Württemberg als auch das FG Nürnberg haben gegen die vereinfachten Verfahren keine verfassungsrechtlichen Bedenken (FG Baden-W., Urteile vom 11.6.2024, 8 K 2368/22 und 8 K 1582/23; FG Nürnberg, Beschluss vom 8.8.2023, 8 V 300/23). Allerdings ist hier das letzte Wort sicherlich noch nicht gesprochen. Es ist davon auszugehen, dass der BFH und gegebenenfalls eines Tages das Bundesverfassungsgericht abschließend entscheiden müssen.
gepostet: 30.08.2024
Erbschaftsteuer: Fünf-Jahres-Zeitraum für Steuerminderung bei Doppelbelastung
Wer einen Vermögensgegenstand erbt, zahlt hierfür grundsätzlich Erbschaftsteuer, wenn die entsprechenden Freibeträge überschritten sind.. Wird der Vermögensgegenstand bereits kurze Zeit nach der Erbschaft veräußert, kann ein dabei entstehender Gewinn der Einkommensteuer unterliegen. Die Summe von Erbschaft- und Einkommensteuer kann eine enorme Höhe erreichen. Daher sieht der Gesetzgeber in § 35b EStG vor, dass die Einkommensteuer - unter bestimmten Voraussetzungen - ein Stück weit gemindert werden darf. Die Vorschrift enthält allerdings eine wichtige zeitliche Komponente: Die Einkommensteuer wird nur gemindert, wenn die Einkünfte "im Veranlagungszeitraum oder in den vorangegangenen vier Veranlagungszeiträumen als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterlegen haben."

Für die Begünstigung gilt also maximal ein Fünf-Jahres-Zeitraum (Veranlagungszeitraum des Sterbejahres plus vier davor liegende Veranlagungszeiträume). Der Bundesfinanzhof hat nun entschieden, dass der fünfjährige Begünstigungszeitraum regelmäßig mit dem Tod des Erblassers beginnt. Er wird auch dann nicht verlängert und beginnt auch dann nicht später, wenn die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Nachlass erst nach mehreren Jahren eingetreten ist (BFH-Urteil vom 28.11.2023, X R 20/21).

Der Kläger hatte unter anderem zwei Beteiligungen an Kommanditgesellschaften geerbt. Wegen einer nahezu sechs Jahre andauernden Erbenermittlung, einem langwierigen Erbscheinverfahren sowie personeller Engpässe im Nachlassgericht wurde der Erbschein, der den Kläger als Alleinerben auswies, erst nach sechs Jahren ausgestellt. Bis zur Erteilung des Erbscheins war der Kläger aufgrund der Bestellung eines Nachlass- und Verfahrenspflegers daran gehindert, über den Nachlass zu verfügen. Kurze Zeit nach Erteilung des Erbscheins veräußerte der Kläger die KG-Beteiligungen. Er machte in seiner Einkommensteuererklärung die Steuerermäßigung nach § 35b EStG geltend, die ihm jedoch nun auch vom BFH verwehrt wurde.

Begründung: Der fünfjährige Ermäßigungszeitraum des § 35b EStG muss zu einem klar definierten Zeitpunkt beginnen. Dies ist regelmäßig der Entstehungszeitpunkt der Erbschaftsteuer, meist also der Todestag des Erblassers oder der Erblasserin. Da es schon vom Wortlaut des § 35b Satz 1 EStG her auf ein Verschulden nicht ankommt, ist es vorliegend auch unerheblich, dass der Erbschein erst sechs Jahre nach dem Tod der Erblasserin erstellt worden ist und der Kläger erst nach Erteilung des Erbscheins die einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, um die es geht, überhaupt erzielen konnte. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn aufgrund der Begrenzung des Begünstigungszeitraums des § 35b Satz 1 EStG auf fünf Jahre zum einen der Erwerb der Beteiligungen mit Erbschaftsteuer und zum anderen ihre Veräußerung mit Einkommensteuer belastet wird. Weder ist der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt, noch ist eine etwaige verfassungsrechtlich zu beachtende Belastungsgrenze überschritten.
gepostet: 28.08.2024
Termingeschäfte: Beschränkung der Verlustverrechnung verfassungswidrig?
Verluste aus Termingeschäften, insbesondere aus dem Verfall von Optionen, dürfen nur mit Gewinnen aus Termingeschäften und mit Erträgen aus Stillhaltergeschäften ausgeglichen werden. Dabei ist die Verlustverrechnung beschränkt auf 20.000 Euro. Nicht verrechnete Verluste können auf Folgejahre vorgetragen werden und jeweils in Höhe von 20.000 Euro mit Gewinnen aus Termingeschäften oder Stillhalterprämien verrechnet werden, wenn nach der unterjährigen Verlustverrechnung ein verrechenbarer Gewinn verbleibt. Verluste aus Termingeschäften können nicht mit anderen Kapitalerträgen oder gar anderen Einkünften verrechnet werden (§ 20 Abs. 6 Satz 5 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2020). Die Beschränkung gilt seit dem 1.1.2021.

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hatte in einem Aussetzungsverfahren Bedenken gegen die betragsmäßige Beschränkung der Verlustverrechnung geäußert (Beschluss vom 05.12.2023, 1 V 1674/23). Der Bundesfinanzhof hat die Entscheidung nun bestätigt und die Beschwerde des Finanzamts zurückgewiesen. Der Sachverhalt: Der Antragsteller erklärte in 2021 Kapitalerträge aus Termingeschäften in Höhe von 250.631 Euro und Verluste aus gleichartigen Geschäften in Höhe von 227.289 Euro. Das Finanzamt verrechnete die laufenden Verluste aus Termingeschäften nur in Höhe des gesetzlichen Höchstbetrags von 20.000 Euro mit Gewinnen aus Termingeschäften. Die noch nicht verrechneten laufenden Verluste in Höhe von 207.289 Euro wurden in der Verlustfeststellung berücksichtigt. Gegen den Bescheid legte der Antragsteller Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Er machte Einwände gegen die Beschränkung der Verrechnung von Gewinnen und Verlusten aus Termingeschäften geltend. Er wies darauf hin, dass vom Bundesverfassungsgericht derzeit ohnehin geprüft werde, ob die Beschränkung der Verlustverrechnung für Aktienverluste rechtens ist (2 BvL 3/21). Die Entscheidung werde richtungsweisend auch für die Verrechnung von Verlusten aus anderen Kapitalanlagen sein. Das FG und der BFH gaben dem AdV-Antrag statt, da ernstliche Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der betragsmäßig beschränkten Verlustverrechnung gemäß § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG bestünden. Die Verlustverrechnungsbeschränkung gehe mit der Gefahr einher, dass eine Verlustberücksichtigung faktisch ganz ausgeschlossen sein kann. Im Streitfall bräuchten die Antragsteller für die Verrechnung des gesondert festgestellten Verlustes in Höhe von 207.289 Euro bereits jetzt schon über zehn Gewinnjahre, um die Verluste auszugleichen.

Praxistipp:
Das FG Baden-Württemberg hat, sogar in einem Hauptsacheverfahren, keine Bedenken gegen die Einschränkung der Verlustverrechnung (Urteil vom 29.4.2024, 10 K 1091/23). Gegen das Urteil liegt aber bereits die Revision vor (Az. VIII R 11/24). Der BFH wird also bald in einem Hauptsacheverfahren und nicht nur in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entscheiden müssen.
gepostet: 26.08.2024
Mitarbeiterkapitalbeteiligungen: Kein Ausschluss von Arbeitnehmergruppen
Gewährt der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern verbilligt oder unentgeltlich Vermögensbeteiligungen, ist der geldwerte Vorteil in bestimmter Höhe steuerfrei (§ 3 Nr. 39 EStG). Voraussetzung ist unter anderem, dass die Beteiligung mindestens allen Arbeitnehmern offensteht, die im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Angebots ein Jahr oder länger ununterbrochen in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis zum Unternehmen stehen. Das Finanzgericht Düsseldorf hat entschieden, dass die Steuerbefreiung aber für alle Arbeitnehmer entfällt, wenn der Arbeitgeber einzelne Arbeitnehmergruppen wie Auszubildende und geringfügig Beschäftigte von der Vermögensbeteiligung ausschließt. Nur der Ausschluss von Arbeitnehmern entsprechend der im Gesetz genannten Ein-Jahres-Frist sei erlaubt. Im Übrigen müssten ruhende Arbeitsverhältnisse nicht einbezogen werden (FG Düsseldorf, Urteil vom 14.12.2023, 8 K 11/22 H (L)).

Der Sachverhalt: Die Klägerin unterhält für ihre Mitarbeiter ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm. Jedoch dürfen Mitarbeiter mit ruhenden Arbeitsverhältnissen (z.B. bei Elternzeit), geringfügig Beschäftigte und Auszubildende daran nicht teilnehmen. Das Finanzamt lehnte die Gewährung der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 39 EStG für die Vorteile, die sich aus dem Beteiligungsprogramm ergaben, für alle berechtigten Arbeitnehmer ab. Die Beteiligung hätte mindestens allen Arbeitnehmern offenstehen müssen, die im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Angebots ein Jahr oder länger ununterbrochen in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis stünden. Die hiergegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg.

Die Begründung: § 3 Nr. 39 EStG unterscheide nicht zwischen hauptberuflich, geringfügig Beschäftigten und Auszubildenden. Unschädlich für die Gewährung der Steuerfreiheit sei ausdrücklich nur, dass Personen, die nicht mindestens ein Jahr ununterbrochen in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis zum Unternehmen standen, vom Angebot ausgeschlossen sind. Eine sachliche Differenzierung innerhalb der Personengruppen mag arbeitsrechtlich zulässig sein. Für die Steuerbefreiung in § 3 Nr. 39 EStG sei dies aber unerheblich. Der Einbezug von ruhenden Arbeitsverhältnissen in die Begünstigung des § 3 Nr. 39 EStG sei jedoch nicht erforderlich. Der Wegfall der Steuerbefreiung für alle Arbeitnehmer entspreche dem klaren Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck des Gesetzes.

Praxistipp:
Gegen das Urteil liegen zwischenzeitlich zwei Revisionen beim Bundesfinanzhof vor (Az. VI R 4/24 und VI R 5/24). Der BFH muss zum einen klären, ob die Ausklammerung von Arbeitnehmern aus ruhenden Arbeitsverhältnissen (z.B. Elternzeit) tatsächlich unschädlich ist. Die Finanzverwaltung vertritt hier eine andere Auffassung als das FG Düsseldorf (BMF-Schreiben vom 1.6.2024, IV C 5 - S 2347/24/10001 :001). Zum anderen muss der BFH die Frage beantworten, ob der Ausschluss von Auszubildenden und Minijobbern die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 39 EStG für alle Arbeitnehmer entfallen lässt.

Praxistipp:
Das BMF hat in dem genannten Schreiben vom 1.6.2024 folgende Nichtbeanstandungsregelung erlassen, die im Einzelfall weiterhelfen kann, wenn seitens des Arbeitgebers eine falsche Wertungsentscheidung getroffen wurde: "War ein Arbeitgeber begründet davon ausgegangen, dass ein bestimmter Arbeitnehmer oder eine bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern nicht einbezogen werden muss, und stellt sich im Nachhinein etwas Anderes heraus, so bleibt die Steuerfreiheit des geldwerten Vorteils aus der unentgeltlichen oder verbilligten Überlassung der Vermögensbeteiligung bei den übrigen Arbeitnehmern aus Vereinfachungsgründen unberührt."
gepostet: 24.08.2024
Unterhalt an Bedürftige: Unschädliche Vermögensgrenze unverändert niedrig
Wer einen unterhaltsberechtigten Angehörigen finanziell unterstützt, darf seine Leistungen im gewissen Rahmen steuerlich geltend machen (§ 33a Abs. 1 EStG). Voraussetzung ist unter anderem, dass weder der Leistende noch eine andere Person Anspruch auf einen Kinderfreibetrag oder Kindergeld für die unterhaltene Person hat und die unterhaltene Person kein oder nur ein geringes Vermögen besitzt. Unschädlich ist ein geringes Vermögen bis zu einem Verkehrswert von 15.500 Euro. Das bedeutet: Wenn der Angehörige über eigenes Vermögen von mehr als 15.500 Euro verfügt, wird das Finanzamt Unterhaltszahlungen nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkennen. Gewisse Vermögenswerte bleiben allerdings als Schonvermögen außer Betracht. Hierunter fallen insbesondere ein angemessenes Hausgrundstück, das vom Unterhaltsempfänger allein oder zusammen mit Angehörigen selbst bewohnt wird, sowie Vermögensgegenstände, deren Veräußerung offensichtlich eine Verschleuderung bedeuten würde.

Soeben hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die Grenze für das geringfügige Vermögen in Höhe von 15.500 Euro auch im Jahr 2019 noch zu beachten ist. Im Urteilsfall selbst obsiegte der Kläger aber dennoch, denn die Richter haben klargestellt, dass die monatlichen Unterhaltsleistungen nicht in die Vermögensberechnung einzubeziehen sind (BFH-Urteil vom 29.2.2024, VI R 21/21).

Die Kläger machten Unterhaltszahlungen an den volljährigen Sohn, für den kein Kindergeldanspruch mehr bestand, für den Zeitraum 1.1. bis 30.9.2019 (Abschluss des Studiums) als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33a Abs. 1 EStG geltend. Das Bankkonto des Sohnes wies zum 1.1.2019 ein Guthaben von 15.950 Euro aus. Darin enthalten war eine Ende Dezember 2018 geleistete Unterhaltsvorauszahlung für Januar 2019 in Höhe von 500 Euro. Das Finanzamt lehnte den Abzug der Unterhaltszahlungen als außergewöhnliche Belastungen ab, da der Sohn über ausreichend eigenes Vermögen verfüge. Davon sei nach den Einkommensteuerrichtlinien und der ständigen Rechtsprechung des BFH auszugehen, wenn das Vermögen die Grenze von 15.500 Euro überschreite. Das Finanzgericht folgte der Sichtweise des Finanzamts und wies die Klage ab. Der BFH hob die Vorentscheidung auf und gab der Klage im Wesentlichen statt.

Begründung: Die seit 1975 unveränderte Höhe des Schonvermögens von 15.500 Euro ist trotz der seither eingetretenen Geldentwertung nicht anzupassen. Schonvermögen in dieser Höhe liegt auch im Streitjahr 2019 noch deutlich oberhalb des steuerlichen Grundfreibetrags (9.168 Euro in 2019) und unterschreitet auch nicht das Vermögen, was das Zivil- und Sozialrecht dem Bedürftigen als "Notgroschen“ zugestehen. Die monatlichen Unterhaltsleistungen selbst sind aber nicht - sofort - in die Vermögensberechnung einzubeziehen. Angesparte und noch nicht verbrauchte Unterhaltsleistungen werden grundsätzlich erst nach Ablauf des Kalenderjahres ihres Zuflusses zu (abzugsschädlichem) Vermögen. Die vorschüssige Unterhaltszahlung aus Dezember 2018 für den Januar 2019, die nach § 11 EStG erst in 2019 als bezogen gilt, ist daher beim Vermögen zum 1.1.2019 nicht zu berücksichtigen. Zu diesem Zeitpunkt ist im Urteilsfall daher von einem (unschädlichen) Vermögen des Sohnes in Höhe von 15.450 Euro auszugehen, das im streitigen Zeitraum auch nicht über 15.500 Euro angewachsen sei (Quelle: BFH, Pressemitteilung vom 20.6.2024).
gepostet: 22.08.2024
Gebäude-AfA: Gutachten nach ImmoWertV zur Verkürzung des AfA-Zeitraums
Für die Absetzung für Abnutzung (AfA) von Gebäuden sieht der Gesetzgeber bestimmte Prozentsätze vor. Je nach Nutzung und Bauantrag oder Kaufdatum sind dies üblicherweise 2 %, 2,5 % oder 3 %, wenn keine Sonder-AfA infrage kommt. Der Gesetzgeber unterstellt dabei typisierend eine Nutzungsdauer des jeweiligen Gebäudes von 50, 40 oder 33 Jahren. Grundsätzlich ist es zwar zulässig, eine kürzere Nutzungsdauer und damit einen höheren AfA-Satz geltend zu machen. Allerdings verlangen die Finanzämter insoweit Nachweise, das heißt zumeist sehr detaillierte und aufwendige Gutachten (§ 7 Abs. 4 Satz 2 EStG).

Zugunsten der betroffenen Hauseigentümer hat der Bundesfinanzhof im Jahre 2021 allerdings entschieden, dass an den Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer keine überhöhten Anforderungen zu stellen sind. Der Steuerpflichtige kann sich zur Darlegung der verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer jeder Darlegungsmethode bedienen, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint. Die Vorlage eines Bausubstanzgutachtens ist jedenfalls nicht Voraussetzung für die Anerkennung einer verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer (BFH-Urteil vom 28.7.2021, IX R 25/19). Das Bundesfinanzministerium hat daraufhin dargestellt, welche Anforderungen an ein Gutachten - seiner Ansicht nach - zur Verkürzung des AfA-Zeitraums zu stellen sind. Und wie zu erwarten war, legt das BMF die Hürden doch wieder hoch (BMF-Schreiben vom 22.2.2023, BStBl 2023 I S. 332). Unter anderem führt es aus, dass die Ermittlung der Restnutzungsdauer und die Gesamtnutzungsdauer nach der Immobilienwertverordnung (ImmoWertV) lediglich Modellansätze seien, die nur im Gesamtkontext einer Verkehrswertermittlung zu sachgerechten Ergebnissen führen würden. Dem ist der BFH nun entgegengetreten (BFH-Urteil vom 23.1.2024, IX R 14/23).

Eine Gutachtenmethode, durch die die Restnutzungsdauer eines Gebäudes modellhaft wirtschaftlich bestimmt wird, könne als Nachweis für die Inanspruchnahme des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG genügen. Die weitergehenden Anforderungen und Einschränkungen, die die Finanzverwaltung in Rz 23 f. des BMF-Schreibens vom 22.2.2023 für den Nachweis einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer durch Sachverständigengutachten aufstellt, ließen sich dem Gesetz jedenfalls nicht in Gänze entnehmen. Insbesondere die sachverständige Ermittlung der Restnutzungsdauer gemäß § 6 Abs. 6 ImmoWertV 2010 (inzwischen § 4 Abs. 3 ImmoWertV vom 14.7.2021) sei eine gutachterlich anerkannte Schätzungsmethode.

Praxistipp:
Der BFH weist aber klarstellend darauf hin, dass seine Ausführungen nicht dahingehend zu verstehen sind, der Steuerpflichtige könne allein durch eine schlichte Bezugnahme auf die modellhaft ermittelte Gesamt- sowie Restnutzungsdauer eines Gebäudes nach Maßgabe der ImmoWertV eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer darlegen und nachweisen. Vielmehr bedürfe es für die Schätzung der Nutzungsdauer einer sachverständigen Begutachtung, die sich insbesondere zu den individuellen Gegebenheiten des Objekts (zum Beispiel durchgeführte oder unterlassene Instandsetzungen oder Modernisierungen, vgl. § 4 Abs. 3 Satz 2 ImmoWertV 2021) verhält.
gepostet: 20.08.2024
Leasing eines Firmen-Pkw: Steuermodell "Sonderzahlung im Dezember" versagt
Einnahmen-Überschussrechner dürfen eine bei Leasingbeginn geleistete Sonderzahlung für ihren Firmenwagen im Umfang der betrieblichen Kfz-Nutzung grundsätzlich sofort als Betriebsausgabe abziehen. Dieses Prinzip des Sofortabzugs haben sich viele Einnahmen-Überschussrechner zunutze gemacht, indem sie den Leasingbeginn jeweils auf den Dezember gelegt, in diesem Monat eine hohe Sonderzahlung geleistet und per Fahrtenbuch nachgewiesen haben, dass sie das Kfz im Dezember fast ausschließlich betrieblich genutzt haben. Folge sollte ein nahezu 100-prozentiger Abzug der Leasingsonderzahlung sein, und zwar auch dann, wenn das Kfz in den Folgejahren erheblich weniger betrieblich genutzt oder aber zur so genannten Ein-Prozent-Regelung übergegangen wird.

Der Bundesfinanzhof hat dem Modell allerdings zumindest für die Fälle den Boden entzogen, in denen das geleaste Fahrzeug nicht dauerhaft, also über die gesamte Leasinglaufzeit, zu mehr als 50 Prozent betrieblich genutzt wird (BFH-Urteil vom 12.3.2024, VIII R 1/21). Etwas vereinfacht ging es um folgenden Sachverhalt: Der Kläger, ein Freiberufler, ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung. Anfang Dezember 2013 leaste er einen Pkw mit einer Laufzeit von 36 Monaten. Er leistete im Dezember 2013 für das Fahrzeug eine Leasingsonderzahlung in Höhe von rund 36.500 Euro netto. Der Kläger nutzte das Kfz im Dezember 2013 zu 71,03 Prozent für seine freiberuflichen Zwecke, in den Folgejahren hingegen im Durchschnitt nur zu 12,16 Prozent. Er machte im Rahmen der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr den betrieblichen Anteil der Leasingsonderzahlung als Betriebsausgabe geltend, also 71,03 Prozent von 36.500 Euro. Das Finanzamt rechnete hingegen anders: Es verteilte die Leasingsonderzahlung auf 36 Monate und ließ für das Jahr 2013 nur 1/36 von 71,03 Prozent zum Abzug zu. Der BFH stimmt dem Finanzamt zu.

Der BFH weist darauf hin, dass das Leasing als reines Nutzungsrecht nicht zum Betriebsvermögen, sondern zum Privatvermögen des Klägers gehöre. Folglich führe lediglich der Anteil der Fahrten, die beruflich unternommen worden sind, zu Betriebsausgaben. Man spricht von einer so genannten Nutzungseinlage. Die Zuordnung zum Privatvermögen liege daran, dass der Kläger das Fahrzeug nur vorübergehend und nicht dauerhaft in einem Umfang von über 50 Prozent betrieblich genutzt hat. Über die Gesamtnutzungsdauer von 36 Monaten betrug die betriebliche Nutzung des Fahrzeugs nur 12,16 Prozent der gefahrenen Gesamtstrecke. Die betriebliche Nutzung von über 50 Prozent nur im Dezember des Streitjahrs sei danach nicht geeignet, die Betriebsvermögenseigenschaft des Nutzungsrechts "Leasing" zu begründen. Für die betrieblichen Fahrten im Dezember des Streitjahres 2013 sei die Leasingsonderzahlung bei den Einkünften aus selbstständiger Arbeit im Rahmen einer Nutzungseinlage als Betriebsausgabe abzugsfähig - allerdings nur in Höhe von 1/36 x 71,03 Prozent (also 1,97 Prozent von 36.500 Euro = 720 Euro).
gepostet: 18.08.2024
Krankheitskosten: Sind Kosten für Diätverpflegung bei Zöliakie abzugsfähig?
Im Jahre 2021 hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die Mehraufwendungen für eine glutenfreie Diätverpflegung steuerlich nicht als außergewöhnliche Belastungen absetzbar sind. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG gelte dies auch für Sonderdiäten, die - wie zum Beispiel bei der Zöliakie - eine medikamentöse Behandlung ersetzen. Die Diätverpflegung trete in diesen Fällen nicht nur an die Stelle einer medikamentösen Behandlung, sondern auch an die Stelle üblicher Nahrungsmittel. Auf deren Verzehr und Beschaffung sind aber alle Steuerzahler angewiesen. Somit seien die entsprechenden Aufwendungen nicht außergewöhnlich (BFH-Beschluss vom 4.11.2021, VI R 48/18). Gegen die Entscheidung wurde nun aber Verfassungsbeschwerde erhoben. Diese ist beim Bundesverfassungsgericht unter dem Az. 2 BvR 1554/23 anhängig.

Praxistipp:
Im Zusammenhang mit Krankheitskosten muss das Bundesverfassungsgericht auch klären, ob diese - wenn sie schon als außergewöhnliche Belastung abziehbar sind - stets um die zumutbare Eigenbelastung zu kürzen sind. Der BFH hatte die Kürzung beispielsweise mit Beschluss vom 1.9.2021 (VI R 18/19) als zulässig erachtet. Neben dem oben erwähnten Verfahren unter dem Az. 2 BvR 1554/23 ist insoweit noch das Verfahren mit dem Az. 2 BvR 1579/22 in Karlsruhe anhängig.
gepostet: 16.08.2024
Betriebsveranstaltung: Muss sie tatsächlich allen Mitarbeitern offenstehen?
Zuwendungen des Arbeitgebers an einen Arbeitnehmer und dessen Begleitperson anlässlich einer Betriebsveranstaltung bleiben bis zu 110 Euro (einschl. Umsatzsteuer) pro Arbeitnehmer steuer- und sozialversicherungsfrei. Der Freibetrag von 110 Euro gilt für bis zu zwei Betriebsveranstaltungen pro Jahr. Wird der Freibetrag überstiegen, hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, den zusätzlichen Vorteil der pauschalen Lohnsteuer zu unterwerfen (§ 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG). Die Finanzverwaltung verlangt für die Gewährung des Freibetrages und für eine eventuelle Lohnsteuer-Pauschalierung allerdings, dass die Teilnahme an der Betriebsveranstaltung allen Angehörigen des Betriebs oder zumindest eines Betriebsteils offensteht (BMF-Schreiben vom 14.10.2015, BStBl 2015 I S. 832). Dieser restriktiven Auffassung ist der BFH nun für die Frage der Lohnsteuer-Pauschalierung entgegengetreten und hat entschieden, dass eine Betriebsveranstaltung auch dann vorliegen kann, wenn an ihr beispielsweise nur die Führungskräfte teilnehmen dürfen (BFH-Urteil vom 27.3.2024, VI R 5/22).

Der Arbeitgeber veranstaltete im Jahr 2015 in eigenen Räumlichkeiten eine Weihnachtsfeier, zu der nur die Vorstandsmitglieder eingeladen waren. Darüber hinaus richtete er im selben Jahr eine Weihnachtsfeier für Mitarbeiter aus, die zum oberen Führungskreis bzw. Konzernführungskreis gehörten. Dabei handelte es sich um Mitarbeiter, die eine bestimmte Karrierestufe erreicht hatten, aber keinen eigenständigen Betriebsteil bildeten. Für beide Veranstaltungen wendete der Arbeitgeber jeweils hohe Kosten auf. Er beantragte daher die Lohnsteuer-Pauschalierung mit einem Pauschsteuersatz von 25 Prozent. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, die beantragte Lohnsteuer-Pauschalierung könne nicht gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG erfolgen, denn der Begriff der Betriebsveranstaltung setze voraus, dass die Teilnahme an der Veranstaltung allen Arbeitnehmern des Betriebs oder des Betriebsteils offenstehe. Doch der BFH ist anderer Auffassung und ließ die Pauschalierung zu.

Entgegen der Rechtsauffassung des Finanzamts handelt es sich bei den Weihnachtsfeiern des Vorstands und der Führungskräfte um Betriebsveranstaltungen i.S. von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG. Dass die Veranstaltungen nicht allen Betriebsangehörigen offenstanden, steht dem nicht entgegen. Der Wortlaut des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG, der für die Lohnsteuer-Pauschalierung nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG maßgebend ist, setzt ab dem Veranlagungszeitraum 2015 als Betriebsveranstaltung nur noch eine Veranstaltung auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter voraus. Eine Veranstaltung, an der ausschließlich Beschäftigte des Betriebs und deren Begleitpersonen teilnehmen können, ist vom Wortsinn her eine solche Betriebsveranstaltung, auch wenn diese Veranstaltung nicht allen Angehörigen eines Betriebs offensteht. Nur für die Gewährung des Freibetrages von 110 Euro bleibt es dabei, dass die Veranstaltung allen Mitarbeitern des Betriebs oder zumindest eines Betriebsteils offenstehen muss, denn insoweit gilt der Satz 3 des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG als Spezialvorschrift.
gepostet: 14.08.2024
Sonderausgaben: Beiträge an Solidarverein können abziehbar sein
Die meisten Bürger sind gesetzlich oder privat krankenversichert. Eine etwas weniger bekannte - aber seit rund 100 Jahren bestehende - Alternative ist die Absicherung für den Krankheitsfall über Solidargemeinschaften bzw. Solidarvereine. In steuerlicher Hinsicht müssen sich die Mitglieder der Solidarvereine oftmals mit der Finanzverwaltung um die Anerkennung ihrer Beiträge als Sonderausgaben streiten. Vielfach wird der Abzug mit der Begründung verwehrt, dass mit den Beiträgen kein Rechtsanspruch auf Leistungen erworben wird. Auch viele Finanzgerichte sind dieser Haltung gefolgt. Im Jahre 2023 hat der Bundesfinanzhof allerdings ein Urteil des Hessischen Finanzgerichts aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen. Vielleicht könne doch ein Rechtsanspruch auf Leistungen bestehen, der zum Abzug der Beiträge führen würde. Dies müsse das FG noch einmal prüfen. Im zugrunde liegenden Fall ging es offenbar um die Samarita (BFH-Urteil vom 23.8.2023, X R 15/22). Auch ein Urteil des FG Münster hat der BFH aufgehoben und die Sache zurückverwiesen (BFH-Gerichtsbescheid vom 23.8.2023, X R 21/22). Die Nachfolgeentscheidung des FG Münster liegt nun vor (Urteil vom 1.3.2024, 11 K 820/19 E). Danach sind die zur Krankheitsvorsorge gezahlten Beiträge an einen Solidarverein als Sonderausgaben abzugsfähig, denn der Solidarverein gewähre im Krankheitsfall ein Versorgungsniveau, das das Niveau der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung erreicht. Außerdem hätten die Mitglieder gegen den Solidarverein einen rechtlich verbindlichen Anspruch auf Leistungen im Krankheitsfall. Demgegenüber seien die der Pflegevorsorge dienenden Beiträge nicht als Sonderausgaben abzugsfähig, da nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung nur Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung begünstigt seien.

Praxistipp:
Das FG Münster hatte zwar die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Diese wurde von den Beteiligten jedoch nicht eingelegt.
gepostet: 12.08.2024
Hinterbliebenenrente: Steuerlicher Verlustvortrag bei Einkommen bedeutungslos
Bei der Hinterbliebenenversorgung, der so genannten Witwen- oder Witwerrente, wird das eigene Einkommen des Hinterbliebenen in einem bestimmten Umfang angerechnet. Kürzlich hat das Bundessozialgericht allerdings entschieden, dass ein von der Finanzverwaltung anerkannter Verlustvortrag bei der Bestimmung des auf eine Witwenrente anzurechnenden Arbeitseinkommens unberücksichtigt bleibt (BSG-Urteil vom 22.2.2024, B 5 R 3/23 R).

Die Klägerin bezieht seit Januar 1992 eine Witwenrente. Sie unterhält einen Gewerbebetrieb als Schaustellerin. In 2007 bis 2016 erzielte sie positive Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Das Finanzamt zog hiervon jeweils einen Verlustvortrag aus den negativen Einkünften in der Vergangenheit ab und setzte die Einkommensteuer für die Jahre 2007 bis 2016 auf jeweils 0 Euro fest. Der Rentenversicherungsträger erlangte hiervon Kenntnis, berechnete die Witwenrente rückwirkend ab Januar 2007 neu und verlangte die Erstattung von über 12.600 Euro. Dabei rechnete er das Einkommen der Klägerin ohne Berücksichtigung des Verlustvortrags auf die Hinterbliebenenrente an. Hiergegen wandte sich die Klägerin und rügte eine Verletzung des § 18a Abs. 2a SGB IV. Bei einer am Sinn und Zweck der Einkommensanrechnung auf Hinterbliebenenrenten orientierten Auslegung müsse ein im Einkommensteuerrecht anerkannter Verlustvortrag berücksichtigt werden. Ein Gewerbetreibender könne ein vergleichsweise hohes Einkommen nicht vollständig für seinen Unterhalt im Zuflussjahr nutzen, sondern müsse die in der Vergangenheit erwirtschafteten Verluste ausgleichen, zum Beispiel durch die Rückführung von Darlehen. Wie die Vorinstanzen hat jedoch auch das BSG entschieden, dass im Rahmen der Einkommensanrechnung auf Hinterbliebenenrenten ein Verlustvortrag nach § 10d Abs. 2 EStG nicht einzubeziehen ist.

Begründung: 18a Abs. 2a SGB IV soll sicherstellen, dass für die Einkommensanrechnung grundsätzlich alle Arten von Arbeitseinkommen berücksichtigt werden. Das Außer-Acht-Lassen eines steuerlichen Verlustvortrags entspricht schließlich dem Sinn und Zweck der Hinterbliebenenversorgung. Diese dient als Ersatz des Unterhalts, der aufgrund des Todes des Versicherten nicht mehr geleistet wird. Eigenes Einkommen des Hinterbliebenen wird in einem bestimmten Umfang angerechnet, weil der Hinterbliebene sich dadurch ganz oder zumindest teilweise selbst unterhalten kann. Abzustellen ist dabei auf das verfügbare Einkommen. Dass ein Hinterbliebener berechtigt ist, seine Einkommensteuerpflicht im Veranlagungszeitraum zu mindern, indem er negative Einkünfte aus im Einzelfall weit zurückliegenden früheren Veranlagungszeiträumen in Abzug bringt, sagt nichts über seine aktuelle wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aus. Der Zahlungsanspruch aus einer Hinterbliebenenrente wird schließlich nicht über Gebühr gemindert, indem ein steuerlicher Verlustvortrag unberücksichtigt bleibt. Betriebsausgaben werden grundsätzlich bereits bei der Gewinnermittlung berücksichtigt. Dazu gehören auch etwaige Darlehenszinsen (BSG, Mitteilung vom 22.2.2024).
gepostet: 10.08.2024
Kindergeld für Pflegekind: Anspruchsvorrang des am Monatsanfang Berechtigten
Gesetzlich ist bestimmt, dass für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt wird (§ 64 EStG). Bei mehreren Berechtigten wird das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Was aber geschieht, wenn Pflegeeltern ein Kind im Laufe eines Monats in ihrem Haushalt aufgenommen haben und der Kindergeldanspruch der leiblichen Eltern in dem betreffenden Monat gleichermaßen bestanden hat? Diesbezüglich hat der Bundesfinanzhof entschieden: Sind in demselben Monat sowohl die leiblichen als auch die Pflegeeltern kindergeldberechtigt, steht das Kindergeld vorrangig demjenigen zu, der die Voraussetzungen des Kindergeldanspruchs zu Beginn des fraglichen Monats erfüllt. Haben die Pflegeeltern das Kind erst im Laufe des Monats aufgenommen, steht das Kindergeld folglich noch den leiblichen Eltern zu und die Pflegeeltern sind nicht kindergeldberechtigt (BFH-Urteil vom 18.1.2024, III R 5/23).

Der Kläger und sein Lebenspartner nahmen am 7.12.2020 das im November 2020 von einer obdachlosen Mutter zur Welt gebrachte Kind in ihren Haushalt auf und wurden dadurch zu dessen Pflegeeltern. In ihrem Verhältnis zueinander bestimmten die Pflegeeltern den Kläger zum Berechtigten. Die Familienkasse gewährte ihm das Kindergeld ab Januar 2021, lehnte es jedoch für die Monate November und Dezember 2020 ab. Infolgedessen versagte die Familienkasse dem Kläger auch den Kinderbonus für das Jahr 2020. Der Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht sah die Klage im Hinblick auf das Kindergeld für den Monat Dezember 2020 und ebenso im Hinblick auf den Kinderbonus 2020 zwar als begründet an. Doch diese Auffassung teilt der BFH nicht.

Entscheidend ist nach dem Urteil des BFH, dass die am Monatsanfang bestehenden tatsächlichen Verhältnisse für die Beurteilung der Anspruchskonkurrenz maßgeblich sind und bleiben. Im Streitfall waren zu Beginn des Monats Dezember 2020 noch allein die leiblichen Eltern des Kindes kindergeldberechtigt. Bei ihnen setzt der Kindergeldanspruch - anders als bei Pflegeeltern - keine Aufnahme des Kindes in ihren Haushalt voraus. Deshalb blieben sie gegenüber den erst im Laufe des Monats Dezember 2020 hinzugekommenen Pflegeeltern für diesen Monat vorrangig kindergeldberechtigt. Der durch die Haushaltsaufnahme bei den Pflegeeltern am 7.12.2020 bewirkte Anspruchsvorrang des Klägers gemäß § 64 Abs. 2 EStG ist erst ab dem Folgemonat zu berücksichtigen, hier also ab Januar 2021. Schon deshalb schied auch der Anspruch des Klägers auf den Kinderbonus für das Jahr 2020 aus, da dieser einen Anspruch auf Kindergeld im Jahr 2020 vorausgesetzt hätte (Quelle: Pressemitteilung des BFH vom 7.3.2024).
gepostet: 08.08.2024
Gebäudeerwerb durch Nießbraucher: Zu den Auswirkungen auf die AfA
Manch Nießbrauchsnehmer möchte nicht nur das Nutzungsrecht an einer Immobilie inne haben, sondern auch das Eigentum erwerben. Kommt es tatsächlich zum Kauf, hat das Nießbrauchsrecht eigentlich keinen Wert mehr, denn es wird ja vom neuen Eigentümer nicht mehr benötigt. Doch führt dieses "Wertloswerden" des Nießbrauchsrechts zu zusätzlichen Anschaffungskosten? Der Bundesfinanzhof hat die Frage in einem aktuellen Urteil verneint. Der kapitalisierte Wert eines lebenslangen, fortbestehenden Nießbrauchsrechts an einem Grundstück ist nicht Bestandteil der Anschaffungskosten des Grundstücks, wenn der Nießbraucher das Eigentum am belasteten Grundstück erwirbt. Der Wert des Nießbrauchsrechts kann folglich nicht abgeschrieben werden (BFH-Urteil vom 23.1.2024, IX R 14/23). Der Klägerin war aufgrund eines Erbvertrages mit ihrem verstorbenen Lebensgefährten vermächtnishalber der lebenslange Nießbrauch an einem vermieteten Grundstück eingeräumt worden, während die Söhne des Lebensgefährten das Eigentum an der Immobilie erhielten. Einige Jahre nach dem Todesfall veräußerte einer der beiden Söhne seinen Miteigentumsanteil an dem Grundstück für 150.000 Euro an die Klägerin. Unstreitig handelte es sich insoweit um Anschaffungskosten, die nach Abzug eines Anteils für den Grund und Bo den abgeschrieben werden konnten. Die Klägerin machte aber geltend, dass die AfA-Bemessungsgrundlage zu erhöhen sei. Mit dem Erwerb des hälftigen Miteigentums sei insoweit ihr Nießbrauchsrecht untergegangen. Der Wert dieses Rechtsverlusts sei Bestandteil ihrer Anschaffungskosten gewesen. Doch der BFH hat sich dieser Auffassung nicht angeschlossen.

Anschaffungskosten setzen Aufwendungen des Steuerpflichtigen voraus, mithin eine wirtschaftliche Belastung. Eine solche ist ausgeschlossen bei fehlender Gegenleistungspflicht. Die Klägerin hat in Bezug auf ihr Nießbrauchsrecht keinen mit dem Eigentumserwerb in Zusammenhang stehenden Aufwand getragen. Sie hat dieses Recht nicht hingegeben, um den Miteigentumsanteil an dem Grundstück unbelastet zu erwerben. Vielmehr blieb die Klägerin trotz Eigentumserwerbs Inhaberin des Nießbrauchsrechts. Dies ergibt sich aus § 889 Alt. 2 BGB, wonach ein Recht an einem fremden Grundstück nicht dadurch erlischt, dass der Berechtigte das Eigentum an dem Grundstück erwirbt. Das Nießbrauchsrecht besteht als Eigentumsrecht des (neuen) Eigentümers fort.
gepostet: 06.08.2024
Steuerfreie Nachtzuschläge: Zum "Grundlohn" bei Bereitschaftsdiensten
Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit, die neben dem Grundlohn gezahlt werden, sind bis zu bestimmten Höchstgrenzen steuer- und sozialversicherungsfrei. Zuschläge für Nachtarbeit dürfen beispielsweise 25 Prozent des Grundlohns nicht übersteigen (§ 3b EStG). Der Begriff des Grundlohns kann aber umstritten sein, so etwa bei Bereitschaftsdiensten. Diese werden üblicherweise geringer vergütet als die "normale" Tätigkeit. Wenn nun aber ein Bereitschaftsdienst in den Nachtstunden geleistet wird und dafür neben dem niedrigen Bereitschaftslohn ein Nachtzuschlag gezahlt wird, stellt sich die Frage, ob der Zuschlag nur 25 Prozent des Bereitschaftslohns oder 25 Prozent des normalen Lohns betragen darf, um steuerfrei zu bleiben. Der Bundesfinanzhof hat die Frage wie folgt beantwortet: Die Steuerfreiheit von Zuschlägen für Bereitschaftsdienste, die außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit erbracht und gesondert vergütet werden, bemisst sich nach dem Arbeitslohn für die regelmäßige Arbeitszeit und nicht nach dem Bereitschaftsdienstentgelt. Nicht erforderlich ist, dass der Arbeitnehmer für die zuschlagsbewehrte Tätigkeit neben den Erschwerniszuschlägen einen Anspruch auf Grundlohn hat (BFH-Urteil vom 11.4.2024, V R 1/22).

Die Klägerin betreibt eine Förderschule mit angeschlossenem Internat für Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigungen. Die in Wohngruppen lebenden Kinder und Jugendlichen wurden von dem Betreuungspersonal ganztägig betreut. Die Betreuerinnen und Betreuer verbrachten auch die Nacht in den jeweiligen Wohngruppen. Für die Ableistung des Bereitschaftsdienstes erhielten die Mitarbeiter ein Viertel des regulären Gehalts ("Tabellenentgelt") und in den Nachtstunden je Stunde einen Zuschlag in Höhe von 15 Prozent des auf eine Stunde umgerechneten individuellen Tabellenentgelts. Das Finanzamt wollte diese Zuschläge teilweise versteuern. Aufgrund der geringeren Beeinträchtigung beim Bereitschaftsdienst im Vergleich zum regulären Dienst sei die Grenze nicht auf der Grundlage des regulären Stundenlohns zu berechnen, sondern lediglich auf der Grundlage der Bereitschaftsentschädigung, die nur 25 Prozent der eigentlichen Vergütung betrage. Doch diese Auffassung haben die obersten Steuerrichter verworfen.

Auch wenn das Bereitschaftsdienstentgelt nicht zum laufenden Arbeitslohn und damit nicht zum Grundlohn gemäß § 3b Abs. 2 Satz 1 EStG gehört, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht, werden die während der Nachtbereitschaft verdienten Zuschläge nicht nur neben dem Bereitschaftsdienstentgelt, sondern jedenfalls auch neben dem - weil zusätzlich hierzu gewährten - Grundlohn geleistet. Die Höhe der Steuerfreiheit der Nachtarbeitszuschläge ist nicht nach dem (anteilig) für den Bereitschaftsdienst gezahlten Bereitschaftsdienstentgelt, sondern nach dem vollen auf eine Stunde umgerechneten individuellen Tabellenentgelt zu bemessen. Denn nur das Tabellenentgelt ist der Grundlohn im Sinne von § 3b Abs. 2 Satz 1 EStG und damit die maßgebliche Größe, nach der die Steuerfreiheit der Zuschläge der Höhe nach zu berechnen ist.
gepostet: 04.08.2024
Musiker und Sänger: Leitfaden über die Grundzüge der Besteuerung
Musiker und Sänger unterliegen mit ihren Einkünften der Einkommensteuer. Mit ihren Umsätzen unterliegen sie grundsätzlich auch der Umsatzsteuer, sofern sie nicht als Kleinunternehmer gelten und soweit keine Steuerbefreiung in Betracht kommt. Was Künstler mit Wohnsitz in Deutschland steuerlich im Wesentlichen zu beachten haben, hat die Oberfinanzdirektion Karlsruhe dargelegt (OFD St 1-S 2045-1 – St 117, Stand 8.5.2024). Unter anderem werden folgende Punkte behandelt: Aufzeichnungspflichten, Abgrenzung zwischen nichtselbstständiger und selbstständiger Tätigkeit, Gewinnermittlung, abzugsfähige Kosten, umsatzsteuerliche Kleinunternehmerregelung, Steuerbefreiungen, Steuersätze, Ausstellen einer Rechnung (Rechnung in Form einer Gutschrift, Pflichtangaben in der Rechnung, Rechnungen über Kleinbeträge, elektronische Rechnung), Umsatzsteuer-Voranmeldung und Um-satzsteuererklärung. Das Schreiben der OFD Karlsruhe können Sie unter folgendem Link abrufen: https://ofd-karlsruhe.fv-bwl.de/site/pbs-bw-new/node/6563694/Lde_DE/index.html (FAQ Steuern - Stichwort "Musiker und Sänger").
gepostet: 02.08.2024
Juli 2024
Photovoltaikanlagen: Überblick über die Neuregelungen und Informationsblatt
Seit 2022 werden bestimmte Photovoltaikanlagen bei der Einkommensteuer gesetzlich steuerfrei gestellt (§ 3 Nr. 72 EStG). Eine etwas andere Regelung gilt bei der Umsatzsteuer: Hier wurde erst ab dem 1. Januar 2023 für die Lieferung und Installation von Solarmodulen einschließlich der für den Betrieb einer Photovoltaikanlage wesentlichen Komponenten ein Nullsteuersatz eingeführt, das heißt, für solche Leistungen wird keine Umsatzsteuer mehr berechnet (§ 12 Abs. 3 UStG). Wie das Thüringer Finanzministerium mitteilt, häufen sich jedoch die Anfragen von Betreibern zur steuerlichen Behandlung von Photovoltaikanlagen. Die Finanzverwaltung hat deshalb die steuerlichen Regeln zum Betrieb von Photovoltaikanlagen zusammengefasst (Mitteilung vom 24.4.2024).

Umsatzsteuer

Betreiber, die die umsatzsteuerliche Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen und ihre Photovoltaikanlage zum so genannten Nullsteuersatz, also ohne Umsatzsteuer erworben haben, können auf die Anzeige ihrer seit dem 1. Januar 2023 aufgenommenen Tätigkeit beim Finanzamt verzichten. Voraussetzung hierfür ist, dass die Photovoltaikanlage nach dem Einkommensteuergesetz begünstigt ist und keine weitere unternehmerische Tätigkeit ausgeübt wird. Seit 1. Januar 2023 gilt für den Kauf und die Installation bestimmter kleiner Photovoltaikanlagen und für dazugehörige Stromspeicher eine Umsatzsteuer von null Prozent, wenn:

- die Anlage auf oder in der Nähe von Privatwohnungen/Wohnungen/Wohngebäuden,
- auf öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden oder
- an Wohnwagen, wenn sie nicht oder nur gelegentlich fortbewegt werden, installiert sind.

Ist die installierte Bruttoleistung der Photovoltaikanlage kleiner oder gleich 30 kWp, dann entfällt ein Nachweis der Belegenheit. "Für den Erwerb dieser kleinen Anlagen greift dann automatisch der Nullsteuersatz“, so die Thüringer Finanzministerin Heike Taubert. Aus Gründen des Bürokratieabbaus kann auf die steuerliche Erfassung beim Finanzamt und die Vergabe einer Steuernummer verzichtet werden, wenn:

- das Unternehmen ausschließlich den Betrieb einer Photovoltaikanlage i.S. des § 3 Nr. 72 EStG und § 12 Abs. 3 Nr. 1 UStG (plus steuerfreie Vermietung) umfasst,
- die Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG angewendet wird und
- die Erwerbstätigkeit ab dem 1. Januar 2023 aufgenommen wurde.

Werden die Voraussetzungen erfüllt, wird keine Steuernummer vergeben. Gegenüber den Netzbetreibern ist in diesen Fällen die Marktstammdatenregisternummer der Photovoltaikanlage mitzuteilen. Die Information an den Netzbetreiber bezüglich der Inanspruchnahme der Vereinfachung ist jedoch zwingend erforderlich, da anderenfalls die (vom Netzbetreiber ausgewiesene) Umsatzsteuer für den eingespeisten Strom von den Betreiberinnen oder Betreibern der Anlage geschuldet werden würde. Erfüllt der Unternehmer hingegen eine der o.g. Voraussetzungen nicht, bedarf es bei erstmaliger unternehmerischer Betätigung einer elektronischen Abgabe des Fragebogens zur steuerlichen Erfassung an das zuständige Finanzamt. Für Anlagen, die vor 2023 installiert wurden, gelten die alten Steuerregeln.

Einkommensteuer

Bereits rückwirkend seit dem 1. Januar 2022 werden Einnahmen und Entnahmen im Zusammenhang mit dem Betrieb einer Photovoltaikanlage von der Einkommensteuer befreit. Für die Anwendung der Steuerbefreiung muss die Photovoltaikanlage bestimmte Voraussetzungen hinsichtlich der Anlagenleistung und des Standortes erfüllen:

Die installierte Bruttoleistung darf bis zu 30 kWp betragen, wenn die Anlage auf einem Einfamilienhaus (einschließlich Nebengebäuden, Garagen oder Carports), oder auf Gebäuden, die nicht Wohnzwecken dienen (z.B. Gewerbeimmobilien, Garagenhof), installiert ist. Die Anlage kann auch einkommensteuerfrei betrieben werden, wenn sie auf Mehrfamilienhäusern oder sonstigen Gebäuden (z.B. gemischt genutzte Immobilien, Vermietungsobjekte, Gewerbeimmobilien mit mehreren Gewerbeeinheiten) installiert ist und die installierte Leistung 15 kWp nicht überschreitet. Für den Betrieb einer oder mehrerer Photovoltaikanlagen gilt insgesamt eine Höchstgrenze von 100 kWp pro Steuerpflichtigen. Bei Überschreiten der 100 kWp-Grenze entfällt die Steuerbefreiung für alle Photovoltaikanlagen. Auch dachintegrierte Photovoltaikanlagen sowie so genannte Fassaden-Photovoltaikanlagen sind begünstigt. Freiflächen-Photovoltaikanlagen sind hingegen unabhängig von ihrer Größe nicht begünstigt.

Die jeweilige Verwendung des erzeugten Stroms ist für die Steuerbefreiung unerheblich. Es spielt also keine Rolle, ob der erzeugte Strom z.B. vollständig in das öffentliche Stromnetz eingespeist wird oder für das Aufladen eines privaten Elektrofahrzeugs verbraucht wird.

Praxistipp:
Eine detaillierte Zusammenfassung aller Regelungen im Zusammenhang mit Photovoltaikanlagen findet sich in dem Informationsblatt "Errichtung und Betrieb einer Photovoltaikanlage". Der Download-Link lautet: https://finanzamt.thueringen.de/fileadmin/medien_tfm/steuern/informationsblatt_photoviltaik_bf.pdf
gepostet: 30.07.2024
Zweitwohnungssteuer: Satzungen Timmendorfer Strand u. Hohwacht unwirksam
Das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht hat die Satzungen über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer in den Gemeinden Timmendorfer Strand und Hohwacht im Rahmen von Normenkontrollanträgen für unwirksam erklärt (OVG Schleswig-Holstein, Urteile vom 24.4.2024, 6 KN 1/24 und 2/24).

Die Gemeinden hatten in die Satzungen aus dem Jahr 2020 bzw. 2021 einen neuen Steuermaßstab aufgenommen, nachdem das Oberverwaltungsgericht mit Urteilen vom 30.1.2019 den bis dahin verwendeten Steuermaßstab für verfassungswidrig erklärt hatte. Der neue Steuermaßstab orientiert sich maßgeblich an dem Lagewert, ergänzt um weitere Faktoren wie Größe und Alter der Zweitwohnung. Der Lagewert entspricht dem jeweiligen Bodenrichtwert des Grundstücks, auf dem sich die Zweitwohnung befindet.

Auch dieser Maßstab verstößt nach Auffassung des Gerichts gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG resultierende Gebot der steuerlichen Belastungsgleichheit. Mit der Heranziehung des in Euro/qm ausgedrückten reinen Bodenrichtwertes werde der Lagewert selbst maßstabsprägend, ohne dass er seinerseits den erforderlichen mindestens lockeren Bezug zu dem zu besteuernden Aufwand für das Innehaben einer Zweitwohnung aufweise. Daneben beruht die Unwirksamkeit der Satzung der Gemeinde Timmendorfer Strand bereits auf einem formellen Fehler. Die Gemeindevertreter waren zu der Sitzung, in der die Satzung im Juni 2020 beschlossen wurde, nicht ordnungsgemäß geladen worden. Da ein Vertreter zu der Sitzung nicht erschienen war, war der Mangel nach der Geschäftsordnung der Gemeindevertretung auch nicht heilbar. Das OVG hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfragen zugelassen (Quelle: OVG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 25.4.2024).
gepostet: 28.07.2024
Minijob: Informationen der Minijob-Zentrale zum Arbeitsrecht
Die Minijob-Zentrale befasst sich auf ihrer Homepage mit arbeitsrechtlichen Fragen rund um die Beschäftigung eines Minijobbers. Unter anderem finden sich dort Informationen zu folgenden Themen mit jeweils weiterführenden Hinweisen:

- Auch einem geringfügig Beschäftigten steht bezahlter Erholungsurlaub zu. Der gesetzliche Mindesturlaub beträgt jährlich vier Wochen. Für diese Urlaubstage muss der Arbeitgeber den Verdienst weiterzahlen. Für den persönlichen Urlaubsanspruch ist entscheidend, an wie vielen Tagen der Minijobber in der Woche arbeitet.
- Werden Minijobber krank, haben sie Anspruch auf Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber. Diese wird für maximal sechs Wochen wegen derselben Erkrankung in voller Höhe geleistet. Dabei zahlen Arbeitgeber den Verdienst für die Tage weiter, an denen der Minijobber ohne eine Erkrankung normalerweise gearbeitet hätte. Diese arbeitsrechtlichen Regelungen sind im Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall geregelt.
- Für Minijobber gilt der gleiche Kündigungsschutz wie für vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer. Die gesetzliche Kündigungsfrist nach dem Kündigungsschutzgesetz beträgt vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Monats. In Arbeits- oder Tarifverträgen können vom Gesetz abweichende (längere oder kürzere) Kündigungsfristen vereinbart werden.
- Werden im Arbeitsvertrag bestimmte Themen - wie zum Beispiel die Kündigungsfristen - nicht gesondert geregelt, gelten mindestens die gesetzlichen Bestimmungen.
- Die Kündigungsfristen gelten aber für beide Seiten. Außerdem müssen sich Minijobber zum Beispiel rechtzeitig krankmelden und ihrem Arbeitgeber über weitere Beschäftigungen informieren.

Der Link zu dem Beitrag mit dem Titel "Arbeitsrecht im Minijob: Rechte und Pflichten im Fokus" lautet: https://magazin.minijob-zentrale.de/arbeitsrecht-minijob/
gepostet: 26.07.2024
Umsatzsteuer: Steuerfreiheit von Online-Angeboten auf dem Prüfstand
Viele kulturelle Veranstaltungen sowie Tagungen und Seminare werden nicht nur in Präsenz, sondern auch über das Internet angeboten. Dabei sind die Angebotsformen vielfältig. Teilweise werden Live-Veranstaltungen parallel in Echtzeit digital übertragen, teilweise werden Live-Mitschnitte oder vorproduzierte Aufzeichnungen entsprechender Veranstaltungen zum Download zur Verfügung gestellt. Neben der Frage nach dem Leistungsort ist in diesen Fällen auch zu klären, inwieweit umsatzsteuerliche Steuerbefreiungen oder Steuerermäßigungen anwendbar sind. Das Bundesfinanzministerium hat nun zur umsatzsteuerlichen Einordnung von Umsätzen aus Online-Veranstaltungen Stellung genommen (BMF-Schreiben vom 29.4.2024, III C 3 - S 7117-j/21/10002 :004). Es würde den Rahmen dieser Mandanteninformation überschreiten, alle Punkte des BMF-Schreibens im Einzelnen vorzustellen. Auf einen wichtigen Punkt möchten wir aber aufmerksam machen. Er betrifft insbesondere Unternehmer, die Schulungen oder Veranstaltungen sowohl in Echtzeit als auch zum zeitversetzten Download anbieten und die ihre Leistungen bislang - gegebenenfalls sogar nach Erörterung mit ihrem Finanzamt - als umsatzsteuerfrei behandelt haben. Das BMF differenziert nämlich zwischen reinen Live-Streaming-Angeboten und kombinierten Angeboten, bei denen vorproduzierte Inhalte oder Aufzeichnungen zu einem späteren, vom Nutzer gewählten Zeitpunkt abgerufen werden können.

Das BMF führt aus, dass bei reinen Live-Streaming-Angeboten eventuelle Steuerbefreiungen nach § 4 Nr. 14, Nr. 20, Nr. 21 oder Nr. 22 UStG in Betracht kommen, bei kombinierten Angeboten jedoch nicht. Bei der kombinierten Bereitstellung eines Live-Streams und einer Aufzeichnung, die zu einem späteren, vom Nutzer gewählten Zeitpunkt abgerufen werden kann, handele sich um eine Leistung eigener Art, die insgesamt dem allgemeinen Steuersatz unterliegt. Eine Aufteilung des Entgelts dürfe nicht erfolgen. Nur wenn neben der Bereitstellung eines Live-Streams ein gesondertes Entgelt für die Aufzeichnungen oder vorproduzierten Inhalte verlangt wird, würden zwei selbstständige Leistungen vorliegen, die getrennt zu beurteilen seien. Hier kann für das Live-Streaming-Angebot die Steuerbefreiung zum Zuge kommen, für das weitere Angebot hingegen nicht.

Praxistipp:
Die Grundsätze des BMF-Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Für Leistungen, die vor dem 1. Juli 2024 bewirkt werden, wird es aber nicht beanstandet, wenn die Beteiligten im Hinblick auf den Leistungsort, die Umsatzsteuerbefreiungen bzw. den ermäßigten Umsatzsteuersatz übereinstimmend von anderen Grundsätzen ausgegangen sind. Bildungsleistende, aber auch Veranstalter im kulturellen Bereich oder im Gesundheitssektor, die ihre Leistungen kombiniert per Live-Streaming und zum Download anbieten, müssen umgehend prüfen (lassen), welche Auswirkungen sich auf eventuelle Steuerbefreiungen ergeben.
gepostet: 24.07.2024
Abfindung: Keine Tarifermäßigung bei Vereinbarung eines Rückkehrrechts
Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes werden steuerlich mittels der so genannten Fünftel-Regelung begünstigt. Damit wird der Steuersatz für die Abfindung zumindest ein Stück weit gemindert. Bei der Zahlung des Arbeitgebers muss es sich aber um eine Entschädigung, das heißt um einen Ersatz für entgehende Einnahmen handeln (§§ 24, 34 EStG). Das Niedersächsische Finanzgericht hat diesbezüglich entschieden, dass eine Abfindung nicht ermäßigt zu besteuern ist, wenn ein Arbeitnehmer von seinem derzeitigen Arbeitgeber eine Abfindung für eine betriebsbedingte Kündigung erhält, ihm aber schon im Vorhinein ein unbefristetes Rückkehrrecht zu seinem früheren Arbeitgeber eingeräumt wurde (Niedersächsisches FG, Urteile vom 15.2.2024, 2 K 52/23, 2 K 72/23, 2 K 55/23, 2 K 71/23).

Die betroffenen Arbeitnehmer waren über viele Jahre in der Produktionssparte eines inländischen Konzerns angestellt. Diese wurde zunächst im Rahmen eines ersten Betriebsüberganges i.S. des § 613 a BGB auf eine neue Gesellschaft innerhalb des Konzerns und sodann im Rahmen eines zweiten Betriebsüberganges auf eine Tochtergesellschaft, ebenfalls im Konzernverbund, übertragen. In der Folgezeit firmierte die Tochtergesellschaft um und wurde per "Sharedeal" an eine ausländische - konzernfremde - Gesellschaft übertragen. Vor dem ersten Betriebsübergang wurde vereinbart, dass die Arbeitnehmer der Produktionssparte bei der Ausgliederung so zu behandeln sind, als wären sie noch bei der Konzerngesellschaft beschäftigt. Eine weitere spätere Vereinbarung sicherte den Beschäftigten zudem bei betriebsbedingter Kündigung entweder ein Rückkehrrecht zur deutschen Konzerngesellschaft oder eine Abfindung zu. Einige Jahre nach Abschluss des Sharedeals kam es aufgrund der Coronakrise zu einer Vielzahl von betriebsbedingten Kündigungen und zur Zahlung von Abfindungen, und zwar von der konzernfremden Gesellschaft. Ein Teil der Beschäftigten nahm die Abfindung und machte von dem Rückkehrrecht zum deutschen Konzern Gebrauch. Ein anderer Teil kehrte zwar auch - inklusive der Abfindung - zurück, jedoch nur für eine juristische Sekunde, und schied dann endgültig aus dem Konzern gegen Zahlung einer weiteren Abfindung aus. Das Finanzamt unterwarf die seitens des ausländischen Unternehmens aufgrund der betriebsbedingten Kündigung gezahlte erste Abfindung in allen Fällen der tariflichen Einkommensteuer, gewährte also keine Ermäßigung nach der Fünftel-Regelung. Das Niedersächsische FG hat diese Auffassung bestätigt. Die streitige erste Abfindung könne nicht nach §§ 24, 34 EStG ermäßigt besteuert werden, und zwar sowohl für die Fälle, in denen die Beschäftigten langfristig in der deutschen Konzerngesellschaft verblieben sind, als auch in den Fällen, in denen eine zweite (im Übrigen unstreitig ermäßigt zu besteuernde) Abfindung gezahlt wurde.

Voraussetzung für die ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 EStG ist unter anderem, dass die Abfindung eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 EStG darstellt. Dies setze aber die Beendigung des Tatbestands der Einkünfteerzielung voraus. Eine solche liege nicht vor, wenn ein Arbeitnehmer innerhalb eines Konzerns oder anlässlich eines Betriebsübergangs i.S. des § 613a BGB umgesetzt wird und sodann das Arbeitsverhältnis zwar formal mit einem neuen Arbeitgeber, aber im Übrigen im Wesentlichen unverändert fortgesetzt wird. Diese Grundsätze gelten auch in solchen Fällen, in denen eine Umsetzung nicht im Rahmen eines Konzerns oder eines Betriebsübergangs erfolgt, jedoch die beteiligten Unternehmen und der Arbeitnehmer dessen Rückkehr zum vorherigen Arbeitgeber im gegenseitigen Einvernehmen so ausgestaltet haben, dass das bestehende Arbeitsverhältnis im Wesentlichen unverändert mit dem anderen Arbeitgeber fortgesetzt werden konnte (Quelle: Niedersächsisches FG, Newsletter 4/24).

Praxistipp:
In allen Fällen wurden die Revisionen nicht zugelassen, doch es liegen zwischenzeitlich die Nichtzulassungsbeschwerden beim Bundesfinanzhof vor. Die Az. lauten IX B 34/24, IX B 37/24, IX B 36/24, IX B 38/24. Das letzte Wort ist also möglicherweise noch nicht gesprochen
gepostet: 22.07.2024
Haftung: Vorsicht bei "Entgegennahme" von Zahlungseingängen für andere
Es mag harmlos klingen: Ein Freund, der selbstständig tätig ist, erwartet einen Zahlungseingang und bittet Sie unter einem Vorwand, dass die Zahlung auf Ihrem Konto eingehen dürfe. Sie mögen ihm den Betrag anschließend in bar aushändigen. Doch Vorsicht: Wer sein Konto zur Verfügung stellt - man spricht auch von einer Kontoleihe - könnte irgendwann vom Finanzamt oder einem anderen Gläubiger aufgefordert werden, die Schulden des Freundes zu begleichen. Das heißt: Wer sein Konto einer anderen Person, die bereits verschuldet ist, für deren Zahlungseingänge zur Verfügung stellt und damit deren Gläubiger benachteiligt, muss sich das Wissen um diese Gläubigerbenachteiligung als eigenes Wissen zurechnen lassen und für die Schulden des eigentlichen Schuldners einstehen. So hat der Bundesfinanzhof beispielsweise mit Urteil vom 23.8.2022 (VII R 21/21) entschieden. Die Begründung findet sich im Anfechtungsgesetz in Verbindung mit § 166 BGB. Bei einer wissentlichen Benachteiligung von Gläubigern mittels der Kontoleihe muss der Kontoinhaber für den Schuldner einstehen. Als "wissentliche Benachteiligung" kann es schon ausreichen, wenn einem Freund - oder auch dem eigenen Ehegatten - eine Kontovollmacht erteilt wurde und im Anschluss eine weitere Prüfung des Kontogeschehens unterblieb.

Besonders drastisch war im Übrigen ein Fall, über den der Bundesfinanzhof vor wenigen Monaten entschieden hat: Der Ehemann ist als Angestellter tätig. Er hat jedoch noch Umsatzschulden beim Finanzamt aus einer gewerblichen Tätigkeit. Der Ehemann ist überschuldet, so dass Pfändungsversuche des Finanzamts bei ihm ohne Erfolg wären. Er bat seinen Arbeitgeber, das Nettogehalt unmittelbar auf das Konto seiner Frau zu überweisen, damit er seiner Unterhaltsverpflichtung direkt nachkommen könne. Sowohl der Arbeitgeber als auch die Ehefrau waren damit einverstanden. Als das Finanzamt von der Zahlung des Gehalts auf das Konto der Ehefrau erfuhr, erließ es gegenüber dieser einen Duldungsbescheid und pfändete die Guthaben auf deren Konto, soweit sie die Überweisungen ihres Ehemanns bzw. dessen Steuerschulden betrafen (§ 191 Abs. 1 AO i.V.m. § 3 Abs. 1 AnfG).

Das Finanzamt führte im Wesentlichen aus, dass die Überweisungen des Ehemannes vorsätzlich mit dem Ziel der unmittelbaren Benachteiligung der Gläubiger vorgenommen worden seien. Die Ehefrau sei daher als Kontoinhaberin nach § 11 Abs. 1 AnfG verpflichtet, die Vollstreckung so zu dulden, als gehörten die gutgeschriebenen Beträge noch zum Vermögen des Ehemannes. Die Tatsache, dass das Gehalt beim Ehemann ohnehin nicht pfändbar gewesen wäre, weil keine pfändbaren Einkommensanteile vorgelegen hatten, sei unerheblich. Der BFH stimmte dem Finanzamt zu (BFH 21.11.2023, VII R 11/20).

Zwar hätte der Ehemann die Möglichkeit gehabt, ein Pfändungsschutzkonto im Sinne des § 850k ZPO einzurichten, wodurch die auf dieses Konto überwiesenen Beträge vor dem Zugriff der Gläubiger grundsätzlich geschützt gewesen wären. Aber dies stelle lediglich einen hypothetischen Geschehensablauf dar. Der Gesetzgeber habe mit der Einführung des Pfändungsschutzkontos klargestellt, dass Pfändungsschutz nur noch auf eigenen Konten des Schuldners gewährt werden kann und ein Pfändungsschutz für Gutschriften auf Konten Dritter nicht gegeben ist.
gepostet: 20.07.2024
GmbH: Ohne Zuwendungswillen keine verdeckte Gewinnausschüttung
So genannte verdeckte Gewinnausschüttungen dürfen das Einkommen von Kapitalgesellschaften nicht mindern. Eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt vor, wenn eine Vermögensverschiebung von einer Kapitalgesellschaft an einen Gesellschafter ohne ordentlichen Gewinnverwendungsbeschluss erfolgt. Manchmal geschieht es allerdings, dass dem Gesellschafter ein Vorteil irrtümlich gewährt wird. Für diesen Fall hat der Bundesfinanzhof eine interessante Entscheidung getroffen: Eine durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Vermögensverschiebung von einer Kapitalgesellschaft an einen Gesellschafter setzt einen Zuwendungswillen voraus. Ein solcher kann aufgrund eines Irrtums des Gesellschafter-Geschäftsführers fehlen. Maßgebend ist insoweit, ob der konkrete Gesellschafter-Geschäftsführer einem entsprechenden Irrtum unterlegen ist, nicht hingegen, ob einem ordentlich und gewissenhaft handelnden Geschäftsleiter der Irrtum gleichfalls unterlaufen wäre (BFH-Urteil vom 22.11.2023, I R 9/20).

Geklagt hatte eine GmbH, deren Stammkapital durch die alleinige Gesellschafter-Geschäftsführerin unter anderem durch die Einbringung einer 100-Prozent-Beteiligung an einer weiteren GmbH erbracht werden sollte. Bei der einzubringenden GmbH wurde eine Kapitalerhöhung durchgeführt, die im Ergebnis die Gesellschafter-Geschäftsführerin begünstigte. Dies war eigentlich so nicht vorgesehen; vielmehr beruhte die Begünstigung der Gesellschafter-Geschäftsführerin auf einem Fehler des Notars oder zumindest auf einem Missverständnis zwischen der Klägerin und dem Notariat. Das Finanzamt sah in der Begünstigung der Gesellschafter-Geschäftsführerin dennoch eine verdeckte Gewinnausschüttung der Klägerin. Diese machte demgegenüber mit ihrer Klage geltend, dass die Zuwendung an die Gesellschafter-Geschäftsführerin irrtümlich aufgrund eines Versehens bei der notariellen Beurkundung der Kapitalerhöhung erfolgt sei. Das Finanzgericht wies die Klage ab, weil einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter der von der Klägerin dargelegte Irrtum nicht unterlaufen wäre. Der BFH hat nun aber klargestellt, dass es für die Frage, ob der für die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung erforderliche Zuwendungswille vorliegt, allein auf die Person der konkreten Gesellschafter-Geschäftsführerin ankommt. Er verwies den Streitfall deshalb zur weiteren Sachaufklärung an das Finanzgericht zurück (Quelle: Pressemitteilung des BFH 20/24).

Praxistipp:
Die Finanzämter erheben oftmals den Vorwurf, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter anders verfahren hätte als es in dem konkreten Fall geschehen ist. "Subjektive Entschuldigungsgründe" können diesen Vorwurf aber entkräften. Im Urteilsfall hatten die handelnden Personen auf die Arbeit des Notars vertraut und offenbar bei der Beurkundung nicht bemerkt, dass dieser von dem zuvor geäußerten Willen abgewichen ist.
gepostet: 18.07.2024
Konto im Ausland: Finanzkonten-Informationsaustausch ist zulässig
Bereits seit mehreren Jahren tauschen zahlreiche Staaten Informationen zu Konten und Depots automatisiert untereinander aus. Grundlage dafür ist in Deutschland das Finanzkonten-Informationsaustauschgesetz (FKAustG), das wiederum - insbesondere - auf der EU-Amtshilferichtlinie 2014/107/EU beruht. Der Bundesfinanzhof hat nun entschieden, dass der automatische Finanzkonten-Informationsaustausch nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der hiervon betroffenen Steuerpflichtigen verstößt (BFH-Urteil vom 23.1.2024, IX R 36/21). Die Kläger führen gemeinsam ein Konto mit einem Depot in der Schweiz. Die Kontostände übermittelten die Schweizer Behörden dem deutschen Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) im Wege des automatischen Finanzkonten-Informationsaustauschs. Das BZSt speicherte und verarbeitete die Daten. Hiergegen wandten sich die Kläger und beantragten die Löschung der von den Schweizer Behörden erhaltenen Auskünfte zu ihrem Vermögen. Letztlich sind sie mit ihrem Begehren aber auch beim BFH gescheitert.

Die Verarbeitung und Speicherung der durch die Schweizer Behörden im Rahmen des automatischen Finanzkonten-Informationsaustauschs übermittelten Daten, insbesondere der Kontosalden, durch das BZSt sei zwar ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Kläger. Dieser Eingriff sei jedoch gerechtfertigt. Die Verarbeitung und Speicherung der Daten erfolge auf der Grundlage von § 5 Abs. 3 FKAustG. Diese Rechtsgrundlage genüge dem verfassungsrechtlichen Gebot der Normenklarheit und Bestimmtheit. Auch diene die Verarbeitung und Speicherung einem verfassungslegitimen Zweck, nämlich der gleichmäßigen Festsetzung und Erhebung von Steuern, und sei zu dessen Erreichung geeignet sowie erforderlich. Ferner sei der Eingriff verhältnismäßig.
gepostet: 16.07.2024
Haushaltsnahe Dienstleistungen: Kosten eines Wäsche-Services nicht abziehbar
Wer so genannte haushaltsnahe Dienstleistungen in Anspruch nimmt, darf 20 Prozent der Kosten, höchstens 4.000 Euro im Jahr, unmittelbar von seiner Steuerschuld abziehen (§ 35a Abs. 2 EStG). Zu den haushaltsnahen Dienstleistungen gehören vor allem hauswirtschaftliche Tätigkeiten, die gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts erledigt werden und für die ein selbstständiger Dienstleister beauftragt wird. Das Finanzgericht Münster hat entschieden, dass die Kosten eines Wäsche-Services jedoch keine begünstigten haushaltsnahen Dienstleistungen darstellen (FG Münster, Urteil vom 15.12.2023, 12 K 1090/21 E).

Ein Ehepaar nahm die Dienstleistungen eines Wäsche-Services in Anspruch. Der Ablauf dieser Dienstleistungen gestaltete sich wie folgt: Die Wäsche wurde von den Kunden in einem vom Dienstleister zur Verfügung gestellten Behältnis ("Comfort-Bag”) an einem Servicepoint abgegeben. Der Wäsche-Service holte sie dort mehrmals wöchentlich ab, ließ sie in Reinigungsbetrieben waschen, reinigen und bügeln und brachte sie mehrmals wöchentlich wieder zurück in die Servicepoints, wo sie von den Kunden abgeholt wurde. Die Kosten wurden jedoch weder vom Finanzamt noch vom Finanzgericht anerkannt.

Zwar treffe es zu, dass es sich bei den streitbefangenen Dienstleistungen (Waschen, Bügeln, Stärken, Mangeln) um Leistungen handelt, die typischerweise in einem Haushalt anfallen. Im Streitfall fehle es aber an der räumlichen Nähe der ausgeführten Dienstleistungen zum Haushalt der Kläger. Die Dienstleistungen wurden nämlich nicht im oder in der Nähe des Haushalts der Kläger ausgeführt, sondern in einem räumlich entfernt liegenden Gewerbebetrieb, Diese Leistungen weisen keinen (unmittelbaren) räumlichen Zusammenhang mit dem Haushalt auf, für den sie erbracht werden, sondern lediglich einen funktionalen. Dabei komme es zur Beurteilung der Frage, was "haushaltsnah” ist, nicht darauf an, wo die vom Dienstleister behandelte Wäsche herkommt und letztlich wieder von den Klägern hingebracht wird.
gepostet: 14.07.2024
Doppelte Haushaltsführung: Keine Anerkennung bei geringer Fahrzeitersparnis
Wer aus beruflichen Gründen eine Zweitwohnung nutzt, kann die Kosten der doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten geltend machen. Das Finanzgericht Münster hat entschieden, dass eine doppelte Haushaltsführung allerdings nicht anzuerkennen ist, wenn die Hauptwohnung und die erste Tätigkeitsstätte lediglich 30 Kilometer auseinanderliegen und die Fahrzeit zur Arbeit mit dem Auto maximal eine Stunde beträgt (FG Münster, Urteil vom 6.2.2024, 1 K 1448/22 E). Der Sachverhalt: Die Eheleute haben einen gemeinsamen Hausstand. Der Ehemann war als Geschäftsführer bei einer etwa 30 Kilometer entfernt ansässigen Arbeitgeberin angestellt und mietete eine Zweitwohnung in ca. 1 Kilometer Entfernung von seiner Arbeitsstätte. Seine Arbeitgeberin stellte ihm ein Fahrzeug zur Verfügung, mit dem er unter anderem die arbeitstäglichen Fahrten zwischen Zweitwohnung und Arbeitsstätte sowie die wöchentlichen Familienheimfahrten zurücklegte. Das Finanzamt erkannte die Kosten für eine doppelte Haushaltsführung nicht als Werbungskosten an, denn dem Arbeitnehmer sei zuzumuten, arbeitstäglich die Strecke zwischen Hauptwohnung und Tätigkeitsstätte mit dem Pkw zurückzulegen. Demgegenüber machte der Steuerzahler geltend, dass es für die Zumutbarkeit auf die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ankomme, bei denen die Fahrzeit für die einfache Strecke über zwei Stunden betrage. Die Klage hatte aber keinen Erfolg.

Dem Kläger sei es zuzumuten gewesen, die Strecke zur Arbeit täglich zurückzulegen. Die Fahrzeit mit dem Pkw hätte im Berufsverkehr 50-55 Minuten und außerhalb des Berufsverkehrs ca. 30 Minuten betragen. Da die üblichen Wegezeiten maßgeblich seien, seien zeitweise Verzögerungen aufgrund von Baustellen nicht zu berücksichtigen. Auf die Dauer bei Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel komme es nicht an, weil der Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt habe, dass er tägliche Fahrten auf diese Weise zurückgelegt hätte. Tatsächlich habe er sämtliche Fahrten, einschließlich der Kurzstrecke von 1 km zwischen Zweitwohnung und Arbeitsstätte, mit dem Dienstwagen zurückgelegt (Quelle: FG Münster, Newsletter März 2024).
gepostet: 12.07.2024
Bilanzierung: Beteiligung zur Absicherung des Restwertrisikos beim Leasing
Die beim Leasing-Restwertmodell von einem Kraftfahrzeug-Händler an einen Automobilproduzenten zur Übernahme des Restwertrisikos (Restwertabsicherung) zu leistenden "Beteiligungsbeträge“ sind im Zeitpunkt der Zusage der Restwertabsicherung nicht als Verbindlichkeit zu passivieren. Der Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung in Höhe der beim Fahrzeugrückerwerb zu leistenden "Beteiligungsbeträge“ steht der Grundsatz der (Nicht-)Bilanzierung schwebender Geschäfte entgegen - so hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 13.9.2023 (XI R 20/20) entschieden.

Im Jahr 2009 hat der Automobilproduzent A ein Leasing-Restwertmodell eingeführt. Im Rahmen dieses Modells vermittelte der Kläger, ein Kfz-Händler, im Wege eines Leasingvertrags das Kfz an den Leasingnehmer und veräußerte dieses zugleich an eine Leasinggesellschaft, die B. Der Kfz-Händler verpflichtete sich hierbei, das Leasingfahrzeug am Ende der Leasinglaufzeit zu einem bereits zu Beginn des Leasings mit B vereinbarten Kaufpreis zurückzunehmen. Gegen die Zusage, einen Beteiligungsbetrag an A zu leisten, konnte der Kfz-Händler am Leasingvertragsende eine Ausgleichszahlung erhalten, wenn der zu Beginn des Leasings zwischen dem Kfz-Händler und B vereinbarte Restwert, der dem Rücknahmepreis entsprach, höher als der tatsächliche Wert des Kfz am Ende der Leasinglaufzeit war. Der Beteiligungsbetrag des Kfz-Händlers für die Übernahme der Restwert-Absicherung durch A wurde am Leasingvertragsende fällig. Der Kfz-Händler konnte den Umfang der Beteiligung der A am Restwertrisiko durch die Wahl einer Risikostufe selbst bestimmen. Die Höhe des Beteiligungsbetrags zur Restwert-Absicherung legte A zu Beginn der jeweiligen Leasinglaufzeit durch ein so genanntes Info-Schreiben fest. Den Beteiligungsbetrag stellte der Kfz-Händler zu Beginn der jeweiligen Leasinglaufzeit gewinnmindernd als Verbindlichkeit ein. Nach Ablauf des Leasingvertrags und Erhalt einer Endrechnung löste er diese Verbindlichkeit auf.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass eine Verbindlichkeit erst im Zeitpunkt des Erhalts der Endrechnung, also nach Ablauf des Leasingvertrags, entstehe. Im Zeitpunkt des Erhalts des Info-Schreibens über die Höhe des Beteiligungsbetrags sei keine Verbindlichkeit einzustellen. Auch die Bildung einer Rückstellung sei ausgeschlossen. Der BFH pflichtete dem Finanzamt bei. Eine gewinnmindernde Berücksichtigung des Beteiligungsbeitrags jeweils zu Beginn des Leasingvertrags ist nicht möglich. Für die Passivierung einer Verbindlichkeit im Jahr des Abschlusses der Restwertvereinbarung fehle es an einer rechtlichen Verpflichtung, da die Klägerin zu Beginn des Leasingvertrags (noch) nicht zu einer dem Inhalt und der Höhe nach bestimmten Leistung verpflichtet war, die von A am Ende der Leasinglaufzeit hätte erzwungen werden können. Für die Beteiligungsbeträge, die die Klägerin im Falle und im Zeitpunkt des Rückerwerbs der Leasingfahrzeuge an A zu entrichten hatte, sei auch keine Rückstellung zu bilden. Denn dem bilanziellen Ausweis der aufschiebend bedingten Verpflichtung, an A die festgelegten Beteiligungsbeiträge beim Rückerwerb der Leasingfahrzeuge zu entrichten, stehen die Grundsätze der (Nicht-)Bilanzierung schwebender Geschäfte entgegen, ohne dass es noch auf die steuerrechtliche Sonderregelung des § 5 Abs. 4b EStG ankäme.
gepostet: 10.07.2024
Außergewöhnliche Belastungen: Aufwendungen für Präimplantationsdiagnostik
Aufwendungen einer gesunden Steuerpflichtigen für eine durch eine Krankheit des Partners veranlasste Präimplantationsdiagnostik (PID) können als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sein. Dies hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 29.2.2024 (VI R 2/22) entschieden. Bei der PID handelt es sich um ein genetisches Diagnoseverfahren zur vorgeburtlichen Feststellung von Veränderungen des Erbmaterials, die eine Fehl- oder Totgeburt verursachen bzw. zu einer schweren Erkrankung eines lebend geborenen Kindes führen können. Es erfolgt eine zielgerichtete genetische Analyse von Zellen eines durch künstliche Befruchtung entstandenen Embryos vor seiner Übertragung und Einnistung in die Gebärmutter.

Im Streitfall lag bei dem Partner der Klägerin eine chromosomale Translokation vor. Aufgrund dieser Chromosomenmutation bestand eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein auf natürlichem Weg gezeugtes gemeinsames Kind an schwersten körperlichen oder geistigen Behinderungen leidet und unter Umständen nicht lebensfähig ist. Daher wurde eine PID durchgeführt. Der Großteil der hierfür notwendigen Behandlungen betraf die Klägerin, die den Abzug der entsprechenden Kosten als außergewöhnliche Belastungen im Sinne von § 33 Abs. 1 EStG beantragte. Das Finanzamt lehnte eine Berücksichtigung der Behandlungskosten ab. Das Finanzgericht gab der Klage hinsichtlich der von der Klägerin selbst getragenen Aufwendungen statt.

Der BFH bestätigte die Vorentscheidung. Die Aufwendungen für die Behandlung der Klägerin seien zwangsläufig entstanden, weil die ärztlichen Maßnahmen in ihrer Gesamtheit dem Zweck dienten, eine durch Krankheit beeinträchtigte körperliche Funktion ihres Partners auszugleichen. Wegen der biologischen Zusammenhänge habe anders als bei anderen Erkrankungen durch eine medizinische Behandlung allein des erkrankten Partners keine Linderung der Krankheit eintreten können. Daher stehe der Umstand, dass die Klägerin selbst gesund sei, der Berücksichtigung der Aufwendungen nicht entgegen. Unschädlich war auch, dass die Klägerin und ihr Partner nicht verheiratet waren. Schließlich war auch das Erfordernis der Übereinstimmung der vorgenommenen Behandlungsschritte mit gesetzlichen Vorschriften - insbesondere dem Embryonenschutzgesetz - erfüllt (Pressemitteilung des BFH 23/24).
gepostet: 08.07.2024
Nutzungsentschädigung: Verteilung über die Laufzeit vom BFH verneint
Besitzer von landwirtschaftlichen Flächen können ihre Grundstücke zur Nutzung für naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen zur Verfügung stellen. Dafür erhalten sie eine Nutzungsentschädigung. Die Frage ist, ob die Nutzungsentschädigung bei Zufluss versteuert werden muss oder ob sie auf die Laufzeit von beispielsweise 20 Jahren verteilt werden kann und so mit jeweils nur 1/20 zu versteuern ist. Nach der Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG dürfen Einnahmen, die auf einer Nutzungsüberlassung von mehr als fünf Jahren beruhen, insgesamt auf den Zeitraum gleichmäßig verteilt werden, für den die Vorauszahlung geleistet wird. Der Bundesfinanzhof hat diesbezüglich in einem aktuellen Fall entschieden, dass die Nutzungsentschädigungen für die Überlassung von Ausgleichsflächen als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu versteuern waren. Zudem müssten die Einnahmen - im Allgemeinen - sofort versteuert werden, wenn der Vorauszahlungszeitraum nicht konkret bestimmt ist. Eine Verteilung auf mehrere Jahre gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG komme nur dann in Betracht, wenn vertraglich eine bestimmte Laufzeit für das Nutzungsrecht vereinbart wurde oder wenn die Zeitdauer anhand objektiver Umstände ‑ gegebenenfalls im Wege einer Schätzung ‑ zumindest bestimmbar ist (BFH-Urteil vom 12.12.2023, IX R 18/22).

Der Kläger schloss mit einer GmbH einen Nutzungsvertrag, aufgrund dessen er der GmbH landwirtschaftliche Flächen zur Nutzung für naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen und zur Generierung von so genannten Ökopunkten zur Verfügung stellte. Der Nutzungsvertrag wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen und konnte frühestens nach Ablauf von 30 Jahren ordentlich gekündigt werden. Der Kläger beantragte, die Einnahmen aus dem Nutzungsvertrag gleichmäßig auf eine Laufzeit von 20 Jahren zu verteilen, scheiterte mit seinem Begehren aber in allen Instanzen. Zutreffend sei eine Verteilung der Zahlungen der GmbH auf eine Laufzeit von 20 Jahren nach § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG abgelehnt worden, da ein konkreter Vorauszahlungszeitraum von mehr als fünf Jahren weder bestimmt noch bestimmbar ist. Bei Bezug der Einnahmen, deren Verteilung in Rede steht, müsse feststehen, dass der Vorauszahlungszeitraum für die Nutzungsüberlassung mehr als fünf Jahre beträgt- so der BFH. Hierfür genüge nicht schon der Abschluss eines unbefristeten, ordentlich kündbaren Vertrags über eine Nutzungsüberlassung. Zwar stehe im Streitfall aufgrund des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung für 30 Jahre ein Mindestnutzungszeitraum fest. Gleichwohl fehlten objektive Anhaltspunkte, anhand derer sich ein Ende der Nutzungsüberlassung beziehungsweise des Vorauszahlungszeitraum - gegebenenfalls im Schätzungswege - feststellen ließe.
gepostet: 06.07.2024
Dienstfahrten mit eigenem Pkw: Durchschnittskosten statt Km-Pauschale
Wer eine Dienstreise mit seinem eigenen Pkw unternimmt, darf pauschal 30 Cent je Fahrkilometer als Werbungskosten geltend machen. Die Erstattungen des Arbeitgebers sind natürlich gegenzurechnen. Statt die Dienstreise-pauschale in Anspruch zu nehmen, darf aber auch der tatsächlich entstandene Kilometer-Kostensatz des Kfz geltend gemacht werden. Dazu sind die Gesamtkosten des Fahrzeugs pro Jahr zu ermitteln und anschließend durch die Gesamtfahrleistung des Jahres zu dividieren. Das kann sich bei teuren Kfz durchaus lohnen, ist aber zeitaufwendig. Etwas weniger bekannt ist, dass bei der Ermittlung der Gesamtkosten zumindest die Treibstoffkosten geschätzt werden dürfen. Dies ist zulässig, wenn Kosten dem Grunde nach zweifelsfrei entstanden sind. Für die Schätzung nehmen Sie den Durchschnittsverbrauch Ihres Kfz laut Herstellerangaben und den durchschnittlichen Literpreis. Nach Berechnungen des ADAC betrug der Jahres-Durchschnittspreis 2023 für Superbenzin (E 10) 179,10 Cent und für Diesel 172,20 Cent pro Liter. Der Jahres-Durchschnittspreis für Superbenzin (E 5) lag laut Statista bei 184,9 Cent pro Liter.

Praxistipp:
Die Schätzung ist nur zulässig bei der Nutzung eines privaten Kfz. Wer einen Dienst- oder Firmenwagen nutzt und die Fahrtenbuchregelung anwendet, muss alle Kosten per Beleg nachweisen. Eine Schätzung von Aufwendungen kommt - auch teilweise - selbst dann nicht in Betracht, wenn der Arbeitgeber die Kosten seiner Dienstwagen nicht im Einzelnen erfasst hat und es dem Arbeitnehmer daher nahezu unmöglich ist, die Aufwendungen zu belegen (BFH-Urteil vom 15.12.2022, VI R 44/20).
gepostet: 04.07.2024
Betriebsveräußerung: Variable Kaufpreisbestandteile erst bei Zufluss versteuern?
Bei einer Betriebsveräußerung wird neben einem festen Kaufpreis oftmals auch ein gewinn- oder umsatzabhängiger Kaufpreisbestandteil vereinbart. Der Kaufpreis kann sich im Nachhinein also erhöhen oder vermindern, wenn bestimmte Ziele nach Betriebsübergang erreicht - oder unterschritten - werden. In steuerlicher Hinsicht stellt sich die Frage, ob eine nachträgliche Kaufpreiszahlung auf das Jahr des Betriebsübergangs zurückwirkt und dementsprechend auch in diesem Jahr zu versteuern ist oder ob sie erst in dem Jahr erfasst wird, in dem sie tatsächlich geleistet wird.

Der Bundesfinanzhof hat diesbezüglich entschieden, dass gewinn- oder umsatzabhängige Kaufpreisbestandteile erst im Zeitpunkt des Zuflusses als nachträgliche Betriebseinnahmen zu versteuern sind. Sie erhöhen den im Jahr der Veräußerung entstandenen Veräußerungsgewinn nicht. Dies gilt auch für so genannte Earn-out-Klauseln, bei denen das Entstehen der sich hieraus ergebenden variablen Kaufpreisbestandteile sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach ungewiss ist (BFH-Urteil vom 9.11.2023, IV R 9/21).

Im Urteilsfall wurde ein KG-Anteil veräußert und dabei neben einem festen Kaufpreis ein variables Entgelt vereinbart. Grundlage der Ermittlung des variablen Entgelts war die in den drei folgenden Geschäftsjahren erzielte Rohmarge. Das heißt: Die Berechnungsparameter waren insoweit vertraglich fixiert, die Höhe der zu leistenden variablen Kaufpreisbestandteile hing aber von den in den betreffenden Jahren erzielten Rohmargen ab. Der Betriebsprüfer des Finanzamts war der Auffassung, dass die später aufgrund dieser Vereinbarung geleisteten Zahlungen rückwirkend im Jahr der Veräußerung zu berücksichtigen seien. Doch der Verkäufer konnte sich sowohl beim Finanzgericht als auch beim BFH durchsetzen. Die Zahlungen waren erst bei Zufluss zu versteuern.

Begründung: Der Veräußerungsgewinn entsteht grundsätzlich im Veräußerungszeitpunkt, das heißt mit der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an den wesentlichen Betriebsgrundlagen, und zwar unabhängig davon, ob der vereinbarte Kaufpreis sofort fällig, in Raten zahlbar oder langfristig gestundet ist und wann der Verkaufserlös dem Veräußerer tatsächlich zufließt. Eine Ausnahme gilt aber bei gewinn- oder umsatzabhängigen Kaufpreisforderungen. In diesen Fällen ist auf die Realisation des Veräußerungsentgelts abzustellen, da der Veräußerer die Gewinne erst im Zuflusszeitpunkt erzielt. Eine stichtagsbezogene Betrachtung (Rückwirkung auf den Veräußerungszeitpunkt) wird nicht angestellt. Dies liegt darin begründet, dass es sich bei gewinn- oder umsatzabhängigen Kaufpreisforderungen um aufschiebend bedingte Kaufpreisansprüche (§ 158 Abs. 1 BGB) handelt, bei denen im Zeitpunkt der Veräußerung weder feststeht, ob rechtlich in einem der Folgejahre eine Kaufpreisforderung entsteht, noch, wie hoch diese sein wird.

Praxistipp:
Das Urteil war zwar für den Kläger vorteilhaft, in vielen anderen Fällen ist es jedoch nachteilig. Denn die Berücksichtigung als nachträgliche Betriebseinnahmen führt dazu, dass die Tarifermäßigung gemäß § 34 EStG für die Earn-out-Zahlungen nicht beansprucht werden kann. Diese unterliegen also dem regulären Steuersatz. Von der Gewerbesteuer bleibt eine nachträgliche Kaufpreiszahlung allerdings grundsätzlich verschont. Im Übrigen wird nicht jede nachträgliche Veränderung des Kaufpreises erst bei Zufluss erfasst - zumindest ist die Rechtslage in bestimmten Fällen noch offen. Im Urteilsfall waren die Kaufpreisforderungen in hohem Maße ungewiss. Wenngleich die Berechnungsparameter vertraglich fixiert waren, hingen die zu leistenden variablen Kaufpreisbestandteile von der Höhe der in den betreffenden Jahren erzielten Rohmargen ab. Folgenden Fall hat der BFH dagegen ausdrücklich offengelassen: Es wird festgelegt, dass ein betragsmäßig exakt bestimmter Teil des Kaufpreises nachträglich fällig wird, wenn ein ebenfalls genau festgelegtes Gewinn- oder Umsatzziel erreicht wird.

gepostet: 02.07.2024
Juni 2024
Energetische Maßnahmen: Fragen-Antworten-Katalog und Musterbescheinigung
Für bestimmte energetische Maßnahmen am Eigenheim kann eine Steuerermäßigung nach § 35c EStG beantragt werden. Die Förderung verteilt sich auf drei Jahre. Im Kalenderjahr des Abschlusses der energetischen Maßnahme und im nächsten Kalenderjahr werden jeweils 7 Prozent der Aufwendungen (maximal 14.000 Euro jährlich), im dritten Jahr 6 Prozent der Aufwendungen (maximal 12.000 Euro) von der Steuerschuld abgezogen. Allerdings ist der Abzug an zahlreiche Voraussetzungen geknüpft und führt auch zu der einen oder anderen Zweifelsfrage.

Das Bundesfinanzministerium hat nun auf seiner Homepage einen Fragen-Antworten-Katalog zur steuerlichen Förderung energetischer Gebäudesanierungen veröffentlicht. Unter anderem werden folgende Themen behandelt: Was sind die Voraussetzungen der steuerlichen Förderung? Wer darf die energetischen Maßnahmen ausführen? Wer darf die Bescheinigung über die energetischen Maßnahmen ausstellen? Wie erhalte ich die steuerliche Förderung? Welche Alternativen gibt es zur steuerlichen Förderung? Der Fragen-Antworten-Katalog ist unter folgender Internetadresse abrufbar: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Schlaglichter/Klimaschutz/steuerliche-foerderung-energetischer-gebaeudesanierungen.html

Für die Förderung nach § 35c EStG ist besonders wichtig, dass die Maßnahmen von einem Fachunternehmen ausgeführt und auch entsprechend bescheinigt werden. Das Unternehmen muss im Bereich der Gebäudesanierung tätig und bestimmten, abschließend benannten Gewerken oder Bereichen zugehörig sein. Eine Auflistung finden Sie auch in dem genannten Fragen-Antworten-Katalog des BMF. Die jeweilige Bescheinigung stellen die ausführenden Fachunternehmen oder Personen mit Ausstellungsberechtigung nach § 88 Gebäudeenergiegesetz (das sind insbesondere Energieberater sowie Energieeffizienz-Experten) aus. Diese nutzen dafür eine Musterbescheinigung der Finanzverwaltung. Es sollte darauf geachtet werden, dass das jeweils aktuell gültige Muster verwendet wird. Für die Bescheinigung von energetischen Maßnahmen des Jahres 2024 sind die mit dem BMF-Schreiben vom 6.2.2024 (IV C 1 -S 2296-c/20/10003 :006) ergänzten Muster zu nutzen. Sie finden diese unter folgendem Link: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Steuerarten/Einkommensteuer/2024-02-06-steuerermaessigung-fuer-energetische-massnahmen-bei-zu-eigenen-wohnzwecken-genutzten-gebaeuden.html Praxistipp:
Wurden für bereits begonnene energetische Maßnahmen bis zum Tag der Veröffentlichung des neuen Schreibens Bescheinigungen auf Grundlage der Muster des BMF-Schreibens vom 26.1.2023 (BStBl 2023 I S. 218) ausgestellt, behalten diese ihre Gültigkeit.
gepostet: 29.06.2024
Doppelte Haushaltsführung: Zweitwohnungsteuer bei hoher Miete nicht abziehbar
Wer aus beruflichen Gründen einen zweiten Haushalt am Arbeitsort führt, darf die Kosten der doppelten Haushaltsführung steuerlich geltend machen. Die Kosten der zweiten Unterkunft können mit den tatsächlichen Aufwendungen angesetzt werden, höchstens aber mit 1.000 Euro im Monat.

Im Jahre 2021 hatte das Finanzgericht München entschieden, dass die Zweitwohnungsteuer nicht zu den Unterkunftskosten gehört, die mit höchstens 1.000 Euro im Monat als Werbungskosten anerkannt werden können. Viel-mehr könne die Zweitwohnungsteuer zusätzlich als "sonstige Aufwendungen" im Rahmen der doppelten Haushaltsführung anerkannt werden (FG München, Urteil vom 26.11.2021, 8 K 2143/21). Leider hat der Bundesfinanzhof dieses positive Urteil wieder aufgehoben. Die Zweitwohnungsteuer gehöre zu den Kosten der Unterkunft. Ist der Höchstbetrag von 1.000 Euro pro Monat bereits ausgeschöpft, kann die Zweitwohnungsteuer also nicht zusätzlich als Werbungskosten abgezogen werden, was insbesondere für Zweitwohnungsnutzer in teuren Städten nach-teilig ist (BFH-Urteil vom 13.12.2023, VI R 30/21). Die Zweitwohnungsteuer stelle eine unmittelbar mit dem tatsächlichen Mietaufwand für die Zweitwohnung verbundene zusätzliche finanzielle Belastung für das Innehaben und die damit regelmäßig einhergehende Nutzung der Zweitwohnung dar - so der BFH.

Praxistipp:
Zu den abzugsfähigen Kosten einer doppelten Haushaltsführung gehören auch Ausgaben für die Anschaffung von notwendigen Einrichtungsgegenständen und Hausrat. Dabei sind solche Aufwendungen selbst dann abziehbar, wenn der Höchstbetrag von monatlich 1.000 Euro für die Wohnungsnutzung, also für die Miete, bereits ausgeschöpft ist. Dies hatte der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 4.4.2019 (VI R 18/17) entschieden und nun noch einmal bestätigt. Wenn die Anschaffungskosten für die Einrichtung und Ausstattung der Zweitwohnung - ohne Arbeitsmittel - insgesamt nicht höher sind als 5.000 Euro einschließlich Umsatzsteuer, ist aus Vereinfachungsgründen davon auszugehen, dass diese Kosten als "notwendig" bzw. als nicht überhöht gelten und ohne weitere Prüfung als Werbungskosten anzuerkennen sind (BMF-Schreiben vom 25.11.2020, BStBl 2020 I S. 1228, Tz. 108).
gepostet: 27.06.2024
Gewerbesteuer: Wann liegen eigenständige Betriebe vor?
Übt ein Unternehmer verschiedene gewerbliche Tätigkeiten aus oder verfügt sein Gewerbebetrieb über Zweigstellen bzw. mehrere Niederlassungen, so stellt sich stets die Frage, ob insoweit eigenständige Betriebe gegeben sind. Die Interessenlage kann dabei unterschiedlicher Natur sein: Wer Verluste einer gewerblichen Tätigkeit mit Gewinnen aus einer anderen Tätigkeit gewerbesteuerlich verrechnen will, möchte in der Regel einen einzigen Gesamtbetrieb sein Eigen nennen, während die Sache anders aussieht, wenn beide Tätigkeiten Gewinne erwirtschaften und der gewerbesteuerliche Freibetrag von 24.500 Euro mehrfach genutzt werden soll. Von Bedeutung kann die Frage, ob ein oder zwei Gewerbebetriebe vorliegen, auch für die Gewährung des Investitionsabzugsbetrages (§ 7g EStG) sein, denn die Summe der Abzugsbeträge darf je Betrieb 200.000 Euro nicht überschreiten. Hier könnten also zwei Einzelbetriebe dazu führen, dass höhere Abzugsbeträge geltend gemacht werden können.

Kürzlich hat das Finanzgericht Münster in diesem Zusammenhang entschieden: Wer neben dem Bau von Gewächshäusern Pflanzen züchtet und mit ihnen handelt, unterhält unterschiedliche Betriebe mit der Folge, dass für Zwecke der Gewerbesteuer Verluste aus der Pflanzenzucht nicht mit Gewinnen aus dem Gewächshausbau verrechnet werden können (FG Münster, Urteil vom 29.11.2023, 13 K 986/21 G). Der Kläger unterhält einen Betrieb, mit dem er die Planung, Projektierung und Bauleitung von Gewächshäusern durchführt. Daneben meldete er einen weiteren Betrieb an, der die Züchtung künstlich vermehrter seltener aus dem Ausland bezogener Pflanzenarten und die Schaffung neuer Hybride für den Onlineversand zum Gegenstand hat. Den Gewinn ermittelte er für beide Bereiche im Rahmen einer einheitlichen Buchführung. Das Finanzamt war der Auffassung, dass es sich um zwei selbstständige Gewerbebetriebe handelt. Dem stimmte das FG zu. Beim Gewächshausbau handele es sich um eine gewerbliche und bei der Pflanzenzucht um eine land- und forstwirtschaftliche Betätigung, die nicht derart miteinander planvoll wirtschaftlich verbunden seien, dass sie als ein einheitlicher Gewerbebetrieb betrachtet werden könnten. Die Pflanzenzucht stelle sich auch nicht als bloße Hilfsbetätigung zum Gewächshausbau dar (Quelle: FG Münster, Newsletter Februar 2024).

Einem Urteil des FG Düsseldorf lag hingegen folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger betreibt einen Großhandel mit Altmaterialien, mit dem auch eine verarbeitende Tätigkeit (Recycling) einhergeht. Ferner führt er einen Schrotthandel. Er beantragte die Berücksichtigung von Investitionsabzugsbeträgen, die in der Summe über den nach § 7g EStG maßgeblichen Höchstbetrag von 200.000 Euro hinausgingen. Der Kläger argumentierte, dass es sich um zwei einzelne Betriebe handele und der betriebsbezogene Höchstbetrag somit insgesamt zweimal ausgeschöpft werden könne. Seit Jahren hätten beide Betriebe eine eigene Steuernummer, eine getrennte Buchführung sowie getrennte Kassen- und Bankkonten. Die Betriebsführung finde im selben Gebäude, aber in verschiedenen Räumlichkeiten mit separaten Büroeinrichtungen, insbesondere auch jeweils eigenem Anlage- und Umlaufvermögen, statt. Das Finanzamt berücksichtigte dennoch nur Investitionsabzugsbeträge bis zum maßgeblichen Höchstbetrag von 200.000 Euro. Das Gericht wies die Klage ab und erkannte ebenfalls nur einen einheitlichen Gewerbebetrieb. Dabei stellte es nicht nur auf den engen räumlichen Zusammenhang der Betriebsteile unter einer gemeinsamen Anschrift ab. Darüber hinaus handele es sich um gleichartige Tätigkeiten, weil sich beide Betriebsteile ergänzten und dadurch zu einer entsprechend stabileren Marktwirksamkeit führten. Die Geschäftsunterlagen ließen auch auf einen organisatorischen Gesamtzusammenhang der wirtschaftlichen Tätigkeit des Einzelunternehmers schließen, so dass andere Kriterien wie zum Beispiel die getrennte Buchführung zurücktreten würden. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Bundesfinanzhof hat gegen das Urteil nun die Revision zugelassen, die unter dem Az. X R 8/23 anhängig ist (FG Düsseldorf, Urteil vom 8.1.2021, 15 K 1186/21 G,E; Newsletter Februar 2024 des FG).

Praxistipp:
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sprechen unter anderem folgende Kriterien für die Annahme von zwei einzelnen Betrieben: räumliche Trennung, gesonderte Buchführungen, eigenes Personal, jeweils eigene Verwaltungen und eigenes Anlagevermögen, ungleichartige betriebliche Tätigkeiten, ein jeweils eigener Kundenstamm und eine die Eigenständigkeit ermöglichende interne Organisation. Diese Merkmale brauchen zwar nicht sämtlich vorzuliegen, aber ei-ne gewisse Selbständigkeit der beiden Betriebe ist erforderlich.
gepostet: 25.06.2024
Gemeinnützigkeit: Erhöhung der Grenzen für Mitgliedsbeiträge
Die Gemeinnützigkeit eines Vereins setzt voraus, dass dessen Tätigkeit der Allgemeinheit zugutekommt, zum Bei-spiel durch Sportangebote. Deshalb gibt es für Mitgliedsbeiträge eine Höchstgrenze, damit ein gemeinnütziger Verein für möglichst viele Menschen zugänglich ist. Ein Verein, dessen Tätigkeit in erster Linie seinen Mitgliedern zugutekommt (insbesondere Sportvereine und Vereine, die bestimmte Freizeitbetätigungen fördern), fördert nicht die Allgemeinheit, wenn er den Kreis der Mitglieder durch hohe Aufnahmegebühren oder Mitgliedsbeiträge (ein-schließlich Mitgliedsumlagen) klein hält. Für die Vereinsarbeit ist allerdings eine ausreichende finanzielle Ausstattung notwendig. Durch die Inflation und weitere veränderte Anforderungen ist der Finanzbedarf vieler Vereine gestiegen. Bisher galt für Mitgliedsbeiträge im Durschnitt eine Höchstgrenze von 1.023 Euro je Mitglied und Jahr. Dieser Betrag wird auf 1.440 Euro angehoben. Auch die Grenze für Aufnahmegebühren wird angehoben: von im Durchschnitt 1.543 Euro auf 2.200 Euro. Darauf haben sich Bund und Länder geeinigt (Quelle: FinMin Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 21.3.2024).
gepostet: 23.06.2024
Verpflegungspauschalen: Interessante Entscheidung für Rettungssanitäter
Verpflegungspauschalen dürfen steuerlich nur dann geltend gemacht werden, wenn der Arbeitnehmer länger als acht Stunden von seiner Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte beruflich abwesend ist. Hat der Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte, reicht eine berufliche Abwesenheit von mehr als acht Stunden von der Wohnung aus. In einem aktuellen Fall hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die Rettungswache eines Rettungssanitäters nicht als erste Tätigkeitsstätte angesehen werden kann, wenn der Arbeitgeber den Mitarbeiter einem Versorgungsbereich zugeordnet hat, innerhalb dessen er rollierend auf Basis monatlich erstellter Dienstpläne in verschiedenen Rettungswachen eingesetzt werden kann. Darauf, dass der Steuerpflichtige rückblickend betrachtet eventuell doch ganz überwiegend in einer bestimmten Einsatzstelle eingesetzt wurde, komme es nicht an. Im Übrigen seien Dienstpläne allein allenfalls ein Indiz für die Annahme einer dauerhaften Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers, jedoch kein alleiniger Beweis für das Vorliegen einer ersten Tätigkeitsstätte (BFH-Beschluss vom 8.2.2024, VI B 46/23).

Praxistipp:
In einem anderen Fall hatte der BFH die Hauptwache, an der ein Rettungsassistent ganz überwiegend tätig war, allerdings als erste Tätigkeitsstätte angesehen (BFH-Urteil vom 30.9.2020, VI R 11/19). Der Kläger war hier einer bestimmten Rettungswache zugeordnet, auch wenn er in Vertretungsfällen in anderen Wachen aushelfen musste. Allein die Möglichkeit des Arbeitgebers, den Kläger an einer anderen Rettungswache einzusetzen, wertete der BFH im damaligen Urteilsfall als unerheblich.
gepostet: 22.06.2024
Photovoltaikanlagen ab 2022: Rückgängigmachung von IAB soll zulässig sein
Für bestimmte Photovoltaikanlagen wurde mit dem Jahressteuergesetz 2022 eine ertragsteuerliche Steuerbefreiung eingeführt. Geregelt ist dies in § 3 Nr. 72 des Einkommensteuergesetzes. Es gilt: Seit dem 1.1.2022 sind Photovoltaikanlagen auf Einfamilienhäusern (einschließlich Dächern von Garagen und Carports und anderen Nebengebäuden) bis zu 30 kWp steuerfrei gestellt. Bei Anlagen auf Mehrfamilienhäusern und gemischt genutzten Häusern liegt die Grenze bei 15 kWp pro Wohn- oder Gewerbeeinheit. Auch Photovoltaikanlagen auf überwiegend zu betrieblichen Zwecken genutzten Gebäuden bis zu 15 kWp je Wohn-/Geschäftseinheit sind begünstigt. Im Zusammenhang mit der gesetzlichen Neuregelung haben sich eine ganze Reihe von Zweifelsfragen ergeben. Zu einigen dieser Fragen hatte das Bundesfinanzministerium mit Schreiben vom 17.7.2023 (BStBl 2023 I S. 1494) Stellung genommen und unter anderem verfügt, dass ein Investitionsabzugsbetrag, der beispielsweise in 2021 für die geplante Anschaffung einer Photovoltaikanlage im Jahr 2022 oder 2023 gebildet worden ist, nach § 7g Abs. 3 EStG rückgängig zu machen ist, wenn in nach § 3 Nr. 72 EStG begünstigte Photovoltaikanlagen investiert wurde. Eine Ausnahme gilt nur in den Fällen, in denen die Photovoltaikanlage zum Betriebsvermögen eines Betriebes gehört, dessen Zweck nicht nur die Erzeugung von Strom aus Photovoltaikanlagen ist.

Das Finanzgericht Köln hat die Auffassung der Finanzverwaltung in einem Aussetzungsverfahren bestätigt. Die Rückgängigmachung von Investitionsabzugsbeträgen für die Anschaffung von ab dem Jahr 2022 steuerbefreiten Photovoltaikanlagen sei nicht zu beanstanden. Es sei insbesondere zu berücksichtigen, dass durch die rückwirkende Steuerbefreiung allgemein eine günstigere Rechtslage eingetreten sei, von der zahlreiche Steuerzahlende profitierten. Der Umstand, dass hiermit als Rechtsreflex auch für Einzelne steuerlich nachteilige Folgen verbunden seien, führe nicht zu einem anderen Ergebnis (FG Köln, Beschluss vom 14.3.2024, 7 V 10/24).

Praxistipp:
Es ging nur um ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, das heißt, der Steuerpflichtige hatte die Aussetzung der Vollziehung seiner Steuernachzahlung beantragt, die ihm jedoch vom Finanzamt und nun auch vom Finanzgericht versagt wurde. Im Übrigen hat der Antragsteller gegen den Beschluss bereits Beschwerde eingelegt, die unter dem Az. III B 24/24 beim Bundesfinanzhof geführt wird. Das letzte Wort ist also noch nicht gesprochen.
gepostet: 21.06.2024
Betriebsausgaben: Influencerin kann Kosten für Kleidung nicht abziehen
Influencer können nennenswerte Einnahmen erzielen. Zwar erhalten viele von ihnen Gratisprodukte von Unter-nehmen, die sich anschließend eine positive Bewertung erhoffen. Doch zahlreiche Influencer müssen auch selbst hohe Aufwendungen tragen. Das Niedersächsische Finanzgericht hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass eine Influencerin Aufwendungen für Kleidung und Accessoires nicht steuermindernd als Betriebsausgaben absetzen kann (Urteil vom 13.11.2023, 3 K 11195/21). Die Steuerpflichtige betreibt einen Mode- und Lifestyle-Blog und erstellt hierzu Fotos und Stories. Zusätzlich zu den Waren, die sie im Rahmen ihrer Tätigkeit von verschiedenen Firmen erhalten hatte, um sie zu bewerben, erwarb sie diverse Kleidungsstücke und Accessoires, wie zum Beispiel Handtaschen namhafter Marken. Sie beantragte, die Aufwendungen für diese Kleidungsstücke und Accessoires als Betriebsausgaben bei ihrer gewerblichen Tätigkeit als Influencerin zu berücksichtigen. Das Finanzamt verwehrte den Betriebsausgabenabzug jedoch mit der Begründung, dass sämtliche Gegenstände durch die Klägerin auch privat genutzt werden könnten und eine Abgrenzung der privaten zur betrieblichen Sphäre nicht möglich sei. Die hiergegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg.

Auch das Finanzgericht gelangte zu der Überzeugung, dass bei gewöhnlicher bürgerlicher Kleidung und Mode-Accessoires eine Trennung zwischen privater und betrieblicher Sphäre nicht möglich ist. Gemäß § 12 Nr. 1 EStG folge insoweit ein Abzugsverbot für Aufwendungen für die Lebensführung der Steuerpflichtigen, die ihre wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung mit sich bringt, auch wenn die Aufwendungen zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit der Steuerpflichtigen erfolgen. Es komme hierbei nicht darauf an, wie die Frau die Gegenstände konkret genutzt hat. Allein die naheliegende Möglichkeit der Privatnutzung von bürgerlicher Kleidung und Mode-Accessoires führe dazu, dass eine steuerliche Berücksichtigung ausgeschlossen sei.

Auch handele es sich bei den erworbenen Gegenständen nicht um typische Berufskleidung, für die ein Betriebsausgabenabzug möglich wäre. Hierunter fielen lediglich solche Kleidungsstücke, die nach ihrer Beschaffenheit objektiv nahezu ausschließlich für die berufliche Nutzung bestimmt und geeignet und wegen der Eigenart des Berufs nötig sind bzw. bei denen die berufliche Verwendungsbestimmung bereits aus ihrer Beschaffenheit entweder durch ihre Unterscheidungsfunktion oder durch ihre Schutzfunktion folgt. Der Beruf der Influencerin bzw. Bloggerin sei insoweit nicht anders zu beurteilen als sonstige Berufe. Ob die Frau die angeschafften Kleidungsstücke und Mode-Accessoires tatsächlich ausschließlich betrieblich genutzt hat, sei damit unbeachtlich (Niedersächsisches FG, Newsletter 3/2024).

Praxistipp:
Nach früherer Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs konnten als "typische Berufskleidung" auch Kleidungsstücke gelten, die ihrer Art nach zwar der bürgerlichen Kleidung zuzurechnen waren, deren Verwendung zum privaten Bedarf aufgrund berufsspezifischer Eigenschaften aber so gut wie ausgeschlossen war (BFH-Urteil vom 6.12.1990, IV R 65/90). Diese Auffassung hat der BFH allerdings mit Urteil vom 16.3.2022 (VIII R 33/18) aufgegeben. So wird beispielsweise ein schwarzer Anzug bei einem Trauerredner nicht mehr als Berufskleidung anerkannt.
gepostet: 19.06.2024
Energiepreispauschale: Besteuerung war laut FG Münster rechtens
Im September 2022 erhielten Arbeitnehmer eine Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro, die über ihren jeweiligen Arbeitgeber ausgezahlt wurde. Der Gesetzgeber hat in § 119 Abs. 1 Satz 1 EStG bestimmt, dass die Energiepreispauschale den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zuzuordnen und damit zu versteuern ist. Das Finanzgericht Münster hat nun entschieden, dass die Energiepreispauschale zurecht besteuert worden ist. Der dies anordnende § 119 Abs. 1 Satz 1 EStG sei nicht verfassungswidrig (FG Münster, Urteil vom 17.4.2024, 14 K 1425/23 E).

Der Kläger erhielt im Jahr 2022 von seinem Arbeitgeber die Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro ausgezahlt. Das Finanzamt berücksichtigte diese im Einkommensteuerbescheid für 2022 als steuerpflichtigen Arbeits-lohn. Der Kläger machte zunächst im Einspruchsverfahren und sodann im Klageverfahren geltend, dass die Energiepreispauschale keine steuerbare Einnahme sei. Es handele sich um eine Subvention des Staates, die in keinem Veranlassungszusammenhang zu seinem Arbeitsverhältnis stehe. Sein Arbeitgeber sei lediglich als Erfüllungsgehilfe für die Auszahlung der Subvention tätig geworden. Das FG Münster hat die Klage abgewiesen. Dabei hat es ausgeführt, dass der Gesetzgeber die Energiepreispauschale in § 119 Abs. 1 Satz 1 EStG konstitutiv den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zugeordnet habe. Auf einen Veranlassungszusammenhang mit der eigenen Arbeitsleistung komme es daher nicht mehr an. § 119 Abs. 1 Satz 1 EStG sei auch verfassungsgemäß. Für die dort geregelte Besteuerung der Energiepreispauschale sei der Bundesgesetzgeber gemäß Art. 105 Abs. 2 Satz 1 GG zuständig gewesen, da ihm die Einkommensteuer (teilweise) zufließe. Aus der Verfassung ergebe sich auch nicht, dass der Staat nur das "Markteinkommen“ besteuern dürfe.

Praxistipp:
Die Richter haben die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen. Das Verfahren wurde sowohl vom Steuerpflichtigen als auch von der Finanzverwaltung als Musterverfahren angesehen. Bundesweit sind zu der Besteuerung der Energiepreispauschale noch tausende Einspruchsverfahren in den Finanzämtern anhängig. Ob die Revision vom Kläger tatsächlich eingelegt wurde, ist derzeit noch nicht bekannt (FG Münster, Pressemitteilung vom 2.5.2024).
gepostet: 17.06.2024
Europawahl: Steuerliche Behandlung der Erfrischungsgelder für Ehrenamtler
Vom 6. bis 9. Juni 2024 wählen die Bürger der Europäischen Union das Europäische Parlament. In Deutschland wird am Sonntag, 9. Juni 2024, gewählt. Diejenigen, die ehrenamtlich bei der Wahl mitwirken, erhalten üblicher-weise eine geringe Aufwandsentschädigung, auch als Erfrischungsgeld bezeichnet. Wie Erfrischungsgelder, die anlässlich von Wahlen an ehrenamtliche Wahlhelfer geleistet werden, steuerlich zu behandelnd sind, hat das Ministerium der Finanzen Sachsen-Anhalt im Jahre 2023 beantwortet (Erlass vom 22.5.2023, 45-S 2337-115). Da-nach gilt: Die steuerliche Behandlung der bei politischen Wahlen an ehrenamtliche Mitwirkende gezahlten Erfrischungsgelder richtet sich nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG in Verbindung mit R 3.12 Abs. 3 LStR. Danach ist ein Drittel der gezahlten Aufwandsentschädigung, jedoch mindestens 250 Euro monatlich (ab Veranlagungszeitraum 2021), steuerfrei. Wird ein Betrag von weniger als 250 Euro monatlich gezahlt, ist der tatsächlich gezahlte Betrag steuer-frei. Werden für mehrere Wahlen am selben Tag für jede Wahl Erfrischungsgelder gezahlt oder innerhalb eines Monats mehrere Wahlen durchgeführt, sind nach R 3.12 Abs. 3 Satz 6 LStR für die Anwendung der steuerfreien Mindestbeträge die gezahlten Aufwandsentschädigungen zusammenzurechnen. In diesem Fall sind, wenn die o.g. Drittelregelung nicht zu einem höheren Betrag führt, nur 250 Euro steuerfrei und der übersteigende Betrag ist steuerpflichtig.

Für die Besteuerung des übersteigenden Betrages ist bei den ehrenamtlich Mitwirkenden bei politischen Wahlen zu unterscheiden zwischen Mitgliedern der Wahlorgane (Mitglieder von Wahlausschüssen und Wahlvorständen, Beisitzer, Schriftführer) und den Wahlhelfern (Hilfskräfte). Bei Ersteren handelt es sich um in den Wahlgesetzen vorgeschriebene Wahlorgane, die weisungsunabhängig sind und ihre Aufgaben grundsätzlich nur gegenüber der Allgemeinheit wahrnehmen. Sie sind daher als selbstständig Tätige anzusehen, die mit den Aufwandsentschädigungen Einkünfte aus sonstiger selbstständiger Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG) beziehen. Sie haben für die Versteuerung der Aufwandsentschädigung, soweit sie den Freibetrag übersteigt, im Zuge ihrer Einkommensteuererklärung selbst Sorge zu tragen.

Die Wahlhelfer sind von den Gemeinden eingesetzte Hilfskräfte zur Erfüllung der eigenverantwortlichen organisatorischen Hilfsfunktion der Gemeinden bei Wahlen. Sie sind weisungsabhängig und nach dem Gesamtbild der Verhältnisse als Arbeitnehmer anzusehen. Soweit die Erfrischungsgelder steuerpflichtig sind, ist hinsichtlich der Besteuerung zu unterscheiden zwischen Wahlhelfern, die Arbeitnehmer der Gemeinde sind, und anderen. Für Erstere ist die Besteuerung im Rahmen des Lohnsteuerabzugs durchzuführen. Die Lohnsteuer kann auch nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 EStG pauschaliert werden. Bei Wahlhelfern, die nicht Arbeitnehmer der Gemeinde sind, kann die Lohnsteuer auf den steuerpflichtigen Teil der Erfrischungsgelder nach den allgemeinen Vorschriften oder nach § 40a EStG pauschal erhoben werden.
gepostet: 15.06.2024
GmbH: Beherrschender Geschäftsführer kann keinen Minijob ausüben
Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH gelten steuerlich grundsätzlich als Arbeitnehmer und sind lohnsteuerpflichtig. Sozialversicherungsrechtlich gilt hingegen, dass Gesellschafter-Geschäftsführer sozialversicherungs-frei sind, wenn sie 50 Prozent oder mehr der Geschäftsanteile halten und über entsprechende Stimmanteile verfügen oder weniger als 50 Prozent der Geschäftsanteile halten, aber über ein Vetorecht verfügen und so Entscheidungen des Unternehmens maßgeblich beeinflussen können.

Nach einem aktuellen Beschluss des Bundesfinanzhofs kann ein Geschäftsführer, der zugleich alleiniger (oder beherrschender) Gesellschafter ist, keine geringfügige Beschäftigung ausüben. Für sein Gehalt muss die Lohnsteuer individuell nach den Lohnsteuerabzugsmerkmalen berechnet und abgeführt werden. Der BFH folgt insoweit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BFH-Beschluss vom 9.8.2023, VI B 1/23).

Der Sachverhalt: Eine GmbH schloss mit ihrem alleinigen Gesellschafter einen Anstellungsvertrag. Der Gesellschafter verpflichtete sich, in Teilzeit als alleiniger Geschäftsführer für die GmbH tätig zu sein. Die regelmäßige Arbeitszeit sollte zehn Stunden wöchentlich umfassen. Als Bruttomonatsgehalt war ein Betrag von 450 Euro vereinbart. Die GmbH nahm für ihren Geschäftsführer zunächst eine Pauschalierung der Lohnsteuer wegen einer geringfügigen Beschäftigung mit einem einheitlichen Pauschalsteuersatz von 2 Prozent vor. Das Finanzamt kam zu dem Ergebnis, dass die Pauschalversteuerung des Geschäftsführergehaltes nach § 40a EStG nicht möglich sei, da es sich bei dem Geschäftsführer der GmbH nicht um einen abhängig Beschäftigten im Sinne des Sozialrechts handele. Da es sich um das zweite Arbeitsverhältnis des Geschäftsführers handelte, erfolgte die Nachversteuerung der Lohnsteuer für den Zeitraum März 2015 bis Dezember 2019 nach der Steuerklasse VI. Die hiergegen gerichtete Klage beim Finanzgericht und auch die Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH blieben erfolglos.

Begründung: Voraussetzung für eine Pauschalversteuerung nach § 40a Abs. 2 EStG ist unter anderem das Vorliegen von Arbeitsentgelt aus geringfügigen Beschäftigungen im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV oder des § 8a SGB IV. Beide Vorschriften setzen das Bestehen einer sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigung voraus. Der Begriff der Beschäftigung wird für sämtliche Zweige des Sozialversicherungsrechts in § 7 Abs. 1 SGB IV definiert. Ein Geschäftsführer, der zugleich alleiniger Gesellschafter ist, erfüllt die in § 7 Abs. 1 SGB IV genannten Voraussetzungen grundsätzlich nicht (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG-Urteil vom 3.4.2014, B 2 U 26/12 R, Rz. 16, m.w.N.).
gepostet: 13.06.2024
Umsatzsteuer: Aufsichtsräte trotz Sitzungsgelder keine Unternehmer?
Trägt das Mitglied eines Aufsichtsrats aufgrund einer nicht variablen Festvergütung kein Vergütungsrisiko, ist es nicht als Unternehmer tätig. So hatte der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 27.11.2019 (V R 23/19 / V R 62/17) entschieden. Er begründet dies mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Im Anschluss an das Urteil hatte das Bundesfinanzministerium Stellung bezogen und unter anderem verfügt: Besteht die Vergütung des Aufsichtsratsmitglieds sowohl aus festen als auch variablen Bestandteilen, ist es grundsätzlich selbstständig tätig, wenn die variablen Bestandteile im Geschäftsjahr mindestens zehn Prozent der gesamten Vergütung, einschließlich erhaltener Aufwandsentschädigungen, betragen. In die Prüfung der Zehn-Prozent-Grenze sind als variable Vergütungsbestandteile die Sitzungsgelder aller geplanten Sitzungen eines Geschäftsjahrs der Gesellschaft, unabhängig von der tatsächlichen Teilnahme des Aufsichtsratsmitglieds, mit einzubeziehen (BMF-Schreiben vom 8.7.2021, BStBl 2021 I S. 919; BMF-Schreiben vom 29.3.2022, BStBl 2022 I S. 567).

Nun muss sich der Bundesfinanzhof aber mit der Frage befassen, ob Sitzungsgelder überhaupt als variable Vergütungsbestandteile zu werten sind, die zu einer Selbstständigkeit und damit zur Unternehmereigenschaft des Aufsichtsratsmitglieds führen können. Das Finanzgericht Köln hat dies jedenfalls verneint. Von einer sitzungsabhängigen Vergütung könne nicht auf ein wirtschaftliches Risiko geschlossen werden, welches aber für die Annahme einer Selbstständigkeit erforderlich ist. Damit widerspricht das FG Köln der Haltung der Finanzverwaltung (FG Köln, Urteil vom 15.11.2023, 9 K 1068/22).

Praxistipp:
Die Finanzverwaltung hat gegen das Urteil Revision eingelegt, die beim BFH unter dem Az. XI R 35/23 vorliegt. In dem Revisionsverfahren wird es auch um die Frage des unberechtigten Steuerausweises (§ 14c Abs. 2 UStG) für den Fall gehen, dass die Finanzverwaltung tatsächlich unterliegen sollte. Das FG Köln hat eine Steuerschuld aufgrund der Besonderheiten des Falles verneint.
gepostet: 11.06.2024
Werbungskosten: Anwaltskosten für ein Disziplinarverfahren sind abzugsfähig
Prozess- und Anwaltskosten sind als Werbungskosten abziehbar, wenn ein direkter Zusammenhang zur Arbeit gegeben ist, beispielsweise bei einem Kündigungsschutzverfahren. Kosten für Rechtsstreitigkeiten im privaten Be-reich hingegen werden nur in ganz wenigen Ausnahmefällen - als außergewöhnliche Belastung - anerkannt. Auch Kosten für eine Strafverteidigung sind nur selten abzugsfähig. Der Bundesfinanzhof hat nun aber entschieden, dass Rechtsanwaltskosten für die Vertretung in einem Disziplinarverfahren auch dann als Werbungskosten abgezogen werden dürfen, wenn das Verfahren wegen eines strafbaren Kommentars in den sozialen Medien eingeleitet wurde (BFH-Beschluss vom 10.1.2024, VI R 16/21).

Der Kläger, ein Berufssoldat, wurde aufgrund eines strafrechtlich relevanten Textbeitrags auf seinem privaten Facebook-Account rechtskräftig verurteilt. Zeitgleich wurde gegen ihn ein Wehrdisziplinarverfahren eröffnet, in dem es auch um den Fortbestand des Dienstverhältnisses ging. Für seine Vertretung in dem Disziplinarverfahren entstanden dem Soldaten Rechtsanwaltskosten von 1.785 Euro. Diese wollte er als Werbungskosten abziehen. Dem widersprach das Finanzamt mit dem Argument, dass Prozesskosten eines Strafverfahrens grundsätzlich nicht als Werbungskosten abziehbar sind. Doch der BFH sieht die Sache anders und lässt einen Werbungskostenabzug zu.

Begründung: Prozesskosten für ein Strafverfahren sind grundsätzlich nicht als Werbungskosten abziehbar, weil es regelmäßig an einem Zusammenhang zwischen der Straftat und der beruflichen Tätigkeit fehlt. Bei den Prozess-kosten für ein Wehrdisziplinarverfahren besteht ein solcher Zusammenhang zum Beruf jedoch, so dass die Aufwendungen als Werbungskosten zu berücksichtigen sind. Die Grundsätze, die zur Abzugsfähigkeit von Prozess-kosten eines Strafverfahrens gelten, sind nicht auf Prozesskosten eines Wehrdisziplinarverfahrens übertragbar. Gegenstand des Wehrdisziplinarverfahrens ist die Ahndung von Dienstvergehen durch Verhängung von Disziplinarmaßnahmen; gegebenenfalls droht sogar eine Entfernung aus dem Dienstverhältnis. Die Aufwendungen für die Verteidigung im Wehrdisziplinarverfahren dienen daher unmittelbar der Erhaltung der Einnahmen aus dem Dienstverhältnis. Der Abziehbarkeit der Rechtsverteidigungskosten für das Wehrdisziplinarverfahren steht auch nicht entgegen, wenn die Dienstpflichtverletzungen teilweise Gegenstand eines Strafverfahrens gewesen sind. Nur die für das Strafverfahren aufgewandten Rechtsverteidigungskosten sind daher nicht als Werbungskosten abziehbar.
gepostet: 09.06.2024
Spenden: Zuwendungsempfängerregister ist nun online einsehbar
Mit dem Jahressteuergesetz 2020 wurde die Einführung eines Zuwendungsempfängerregisters beschlossen. Dieses ist nun seit einigen Wochen auf der Website des Bundeszentralamts für Steuern (BZSt) online einsehbar. Das Register umfasst alle Organisationen, die berechtigt sind, ihren Spendern Zuwendungsbestätigungen auszustellen. Hierzu zählen insbesondere: gemeinnützige Körperschaften i. S. des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG, juristische Personen des öffentlichen Rechts sowie Parteien und Wählervereinigungen i. S. des § 34g EStG. Damit hilft das Zuwendungsempfängerregister Bürgern, Unternehmen und institutionellen Fördermittelgebern dabei, die Organisationen zu finden, die zu Recht Spendenquittungen ausstellen dürfen - so das BZSt. Es werden der Name der Organisation, die Anschrift, die steuerbegünstigten Zwecke nach der Abgabenordnung und das Datum zum letzten Freistellungs- oder Feststellungsbescheid angezeigt. Das Register ist auf der Webseite des BZSt mit einer benutzer-freundlichen Suche zum Beispiel nach gemeinnützigem Zweck bzw. Ort ausgestattet (https://zer.bzst.de/).

Die Daten zu den inländischen Zuwendungsempfängern werden von den Finanzämtern dem BZSt sukzessive au-tomatisiert übermittelt. Das eventuell anfängliche Fehlen von berechtigten Organisationen oder das Fehlen von einzelnen Daten zu berechtigten Organisationen im Zuwendungsempfängerregister hat (noch) keine Auswirkung auf den durch die Finanzämter festgestellten gemeinnützigkeitsrechtlichen Status bzw. den Status als Zuwendungsempfänger der Organisation. Die Organisationen erhalten in einer späteren Ausbaustufe die Möglichkeit, freiwillig Bankverbindungen zu Spendenkonten sowie Angaben zu der eigenen Homepage der Organisation in das Register einzupflegen.

Ausländische Organisationen aus dem EU-/EWR-Ausland können einen Antrag auf Aufnahme in das Zuwendungsempfängerregister stellen. Das BZSt prüft, ob die antragstellende Organisation die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit im Sinne der Abgabenordnung erfüllt. Wird dem Antrag entsprochen, kann die ausländische Organisation in das Zuwendungsempfängerregister aufgenommen werden.
gepostet: 08.06.2024
Verbraucherdarlehensvertrag: Rückabwicklung löst keine Steuer aus
In der Vergangenheit wurden zahlreiche Darlehensverträge angefochten, weil die Widerrufsbelehrung fehlerhaft war. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs löst der Nutzungsersatz, der im Rahmen der reinen Rückabwicklung eines Verbraucherdarlehensvertrags nach dessen Widerruf gewährt wird, keine Einkommensteuer aus. Dies hat er mit einer ganzen Serie von Urteilen entschieden (z.B. BFH-Urteil vom 7.11.2023, VIII R 7/21), beispielsweise in folgendem Fall: Ehegatten schlossen im Jahr 2008 einen Darlehensvertrag zur Finanzierung einer selbstgenutzten Wohnimmobilie ab. Im Jahr 2016 widerriefen sie den Darlehensvertrag unter Berufung auf eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung. Auf der Grundlage eines zivilgerichtlichen Vergleichs zahlte die Bank an die Eheleute Nutzungsersatz für bis zum Widerruf erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 14.500 Euro. Das Finanzamt erfasste den Nutzungsersatz als Einkünfte aus Kapitalvermögen. Dem ist der BFH entgegengetreten.

Der Nutzungsersatz sei kein steuerbarer Kapitalertrag im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Die Rückabwicklung eines vom Darlehensnehmer widerrufenen Darlehensvertrags (vor Anwendbarkeit des § 357a Abs. 3 Satz 1 BGB a.F.; jetzt § 357b BGB) vollziehe sich außerhalb der steuerbaren Erwerbssphäre. Das Rückgewährschuldverhältnis sei ertragsteuerlich als Einheit zu behandeln, weshalb die einzelnen Ansprüche aus dem Rückgewährschuldverhältnis auch nicht für sich betrachtet - im Sinne einer unfreiwilligen Kapitalüberlassung - Teil einer steuerbaren erwerbsgerichteten Tätigkeit sein könnten. Es lägen auch keine sonstigen Einkünfte im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG vor. Dem stehe entgegen, dass die bei der gebotenen Einheitsbetrachtung aus der Rückabwicklung des Darlehensvertrags vereinnahmten Einzelleistungen nicht in der Erwerbssphäre angefallen seien (Quelle: Pressemitteilung des BFH vom 21.3.2024).
gepostet: 07.06.2024
Grundstücksunternehmen: Vorsicht bei Grundstückserwerb mit Verkaufsabsicht
Für rein vermögensverwaltende Unternehmen, insbesondere Wohnungs- bzw. Grundstücksgesellschaften, ist die so genannte erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG bedeutend. Nach dieser Vorschrift werden selbst hohe Gewinne komplett von der Gewerbesteuer befreit. Voraussetzung ist aber, dass die Unternehmen - von wenigen Ausnahmen abgesehen - ausschließlich eigenen Grundbesitz und eigenes Kapitalvermögen verwalten. Die Veräußerung einer Teilfläche eines Grundstücks sowie die damit zusammenhängenden Abbruch- und Erschließungsarbeiten können das Ausschließlichkeitsgebot bei der erweiterten Gewerbesteuerkürzung verletzen - so hat das Finanzgericht Düsseldorf mit Urteil vom 21.12.2023 (14 K 1546/22 G) entschieden.

Die Klägerin, eine GmbH, erwarb im Jahr 2016 ein Gesamtareal unter der Bedingung der Baureifmachung, Erschließung und anschließenden Veräußerung einer bestimmten Teilfläche an die N-GmbH & Co. KG. Auf dem übrigen Areal beabsichtigte die Klägerin, Gewerbeimmobilien zu errichten und im Anschluss zu vermieten. Die Klägerin und die Stadt schlossen einen städtebaulichen Vertrag mit Verpflichtungen der Klägerin zu Abbrucharbeiten auf dem Areal, zur Herstellung einer Erschließungsstraße sowie damit zusammenhängend Planung, Koordinierung und Durchführung der Arbeiten zur Verlegung der notwendigen Ver- und Entsorgungsleitungen. Das Finanzamt lehnte für das Streitjahr 2017 eine erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ab, da die Klägerin durch den Verkauf der Teilfläche einen schädlichen Grundstückshandel betrieben habe und damit gewerblich tätig geworden sei. Insbesondere habe die Veräußerungsabsicht hinsichtlich der Teilfläche bereits bei Erwerb der Flächen vorgelegen.

Die Klägerin argumentierte hingegen, dass die Veräußerung der Teilfläche nach dem Gesamtbild der Verhältnisse weder eine nachhaltige Tätigkeit dargestellt habe, noch habe sie sich damit am allgemeinen wirtschaftlichen Ver-kehr beteiligt. Nach den von der Stadt aufgestellten Anforderungen habe sie den Vertrag nur mit der N-GmbH & Co. KG abschließen können. Die Veräußerung sei deshalb ein zwingend notwendiges Nebengeschäft für die Aufnahme der Tätigkeit als Grundstücksverwalterin gewesen. Der Verkaufserlös aus der Teilfläche trete im Gesamtbild der Verhältnisse in den Hintergrund. Doch Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Die Veräußerung der Teilfläche und die zu deren Vorbereitung durchgeführten Arbeiten zur Baureifmachung und -erschließung gingen über die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes hinaus. Die aus dem städtebaulichen Vertrag resultierende Verpflichtung zum Verkauf des Grundstücks habe die unbedingte Veräußerungsabsicht nicht entfallen lassen. Die umfangreichen Tätigkeiten hätten auch zu einer völlig anderen Marktgängigkeit des Objektes geführt und entsprächen somit dem Bild eines am Markt auftretenden Bau- bzw. Erschließungsunternehmers. Sie stellten - schon angesichts des Umfangs der durchgeführten Maßnahmen - keine unschädliche Nebentätigkeit im Sinne eines zwingend notwendigen Teils einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und -Nutzung dar (Quelle: FG Düsseldorf, Newsletter März 2024).
gepostet: 05.06.2024
Pflegepauschbetrag: Geringfügige Pflegeleistungen reichen nicht aus
Wegen der außergewöhnlichen Belastungen, die einem Steuerpflichtigen durch die Pflege einer Person erwachsen, kann er einen Pflegepauschbetrag geltend machen (§ 33b Abs. 6 EStG). Dieser beträgt - je nach Pflegegrad - zwischen 600 Euro und 1.800 Euro. Wie das Sächsische Finanzgericht entschieden hat, muss aber eine gewisse Mindest-Pflegeleistung erbracht werden (Sächsisches FG, Urteil vom 24.1.2024, 2 K 936/23). Das Urteil ist rechts-kräftig.

Im entschiedenen Fall besuchte ein Sohn seine pflegebedürftige Mutter (Pflegestufe III) fünfmal im Jahr für mehrere Tage in einer Einrichtung des betreuten Wohnens und half in dieser Zeit bei der Körperpflege, beim An- und Ausziehen, bei den Mahlzeiten und beim Verlassen der Wohnung. Außerdem unterstützte er seine Mutter in organisatorischen Dingen. Das Finanzamt versagte für das Jahr 2022 einen Pflegepauschbetrag von 1.100 Euro, weil die Pflege nicht über das bei Familienbesuchen Übliche hinausgehe. Die Richter gaben dem Finanzamt Recht: Für die Inanspruchnahme des Pflegepauschbetrages müsse die Pflegedauer mindestens zehn Prozent des pflegerischen Zeitaufwandes betragen, um einen Abzug als außergewöhnliche Belastung zu rechtfertigen. Andernfalls könnten in vielen Fällen Familienbesuche, die mit Hilfeleistungen im Haushalt verbunden seien, als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden. Dies sei nicht Intention des Gesetzgebers (Quelle: Sächsisches FG, Mitteilung vom 15.3.2024).
gepostet: 03.06.2024
Arbeitslohn: Pauschalversteuerung muss stets zeitnah erfolgen
Bestimmte geldwerte Vorteile, die Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern zukommen lassen, sind lohnsteuerfrei oder können pauschalversteuert werden. Eigentlich gilt der Grundsatz, dass pauschalversteuerter Arbeitslohn nicht der Sozialversicherung unterliegt, wobei es mehrere Ausnahmen von diesem Grundsatz gibt. Soeben hat das Bundessozialgericht entschieden, dass pauschalversteuerte geldwerte Vorteile - hier anlässlich einer Betriebsveranstaltung - nur dann sozialversicherungsfrei bleiben, wenn die Pauschalversteuerung fristgerecht erfolgt. Wird sie erst mehrere Monate nach Ablauf des Jahres vorgenommen, in dem die Betriebsveranstaltung stattgefunden hat, unterliegt der entsprechende geldwerte Vorteil der Sozialversicherungspflicht (BSG-Urteil vom 23.4.2024, B 12 BA 3/22 R).

Die klagende GmbH feierte am 5. September 2015 ihr Firmenjubiläum. Dazu lud sie ihre Beschäftigten ein. Die Kosten der Veranstaltung überstiegen 110 Euro pro Arbeitnehmer. Nachdem sie den steuerpflichtigen geldwerten Vorteil zunächst nicht bei den Steueranmeldungen berücksichtigt und dementsprechend keine Lohnsteuer darauf gezahlt hatte, holte die GmbH die Pauschalversteuerung nach. Das heißt, es wurde der geldwerte Vorteil, der 110 Euro je Arbeitnehmer überstieg, mit 25 Prozent pauschalversteuert. Sozialabgaben wurden nicht abgeführt. Erst am 31. März 2016 zahlte die GmbH die für September 2015 nachträglich angemeldete Pauschalsteuer. Nach einer Betriebsprüfung forderte der Rentenversicherungsträger von dem Unternehmen Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen für die Betriebsfeier nach. Dies war nach Auffassung des BSG rechtmäßig. Aufwendungen von mehr als 110 Euro je Beschäftigten für eine betriebliche Jubiläumsfeier sind als geldwerter Vorteil in der Sozialversicherung beitragspflichtig, wenn sie nicht mit der Entgeltabrechnung, sondern erst erheblich später pauschal versteuert werden.

Begründung: Es komme darauf an, dass die pauschale Besteuerung "mit der Entgeltabrechnung für den jeweiligen Abrechnungszeitraum" erfolgt. Dies wäre im konkreten Fall die Entgeltabrechnung für September 2015 gewesen. Tatsächlich wurde die Pauschalbesteuerung aber erst Ende März 2016 durchgeführt und damit sogar nach dem Zeitpunkt, zu dem die Lohnsteuerbescheinigung für das Vorjahr übermittelt werden muss. Dass im Steuerrecht bei der Pauschalbesteuerung anders verfahren werden kann, ändere an der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung nichts.
gepostet: 01.06.2024
Mai 2024
Umsatzsteuer: Kein Vorsteuerabzug für neue Heizung bei Wohnraumvermietung
Wenn ein Vermieter eine Heizungsanlage erneuern lässt, ist dies mit hohen Aufwendungen verbunden. Nach ei-nem Urteil des Europäischen Gerichtshofs und einer Entscheidung des Finanzgerichts Münster bestand eine ge-wisse Hoffnung, dass auch Vermieter von Wohnraum gegebenenfalls den Vorsteuerabzug aus den anfallenden Kosten erreichen könnten (EuGH-Urteil vom 16.4.2015, C-42/14; FG Münster, Urteil vom 6.4.2021, 5 K 3866/18 U). Der Bundesfinanzhof hat diese Hoffnung aber zunichte gemacht. Der Einbau oder die Erneuerung einer Hei-zungsanlage stehe ausschließlich im Zusammenhang mit der umsatzsteuerfreien Vermietung; diese schließe ei-nen Vorsteuerabzug aus (BFH-Urteil vom 7.12.2023, V R 15/21).

Die Klägerin vermietete ein Haus mit zwei Wohnungen zu Wohnzwecken. In 2016 ließ sie die Heizungsanlage er-neuern. Im Anschluss verzichtete die Klägerin auf die so genannte Kleinunternehmerregelung und gab eine Um-satzsteuer-Voranmeldung ab. Darin erklärte sie Umsätze zu 19 Prozent aus den Wärme- und Warmwasserliefe-rungen an die Mieter und machte Vorsteuerbeträge geltend, die auf den Erwerb und die Installation der Heizungs-anlage entfielen. Das Finanzamt war der Auffassung, die Wärme- und Warmwasserlieferungen an die Mieter sei-en typische Nebenleistungen zur steuerfreien Wohnungsvermietung. Ein Vorsteuerabzug aus den Aufwendungen für die neue Heizung scheide aus, weil die Klägerin ausschließlich steuerfreie Vermietungsumsätze getätigt habe. Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg, doch der BFH hat das Urteil des Vorinstanz aufgehoben und den Vor-steuerabzug versagt.

Begründung: Zwar könne der Vermieter mit einem Mieter vereinbaren, dass Letzterer die Betriebskosten geson-dert neben der Miete trägt. Doch Betriebskosten könnten nur die Kosten sein, die laufend entstehen. Instandhal-tungs- und Instandsetzungskosten seien vom Betriebskostenbegriff ausgeschlossen, so dass diese nicht auf einen Mieter umgelegt werden können. Der Einbau einer wesentlich verbesserten Heizungsanlage könne unter den Vo-raussetzungen einer energetischen Modernisierung gegebenenfalls zu einer Mieterhöhung führen, doch dann er-höhe sich nur das steuerfreie Entgelt, also die Miete, nicht aber die Betriebskosten. Fazit: Der Zusammenhang zur steuerfreien Vermietung kann nicht gelöst werden und ein Vorsteuerabzug scheidet aus.

Praxistipp:
Die Vorinstanz hatte den Vorsteuerabzug zugelassen, weil sie getrennte Leistungen sah, nämlich einerseits steuerfreie Vermietungsleistungen und andererseits steuerpflichtige Energielieferungen der Vermieterin. Dabei stützte sie sich auf das erwähnte EuGH-Urteil, wonach eine Aufteilung der entsprechenden Leistungen durchaus in Betracht komme. Der BFH stellt indes die deutsche Be-triebskostenverordnung in den Vordergrund, die eine "Umlage" der Aufwendungen für eine neue Heizungsanlage über die Betriebskosten auf die Mieter nicht erlaube. Allerdings lässt der BFH of-fen, wie er im Fall des so genannten Wärme-Contractings entschieden hatte. Dabei werden die In-vestitionen für die erstmalige Errichtung oder die Modernisierung von zentralen Heizanlagen vom Gebäudeeigentümer an einen fremden Unternehmer ausgelagert. Die Wärmelieferung und even-tuell der Betrieb der Anlage werden anschließend vom Contractor übernommen und die Kosten werden direkt mit den Mietern abgerechnet.

gepostet: 30.05.2024
Gesundheitsfürsorge: Keine Steuerfreiheit für Unterkunft und Verpflegung
Bestimmte Leistungen der Gesundheitsfürsorge, die der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern zusätzlich zum ohne-hin geschuldeten Arbeitslohn gewährt, sind lohnsteuerfrei, soweit sie 600 Euro im Kalenderjahr nicht übersteigen (§ 3 Nr. 34 EStG). Mit Präventionsleistungen im Zusammenhang stehende unentgeltliche oder vergünstigte Unter-kunfts- und Verpflegungsleistungen des Arbeitgebers fallen aber regelmäßig nicht unter diese Steuerbefreiung (BFH-Urteil vom 23.11.2023, VI R 24/21).

Ein Arbeitgeber ermöglichte seinen Arbeitnehmern die Teilnahme an so genannten Gesundheitstagen. Die Ver-anstaltungen begannen jeweils freitags und endeten sonntags. Die Unterbringung der Teilnehmer erfolgte wäh-rend der Gesundheitstage in einem Ferienzentrum oder in einem Hotel. Das Veranstaltungsangebot bestand zum Beispiel aus der Einführung in Nordic Walking, Rückenschule, progressiver Muskelentspannung oder aus Ernäh-rungskursen. Der Arbeitgeber trug die Kosten der Seminarteilnahme nebst Unterkunft und Verpflegung. Die Ar-beitnehmer hatten lediglich einen Eigenanteil in Höhe von 99 Euro zu zahlen, den sie bei der Veranstaltung vor Ort entrichten mussten. Der Arbeitgeber behandelte die Vorteile aus der vergünstigten Teilnahme an den Gesund-heitstagen insgesamt als steuerfreien Arbeitslohn gemäß § 3 Nr. 34 EStG. Das Finanzamt war hingegen der An-sicht, die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 34 EStG erstrecke sich nicht auf Neben- oder Zusatzleistungen, wie die Kosten der Verpflegung und Unter-kunft. Der Bundesfinanzhof teilt die Auffassung des Finanzamts.

Begründung: Übernachtungs- und Verpflegungsleistungen zählen nicht zu den nach § 3 Nr. 34 EStG begünstigten Leistungen, da sie weder den allgemeinen Gesundheitszustand der Arbeitnehmer verbessern noch die Gesund-heit fördern. Die Steuerfreiheit ergibt sich auch nicht daraus, dass es sich bei den Gesundheitstagen um eine "ein-heitliche Maßnahme“ handelt. Vielmehr hat die Prüfung der Voraussetzungen einer Steuerbefreiungsvorschrift nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich für jeden gewährten Vorteil einzeln zu erfolgen. Auch ein ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers, seinen Arbeitnehmern die mit der Teilnahme an den Gesundheitstagen verbundenen Vorteile hinsichtlich Unterkunft und Verpflegung einzuräumen, bestand nicht.

Praxistipp:
Im Jahre 2021 hat das Bundesfinanzministerium umfassend zu den Voraussetzungen der Steuer-befreiung des § 3 Nr. 34 EStG Stellung genommen (BMF-Schreiben vom 20.4.2021, BStBl 2021 I S. 700). Danach müssen die Leistungen der Gesundheitsfürsorge bestimmte Standards erfüllen. Nicht unter die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 34 EStG fallen insbesondere Mitgliedsbeiträge für Sportvereine, Fitnessstudios und ähnliche Einrichtungen.

gepostet: 28.05.2024
Umsatzsteuer: Ausweis zu hoher Steuer in Rechnungen an Endkunden
Zuweilen rechnet ein Unternehmer über eine eigentlich steuerfreie Leistung mit Umsatzsteuer ab oder weist in ei-ner Rechnung 19 Prozent Umsatzsteuer aus, obwohl nur der ermäßigte Steuersatz von 7 Prozent anzuwenden gewesen wäre. Nach bisheriger Auffassung der deutschen Finanzverwaltung und auch des Bundesfinanzhofs wird aber die Steuer, die in der Rechnung ausgewiesen wird, geschuldet, auch wenn diese zu hoch ist. Der inso-weit maßgebende § 14c Abs. 1 UStG sei unmissverständlich. Erst wenn die Rechnung berichtigt wird, ermäßigt sich die Steuer wie-der. Allerdings ist eine solche Rechnungsberichtigung mitunter gar nicht möglich, zum Beispiel, wenn eine Leis-tung an unzählige Endverbraucher erbracht wurde, deren Namen gar nicht bekannt sind.

Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 8.12.2022 (C-378/21) entschieden, dass ein Steuerpflichtiger den zu Unrecht in Rechnung gestellten Teil der Mehrwertsteuer nicht schuldet, wenn keine Gefährdung des Steuerauf-kommens vorliegt. Dies ist der Fall, wenn eine Leistung ausschließlich an Endverbraucher erbracht wurde, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Das Urteil ist zwar zu einem Verfahren aus Österreich ergangen, hat aber darüber hinaus Bedeutung. Nunmehr hat das Bundesfinanzministerium die Anwendung des EuGH-Urteils in Deutschland verfügt (BMF-Schreiben vom 27.2.2024, III C 2 -S 7282/19/10001 :002). Danach gilt:

Wenn ein Unternehmer eine Lieferung oder eine sonstige Leistung tatsächlich ausgeführt und hierüber eine Rechnung mit einem unrichtigen Steuerausweis an einen Endverbraucher gestellt hat, entsteht keine Steuer nach § 14c Abs. 1 UStG. Dies gilt entsprechend auch für einen unberechtigten Steuerausweis durch Kleinunternehmer (§ 14c Abs. 2 Satz 1 UStG). Das Unionsrecht hat hier Vorrang vor deutschem Recht. Die Tatsache, dass die fragliche Rechnung an einen Endverbraucher ausgestellt worden ist, ist allerdings durch den Unternehmer glaubhaft darzulegen bzw. plausibel zu begründen.

In Mischfällen, in denen die Rechnungen mit falschem Steuerausweis sowohl an Endverbraucher als auch an Un-ternehmer für deren unternehmerischen Bereich erteilt wurden, sind die Grundsätze des EuGH-Urteils nur bezüg-lich der durch den Unternehmer belegten Rechnungserteilungen an Endverbraucher anzuwenden. Soweit nicht hinreichend sicher beurteilt werden kann, ob die Rechnungsempfänger als Unternehmer oder als Endverbraucher gehandelt haben, sind die Grundsätze des EuGH-Urteils nicht anzuwenden. Insbesondere kann in diesen Fällen weder eine Schätzung des Anteils der betroffenen Umsätze oder der an Endverbraucher ausgestellten Rechnun-gen noch eine Wahrscheinlichkeitsberechnung oder Ähnliches erfolgen. Bei der Beurteilung, ob der Leistungsbe-zieher als Endverbraucher gehandelt hat und daher keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt, kann aber die Art der Leistung berücksichtigt werden. Leistungen, die ihrer Art nach mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht für das Unternehmen, sondern für den privaten Gebrauch bestimmt sind, enthält beispielsweise der Katalog des Ab-schnitts 3a.2 Abs. 11a UStAE. Darunter fallen unter anderem ärztliche Heilbehandlungen, Nachhilfeunterricht für Schüler oder Studierende, Beratungsleistungen in familiären und persönlichen Angelegenheiten. Der Katalog ist aber unbeachtlich, wenn im Einzelfall doch feststeht, dass die Leistung nicht an einen Endverbraucher erbracht worden ist.

Soweit nach den Grundsätzen des genannten EuGH-Urteils aufgrund einer Rechnungserteilung an Endverbrau-cher keine Steuer nach § 14c Abs.1 UStG entstanden ist, bedarf es aus umsatzsteuerlicher Sicht auch keiner Be-richtigung des fraglichen Steuerbetrages, also keiner Rechnungsberichtigung.

Das EuGH-Urteil kann nicht auf Fälle übertragen werden, in denen die fragliche Rechnung an einen Unternehmer für dessen unternehmerischen Bereich erteilt worden ist. Dabei ist es für die Entstehung der Steuerschuld nach § 14c UStG unerheblich, ob und gegebenenfalls inwieweit tatsächlich ein Vorsteuerabzug vorgenommen worden ist.

Praxistipp:
Wer die Umsatzsteuer als Privatperson unberechtigt ausgewiesen oder aber eine Rechnung mit Umsatzsteuerausweis erteilt hat, obwohl gar keine Leistung erbracht wurde, schuldet die Umsatz-steuer nach § 14c Abs. 2 UStG. Hier greift die Neuregelung nicht. Unabhängig davon bleiben trotz des BMF-Schreiben noch viele Praxisfragen offen, etwa wie der Nachweis zu führen ist, dass eine Leistung tatsächlich ausschließlich an Endverbraucher erbracht wurde. Es wird daher sicherlich noch weitere Gerichtsverfahren geben. Ein Verfahren ist derzeit bereits beim Bundesfinanzhof un-ter dem Az. V R 16/23 anhängig (Vorinstanz: FG Köln, Urteil vom 25.7.2023, 8 K 2452/21).

gepostet: 26.05.2024
Wachstumschancengesetz: Weitere wichtige Änderungen
Das Wachstumschancengesetz bringt zahlreiche weitere wichtige Änderungen mit sich. Von Bedeutung sind unter anderem noch folgende Punkte:

Verlustvortrag: Können negative Einkünfte weder im laufenden Jahr noch im Wege des Verlustrücktrags im Vor-jahr bzw. Vor-Vorjahr vollständig verrechnet werden, wird der verbleibende Verlust ins Folgejahr vorgetragen. Der Verlustvortrag wird nach derzeitiger Rechtslage wie folgt verrechnet: Der Verlustbetrag wird bis zu 1 Mio. Euro bzw. bei zusammenveranlagten Eheleuten von 2 Mio. Euro vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen. Sollte der Verlustbetrag höher sein, wird der übersteigende Betrag nur bis zu 60 Prozent des verbleibenden Gesamtbetrags der Einkünfte abgezogen (§ 10d EStG). Die Grenze für diesen übersteigenden Verlustvortrag wird für die Jahre 2024 bis 2027 auf 70 Prozent erhöht. Ab 2028 soll wieder die bisherige Systematik für die "Mindestgewinnbesteu-erung" gelten.

Private Veräußerungsgeschäfte: Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften bleiben steuerfrei, wenn der im Kalenderjahr erzielte Gesamtgewinn weniger als 600 Euro beträgt (Freigrenze). Werden Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt und hat jeder von ihnen Veräußerungsgewinne erzielt, steht jedem Ehegatten die Freigrenze einzeln zu (§ 23 EStG). Ab dem 1.1.2024 wird die Freigrenze für private Veräußerungsgeschäfte von 600 Euro auf 1.000 Euro erhöht.

gepostet: 24.05.2024
Energiepreispauschale: Wenn der Arbeitgeber die Auszahlung verweigert hat
Die Energiepreispauschale für Arbeitnehmer aus September 2022 war grundsätzlich über den jeweiligen Arbeit-geber auszuzahlen. Nur in bestimmten Fällen musste keine Auszahlung über den Arbeitgeber erfolgen, insbeson-dere wenn dieser keine Lohnsteuer-Anmeldungen abgeben musste, weil er lediglich Minijobber beschäftigt hat. Offenbar haben einige Arbeitgeber die Energiepreispauschale aber - aus welchen Gründen auch immer - trotz Verpflichtung nicht an ihre Arbeitnehmer ausgezahlt. Die Frage ist dann, ob betroffene Arbeitnehmer ihren An-spruch gegen den Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht einklagen können oder ob der Weg über das Finanzamt und im Anschluss gegebenenfalls über das Finanzgericht zu wählen ist. Diesbezüglich hat der Bundesfinanzhof ent-schieden: Eine vom Arbeitgeber nicht ausgezahlte Energiepreispauschale ist vom Arbeitnehmer nicht gegenüber dem Arbeitgeber, sondern im Rahmen des Veranlagungsverfahrens für 2022 durch Abgabe einer Einkommen-steuererklärung geltend zu machen. Kommt das Finanzamt der Festsetzung der Energiepreispauschale nicht nach, kann diese nach Durchführung eines Vorverfahrens vor dem Finanzgericht erstritten werden (BFH-Beschluss vom 29.2.2024, VI S 24/23).

Praxistipp:
Die Energiepreispauschale ist grundsätzlich zu versteuern. Für die Energiepreispauschale, die nicht durch den Arbeitgeber, sondern durch das Finanzamt ausgezahlt wird, kommt aber gegebe-nenfalls der so genannte Härteausgleich in Betracht. So bleibt die Energiepreispauschale in be-stimmten Fällen unbesteuert. Unabhängig davon ist ohnehin fraglich, ob eine Versteuerung der Energiepreispauschale überhaupt erfolgen darf. Es ist bereits ein entsprechendes Verfahren beim Finanzgericht Münster unter dem Az. 14 K 1425/23 E anhängig.

gepostet: 20.05.2024
Wachstumschancengesetz: Neuerungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer
Auch für Arbeitgeber und Arbeitnehmer bringt das soeben verabschiedete+ Wachstumschancengesetz verschie-dene Neuerungen. Vorweg sei darauf hingewiesen, dass im Entwurf des Wachstumschancengesetzes eine Erhö-hung der Verpflegungspauschbeträge bei Auswärtstätigkeit und doppelter Haushaltsführung vorgesehen war. Diese geplante Änderung wurde jedoch nicht umgesetzt.

Pauschbetrag für Berufskraftfahrer: Ab dem 1.1.2024 wird die Übernachtungspauschale für Berufskraftfahrer von 8 Euro auf 9 Euro angehoben (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5b EStG).

Gruppenunfallversicherung: Viele Arbeitgeber schließen für ihre Mitarbeiter eine Gruppenunfallversicherung ab, für die sie auch die Beiträge zahlen. Eine solche Gruppenversicherung bietet besonders günstige Konditionen und kann nach individuellen Bedürfnissen gestaltet werden. Zudem gibt es dafür eine Steuervergünstigung: Beträgt der Beitrag je Arbeitnehmer im Durchschnitt nicht mehr als 100 Euro (ohne Versicherungsteuer) im Jahr, kann der Arbeitgeber den Beitrag pauschal mit 20 Prozent versteuern. Ab dem 1.1.2024 wird der Grenzbetrag von 100 Euro bei Gruppenunfallversicherungen aufgehoben.

Elektrofahrzeuge: Emissionsfreie Elektrofahrzeuge (einschließlich Brennstoffzellenfahrzeuge), die im Betriebs-vermögen gehalten werden, sind besonders begünstigt: Für sie wird bei Arbeitnehmern der private Nutzungswert und bei Selbstständigen der Entnahmewert lediglich mit 0,25 Prozent bewertet. Genauer gesagt wird die Bemes-sungsgrundlage geviertelt. Nach geltender Gesetzeslage gilt die Viertel-Bemessungsgrundlage für reine Elektro-Firmenwagen, die im Zeitraum 1.1.2019 bis 31.12.2030 angeschafft werden und der Bruttolistenpreis des Kraft-fahrzeugs nicht mehr als 60.000 Euro beträgt. Für die Anschaffung von Elektrofahrzeugen ab dem 1.1.2024 wird der begünstigte Höchstbetrag des Bruttolistenpreises von 60.000 Euro auf 70.000 Euro angehoben (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Nr. 3 sowie Satz 3 Nr. 3 EStG). Hinweis: Die günstigere Besteuerung gilt nur ertragsteuerlich, nicht aber umsatzsteuerlich. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass eine zunächst geplante Änderung für Hybridfahrzeuge nicht umgesetzt wurde. Zum 1.1.2025 sollte nämlich die alternative Reichweitengrenze von 80 km entfallen. Im Vermittlungsausschuss hat man sich jedoch darauf geeinigt, dass diese Grenze, die alternativ zur Kohlendioxide-mission von 50g/Km gilt, erhalten bleibt.

Wegfall der Fünftelregelung beim Lohnsteuerabzug: Außerordentliche Einkünfte, wie Abfindungen, Entschädi-gungen oder Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten, sind nach der so genannten Fünftelregelung gemäß § 34 EStG steuerbegünstigt. Die Regelung erfordert komplizierte Berechnungsschleifen im Programmablaufplan, wenn sie bereits bei der Lohnabrechnung, also der Ermittlung der Lohnsteuer, berücksichtigt werden soll. Ab dem 1.1.2025 wird die Tarifermäßigung nach der Fünftelregelung im Lohnsteuerverfahren ersatzlos aufgehoben. Ar-beitnehmer können die Anwendung der Fünftelregelung aber natürlich weiterhin im Rahmen ihrer persönlichen Steuererklärung beantragen.

gepostet: 18.05.2024
Corona-Wirtschaftshilfen: Letztmalige Fristverlängerung für Schlussabrechnung
Mit den Corona-Wirtschaftshilfen, unter anderem Überbrückungs-, November- und Dezemberhilfen, wurden im Zeitraum Juni 2020 bis Juni 2022 Unternehmen und Selbstständige mit erheblichen coronabedingten Umsatz-rückgängen unterstützt. Damit die Auszahlung der Mittel an die Antragstellenden zügig erfolgen konnte, wurden die Gelder zumeist auf Prognosebasis vorläufig bewilligt. Es war aber klar, dass die Prognosezahlen mit der tat-sächlichen Umsatzentwicklung und den angefallenen Fixkosten später abgeglichen werden mussten. Bund und Länder haben sich nun im Einklang mit den Berufsorganisationen der so genannten prüfenden Dritten auf eine letztmalige Fristverlängerung zur Einreichung der Schlussabrechnung verständigt. Die Schlussabrechnungen der Corona-Wirtschaftshilfen (Überbrückungs-, November- und Dezemberhilfen) können demnach noch bis zum 30. September 2024 eingereicht werden (Quelle: Bundessteuerberaterkammer, Mitteilung vom 14.3.2024). Weitere In-formationen zu dem Thema finden Sie unter: www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de

gepostet: 16.05.2024
Mitarbeiterbeteiligung: Gewinn aus marktüblicher Veräußerung kein Arbeitslohn
Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 14.12.2023 (VI R 1/21) entschieden, dass der Gewinn aus der marktübli-chen Veräußerung einer Mitarbeiterbeteiligung kein lohnsteuerbarer Vorteil ist, auch wenn der Arbeitnehmer die Beteiligung an seinem Arbeitgeber zuvor verbilligt erworben hat.

Der vereinfacht dargestellte Sachverhalt: Der Kläger war in leitender Position bei einer GmbH beschäftigt. Die An-teile an der GmbH wurden von einer Aktiengesellschaft gehalten. Die AG wurde von einer Investorengruppe mit dem Ziel erworben, diese nach einer Umstrukturierung an die Börse zu bringen. Um dieses Ziel bestmöglich zu er-reichen, wurde ausgesuchten Managern der GmbH, darunter auch dem Kläger, die Möglichkeit eingeräumt, sich an dem Investment zu beteiligen. Dazu wurde den Managern im September 2006 unter anderem die Beteiligung an einer so genannten Manager-KG ermöglicht, die ihrerseits Anteile an der AG erwarb. Der Kläger beteiligte sich mit einer Einlage von 25.000 Euro an der KG und war über diese mit ca. 0,15 Prozent an der AG beteiligt. Tatsächlich konnte die AG nach einem Jahr erfolgreich an der Börse platziert werden. Wie zuvor vertraglich vereinbart schied die Manager-KG nach dem Börsengang wieder aus der AG aus und erhielt dafür die ihrem Anteil entsprechenden Aktien an der AG. Entsprechend seiner Kommanditbeteiligung wurden sodann dem Kläger Aktien der AG im Wert von über 3 Mio. Euro in sein Depot übertragen. Das Finanzamt behandelte die Differenz aus Aktienwert und Kommanditein-lage als steuerpflichtigen Arbeitslohn. Dem trat der BFH entgegen.

Durch Dritte gewährte Vorteile, soweit diese durch das Arbeitsverhältnis veranlasst sind, können zwar zu Arbeits-lohn führen. Beruhe der zugewendete Vorteil aber auf anderen (Sonder-)Rechtsbeziehungen, scheide die An-nahme von Arbeitslohn aus. Vorliegend sei zwar nicht streitig, dass dem Kläger die Beteiligung nur aufgrund sei-nes Arbeitsverhältnisses angeboten worden sei. Ein Vorteil, der zu steuerbarem Arbeitslohn führe, sei aber nur in-soweit zu bejahen, wie die Beteiligung verbilligt eingeräumt worden sei (Differenz des tatsächlichen Werts der KG-Beteiligung zu den Anschaffungskosten der Beteiligung). Ob der Kläger die Beteiligung an der Manager-KG verbil-ligt erlangt habe, könne dahinstehen, da ein dadurch bedingter Lohnzufluss im Steuerbescheid für das Vorjahr zu erfassen gewesen wäre. Dieser Bescheid sei aber nicht Gegenstand des Rechtsstreits. Die Beteiligung an der Ma-nager-KG und die dadurch vermittelte (mittelbare) Beteiligung am Arbeitgeber seien zivilrechtlich wirksam be-gründet worden. Daher liege eine vom Arbeitsverhältnis unabhängige Einkunftsquelle vor. Die daraus fließenden Einnahmen - hier der marktübliche Veräußerungserlös durch den Tausch der zunächst mittelbar gehaltenen Anteile an der Kapitalgesellschaft gegen die Aktien - seien daher nur nach den dafür einschlägigen Tatbeständen des Einkommensteuergesetzes steuer-bar. Nur wenn den Managern im Verhältnis zu den Drittinvestoren ein marktunüblicher Überpreis - hier ein gemes-sen an ihrer Beteiligung überhöhtes Aktienpaket - gewährt worden wäre, hätte in Höhe des Überpreises steuerba-rer Arbeitslohn vorgelegen. Davon sei im Fall des Klägers jedoch nicht auszugehen gewesen. Der BFH führte wei-ter aus, dass der Veräußerungsgewinn im Jahr 2007 auch nach Auffassung des Finanzamts von keinem anderen Steuertatbestand erfasst wurde, der Gewinn im Ergebnis also steuerfrei war.

Praxistipp:
Seit 2009 werden entsprechende Veräußerungserlöse als Einkünfte aus Kapitalvermögen besteu-ert; allerdings nur mit dem gesonderten Steuertarif von 25 Prozent. Die Attraktivität derartiger Be-teiligungsmodelle wird damit eingeschränkt, verliert aber angesichts des regelmäßig höheren in-dividuellen Steuersatzes der an solchen Gestaltungen beteiligten Arbeitnehmern aus der Füh-rungsebene nicht an Attraktivität (Quelle: Mitteilung des BFH vom 27.2.2024).

gepostet: 14.05.2024
Firmenwagen: Veräußerungserlös trotz Privatnutzung voll steuerpflichtig
Wer als Unternehmer ein Kfz verkauft, das zu seinem steuerlichen Betriebsvermögen gehört, muss den Veräuße-rungsgewinn voll versteuern. Dabei ist es ohne Belang, wenn der Firmenwagen umfassend privat genutzt worden ist und sich die AfA für das Fahrzeug daher nur zum Teil steuerlich ausgewirkt hat. Der Umstand, dass die tatsäch-lich für das Fahrzeug in Anspruch genommene AfA infolge der Besteuerung der Privatnutzung teilweise neutrali-siert wird, rechtfertige keine Gewinnkorrektur. Dies hatte der Bundesfinanzhof zwar bereits mit Urteil vom 16.6.2020 (VIII R 9/18) entschieden, allerdings hatte der unterlegene Kläger Verfassungsbeschwerde eingelegt. Doch wie jetzt bekannt geworden ist, wurde die Beschwerde vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entschei-dung angenommen (BVerfG- Beschluss vom 17.8.2023, 2 BvR 2161/20).

Es ging in dem Verfahren um folgenden Sachverhalt: Der Kläger nutzte einen Pkw, den er im Jahr 2008 ange-schafft und seinem Betriebsvermögen zugeordnet hatte, zu 25 Prozent für seine freiberufliche Tätigkeit und zu 75 Prozent für private Zwecke. Ab dem Jahr 2008 berücksichtigte das Finanzamt einerseits AfA für den Pkw. Anderer-seits erfasste es wegen der privaten Nutzung des betrieblichen Pkw auch Betriebseinnahmen in Höhe von 75 Pro-zent der für das Fahrzeug entstandenen Aufwendungen einschließlich der AfA. Dies führte dazu, dass der steuer-mindernde Effekt der AfA infolge der Besteuerung der Privatnutzung teilweise "neutralisiert“ wurde. Wegen dieses Effektes setzte der Kläger, als er das Fahrzeug 2013 nach vollständiger Abschreibung verkaufte, lediglich ein Vier-tel des Verkaufserlöses als Betriebseinnahme an. Das Finanzamt war demgegenüber der Meinung, der Kläger müsse den vollen Verkaufserlös versteuern. Dies hat der BFH als zutreffend bestätigt. Der Veräußerungserlös sei - trotz vorangegangener Besteuerung der Privatnutzung - in voller Höhe als Betriebseinnahme zu berücksichtigen. Er sei weder anteilig zu kürzen, noch finde eine gewinnmindernde Korrektur in Höhe der auf die private Nutzung entfallenden AfA statt. Aus dem Gesetz lasse sich kein anderes Ergebnis herleiten.

gepostet: 12.05.2024
Realsplitting: Kein Werbungskostenabzug für Prozesskosten
Prozesskosten zur Erlangung eines (höheren) nachehelichen Unterhalts sind bei der Einkommensbesteuerung nicht als Werbungskosten abziehbar, auch wenn der Unterhaltsempfänger die Unterhaltszahlungen im Rahmen des so genannten Realsplittings versteuern muss. Das hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 18.10.2023 (X R 7/20) entschieden.

Die Ehe der Klägerin wurde im Jahr 2014 geschieden und ihr früherer Ehemann verpflichtet, ab Rechtskraft der Scheidung nachehelichen Unterhalt in Höhe von 582,50 Euro monatlich zu zahlen. Das von der Klägerin angestrengte Gerichtsverfahren endete vor dem Oberlandesgericht mit einem Vergleich, in welchem sich der Ex-Mann zur Zahlung eines höheren nachehelichen Unterhalts von monatlich 900 Euro bereit erklärte. Die Verfahrenskosten wurden gegeneinander aufgehoben. Die Klägerin entrichtete Gerichts- und Anwaltskosten im Jahre 2015. Das Finanzamt erfasste bei der Klägerin die erhaltenen Unterhaltsleistungen als steuerpflichtige sonstige Einkünfte, da sie dem Realsplittung zugestimmt hatte. Die von ihr getragenen Anwalts- und Gerichtskosten ließ das Finanzamt nicht zum Abzug zu. Das Finanzgericht gab der dagegen gerichteten Klage mit der Begründung statt, dass die Klägerin ohne diese Aufwendungen später keine Unterhaltseinkünfte hätte erzielen können. Daher stellten sie einkommensteuerrechtlich vorweggenommene Werbungskosten dar. Dem ist der BFH jedoch entgegengetreten.

Unterhaltszahlungen seien dem Privatbereich zuzuordnen, entsprechend auch die zu ihrer Erlangung aufgewendeten Prozesskosten. Steuerrechtlich würden die Unterhaltszahlungen nur und erst dann relevant, wenn der Geber mit Zustimmung des Empfängers einen Antrag auf Sonderausgabenabzug stelle (Realsplitting). Der Antrag überführe die privaten Unterhaltszahlungen rechtsgestaltend in den steuerlich relevanten Bereich. Die Umqualifizierung zu Sonderausgaben beim Geber und - korrespondierend - steuerbaren Einkünften beim Empfänger markiere die zeitliche Grenze für das Vorliegen abzugsfähiger Erwerbsaufwendungen. Zuvor verursachte Aufwendungen des Unterhaltsempfängers - im Streitfall in Form von Prozesskosten zur Erlangung von Unterhalt - könnten keine Werbungskosten darstellen.

Praxistipp:
Der BFH hat dennoch über die Klage nicht abschließend entschieden, sondern die Sache an die Vorinstanz zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Denn das Finanzgericht habe keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob die streitbetroffenen Prozesskosten gegebenenfalls als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden könnten (Quelle: Pressemitteilung des BFH vom 29.2.2024). Allerdings sind Kosten eines Rechtsstreits nur dann als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, wenn der Steuerpflichtige ohne die Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können (§ 33 Abs. 2 Satz 4 EStG). Das ist nur sehr selten der Fall.

gepostet: 10.05.2024
Wachstumschancengesetz: Änderungen für Rentner und Pensionäre
Rentner und Pensionäre sind im besonderen Maße von dem so genannten Wachstumschancengesetz betroffen. Mehrere Änderungen zielen darauf ab, eine Doppel- bzw. Übermaßbesteuerung von Renten und Pensionen zu vermeiden.

Rentenbesteuerung: Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung werden seit 2005 nicht mehr mit dem Ertragsanteil versteuert, sondern mit dem so genannten Besteuerungsanteil. Dies ist ein bestimmter Prozentsatz, der für das Jahr des Rentenbeginns gesetzlich festgelegt ist. Beginnend mit 50 Prozent im Jahre 2005 erhöhte sich der Besteuerungsanteil für jeden neuen Rentnerjahrgang in den Jahren 2006 bis 2020 um jeweils 2 Prozentpunkte und sollte sich in den Jahren 2021 bis 2040 um jeweils 1 Prozentpunkt erhöhen (§ 22 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG). Mit dem Besteuerungsanteil wird die Rente nur im Jahr des Rentenbeginns und im zweiten Rentenbezugsjahr besteuert. Der Restbetrag im zweiten Jahr ist der persönliche Rentenfreibetrag, der dann zeitlebens unverändert steuerfrei bleibt. Ab dem dritten Jahr ist die Rente in voller Höhe nach Abzug des persönlichen Rentenfreibetrages und des Werbungskosten-Pauschbetrages von 102 Euro steuerpflichtig. Neu: Ab 2023 steigt der Besteuerungsanteil beginnend mit dem Rentnerjahrgang 2023 statt um 1 Prozentpunkt nur noch um jährlich einen halben Prozentpunkt. Für den Rentnerjahrgang 2023 beträgt der Besteuerungsanteil also 82,5 Prozent. Für Neurentner, die im Jahre 2024 erstmals Rente beziehen, beträgt der Besteuerungsanteil jetzt 83 Prozent des Rentenbetrages - statt 84 Prozent.

Versorgungsfreibetrag: Für Pensionen und bestimmte andere Versorgungsformen wird der Versorgungsfreibetrag gewährt. Dieser wird seit 2005 bis 2040 schrittweise für jeden neu in Ruhestand tretenden Jahrgang vermindert. Ab 2023 wird der Versorgungsfreibetrag langsamer abgeschmolzen als vorgesehen und dafür die Dauer der Abschmelzung bis 2058 verlängert. Beginnend mit dem Pensionärsjahrgang 2023 wird der anzuwendende Prozentwert nicht mehr in jährlichen Schritten von 0,8 Prozentpunkten, sondern nur noch in jährlichen Schritten von 0,4 Prozentpunkten verringert. Der Höchstbetrag sinkt ab dem Jahr 2023 statt um jährlich 60 Euro nur um jährlich 30 Euro und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag statt um 18 Euro nur um jährlich 9 Euro.

Altersentlastungsbeträge: Für bestimmte Einkünfte wird nach Vollendung des 64. Lebensjahres der Altersentlastungsbetrag berücksichtigt (§ 24a EStG). Ebenso wie der Versorgungsfreibetrag wird auch der Altersentlastungsbetrag schrittweise vermindert. Ab 2023 wird der Altersentlastungsbetrag langsamer abgeschmolzen als vorgesehen und dafür die Dauer von 2040 auf 2058 verlängert. Das heißt, der anzuwendende Prozentwert wird nicht mehr in jährlichen Schritten von 0,8 Prozentpunkten, sondern nur noch in jährlichen Schritten von 0,4 Prozentpunkten verringert. Der Höchstbetrag sinkt ab dem Jahr 2023 statt jährlich um 38 Euro nur um jährlich 19 Euro.

gepostet: 08.05.2024
Wachstumschancengesetz: Die Änderungen für Immobilienbesitzer
Immobilienbesitzer können von den Neuerungen des Wachstumschancengesetzes profitieren. Nachfolgende Änderungen sind beschlossen worden:

Degressive AfA für Wohngebäude: Ab dem 1.10.2023 gilt eine degressive Abschreibung für vermietete Wohngebäude, wenn im Zeitraum vom 1.10.2023 bis 30.9.2029 mit der Herstellung begonnen wird oder der Kaufvertrag abgeschlossen und das Gebäude bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung angeschafft wird. Die degressive Abschreibung beträgt 5 Prozent des jeweiligen Restwertes (§ 7 Abs. 5a EStG). Es besteht ein Wahlrecht, zur linearen AfA zu wechseln. Solange die degressive Abschreibung vorgenommen wird, sind Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzungen nicht zulässig. Falls diese eintreten, kann aber zur linearen AfA gewechselt werden. Die degressive AfA kann für alle Wohngebäude, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes belegen sind, in Anspruch genommen werden.

Sonderabschreibung für Mietwohnungsneubau: Die § 7b-Sonderabschreibung wird verbessert, das heißt, es werden der Förderzeitraum verlängert und die maßgebenden Obergrenzen erhöht (§ 7b Abs. 2 und 3 sowie § 52 Abs. 15a EStG). Die § 7b-Sonderabschreibung ist nur möglich, wenn gewisse (Energie-) Effizienzvorgaben erfüllt sind. Die Gebäude müssen die Kriterien eines "Effizienzhaus 40" mit Nachhaltigkeits-Klasse erfüllen. Dies muss durch das Qualitätssiegel "Nachhaltiges Gebäude" (QNG) nachgewiesen werden. Der Förderzeitraum wird verlängert bis zum 30.9.2029. Begünstigt sind nunmehr Anschaffungs- oder Herstellungskosten bis 4.000 Euro je qm Wohnfläche. Voraussetzung ist aber, dass die Baukosten des Gebäudes nicht höher als 5.200 Euro je qm Wohnfläche sind. Die Neuregelung gilt ab Verkündung des Gesetzes, doch letztlich greift sie für Immobilien mit Bauanträgen ab dem 1.1.2023.

gepostet: 04.05.2024
Wachstumschancengesetz: Die wichtigsten Neuerungen für Selbstständige
Das so genannte Wachstumschancengesetz wurde nach langem Gezerre am 22. März 2024 auch vom Bundesrat verabschiedet. Es enthält zahlreiche Neuregelungen. Folgende wesentliche Änderungen bringt das Wachstumschancengesetz für Unternehmer und Geschäftsführer:

Erhöhung der Freigrenze für Geschenke: Geschenke an Geschäftsfreunde sind als Betriebsausgaben absetzbar, sofern die Ausgaben pro Person und Jahr nicht mehr als 35 Euro betragen. Ab dem 1.1.2024 wird die Freigrenze für Geschenke an Geschäftsfreunde von 35 Euro auf 50 Euro angehoben (§ 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG).

Degressive AfA für bewegliche Wirtschaftsgüter: Erneut wird die degressive Abschreibung eingeführt, und zwar für bewegliche Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum vom 1.4.2024 bis 31.12.2024 angeschafft oder hergestellt werden. Der bei der degressiven AfA anzuwendende Prozentsatz darf höchstens das Zweifache des Prozentsatzes der linearen AfA betragen und 20 Prozent nicht übersteigen. Die degressive AfA ist nur bei Wirtschaftsgütern des beweglichen Anlagevermögens zulässig, gilt also nur bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit und Land- und Forstwirtschaft. Die degressive AfA für bewegliche Wirtschaftsgüter kommt nicht in Betracht bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit und bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 7 Abs. 2 EStG).

Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG: Kleine und mittlere Betriebe können unter bestimmten Voraussetzungen für bewegliche abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den folgenden vier Jahren neben der normalen Abschreibung Sonderabschreibungen bis zu 20 Prozent der Anschaffungs- oder Herstellungskosten geltend machen. Dies gilt für Betriebe, die die Gewinngrenze von 200.000 Euro im Jahr, das der Investition vorangeht, nicht überschreiten (§ 7g Abs. 5 EStG). Ab 2024 wird die Sonderabschreibung nach § 7g EStG von 20 Prozent auf 40 Prozent erhöht. Begünstigt sind abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die ab dem 1.1.2024 angeschafft oder hergestellt werden.

Thesaurierungsbegünstigung: Sind in dem zu versteuernden Einkommen von bestimmten Personenunternehmen nicht entnommene Gewinne enthalten, wird die Einkommensteuer für diese Gewinne auf Antrag des Steuerpflichtigen ganz oder teilweise mit einem Steuersatz von 28,25 Prozent berechnet (§ 34a EStG). Ab dem 1.1.2024 gibt es zahlreiche Verbesserungen bei der Thesaurierungsbegünstigung des § 34a EStG.

Elektronische Rechnung: Derzeit ist im Umsatzsteuergesetz der Vorrang der Papierrechnung vor der elektronischen Rechnung (eRechnung) geregelt. Ausstellung und Empfang einer eRechnung sind nur vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers möglich (§ 14 UStG). Ab dem 1.1.2025 wird der Vorrang der Papierrechnung gestrichen und die Pflicht zur elektronischen Rechnung zwischen Unternehmen eingeführt. Die Ausstellung einer eRechnung ist nicht (mehr) von einer Zustimmung des Rechnungsempfängers abhängig. Allerdings gibt es verschiedene Übergangsregelungen. Im Einzelnen: Ab dem 1.1.2025 wird unterschieden zwischen elektronischen Rechnungen (eRechnungen) und sonstigen Rechnungen. Die neuen Definitionen gelten bereits ab dem 1.1.2025, auch wenn die Verpflichtung zur elektronischen Rechnungstellung de facto erst später greift.

- Als elektronische Rechnung gilt nur noch eine Rechnung, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird und eine elektronische Verarbeitung ermöglicht. Sie muss der europäischen Norm für die elektronische Rechnungsstellung gemäß EU-Richtlinie 2014/55/EU entsprechen und damit der Norm EN16931 (§ 14 Abs. 1 Satz 6 Nr. 1 UStG). Alternativ können Rechnungsaussteller und -empfänger eine Vereinbarung über das genutzte E-Rechnungsformat schließen. Doch auch dann muss das Format die richtige und vollständige Extraktion der erforderlichen Angaben gemäß der Richtlinie 2014/55/EU ermöglichen oder mit dieser interoperabel sein (§ 14 Abs. 1 Satz 6 Nr. 2 UStG).

- Unter den Begriff der sonstigen Rechnung fallen Papierrechnungen, aber auch Rechnungen, die in einem anderen elektronischen Format übermittelt werden. Eine per E-Mail versandte PDF-Rechnung gilt demnach ab 2025 nicht mehr als elektronische Rechnung. Geregelt wird auch, wann die Verwendung einer "sonstigen Rechnung" möglich bleibt (§ 14 Abs. 2 UStG).

Die obligatorische eRechnung betrifft nur inländische Umsätze im zwischenunternehmerischen Bereich. Also werden in Deutschland ansässige Unternehmer für ihre steuerpflichtigen Umsätze zur Ausstellung einer eRechnung verpflichtet, wenn diese Umsätze an andere in Deutschland ansässige Unternehmer für deren Unternehmen erbracht werden. Für Umsätze an Unternehmer in anderen Mitgliedstaaten und an Endverbraucher gilt keine E-Rechnungspflicht.

Die grundsätzliche Verpflichtung zur elektronischen Rechnungstellung gilt ab 1.1.2025. Angesichts des zu erwartenden hohen Umsetzungsaufwandes für die Unternehmen hat der Gesetzgeber jedoch Übergangsregelungen für die Jahre 2025 bis 2027 vorgesehen:

- Bei Umsätzen, die zwischen dem 1.1. 2025 und dem 31.12.2026 ausgeführt werden, kann statt einer eRechnung auch eine sonstige Rechnung auf Papier oder in einem anderen elektronischen Format ausgestellt werden. Bei Ausstellung einer sonstigen Rechnung in einem elektronischen Format bedarf es jedoch der Zustimmung des Empfängers (§ 27 Abs. 38 Satz 1 Nr. 1 UStG).

- Bei Umsätzen, die zwischen dem 1.1. 2027 und dem 31.12.2027 ausgeführt werden, kann statt einer eRechnung auch eine sonstige Rechnung auf Papier oder in einem anderen elektronischen Format ausgestellt werden, wenn der Gesamtumsatz des die Rechnung ausstellenden Unternehmers im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 800.000 Euro betragen hat (§ 27 Abs. 38 Satz 1 Nr. 2 UStG).

- Bei Umsätzen, die zwischen dem 1.1.2026 und dem 31.12.2027 ausgeführt werden, kann statt einer eRechnung auch eine sonstige Rechnung in einem anderen elektronischen Format ausgestellt werden, wenn diese mittels dem elektronischen Datenaustausch nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19.10.1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches übermittelt wird (so genannte EDI-Rechnung). Dies bedarf der Zustimmung des Empfängers (§ 27 Abs. 38 Satz 1 Nr. 3 UStG).

Inländische unternehmerische Rechnungsempfänger müssen trotz der Übergangsfristen praktisch bereits ab 1.1.2025 in der Lage sein, eRechnungen nach den neuen Vorgaben empfangen und verarbeiten zu können. Anders als bisher ist die elektronische Rechnungstellung nicht an eine Zustimmung des Rechnungsempfängers geknüpft. Diese ist nur noch für elektronische Rechnungen erforderlich, die nicht den neuen Vorgaben entsprechen bzw. in den Fällen, in denen keine E-Rechnungspflicht besteht (z.B. bei bestimmten steuerfreien Umsätzen oder Kleinbetragsrechnungen). Bei Rechnungen an Endverbraucher bleibt deren Zustimmung Voraussetzung für die elektronische Rechnungstellung.

Nicht in jedem Fall ist eine eRechnung verpflichtend. So können z.B. Kleinbetragsrechnungen bis 250 Euro weiterhin als "sonstige Rechnungen" übermittelt werden, also z.B. in Papierform oder als PDF-Dokument (§ 33 Abs. 4 UStDV). Gleiches gilt für Fahrausweise (§ 34 UStDV).

Umsatzsteuer-Voranmeldung: Unternehmer können vom Finanzamt von der Verpflichtung zur Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen und der Entrichtung der Vorauszahlungen befreit werden, wenn die Steuer für das vorausgegangene Kalenderjahr nicht mehr als 1.000 Euro betragen hat. Sie müssen dann nur eine Jahres-Umsatzsteuererklärung abgeben. Ab dem Besteuerungszeitraum 2025 wird der Schwellenwert auf 2.000 Euro angehoben, sodass mehr Unternehmer lediglich jährlich eine Jahres-Umsatzsteuererklärung abgeben müssen (§ 18 Abs. 2 Satz 3 UStG).

Kleinunternehmer: Unternehmer, die die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen, müssen zwar grundsätzlich keine Umsatzsteuer-Voranmeldung übermitteln, aber dennoch eine Jahres-Umsatzsteuererklärung abgeben. Ab dem Besteuerungszeitraum 2024 werden Kleinunternehmer auch von der Übermittlung der Umsatzsteuererklärung für das Kalenderjahr befreit. Die Erklärungspflicht besteht jedoch weiter, falls der Kleinunternehmer vom Finanzamt zur Abgabe aufgefordert wird (§ 18 Abs. 3 und § 19 Abs.1 Satz 4 UStG). Neu ist zudem, dass der Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung bis zum Ablauf des zweiten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahres gegenüber dem Finanzamt erklärt werden kann (§ 19 Abs. 2 UStG).

Ist-Besteuerung: Ab dem 1.1.2024 wird die Grenze für die Wahl zur Ist-Besteuerung, also die Berechnung der Steuer nach vereinnahmten statt nach vereinbarten Entgelten, von 600.000 Euro auf 800.000 Euro angehoben (§ 20 Satz 1 Nr. 1 UStG).

Grenzen für die Buchführungspflicht: Gewerbetreibende und Land- und Forstwirte, die für den einzelnen Betrieb einen Gesamtumsatz von mehr als 600.000 Euro im Kalenderjahr erzielen, sind verpflichtet, Bücher zu führen. Dieser Schwellenwert wird auf 800.000 Euro erhöht. Eine Buchführungspflicht entsteht auch ab einem Gewinn in Höhe von 60.000 Euro. Diese Betragsgrenze wird auf 80.000 Euro angehoben. Dies gilt zwar erst für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2023 beginnen. Doch eine Übergangsregelung sieht vor, dass vom Finanzamt keine Mitteilung über die Aufforderung zur Buchführungspflicht versandt werden soll, wenn nach bisherigem Recht in 2023 wegen Überschreitens der Grenzen eine Buchführungspflicht bestehen würde, nicht jedoch nach neuem Recht. Somit ist der neue Grenzwert faktisch bereits für das Jahr 2023 anwendbar. Stets zur Buchführung verpflichtet sind und bleiben, unabhängig von einer Umsatz- oder Gewinngrenze, Kaufleute im Sinne der §§ 1 ff. i.V.m. § 238 HGB.

gepostet: 02.05.2024
April 2024
Direktversicherung: Besteuerung von Kapitalabfindungen auf dem Prüfstand
Wird eine Direktversicherung in einer Summe ausgezahlt, ist die Kapitalabfindung bei den sonstigen Einkünften in voller Höhe zu versteuern, falls die Beiträge bei Einzahlung steuerfrei waren (§ 22 Nr. 5 EStG). Es kommt nicht einmal die so genannte Fünftel-Regelung zum Tragen, die wenigstens zu einer geringen Minderung des Steuersatzes führen würde - zumindest gilt dies, wenn bereits in der ursprünglichen Versorgungsregelung ein Kapitalwahlrecht enthalten ist. In diesem Sinne hat das Finanzgericht Münster nun zweimal geurteilt; es hat gegen die volle Besteuerung der Einmalzahlung aus einer Direktversicherung auch keine verfassungsmäßigen Bedenken (Gerichtsbescheid vom 29.10.2020, 15 K 1271/16 E; Urteil vom 24.10.2023, 1 K 1990/22 E). Allerdings muss sich nun der Bundesfinanzhof der Sache annehmen, denn die unterlegene Klägerin hat in dem zuletzt entschiedenen Fall die Revision eingelegt. Das Az. des BFH lautet X R 25/23.

Der Sachverhalt, der dem betreffenden Urteil des FG Münster zugrunde lag: Die Klägerin hatte mit ihrem damaligen Arbeitgeber im Jahr 2005 die Umwandlung eines Teils ihres Gehalts in Beiträge zu einer Direktversicherung nach dem BetrAVG vereinbart. Die Gehaltsumwandlung sollte nach § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei sein. Der Arbeitgeber schloss daraufhin für die Klägerin eine solche Versicherung mit einer Beitragszahlungsdauer von 14 Jahren ab. Danach sollte an die Klägerin eine lebenslängliche monatliche Rente gezahlt werden oder auf Antrag eine einmalige Kapitalabfindung erfolgen. Im Streitjahr 2019 übte die Klägerin das Kapitalwahlrecht aus und erhielt ca. 44.500 Euro ausbezahlt. Diesen Betrag behandelte das Finanzamt als steuerpflichtige Rente nach § 22 Nr. 5 EStG und besteuerte ihn mit dem regulären Steuersatz. Die Klägerin beantragte dagegen die Anwendung der Tarifermäßigung ("Fünftel-Regelung"). Finanzamt und Finanzgericht ließen jedoch keine Ermäßigung zu. Begründung: Für eine ermäßigte Besteuerung bedürfe es einer "Außerordentlichkeit" der Einkünfte. Hieran fehle es im Streitfall. Eine Kapitalauszahlung sei nur dann außerordentlich, wenn das Kapitalwahlrecht lediglich in atypischen Einzelfällen ausgeübt wird. Dafür bedürfe es aber statistischen Materials von Organisationen und Verbänden der Anbieter. Dieses liege jedoch nicht vor. Die Nachweispflicht liege insofern bei der Steuerpflichtigen.
gepostet: 29.04.2024
Ausbildungskredit: Darlehenserlass nach dem AFBG doch steuerpflichtig
Nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG) werden bestimmte Qualifizierungsmaßnahmen gefördert, etwa ein Fortbildungsabschluss zum Handwerks- und Industriemeister. Die Förderung umfasst auch zinsgünstige Darlehen. Wer einen Kredit für eine Fortbildung aufnimmt, kann die Zinsen steuerlich als Werbungskosten geltend machen. Was aber passiert, wenn nach erfolgreichem Bestehen der Prüfung das Darlehen teilweise erlassen wird? Das Niedersächsische Finanzgericht hatte entschieden, dass der Darlehenserlass keine Einnahme ist und deshalb steuerfrei bleibt (Urteil vom 31.3.2021,14 K 47/20). Doch der Bundesfinanzhof hat das positive Urteil nun im Revisionsverfahren verworfen (BFH-Urteil vom 23.11.2023, VI R 9/21).

Die Klägerin nahm an so genannten Aufstiegsfortbildungen teil, die von der Investitions- und Förderbank Niedersachsen mit Zuschüssen und Darlehen für die Kosten der Lehrveranstaltungen gefördert wurden. Die Darlehen wurden der Klägerin auf ihren Antrag von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gewährt. In den Bedingungen war vorgesehen, dass dem Darlehensnehmer bei Bestehen der Fortbildungsprüfung ein bestimmter Prozentsatz des zu diesem Zeitpunkt noch nicht fällig gewordenen Darlehens für die Lehrgangs- und Prüfungsgebühren erlassen wird. Die Kosten der Lehrveranstaltungen - teilweise gekürzt um die Zuschüsse - erkannte das Finanzamt in den Jahren 2014 und 2015 als Werbungskosten an. Nach dem erfolgreichen Abschluss der Fortbildungen erließ die KfW der Klägerin im Streitjahr (2018) 40 Prozent der noch valutierenden Darlehen. Das Finanzamt erhöhte den Bruttoarbeitslohn der Klägerin für das Streitjahr um diesen Erlassbetrag. Der BFH bestätigte dieses Vorgehen.

Die Erstattung von Aufwendungen, die als Werbungskosten abgezogen wurden, sind als Einnahme bei der Einkunftsart zu erfassen, bei der die Werbungskosten früher abgezogen wurden. So sei auch bei den teilweisen Erlassen der valutierenden Darlehen seitens der KfW vorzugehen. Zum einen habe die Klägerin die Lehrgangs- und Prüfungsgebühren in den Vorjahren als Werbungskosten abgesetzt. Zum anderen beruhe der nach dem AFBG gewährte Darlehenserlass auf Gründen, die mit dem Beruf zusammenhingen. Denn der Erlass hänge allein vom Bestehen der Abschlussprüfung und nicht von der finanziellen Bedürftigkeit oder den persönlichen Lebensumständen des Darlehensnehmers ab und sei zudem der Höhe nach an dem konkreten Darlehen ausgerichtet (Quelle: BFH, Mitteilung vom 15.2.2024).
gepostet: 27.04.2024
Grundstücksverkauf: Kein Abzug einer Vorfälligkeitsentschädigung
Wer eine vermietete Immobilie verkauft, auf der noch Darlehen ruhen, löst die Kredite oftmals mit dem Veräußerungserlös ab, selbst wenn er dafür eine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen muss. Das Finanzgericht hat sich kürzlich mit der Frage befasst, ob die Vorfälligkeitsentschädigung noch bei den Werbungskosten des Vermietungsobjekts abgezogen werden darf. Leider hat es den Abzug nicht zugelassen. Dennoch sind die Ausführungen in dem Urteil von Interesse und sollen daher kurz vorgestellt werden (FG Köln, Urteil vom 19.10.2023, 11 K 1802/22).

Der Sachverhalt: Der Kläger hatte Mitte 2018 ein Mietshaus veräußert, das er 2006 angeschafft hatte. Mit dem Verkaufserlös tilgte er ein Darlehen, das seinerzeit der Finanzierung der Immobilie diente, und zahlte eine Vorfälligkeitsentschädigung. Mit dem überschießenden Restbetrag des Veräußerungserlöses wurden die Darlehen von übrigen Vermietungsobjekten teilweise zurückgeführt, so dass sich deren Zinslast insoweit in den Folgejahren reduzierte. Der Kläger war der Auffassung, dass für die Vorfälligkeitsentschädigung daher ein Werbungskostenabzug zulässig sei. Das Finanzamt und auch das Finanzgericht widersprachen dem jedoch. Begründung: Die vom Kläger gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung stehe nicht in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit "Einkünften", denn mit dem Verkauf der Immobilie konnten keine Vermietungseinkünfte mehr erzielt werden. Anhaltspunkte dafür, dass die Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung als Finanzierungskosten eines der Einkunftserzielung dienenden Objektes zu beurteilen wäre, seien indes ebenfalls nicht ersichtlich. Die bloße "Rückführung" von Darlehen der anderen Objekte reichte dem FG Köln für die Annahme eines wirtschaftlichen Zusammenhangs nicht aus.

Praxistipp:
Wie erwähnt war das Urteil für den Steuerpflichtigen negativ. Bemerkenswert ist aber, dass sich die Richter überhaupt mit der Frage befasst haben, ob die Vorfälligkeitsentschädigung im Zusammenhang mit einem anderen Objekt hätte stehen können. Der Bundesfinanzhof hatte nämlich - in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung - entschieden, dass eine Vorfälligkeitsentschädigung, die mit der Ablösung eines Darlehens des veräußerten Objekts zusammenhängt, wirtschaftlich nicht mit einem anderen Objekt in Verbindung gebracht werden kann. Sie kann also grundsätzlich nicht bei einem anderen Objekt abziehbar sein (z.B. BFH-Urteil vom 11.2.2014, IX R 42/13 ). Das FG Köln beschäftigt sich jedoch auch mit der früheren Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 23.4.1996, IX R 5/94) und führt aus, dass sich ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung durchaus wieder ergeben könne, wenn der Steuerpflichtige "im Vorhinein so unwiderruflich über den verbleibenden Restkaufpreis verfügt, dass er unmittelbar in seiner Verwendung zum Erzielen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung mit einem bestimmten Objekt festlegt …".

Praxistipp:
Erfolgt der Verkauf einer vermieteten Immobilie innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung, ist der Veräußerungsgewinn steuerpflichtig. In diesem Fall ist die Vorfälligkeitsentschädigung den Veräußerungskosten zuzurechnen und vermindert einen eventuellen "Spekulationsgewinn".
gepostet: 25.04.2024
Umsatzsteuer: Befreiung für Unterrichtsleistungen bald leichter möglich?
Ob Leistungen von Bildungseinrichtungen und selbstständigen Lehrern umsatzsteuerfrei sind, ist oftmals streitbefangen. Das deutsche Umsatzsteuerrecht hat für die Steuerfreiheit enge Grenzen gezogen, während das EU-Recht zuweilen großzügiger ist. Der Streit richtet sich zum einen um die Frage, ob die Leistungen überhaupt dem Grunde nach befreit sein können. Zudem geht es um die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung. In dem zweiten Punkt könnte bald eine Lockerung eintreten, denn die EU-Kommission ist der Auffassung, dass Deutschland insoweit überbordende Anforderungen an die Steuerpflichtigen stellt. Die EU-Kommission führt diesbezüglich in ihrer Pressemitteilung vom 7.2.2024 aus:

Nach der Mehrwertsteuerrichtlinie sind die Mitgliedstaaten der EU verpflichtet, von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht von der Mehrwertsteuer zu befreien. Die Mitgliedstaaten dürfen nur weitere Bedingungen stellen, um eine korrekte und einfache Anwendung dieser Befreiung zu gewährleisten und Steuerhinterziehung, Steuerumgehung oder Missbrauch zu verhindern. Dies muss so erfolgen, dass Steuerpflichtige, die ein Recht auf eine Mehrwertsteuerbefreiung haben, diese auch wirksam in Anspruch nehmen können. In Deutschland müssen Privatlehrer aber eine Bescheinigung vorlegen, um in den Genuss der Mehrwertsteuerbefreiung zu kommen. Aus dieser von der zuständigen Landesbehörde auszustellenden Bescheinigung muss hervorgehen, dass die Unterrichtsleistungen auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereiten.

Dieses Erfordernis steht nach Ansicht der EU-Kommission nicht im Einklang mit dem EU-Recht in der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof. Somit verstößt Deutschland nach Auffassung der Kommission gegen seine Verpflichtungen aus der Mehrwertsteuerrichtlinie. Daher hat die Kommission beschlossen, eine mit Gründen versehene Stellungnahme an Deutschland zu richten, das nun binnen zwei Monaten reagieren und die erforderlichen Maßnahmen ergreifen muss. Anderenfalls kann die Kommission den Europäischen Gerichtshof anrufen.

Praxistipp:
Wie das Verfahren ausgehen wird und wann überhaupt mit einer endgültigen Entscheidung der EU-Kommission oder des EuGH zu rechnen ist, ist natürlich offen. Betroffene sollten daher auch bis auf Weiteres versuchen, eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde, zumeist der Bezirksregierung, zu erhalten. Gilt der Privatlehrer nicht selbst als Bildungseinrichtung, sondern wird er nur "für" eine solche tätig, benötigt im Übrigen zunächst die Bildungseinrichtung die entsprechende Bescheinigung und muss dann zusätzlich dem Referenten bestätigen, dass sie eine Bildungseinrichtung ist und die Unterrichtsleistung des Unternehmers im begünstigten Bereich der Einrichtung erfolgt. Wichtig ist, dass der Privatlehrer sehr frühzeitig im Besitz dieser Bescheinigung ist (BFH-Beschluss vom 27.07.2021, V R 39/20). Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass nicht jeder Privatlehrer überhaupt ein Interesse an der Steuerfreiheit hat, denn die Steuerbefreiung für Unterrichtsleistungen würde den Vorsteuerabzug ausschließen.
gepostet: 23.04.2024
Energetische Maßnahmen: Wann beginnt die Förderung bei Ratenzahlung?
Für bestimmte energetische Maßnahmen am Eigenheim wird eine Steuerermäßigung nach § 35c EStG gewährt. Die Förderung verteilt sich auf drei Jahre. Im Kalenderjahr des Abschlusses der energetischen Maßnahme und im nächsten Kalenderjahr werden jeweils 7 Prozent der Aufwendungen (maximal 14.000 Euro jährlich), im dritten Jahr 6 Prozent der Aufwendungen (maximal 12.000 Euro) von der Steuerschuld abgezogen. Die Steuerermäßigung ist davon abhängig, dass die Rechnung unbar beglichen, der Rechnungsbetrag also auf ein Konto des Leistungserbringers überwiesen worden ist. Barzahlungen sind nicht begünstigt. Wann gilt eine Maßnahme aber als "abgeschlossen", wenn mit dem ausführenden Unternehmen eine Ratenzahlung, zum Beispiel für den Heizungsaustausch, vereinbart wurde? Liegt ein Abschluss der energetischen Maßnahme im Sinne des § 35c EStG bereits mit der ausgeführten Erneuerung der Heizungsanlage oder erst mit der vollständigen Begleichung des Rechnungsbetrages vor? Das heißt: Wann ist die Förderung erstmalig zu gewähren, wenn die Rechnung des Handwerkers über zwei oder drei Jahre verteilt beglichen wird?

Nach wohl überwiegender Auffassung der Finanzämter kommt die Steuerermäßigung erst bei vollständiger Begleichung des Rechnungsbetrages in Betracht. Doch ob dies zutreffend ist, muss nun der Bundesfinanzhof klären. Das Az. des Verfahrens lautet IX R 31/23 (Vorinstanz: FG München, Urteil vom 8.12.2023, 8 K 1534/23). Der zugrunde liegende Sachverhalt: Die Steuerpflichtigen ließen sich im Jahr 2021 eine neue Heizungsanlage in ihrem zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäude durch einen Handwerksbetrieb einbauen. Zur Begleichung des Rechnungsbetrages wurde eine monatliche Ratenzahlung mit dem ausführenden Betrieb für die Jahre 2021 bis 2024 vereinbart. Offenbar wolle das Finanzamt die Förderung - wenn überhaupt - erst ab 2024 gewähren, jedenfalls noch nicht in 2021.
gepostet: 21.04.2024
Minijobs: Neue Geringfügigkeits-Richtlinien ab 2024
Von Zeit zu Zeit überarbeiten die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger die so genannten Geringfügigkeits-Richtlinien. Hierin nehmen sie zu Zweifelsfragen rund um geringfügig entlohnte Beschäftigungen (Minijobs) und kurzfristigen Beschäftigungen Stellung. Ende letzten Jahres wurden die Geringfügigkeits-Richtlinien überabeitet. Die Minijob-Zentrale weist darauf hin, dass sich im Vergleich zur letzten Fassung der Geringfügigkeits-Richtlinien insbesondere folgende rechtliche Änderungen ergeben haben:

- Erhöhung der Minijob-Grenze: Seit Oktober 2022 ist die Minijob-Grenze dynamisch und an den gesetzlichen Mindestlohn gekoppelt. Das bedeutet, dass sich die Verdienstgrenze immer erhöht, wenn der Mindestlohn steigt. Mit der Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12,41 Euro pro Stunde wurde die Minijob-Grenze zum 1. Januar 2024 entsprechend auf 538 Euro im Monat erhöht. Im Jahr 2025 erhöht sich der Mindestlohn auf 12,82 Euro. Die Minijob-Grenze beträgt dann 556 Euro.

- Wegfall der Übergangsregelungen für Beschäftigungen mit einem Verdienst von 450,01 bis 520 Euro im Monat: Für Beschäftigungen mit einem Verdienst von 450,01 bis 520 Euro im Monat galten bis zum 31. Dezember 2023 besondere Übergangsregelungen. Diese Regelungen sind zum 1. Januar 2024 entfallen.

Praxistipp:
Mit der Anhebung der Geringfügigkeitsgrenze ab 1. Oktober 2022 wurde der Übergangsbereich auf Verdienste von 520,01 Euro bis 1.600 Euro (ab 1. Januar 2023 bis 2.000 Euro) angehoben. Für Beschäftigungen mit einem Arbeitslohn von 450,01 Euro bis 520 Euro, die bis 30. September 2022 versicherungspflichtig im Übergangsbereich ausgeübt worden sind, gab es jedoch Bestandsschutzregelungen in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. Diese Bestandsschutzregelungen sahen den Fortbestand der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung bis längstens Ende 2023 vor. Sofern Beschäftigte von diesen Bestandsschutzregelungen Gebrauch gemacht haben, endete die Versicherungspflicht am 31. Dezember 2023. Die neuen Geringfügigkeits-Richtlinien vom 14.12.2023 sind unter folgendem Link abrufbar:
https://www.minijob-zentrale.de/SharedDocs/Downloads/DE/Rundschreiben/Geringf%C3%BCgigkeitsrichtlinien-2023.html
gepostet: 19.04.2024
Behinderungsgerechter Umbau: Mieterhöhung ist außergewöhnliche Belastung
Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau des Eigenheims stellen grundsätzlich außergewöhnliche Belastungen dar, die das zu versteuernde Einkommen - nach Abzug einer zumutbaren Belastung - mindern (§ 33 Abs. 1 EStG). Das Finanzgericht München hat entschieden, dass auch ein Mieter die Erhöhung der jährlichen Miete als außergewöhnliche Belastung abziehen kann, wenn sein Vermieter den Umbau wegen der Behinderung seines Mieters veranlasst hat und er die Kosten dann über die Miete "umlegt" (FG München, Urteil vom 27.10.2022, 10 K 3292/18). Wie die abziehbare Mieterhöhung konkret berechnet wird, ist allerdings noch streitig und beschäftigt nun den Bundesfinanzhof (Az. VI R 15/23).

Der Sohn der Kläger leidet seit seiner Geburt im Jahre 2003 an einer spinalen Muskelatrophie und ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Die Eltern wohnen bereits seit 1998 in einem angemieteten Wohnhaus. Dieses gehörte einer GmbH, deren Mehrheitsgesellschafter der Vater war. Im Jahr 2009 ließ die GmbH auf eigene Kosten einen behinderungsgerechten Umbau des Wohnhauses vornehmen. Die Baukosten betrugen insgesamt 297.511,17 Euro. Die Kläger und die GmbH änderten den Mietvertrag aufgrund des Umbaus ab Oktober 2009 dahingehend ab, dass die monatliche Miete inklusive Nebenkosten auf 2.250 Euro erhöht wurde. Das entsprach einer monatlichen Mehrmiete von 1.208,16 Euro. In ihren darauf folgenden Einkommensteuererklärungen machten die Kläger daher außergewöhnliche Belastungen in Form dieser Mehrmiete in Höhe von jährlich jeweils 14.498 Euro (1.208,16 Euro × 12) geltend.

Das Finanzamt und auch das Finanzgericht sahen in der behinderungsbedingten Mehrmiete unstreitig eine außergewöhnliche Belastung. Sie zogen aber nur 7.128 Euro pro Jahr ab. Es sei nämlich zunächst darauf abzustellen, in welcher Höhe die Baukosten angemessen, das heißt zwingend notwendig gewesen wären. Diese wurden per Gutachten lediglich mit 148.500 Euro ermittelt. Nach Auffassung der Sachverständigen habe es für bestimmte Maßnahmen eine kostengünstigere Alternative zum Umbau, den der Vermieter vorgenommen hat, gegeben. Abzugsfähig sei dann (nur) eine übliche jährliche Verzinsung dieses Betrages. Bei einer Verzinsung der angemessenen Baukosten von 148.500 Euro mit 4,8 Prozent ergäben sich im Streitfall jährliche außergewöhnliche Belastungen in Form einer behinderungsbedingten jährlichen Mehrmiete in Höhe von 7.128 Euro.

Praxistipp:
Ob die Berechnung des Finanzamts und des Finanzgerichts korrekt ist, muss nun der BFH entscheiden. Da der Vater Mehrheitsgesellschafter der GmbH war, wird es in der Revision auch um die Frage einer - eventuellen - verdeckten Gewinnausschüttung gehen.
gepostet: 17.04.2024
Umsatzsteuer: Zum Vorsteuerabzug aus Zuschüssen an Kantinenbetreiber
Arbeitgeber, die Fremdunternehmen mit dem Betrieb ihrer jeweiligen Kantine beauftragen, zahlen an diese oft Zuschüsse, damit die Caterer kostendeckend arbeiten können. Die Modalitäten, nach denen die Zuschüsse berechnet werden, sind sehr unterschiedlich. Sie reichen von pauschalen monatlichen Zuschüssen bis hin zu Einzelzuschüssen entsprechend der ausgegeben Mahlzeiten. Doch allen Zuschüssen ist gemein, dass die Finanzverwaltung grundsätzlich den Vorsteuerabzug aus den Zahlungen verweigern will. Die Begründung liegt darin, dass die Abgabe von verbilligten Mahlzeiten vorrangig den privaten Interessen der Arbeitnehmer dient. Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat allerdings entschieden, dass dem Arbeitgeber doch ein Vorsteuerabzug aus den Zuschüssen zu gewähren sein kann - nämlich dann, wenn ein vorrangiges unternehmerisches Interesse gegeben ist. Das FG Düsseldorf hat die Aussagen dieses Urteils bestätigt, auch wenn es den Vorsteuerabzug im konkreten Fall verweigert hat (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 6.10.2022, 12 K 2971/20; FG Düsseldorf, Urteil vom 18.8.2023, 1 K 2107/20 U)

Im Fall aus Baden-Württemberg ging es um ein im Schichtbetrieb produzierendes Unternehmen. Der Arbeitgeber konnte glaubhaft machen, dass ein hohes eigenunternehmerisches Interesse an der Verköstigung der Arbeitnehmer bestand. Dazu gehörten die Lage des Unternehmens und die erschwerte Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln, die Betriebsart (Produktionsbetrieb) und die Betriebsführung. Von Bedeutung war insbesondere, dass die Pausenreglements und der Stillstand der Fertigungslinien während der Pausen aufeinander abgestimmt waren. Die Kantinenbewirtschaftung innerhalb des Betriebsgeländes diente auch den kurzen Wegen zwischen Produktion, Kantine und Aufenthaltsräumen. Das Gericht ließ den Vorsteuerabzug daher zu.

Im Fall des FG Düsseldorf ging es um ein Logistikunternehmen. Dieses sah ein überwiegendes eigenbetriebliches Interesse an der Kantinenbewirtschaftung darin, dass die Lagerarbeiter in zwei Schichten arbeiten würden. Zudem gebe es am Sitz der Klägerin für die Mitarbeiter keine andere Möglichkeit der Verköstigung. Derartig pauschale Aussagen reichten dem Gericht allerdings nicht aus, auch wenn es die Rechtsprechung des FG Baden-Württemberg durchaus anerkennt. Das Gericht verlangt bei der Prüfung des überwiegenden eigenbetrieblichen Interesses einen strengen Prüfungsmaßstab.

Praxistipp:
Trotz des Urteils des FG Baden-Württemberg wird es nur in wenigen Fällen möglich sein, den Vorsteuerabzug aus Zuschüssen für die Kantinenbewirtschaftung zu erreichen. Um aber überhaupt eine geringe Chance zu haben, muss sehr detailliert geschildert werden, dass beispielsweise die Produktion und das Pausenreglement genau aufeinander abgestimmt sind. Zudem muss verdeutlicht werden, dass die Umstände der Betriebsführung so besonders sind, dass sie nicht auch auf viele andere Unternehmen zutreffen. Der Hinweis, dass sich aus dem Betrieb der Kantine ein Wettbewerbsvorteil ergebe, reicht für sich genommen nicht aus.
gepostet: 16.04.2024
Grundstücksverkauf: Steuerfreiheit der Veräußerung von Nachlassvermögen
Wird eine Immobilie innerhalb von zehn Jahren an- und wieder verkauft, unterliegt der erzielte Gewinn der Einkommensteuer. Steuerfrei bleibt unter bestimmten Voraussetzungen lediglich ein Gewinn aus dem Verkauf des selbstgenutzten Eigenheims. Wie ist aber der Fall zu beurteilen, wenn mehrere Personen eine Immobilie erben, einer der Miterben im Anschluss die anderen Anteile hinzuerwirbt und das komplette Grundstück bereits kurze Zeit nach dem Hinzuerwerb mit Gewinn veräußert? Jüngst hat der Bundesfinanzhof diesbezüglich entschieden: Wird eine zum Nachlass einer Erbengemeinschaft gehörende Immobilie veräußert, fällt hierauf keine Einkommensteuer an. Dies gilt jedenfalls, soweit zuvor ein Anteil an der Erbengemeinschaft verkauft wurde (BFH-Urteil vom 26.9.2023, IX R 13/22).

Der Steuerpflichtige war Mitglied einer aus drei Erben bestehenden Erbengemeinschaft. Zum Vermögen der Erbengemeinschaft gehörten Immobilien. Der Steuerpflichtige kaufte die Anteile der beiden Miterben an der Erbengemeinschaft und veräußerte anschließend die Immobilien innerhalb der Zehn-Jahres-Frist nach dem Hinzuerwerb von den Miterben. Das Finanzamt besteuerte diesen Verkauf gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG als "Spekulationsgeschäft". Der BFH ist dem entgegengetreten. Begründung: Voraussetzung für die Besteuerung ist, dass das veräußerte Vermögen zuvor auch "angeschafft" wurde. Dies ist im Hinblick auf den Kauf von Anteilen an einer Erbengemeinschaft bezüglich des zum Nachlass gehörenden Vermögens nicht der Fall. Der Kläger hat lediglich Erbanteile erworben, mithin die quotenmäßig bestimmte Teilhaberschaft an der Erbengemeinschaft als Gesamthandsgemeinschaft. Eine gesamthänderische Beteiligung ist aber kein Grundstück und auch kein Recht, das den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegt. Später hat der Kläger aber ein Grundstück verkauft. Damit besteht keine Nämlichkeit zwischen dem angeschafften und dem veräußerten Wirtschaftsgut.

Praxistipp:
Mit seiner Entscheidung hat der BFH seine bisherige Rechtsprechung geändert und ist der Auffassung der Finanzverwaltung entgegengetreten.
gepostet: 15.04.2024
Dienstwagen: Daten in digitalem Fahrtenbuch müssen unabänderbar sein
Für einen Dienstwagen, der auch privat genutzt werden darf, muss ein Privatanteil versteuert werden, der sich entweder nach der so genannten Ein-Prozent-Regelung oder aber nach der Fahrtenbuchmethode ermittelt. Wichtig: Wer ein Fahrtenbuch führt, muss die Eintragungen stets zeitnah vornehmen. Zudem müssen nachträgliche Änderungen ausgeschlossen oder aber zumindest ohne Weiteres erkennbar sein. Die Dokumentation von Änderungen darf sich nicht in Protokolldateien verstecken. Das Verbot nachträglicher Änderungen bzw. das Gebot der Dokumentation betrifft auch bereits Daten, die bis zu einem "Abschluss" oder einer "Festschreibung" eingegeben worden sind. So hat das Finanzgericht Düsseldorf am 24.11.2023 (3 K 1887/22 H(L)) geurteilt.

Nun hat auch der Bundesfinanzhof in diesem Sinne entschieden: Eine mit Hilfe eines Computerprogramms erzeugte Datei gilt nur dann als ordnungsgemäßes Fahrtenbuch, wenn nachträgliche Veränderungen der eingegebenen Daten technisch ausgeschlossen sind oder zumindest in ihrer Reichweite in der Datei selbst dokumentiert und offen gelegt werden. Müssen erst weitere Listen angefordert oder Abfragen bei Dritten (zum Beispiel dem Systemadministrator) durchgeführt werden, um feststellen zu können, ob Änderungen vorgenommen worden sind, stellt eine solche Datei keine geeignete Aufzeichnungsmethode dar. Das Fahrtenbuch ist dann zu verwerfen und der Privatanteil ist nach der Ein-Prozent-Regelung zu ermitteln (BFH-Beschluss vom 12.1.2024, VI B 37/23; Vorinstanz: Hessisches FG vom 16.5.2023, 3 K 1219/21).

Praxistipp:
Insbesondere diejenigen, die noch alte Programmversionen von digitalen Fahrtenbüchern nutzen, sollten umgehend prüfen, ob diese den Anforderungen der Rechtsprechung standhalten. Eine eventuelle Konformitätserklärung des Herstellers, wonach das Fahrtenbuch bei ordnungsgemäßer Führung die gesetzlichen Anforderungen erfüllt, hilft übrigens nicht immer weiter. Zumindest hat eine solche dem Kläger vor dem FG Düsseldorf nichts genützt.

Praxistipp:
Sofern elektronische Fahrtenbücher genutzt werden, in denen die Fahrten (Bewegungsdaten) automatisch per GPS erfasst werden, müssen fehlende Angaben - insbesondere der Fahrtanlass - auch hier zeitnah nachgetragen werden, und zwar innerhalb eines Zeitraums von bis zu sieben Kalendertagen nach Abschluss der jeweiligen Fahrt (BMF-Schreiben vom 4.4.2018, BStBl 2018 I S. 592).
gepostet: 13.04.2024
Altersvorsorge: Nutzung der Riester-Förderung für Darlehenstilgung durch Erbe
Auch die Bildung von Wohneigentum wurde in die Riester-Förderung einbezogen. So darf das Kapital des Altersvorsorgevertrages beispielsweise zur Tilgung eines Darlehens genutzt werden, das für die Anschaffung oder Herstellung eines Eigenheims aufgenommen wurde. Man spricht auch von einer "wohnungswirtschaftlichen Verwendung". Geregelt ist diese in § 92a und b EStG. Jedoch stellen sich immer wieder Fragen, wenn es darum geht, inwieweit das Kapital des Altersvorsorgevertrages tatsächlich "wohnungswirtschaftlich" verwendet werden darf. Kürzlich hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg entschieden, dass in der Tilgung eines Darlehens, das im Wege der Erbfolge gemeinsam mit einer selbstgenutzten Wohnung übernommen wurde, eine wohnungswirtschaftliche Verwendung im Sinne des § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu sehen sein kann. Folglich ist die Auszahlung des begünstigten Altersvorsorgevermögens (Altersvorsorge-Eigenheimbetrag) zu gewähren. Da zwischenzeitlich die Revision eingelegt worden ist, ist das letzte Wort aber noch nicht gesprochen (Urteil vom 18.12.2023, 15 K 15045/23; Revision unter Az. X R 2/24).

Der Kläger war Alleinerbe seiner Ehefrau. Zum Erbe gehörte eine durch die Ehefrau errichtete Wohnung, die die Eheleute bis zum Tode der Ehefrau gemeinsam bewohnten. Die Ehefrau hatte zur Finanzierung der Wohnung ein Darlehen aufgenommen, das der Witwer im Zuge der Erbschaft übernahm. Zum Zwecke der Tilgung des Darlehens begehrte er die Bewilligung der Entnahme von gefördertem Kapital zur wohnungswirtschaftlichen Verwendung aus einem Altersvorsorgevermögen (§ 92b Abs. 1 Satz 3 EStG). Dies wurde ihm von der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen mit der Begründung versagt, ein nach § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG für die wohnungswirtschaftliche Verwendung erforderlicher entgeltlicher Anschaffungsvorgang liege in der Person des Klägers nicht vor, da dieser die Wohnung unentgeltlich im Wege der Erbfolge erworben habe. Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Die Übernahme eines Darlehens als Nachlassverbindlichkeit begründe zwar keine entgeltliche Anschaffung der finanzierten Wohnung durch den Erben. Die Tilgungsvariante des § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sei jedoch so auszulegen, dass diese auch gilt, wenn ein Erbe ein zur Anschaffung oder Herstellung begünstigten Wohnraums aufgenommenes Darlehen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übernimmt (FG Berlin-Brandenburg, Mitteilung vom 15.2.2024).
gepostet: 11.04.2024
Zweitwohnungsteuer: Erhebung bei Arbeitswohnung von beiden Ehegatten
Im Jahre 2005 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer unzulässig ist, wenn die Zweitwohnung von einem verheirateten Berufstätigen genutzt wird, um seiner Arbeit nachkommen zu können. Die Erhebung der Zweitwohnungsteuer verstoße in einem solchen Fall gegen Art. 6 Abs. 1 GG (BVerfG-Beschluss vom 11.10.2005, 1 BvR 1232/00). Jüngst hat das Verwaltungsgericht Gießen entschieden, dass aber keine Befreiung von der Zweitwohnungsteuer in Betracht kommt, wenn es um die gemeinsame Arbeitswohnung von Ehegatten geht (VG Gießen, Urteil vom 12.1.2024, Az.: 8 K 4293/20.GI).

Die Kläger bewohnen - nunmehr als Nebenwohnung angemeldet - ein Haus im Gebiet der Stadt Bad Vilbel. Sie arbeiten beide in Frankfurt am Main. Seit dem Jahr 2019 hat das Ehepaar ein Einfamilienhaus im Allgäu, das nun als Hauptwohnsitz angemeldet wurde. Dort sind die Kläger auch lokalpolitisch und in örtlichen Vereinen aktiv. Die beklagte Stadt Bad Vilbel setzte gegenüber den Klägern die Zweitwohnungsteuer für das Jahr 2020 in Höhe von rund 2.400 Euro fest. Hiergegen wandten sich die Kläger. Sie meinen, ihr Lebensmittelpunkt liege im Allgäu. Sie seien gezwungen, einen weiteren Wohnsitz innezuhaben, um ihrer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Sie berufen sich darauf, dass die Satzung der Stadt Bad Vilbel für ihren Fall vorsehe, dass keine Zweitwohnungsteuer erhoben werde. Nach der entsprechenden Satzungsregelung ist nicht steuerpflichtig, wer als verheiratete und nicht dauerhaft getrenntlebende Person eine Zweitwohnung im Gebiet der Stadt innehat, weil sie von der gemeinsamen Wohnung am Ort der Hauptwohnung aus der Berufstätigkeit zumutbar nicht nachgehen kann. Doch ihre Klage blieb ohne Erfolg.

Begründung: Der Fall der Kläger sei nicht von dem Schutzzweck der Satzungsregelung erfasst. Geschützt werde durch den Befreiungstatbestand das eheliche Zusammenleben. Erfasst seien hiervon nur solche Personen, die infolge einer ehelichen Bindung von der Verlegung ihres Hauptwohnsitzes an ihren Beschäftigungsort abgehalten werden. Grund für die Zweitwohnsitzsteuer sei eine überdurchschnittliche finanzielle Leistungsfähigkeit des Betroffenen, da für die Befriedigung des Bedürfnisses "Wohnen“ eine Wohnung - die Erstwohnung - ausreichend sei. Die Kläger hätten sich zwar dazu entschieden, aufgrund ihrer beider beruflichen Tätigkeit in Frankfurt am Main zwischen dem Hauptwohnsitz im Allgäu und dem Zweitwohnsitz im Gebiet der Beklagten zu pendeln. Eine Trennung der Kläger (die Woche über) aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit liege jedoch nicht vor, weil beide Kläger gemeinsam zwischen den Wohnsitzen pendelten. Die Kläger seien nicht gehindert, ihren Hauptwohnsitz in das Gebiet der Stadt Bad Vilbel zu verlegen (Quelle: VG Gießen, Mitteilung vom 25.1.2024).
gepostet: 09.04.2024
Personengesellschaften: Übertragungen zwischen Schwestergesellschaften
Sind Mitunternehmer an mehreren Personengesellschaften beteiligt, besteht die Möglichkeit, Wirtschaftsgüter aus dem Betriebsvermögen der einen ins Betriebsvermögen der anderen Gesellschaft zu übertragen, ohne die stillen Reserven aufdecken und versteuern zu müssen. Die Übertragung zu Buchwerten ist allerdings nach dem Gesetzeswortlaut nur in bestimmten Konstellationen möglich, beispielsweise bei der Übertragung aus dem Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers in der einen Gesellschaft in das Gesamthandsvermögen einer anderen Gesellschaft, an der der Gesellschafter ebenfalls beteiligt ist (§ 6 Abs. 5 Satz 3 EStG). Vielen Fachleuten hat sich aber nie erschlossen, dass ausgerechnet folgender Fall nicht begünstigt sein sollte: die Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft in das Gesamthandsvermögen einer (beteiligungsidentischen) Schwestergesellschaft. Letztlich waren - wenn überhaupt möglich - "Umwege" und aufwendige Gestaltungen erforderlich, um das gewünschte Ergebnis, nämlich den Transfer eines Wirtschaftsguts zu Buchwerten zwischen Schwestergesellschaften, zu erreichen.

Nun hat das Bundesverfassungsgericht erklärt, dass der maßgebende § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG verfassungswidrig ist, soweit er die unentgeltliche Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften von der Begünstigung ausnimmt. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, den festgestellten Verfassungsverstoß rückwirkend für Übertragungsvorgänge nach dem 31. Dezember 2000 zu beseitigen. Diese Verpflichtung erfasst zumindest alle noch nicht bestandskräftigen Entscheidungen, die auf der für verfassungswidrig erklärten Vorschrift beruhen (BVerfG, Beschluss vom 28.11.2023, 2 BvL 8/13).

Praxistipp:
Die Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft in das Gesamthandsvermögen einer beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaft ist nach der aktuellen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Buchwert möglich. Nach dem Wortlaut der Entscheidung sind aber nur unentgeltliche Übertragungen begünstigt. Das bedeutet oder könnte zumindest bedeuten: Aufgrund der Einlage eines Wirtschaftsguts in die andere Gesellschaft dürfen keine zusätzlichen Gesellschaftsrechte gewährt werden. Die Einlage darf also insbesondere nicht auf dem Kapitalkonto I verbucht werden, das üblicherweise die Gesellschaftsrechte in einer KG oder GmbH & C. KG "zeigt." Ob der Gesetzgeber dies bei seiner zu erwartenden Neuregelung ebenso sieht, bleibt abzuwarten. Jedenfalls ist noch eine gewisse Vorsicht angebracht. Darüber hinaus ist nicht vollends geklärt, ob die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts tatsächlich nur die Übertragung von Wirtschaftsgütern auf "beteiligungsidentische" Schwesterpersonengesellschaften betrifft. Auch insofern, das heißt bei der Übertragung zwischen Gesellschaften mit unterschiedlichen Beteiligungsverhältnissen, besteht noch weiterer Klärungsbedarf.
gepostet: 07.04.2024
Nebentätigkeit: Übungsleiterfreibetrag für Wanderführer
Einnahmen aus bestimmten ehrenamtlichen Tätigkeiten bleiben bis zu 3.000 Euro pro Jahr steuerfrei (Übungsleiterfreibetrag gemäß § 3 Nr. 26 EStG). Voraussetzung für die Gewährung dieses Freibetrags ist unter anderem, dass es sich um Einnahmen aus einer nebenberuflichen Tätigkeit im Dienst oder im Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einer von der Körperschaftsteuer befreiten gemeinnützigen Einrichtung handelt. An die Bundesregierung ist die Frage gerichtet worden, ob auch Wanderführer von dem Übungsleiterfreibetrag profitieren können. Die Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Katja Hessel lautet (BT-Drucksache 20/10022 vom 12.1.2024):

Bereits nach der geltenden Rechtslage können Wanderführer nach § 3 Nr. 26 EStG begünstigt sein. Dafür ist insbesondere erforderlich, dass die jeweils ausgeübte Tätigkeit mit der eines Übungsleiters, Erziehers, Ausbilders oder Betreuers vergleichbar ist. Gemeinsames Merkmal der Tätigkeiten ist eine pädagogische Ausrichtung. Eine Begünstigung nach § 3 Nr. 26 EStG hängt folglich maßgeblich davon ab, ob im konkreten Einzelfall bei dem Wanderführer die pädagogische Ausrichtung im Vordergrund steht. Die pädagogische Ausrichtung der Tätigkeit ist der örtlich zuständigen Finanzbehörde darzulegen und im Einzelfall zu beurteilen. Sofern die Tätigkeit insofern mit der eines Übungsleiters, Erziehers, Ausbilders oder Betreuers vergleichbar ist und die übrigen Voraussetzungen des § 3 Nr. 26 EStG vorliegen, sind die Einnahmen bis zu einer Höhe von 3.000 Euro pro Jahr steuerbefreit.

Praxistipp:
Sofern im Einzelfall keine vergleichbare Tätigkeit nach § 3 Nr. 26 EStG ausgeübt wird, aber Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten im Dienst oder Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einer von der Körperschaftsteuer befreiten gemeinnützigen Einrichtung erzielt werden, kommt eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 26a EStG bis zu einer Höhe von 840 Euro pro Jahr in Betracht.
gepostet: 05.04.2024
Gewerbesteuer: Oldtimer im Vermögen von Wohnungsunternehmen schädlich
Für rein vermögensverwaltende Unternehmen, insbesondere Wohnungs- bzw. Grundstücksgesellschaften, ist die so genannte erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG bedeutend. Nach dieser Vorschrift werden selbst hohe Gewinne komplett von der Gewerbesteuer befreit. Voraussetzung ist aber, dass die Unternehmen - von Ausnahmen abgesehen - ausschließlich eigenen Grundbesitz und eigenes Kapitalvermögen verwalten. Die Betonung liegt dabei auf dem Wort "ausschließlich", denn selbst geringfügige weitere Tätigkeiten, die über die reine Verwaltung von eigenem Grundbesitz und eigenem Kapitalvermögen hinausgehen, können schädlich sein und verhindern die vollständige Kürzung des Gewerbeertrags.

Im vergangenen Jahr hat das Finanzgericht Baden-Württemberg entschieden, dass die erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung entfällt, wenn im Betriebsvermögen Oldtimerfahrzeuge als Wertanlage gehalten werden, selbst wenn mit den Fahrzeugen während der Besitzzeit keinerlei Erträge erwirtschaftet werden (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.3.2023, 6 K 878/22). Die Klägerin ist eine GmbH, die eigenes Immobilienvermögen hält und verwaltet. Im betrieblichen Anlagevermögen befinden sich außerdem zwei Oldtimer, die als Wertanlage mit Gewinnerzielungsabsicht angeschafft worden sind. Mit den Oldtimern wurden bislang keinerlei Erträge erzielt. In ihren Gewerbesteuererklärungen beantragte die Klägerin die erweiterte Kürzung. Diese wurde vom Finanzamt versagt. Die GmbH habe gegen das Ausschließlichkeitsgebot verstoßen. Bei den Oldtimern mag es sich um eine Kapitalanlage handeln, aber eben nicht um Kapitalvermögen, das vom Gesetz begünstigt wäre. Die hiergegen gerichtete Klage blieb erfolglos.

Begründung: 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG will die erweiterte Kürzung für Unternehmen nur gewähren, wenn sie ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen, ihre Tätigkeit insoweit also nicht über den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung hinausgeht. Mit dem Halten der Oldtimer zum Zwecke der Kapitalanlage hat die Klägerin - neben der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes - eine Tätigkeit ausgeübt, die nicht in dem Katalog der unschädlichen Tätigkeiten des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG enthalten ist. Es handelt sich nicht um Kapitalvermögen. Im Hinblick auf die Tätigkeit des Haltens der Oldtimer zur Kapitalanlage greift schließlich auch keine Bagatellgrenze. Eine allgemeine Geringfügigkeitsgrenze kommt aufgrund des dem Gesetzeswortlaut zu entnehmenden strengen Ausschließlichkeitsgebotes nicht in Betracht.

Praxistipp:
Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Sie ist beim Bundesfinanzhof auch bereits unter dem Az. III R 23/23 anhängig.
gepostet: 03.04.2024
Jobrad: Aktuelles zur Überlassung von Fahrrädern und E-Bikes
Der private Nutzungswert aus der Überlassung eines Firmenfahrrades ist steuer- und sozialversicherungsfrei, wenn die Überlassung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erfolgt (§ 3 Nr. 37 EStG). Dies gilt auch für die Überlassung eines E-Bikes, wenn es verkehrsrechtlich nicht als "Fahrzeug" einzustufen ist. Erfolgt die Überlassung eines Fahrrades oder E-Bikes im Wege einer Gehaltsumwandlung, wie zumeist üblich, beträgt der steuerpflichtige private Nutzungsanteil monatlich nur 1 Prozent von einem Viertel der unverbindlichen Preisempfehlung des Fahrrades (koordinierter Ländererlass vom 9.1.2020, S 2334).

Die Oberfinanzdirektion Frankfurt/M. stellt in einer aktuellen Verfügung klar, dass die Regelungen zur ermäßigten Besteuerung, also die Anwendung der geviertelten Bemessungsgrundlage zur Besteuerung der Privatnutzung, auch auf die Überlassung mehrerer (Elektro-)Fahrräder an einen Arbeitnehmer anzuwenden sind. Wem also ein zweites Fahrrad, etwa für seinen Ehegatten, gegen eine Gehaltsumwandlung gestellt wird, profitiert gleichermaßen von der Begünstigung (Verfügung vom 2.11.2023, S 2334 A - 32 - St 210).

Praxistipp:
Die Haltung ist zugegebenermaßen nicht neu, doch offenbar haben einige Finanzämter das anders gesehen. Von daher ist die Klarstellung der Oberfinanzdirektion erfreulich.

Die Oberfinanzdirektion nimmt auch zu der Frage Stellung, inwieweit das Fahrradzubehör unter die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 37 EStG fallen kann. Hier gilt, dass lediglich "fahrradtypisches Zubehör" begünstigt ist. Beispiele für begünstigtes Zubehör sind danach: fest am Rahmen des Fahrrads oder anderen Fahrradteilen verbaute Zubehörteile wie beispielsweise Fahrradständer, Gepäckträger, Schutzbleche, Klingel, Rückspiegel, Schlösser, Navigationsgeräte, andere angebaute Träger oder modellspezifische Halterungen. Beispiele für nicht begünstigtes Zubehör sind: Fahrerausrüstung (Helm, Handschuhe, Kleidung o.Ä.), in modellspezifische Halterungen einsetzbare Geräte (z.B. Smartphone, mobiles Navigationsgerät) oder Gegenstände (z.B. Fahrradanhänger, Lenker-, Rahmen- oder Satteltaschen oder Fahrradkorb).

Praxistipp:
Ist ein Elektrofahrrad verkehrsrechtlich als Kraftfahrzeug einzuordnen, kann dieses nicht nach § 3 Nr. 37 EStG steuerfrei überlassen werden. Die Oberfinanzdirektion Frankfurt/M. weist in ihrer Verfügung darauf hin, dass auch Elektrokleinstfahrzeuge, wie beispielsweise zusammenklappbare Elektroroller, als Kraftfahrzeuge einzuordnen sind. Daher kommt auch für diese eine steuerfreie Überlassung nicht in Betracht.
gepostet: 01.04.2024
März 2024
Erbschaftsteuer: Pauschaler Stundensatz für Pflegeleistungen erhöht
Wer eine Schenkung erhält und sich im Gegenzug verpflichtet, den Schenker "im Fall der Fälle" zu pflegen, kann seine Pflegeleistungen im Rahmen der Schenkungsteuer-Festsetzung geltend machen, das heißt die Schenkungsteuer mindert sich insoweit. Die Pflegeleistungen werden steuerlich aber erst berücksichtigt, wenn der Pflegefall tatsächlich eingetreten ist. Dazu wird der Schenkungssteuerbescheid gegebenenfalls nachträglich geändert. Aber auch wenn die Pflege nicht auf einer vertraglichen, sondern auf einer unterhaltsrechtlichen oder moralischen Verpflichtung beruht, können die Pflegeleistungen abgezogen werden, wenn auch nur beschränkt auf 20.000 Euro (§ 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG). Hier geht es in erster Linie um die unentgeltlichen Pflegeleistungen, die nahe Angehörige erbracht haben.

Doch wie kann der Wert einer Pflegeleistung überhaupt beziffert werden? Diesbezüglich gibt es folgende Vereinfachungsregelung der Finanzverwaltung: Es bestehen keine Bedenken, wenn für erbrachte Leistungen ein pauschaler Stundensatz angesetzt wird. Dieser richtet sich nach dem Mindestentgelt für Pflegehilfskräfte. Nach § 2 der Fünften Pflegearbeitsbedingungenverordnung ist das Mindestentgelt für Pflegehilfskräfte ab dem 1.12.2023 auf 14,15 Euro brutto je Stunde erhöht worden. Vom 1.5.2023 bis zum 30.11 2023 betrug es 13,90 Euro brutto je Stunde, vom 1.9.2022 bis zum 30.4.2023 waren es 13,70 Euro brutto je Stunde (Erlass der Obersten Finanzbehörden der Länder vom 23.10.2023, BStBl 2023 I S. 1870).

Zu den Pflegeleistungen zählen die Unterstützung und Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Bereich der Körperpflege (z.B. Waschen, Duschen, Kämmen), der Ernährung (z.B. Zubereiten und Aufnahme der Nahrung), der Mobilität (z.B. selbständiges Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen, Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung) und der hauswirtschaftlichen Versorgung (z.B. Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung). Dazu gehören aber auch weitere Hilfeleistungen, wie die Erledigung von Botengängen und schriftlichen Angelegenheiten, Besprechungen mit Ärzten, Vorsprachen bei Behörden sowie die seelische Betreuung des Schenkers oder Erblassers.

Praxistipp:
Der Betrag von 20.000 Euro ist leider kein Pauschbetrag. Vielmehr sind die Aufwendungen bzw. die geleisteten Stunden aufzulisten. Wer einen Angehörigen längere Zeit unentgeltlich pflegt, sollte folglich die aufgewendeten Stunden notieren. Dabei gelten auch Einkaufsfahrten, Bankgeschäfte sowie die übliche Hilfe im Haushalt als Pflegeleistungen.
gepostet: 31.03.2024
Lohnsteuerbescheinigungen: Ermittlung der Id-Nr. für elektronische Übermittlung
Bereits mit dem Ende des Veranlagungszeitraums 2022 wurde die Abschaffung der elektronischen Transfer-Identifikations-Nummer (eTIN) beschlossen. Für die elektronische Übermittlung von Lohnsteuerbescheinigungen (§ 41b Abs. 1 Satz 2 EStG) ist daher ab dem Veranlagungszeitraum 2023 zwingend die Angabe einer steuerlichen Identifikationsnummer notwendig. Nun hat das Bundesfinanzministerium zu der Frage Stellung genommen, wie Arbeitgeber die steuerliche Identifikationsnummer für die elektronische Übermittlung von Lohnsteuerbescheinigungen ermitteln sollten, wenn diese noch nicht vom Arbeitnehmer mitgeteilt wurde. Zudem wird dargelegt, wie zu verfahren ist, wenn die steuerliche Identifikationsnummer durch den Arbeitnehmer schuldhaft nicht vorgelegt wurde und auch nicht ermittelt werden kann (BMF-Schreiben vom 23.1.2024, IV C 5 -S 2295/21/10001 :001). Danach gilt:

Hat der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer für das Jahr 2022 eine Lohnsteuerbescheinigung übermittelt und versichert der Arbeitgeber, dass das Dienstverhältnis nach Ablauf des Jahres 2022 fortbestanden und der Arbeitnehmer trotz Aufforderung pflichtwidrig seine Identifikationsnummer bisher nicht mitgeteilt hat, teilt das zuständige Finanzamt die Identifikationsnummer des Arbeitnehmers auf formlose schriftliche Anfrage des Arbeitgebers mit. Die Anfrage hat den Namen, das Geburtsdatum sowie die Anschrift des Arbeitnehmers zu enthalten. Von einer Pflichtwidrigkeit ist auch auszugehen, wenn der Arbeitnehmer der Aufforderung ohne Begründung nicht nachkommt. Eine Mitteilung erfolgt bei Vorliegen der oben genannten Voraussetzungen auch dann, wenn die Identifikationsnummer dem Arbeitnehmer erstmals zuzuteilen ist. Einer Bevollmächtigung oder Zustimmung des Arbeitnehmers bedarf es insoweit nicht. Unabhängig davon kann der Arbeitgeber generell die Zuteilung bzw. die Mitteilung der steuerlichen Identifikationsnummer des Arbeitnehmers beim zuständigen Finanzamt beantragen, wenn ihn der Arbeitnehmer hierzu bevollmächtigt hat (vgl. § 80 Abs. 1 AO; § 39 Abs. 3 Satz 2 und 4 EStG).

Legt der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die steuerliche Identifikationsnummer schuldhaft nicht vor und kann der Arbeitgeber diese entsprechend den obigen Verfahren nicht erhalten, hat er regelmäßig die Lohnsteuer nach Steuerklasse VI zu ermitteln (§ 39c Abs. 1 Satz 1 EStG i. V. m. § 38b Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 EStG). Dies gilt insbesondere für Betriebsrentner und Versorgungsempfänger, die im Ausland ansässig sind und denen die Unterlagen zur Erteilung einer steuerlichen Identifikationsnummer zugeschickt wurden, diese jedoch bisher noch nicht beantragt haben; Arbeitnehmer - insbesondere auch aus dem Ausland -, die nur für kurze Zeit vom Arbeitgeber beschäftigt werden und die dem Arbeitgeber ihre steuerliche Identifikationsnummer bisher nicht mitgeteilt haben (mit Ausnahme der im BMF-Schreiben vom 7.11. 2019, BStBl. I S. 1087 unter Abschnitt 3 bezeichneten Fälle); Zahlungen an Sterbegeldempfänger; Arbeitnehmer, die sich weigern, dem Arbeitgeber die steuerliche Identifikationsnummer mitzuteilen.

Nur in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer die fehlende Mitteilung der steuerlichen Identifikationsnummer nicht zu vertreten hat oder der Arbeitgeber aufgrund von technischen Störungen die steuerliche Identifikationsnummer nicht abrufen kann, kann der Arbeitgeber für die Lohnsteuerberechnung die voraussichtliche Steuerklasse längstens für drei Kalendermonate zu Grunde legen (vgl. § 39c Abs. 1 Satz 2 EStG).
gepostet: 27.03.2024
Unentgeltliche Betriebsübertragung: Wichtiges BFH-Urteil zur Schenkungsteuer
Für die unentgeltliche Übertragung eines Betriebs werden bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer besondere Begünstigungen gewährt. Allerdings hat der Gesetzgeber im Laufe der Jahre ein komplexes Regelwerk geschaffen, um aus seiner Sicht unliebsame Gestaltungen zu vermeiden. So soll verhindert werden, dass umfangreiches Verwaltungsvermögen steuerfrei übertragen werden kann. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die so genannten Finanzmittel gelegt, zum Beispiel Zahlungsmittel, Geschäftsguthaben und Geldforderungen. Übersteigen die Finanzmittel bzw. das Verwaltungsvermögen eine bestimmte Höhe, droht ein teilweiser oder gar vollständiger Entfall der steuerlichen Begünstigung des Betriebsvermögens. Im Zusammenhang mit den Finanzmitteln bzw. dem Verwaltungsvermögen ist der "Einstiegstest" oder 90-Prozent-Test durchzuführen (§ 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG). Dabei wird das Verwaltungsvermögen ins Verhältnis zum Unternehmenswert gesetzt. Erreicht das Verwaltungsvermögen 90 Prozent des Unternehmenswerts oder mehr, wird die steuerliche Begünstigung des Betriebsvermögens versagt. Gerade Handelsunternehmen "leiden" unter diesem Einstiegstest, denn sie haben zwar oft hohe Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, andererseits aber auch hohe Verbindlichkeiten, die für den Einstiegstest nicht gegengerechnet werden. Dadurch werden diesen Unternehmen mitunter die steuerlichen Begünstigungen versagt. Doch nun hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass bei Handelsunternehmen für den Einstiegstest die betrieblichen Schulden von den Finanzmitteln abzuziehen sind (BFH-Urteil vom 13.9.2023, II R 49/21).

Der Sachverhalt: Der Vater der Klägerin schenkte dieser im Jahr 2017 alle Anteile an einer GmbH, die ein pharmazeutisches Handelsunternehmen betrieb. Das Finanzamt versagte wegen des so genannten Einstiegstests die schenkungsteuerlichen Begünstigungen gemäß § 13a Abs. 1 und Abs. 2 ErbStG, denn im Bestand des Unternehmens befanden sich hohe Finanzmittel und damit ein umfassendes Verwaltungsvermögen. Die Tatsache, dass im Betriebsvermögen auch hohe Schulden enthalten waren, spielte für den Einstiegstest nach Ansicht des Finanzamts keine Rolle. Der hiergegen erhobenen Klage gab das Finanzgericht Münster statt. Der BFH hat die Revision des Finanzamts zurückgewiesen. Begründung: Zwar sei im Streitfall nach dem Gesetzeswortlaut die begehrte Begünstigung für Betriebsvermögen vollständig ausgeschlossen, denn das Verwaltungsvermögen samt Finanzmittel betrage mehr als 90 Prozent des gemeinen Wertes der übertragenen GmbH-Anteile (§ 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG). Die Vorschrift sei aber ihrem Normzweck entsprechend einschränkend auszulegen. Zumindest bei typischen Handelsunternehmen, deren Hauptzweck einer gewerblichen Tätigkeit dient, und deren begünstigungsfähiges Vermögen aus Finanzmitteln besteht, ist der Einstiegstest in modifizierter Form unter Abzug der betrieblich veranlassten Schulden durchzuführen. Ohne die Möglichkeit des Schuldenabzugs wäre die Regelung willkürlich und verstieße damit gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes, denn es wäre vom Zufall abhängig, ob Schulden am Stichtag noch bestehen oder bereits getilgt wurden.
gepostet: 25.03.2024
Grundstücksverkauf: Nutzung durch Elternteil gilt nicht als Eigennutzung
Wer sein Eigenheim verkauft, muss keinen Veräußerungsgewinn ("Spekulationsgewinn") versteuern, selbst wenn zwischen Erwerb und Verkauf nicht mehr als zehn Jahre liegen. Voraussetzung ist aber, dass die Immobilie zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die unentgeltliche Überlassung einer Wohnung an ein unterhaltsberechtigtes Kind als Eigennutzung der Eltern gilt, wenn die Eltern für ihr Kind noch Kindergeld oder den Kinderfreibetrag erhalten (BFH-Urteil vom 24.5.2022, IX R 28/21).

Kürzlich hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die Überlassung einer Wohnung an einen unterhaltsberechtigten Elternteil aber nicht als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Sinne des § 23 EStG gilt. Der Verkauf der Immobilie innerhalb der zehnjährigen "Spekulationsfrist" war daher steuerpflichtig (BFH-Urteil vom 14.11.2023, IX R 13/23).

Der Sachverhalt: Die Kläger (Eheleute) erwarben im Jahr 2009 eine Eigentumswohnung, die sie unentgeltlich an die Mutter der Klägerin überließen. Nach dem Tod der Mutter im Jahr 2016 verkauften die Kläger die Wohnung. Das Finanzamt berücksichtigte einen Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG aufgrund des Verkaufs der Wohnung. Es war der Ansicht, dass die Überlassung an die Mutter/Schwiegermutter anders als eine Überlassung an unterhaltsberechtigte Kinder keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken darstelle. Der Verkauf sei daher steuerpflichtig. Dagegen trugen die Eheleute unter anderem vor, eine Differenzierung zwischen unterhaltsberechtigten Kindern und anderen zivilrechtlich unterhaltsberechtigten Personen sei widersprüchlich. Doch mit dieser Argumentation vermochten sie weder das Finanzamt noch die Richter des BFH zu überzeugen. Nach Ansicht des Gerichts ist die Differenzierung zwischen einer Überlassung an unterhaltsberechtigte Kinder und Eltern dadurch gerechtfertigt, dass bei Kindern typisierend eine Unterhaltspflicht und das Entstehen von Aufwendungen für die Eltern anzunehmen sei.

Praxistipp:
Die Kläger hatten in den Vorjahren keine Unterhaltsleistungen an die Mutter/Schwiegermutter geltend gemacht (§ 33a EStG). Ob anders entschieden worden wäre, wenn deren Bedürftigkeit tatsächlich dargelegt worden wäre, ist nicht erkennbar. Sowohl das Finanzgericht als Vorinstanz als auch der BFH haben diese Frage nicht abschließend beantwortet.
gepostet: 23.03.2024
Kindergeld: Freiwilligendienst zwischen Bachelor- und Masterstudium schädlich
Für ein Kind zwischen dem 18. und dem 25. Lebensjahr erhalten die Eltern Kindergeld, wenn es sich noch in der Berufsausbildung befindet. Allerdings wird zwischen Erst- und Zweitausbildung differenziert: Bei einer Erstausbildung wird das Kind ohne weitere Voraussetzungen berücksichtigt. Bei einer Zweitausbildung, also nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums, wird ein Kind hingegen nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Lediglich eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis sind unschädlich (§ 32 Abs. 4 Satz 2 u. 3 EStG). Von daher ist es kindergeldrechtlich von Vorteil, wenn eine Ausbildung noch als Erstausbildung gilt. Dabei können im Einzelfall auch ein Aufbaustudium oder eine weiterführende Ausbildung noch der Erstausbildung zuzurechnen sein. Man spricht von einer einheitlichen Erstausbildung oder einer mehraktigen Berufsausbildung.

Wie der Bundesfinanzhof nun entschieden hat, liegt eine einheitliche Erstausbildung aber nur dann vor, wenn die einzelnen Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zueinander stehen. Der enge zeitliche Zusammenhang ist nur gewahrt, wenn das Kind den nächsten Teil der mehraktigen Ausbildung, also zum Beispiel das Masterstudium, zum nächstmöglichen Termin aufnimmt. Daran fehlt es, wenn das Kind dazwischen einen Freiwilligendienst absolviert, statt die Ausbildung sogleich fortzusetzen. Dies hat zur Folge, dass die Erstausbildung mit dem vorherigen Ausbildungsabschnitt abgeschlossen ist, so dass der Kindergeldberechtigte in der Folgezeit einen Kindergeldanspruch nur dann behält, wenn das Kind nicht oder nicht mehr 20 Stunden pro Woche erwerbstätig ist (BFH-Urteil vom 12.10.2023, III R 10/22).

Der Kläger ist Vater einer im Februar 1996 geborenen Tochter, die zum Ende des Sommersemesters 2018 ein Studium im Fach C mit dem Bachelor of Science abschloss. In den Monaten Oktober 2018 bis einschließlich Mai 2019 absolvierte die Tochter einen Freiwilligendienst. Im Juli 2019 wurde sie zum Masterstudium im Fach C zugelassen, welches sie im Oktober 2019 aufnahm. Zwischen Juli und September 2019 (Streitzeitraum) übte die Tochter eine befristete Aushilfstätigkeit im Umfang von 25 Wochenstunden aus. Die Familienkasse war der Auffassung, dass dem Kläger wegen der nicht nur geringfügigen Erwerbstätigkeit der Tochter im Streitzeitraum kein Kindergeld zu gewähren ist. Das Finanzgericht gab der Klage zwar statt, doch der BFH hielt die Revision der Familienkasse für begründet. Das FG habe zu Unrecht Bachelor- und Masterstudium als Teile einer einheitlichen Erstausbildung angesehen. Wegen des von der Tochter zwischenzeitlich absolvierten Freiwilligendienstes fehle der erforderliche enge zeitliche Zusammenhang zwischen den Ausbildungsteilen. Daher sei der Umfang der Erwerbstätigkeit relevant. Da dieser über der Grenze von 20 Wochenstunden gelegen habe, könne kein Kindergeld gewährt werden (Quelle: Mitteilung des BFH von 25.1.2024).
gepostet: 19.03.2024
Ausschüttungsanspruch im Erbe: Steuerliche Doppelbelastung ist rechtens
Wenn im Rahmen einer Erbschaft Anteile an Kapitalgesellschaften auf den Erben übergehen, erwirbt dieser mitunter bestehende Ausschüttungsansprüche mit. Folglich vereinnahmt erst der Erbe die entsprechenden Erträge und muss diese versteuern. Ausnahmen von diesem "Zuflussprinzip" bestehen bei beherrschenden Gesellschaftern. Zu berücksichtigen ist aber, dass die Ansprüche auf die künftigen Erträge bereits die Bemessungsgrundlage für die Erbschaft-steuer erhöht haben, so dass diese einmal der Erbschaft- und dann auch noch der Abgeltungsteuer (Kapitalertragsteuer) unterliegen. Wie das Finanzgericht Münster nun zum zweiten Mal entschieden hat, ist diese Doppelbelastung mit Erbschaft- und Abgeltungsteuer zulässig. Es hat geurteilt, dass die Abgeltungsteuer, die auf den Ausschüttungsanspruch gegen eine GmbH entfällt, nicht als Nachlassverbindlichkeit bei der Erbschaftsteuer abzuziehen ist (FG Münster, Urteil vom 2.11.2023, 3 K 2755/22 Erb).

Der Kläger erwarb im Wege eines Vermächtnisses von seinem verstorbenen Vater einen Anteil an einer GmbH in Höhe von 12,5 Prozent des Stammkapitals. Vor dem Tod des Vaters hatte die Gesellschafterversammlung eine Ausschüttung beschlossen, die in Höhe von 187.500 Euro auf den Vater entfiel und nach dessen Tod unter Einbehalt von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag an den Kläger ausbezahlt wurde. Das Finanzamt setzte im Erbschaftsteuerbescheid die Forderung mit dem Nennwert von 187.500 Euro an. Demgegenüber begehrte der Kläger, die Kapitalertragsteuer und den Solidaritätszuschlag als Nachlassverbindlichkeit in Abzug zu bringen. Die Steuer sei zwar im Zeitpunkt des Todes formal noch nicht entstanden, ihre Entstehung sei aber hinreichend sicher gewesen. Doch das Finanzamt und auch das Finanzgericht beurteilen dies anders.

Begründung: Der Ausschüttungsanspruch gegenüber der GmbH sei mit dem Nennwert anzusetzen. Eine Bewertung unterhalb des Nennwerts im Hinblick auf die Kapitalertragsteuer komme nicht in Betracht, da es sich hierbei um eine besondere Form der Erhebung der Einkommensteuer handele und nicht um eine wertmindernde Eigenschaft. Ein Abzug der Steuer als Nachlassverbindlichkeit komme ebenfalls nicht in Betracht. Insbesondere handele es sich nicht um vom Erblasser herrührende Schulden. Zwar sei die wirtschaftliche Ursache für die Belastung der Ausschüttung mit Kapitalertragsteuer bereits mit dem Beschluss der Gesellschafterversammlung und damit vor dem Tod des Vaters gesetzt worden. Der für die Abzugsfähigkeit maßgebliche Umstand, nämlich die Verwirklichung des einkommensteuerlichen Tatbestands, sei jedoch erst mit dem Zufluss der Ausschüttung beim Kläger erfolgt. Da der Vater kein beherrschender Gesellschafter gewesen sei, sei noch kein Zufluss im Zeitpunkt des Ausschüttungsbeschlusses anzunehmen. Schließlich sei es auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass ein Sachverhalt kumulativ der Erbschaftsteuer und der Einkommensteuer unterliegt, da es um unterschiedliche Tatbestände gehe. Der Gesetzgeber habe bei der Wahl des Steuergegenstandes einen weiten Gestaltungsspielraum (Quelle: FG Münster, NL Dez. 2023).

Bereits zuvor hatte das FG Münster entschieden, dass auch keine einkommensteuerliche Ermäßigung in Betracht kommt. Nach § 35b EStG werden Einkünfte, die im Veranlagungszeitraum oder in den vorangegangenen vier Veranlagungszeiträumen zugleich der Erbschaftsteuer unterlegen haben, zwar steuermindernd berücksichtigt, wenn auch nur mit einem bestimmten Prozentsatz. Allerdings sei die Steuerermäßigung nach § 35b EStG auf Kapitaleinkünfte, die dem Abgeltungssteuersatz unterliegen, nicht anwendbar (FG Münster, Urteil vom 17.2.2021, 7 K 3409/20 AO).
gepostet: 17.03.2024
Betriebseinnahmen: "Corona-Überbrückungshilfe Plus" ist zu versteuern
Während der Corona-Pandemie konnten bestimmte Unternehmer die "Überbrückungshilfe Plus" des Landes Nordrhein-Westfalen von bis zu 3.000 Euro in Anspruch nehmen. Die Frage ist, ob diese Überbrückungshilfe den steuerpflichtigen Betriebseinnahmen zuzurechnen ist oder steuerfrei bleiben kann, weil sie vermeintlich (auch) zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten gezahlt wurde. Das Finanzgericht Düsseldorf hat nun entschieden, dass der Betrag als Betriebseinnahme zu erfassen ist, allerdings die Revision zugelassen, die bereits unter dem Az. II R 23/23 beim Bundesfinanzhof anhängig ist (Urteil vom 7.11.2023, 13 K 570/22 E; Quelle: FG Düsseldorf, NL 12/2023).

Der Kläger erzielte als Freiberufler Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Im August 2020 gewährte ihm die Bezirksregierung Düsseldorf eine Überbrückungshilfe Plus von 3.000 Euro. Der Freiberufler versteuerte diesen Betrag nicht, da er der Auffassung ist, dass die Hilfe als Ersatz für die Grundsicherung gezahlt worden sei, die die Unternehmer bei Ausbleiben dieser Zahlung hätten in Anspruch nehmen müssen. Deshalb müssten die Besteuerungsgrundsätze der Grundsicherung, die schließlich steuerfrei und damit im Ergebnis steuerlich unbeachtlich sei, entsprechende Anwendung finden. Demgegenüber qualifizierte das Finanzamt die Soforthilfe als steuerpflichtige Betriebseinnahme. Auch das Finanzgericht erachtete den Ansatz der Corona-Überbrückungshilfe bei den Einkünften aus selbstständiger Arbeit als rechtmäßig. Begründung: Zwischen den Leistungen und dem Betrieb des Klägers bestehe ein wirtschaftlicher Zusammenhang, da die Überbrückungshilfe NRW nur an Unternehmer gezahlt worden sei, die ihre Tätigkeit während des Förderzeitraums im Haupterwerb von einer in NRW befindlichen Betriebsstätte oder einem in NRW befindlichen Sitz der Geschäftsführung aus ausgeführt hätten. Die Zahlung der NRW-Überbrückungshilfe Plus sei zudem von der Höhe des Umsatzes im Förderzeitraum abhängig gewesen. Die Zuwendungen seien vom Land NRW geleistet worden, um dem Empfänger die Möglichkeit zu geben, sich weiter der betrieblichen oder freiberuflichen Tätigkeit zu widmen. Diese betriebliche Veranlassung der Zahlungen der NRW-Überbrückungshilfe Plus würde nicht dadurch aufgehoben, dass die gewährten Mittel zur Deckung von Privataufwendungen verwendet werden durften. Eine entsprechende Anwendung der Steuerbefreiung von Leistungen des Arbeitslosengeldes II auf Bezüge aus öffentlichen Mitteln für Personen, die nicht arbeitsuchend sind, sondern Einkünfte aus selbstständiger Arbeit erzielen, käme nicht in Betracht.
gepostet: 15.03.2024
Sonderausgaben: Zahlungen an Förderverein als Schulgeld abzugsfähig?
Wenn Kinder eine Privatschule besuchen, können die Eltern das Schulgeld im bestimmten Rahmen und unter gewissen Voraussetzungen als Sonderausgaben abziehen (§ 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG). Das Finanzgericht Münster hat entschieden, dass auch Zahlungen an einen Förderverein, der die Gelder an einen Schulträger zur Finanzierung einer Schule weiterleitet, die von den eigenen Kindern besucht wird, Schulgelder i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG darstellen können (FG Münster, Urteil vom 25.10.2023, 13 K 841/21 E).

Die beiden Kinder der Kläger besuchten eine staatlich anerkannte Ersatzschule in freier Trägerschaft einer Stiftung. Im Streitjahr zahlten die Kläger insgesamt 1.000 Euro an den als gemeinnützig anerkannten Förderverein der Schule. Ausweislich dessen Satzung förderte der Verein die Lehrtätigkeit und das Schulleben, insbesondere durch die Unterstützung von schulischen Einrichtungen und Veranstaltungen, Studienreisen, Schullandaufenthalten und Arbeitsgemeinschaften, Projekten und (Arbeits-)Materialien. Von den Eltern, deren Kinder die Schule besuchten, erhielt der Förderverein insgesamt 37.500 Euro und führte insgesamt 43.500 Euro an die Stiftung ab. Diese wiederum überwies mindestens 54.000 Euro zur Finanzierung des Schulträgereigenanteils (insgesamt 87.000 Euro) an die Schule. Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung machten die Eltern die Zahlungen als Schulgelder geltend. Das Finanzamt folgte dem nicht, da die Zahlungen ausweislich der Satzung des Fördervereins nicht für den reinen Schulbesuch geleistet worden seien. Die Zahlungen seien auch nicht als Spende zu qualifizieren. Doch der hiergegen gerichtete Klage wurde entsprochen.

Begründung: Sämtliche Leistungen der Eltern, die bei wirtschaftlicher Betrachtung als Gegenleistung für den Schulbesuch des Kindes erbracht würden, seien von § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG umfasst. Dies gelte auch für Leistungen an einen Förderverein, der diese zur Deckung der Betriebskosten an den Schulträger weiterleite. Bei Zugrundelegung einer wirtschaftlichen Betrachtung seien die Zahlungen zur Finanzierung des Schulträgereigenanteils geleistet worden. Die Kläger und die anderen Eltern hätten sicher sein können, dass mit ihren Geldern, die in der zweckgebundenen Weiterleitung des Fördervereins enthalten waren, allein der normale Schulbetrieb finanziert worden sei, da der von der Stiftung weitergeleitete Betrag noch nicht einmal ausgereicht habe, um den Schulträgereigenanteil vollständig abzudecken. Dass die Satzung des Fördervereins keine Regelung enthalte, wonach die Mittel ausschließlich für den normalen Schulbetrieb hätten verwendet werden können, und auch Zwecke vorsehe, bei deren Verfolgung keine reine Finanzierung des normalen Schulbetriebs mehr vorliegen würde, sei unschädlich. Es fehle bereits an einer gesetzlichen Grundlage dafür, dass es sich bei über einen Förderverein an einen Schulträger weitergeleiteten Elternbeiträge nur dann um Schulgeldzahlungen i. S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG handeln könne, wenn sich der Satzungszweck des Fördervereins auf die Weiterleitung von Elternbeiträgen beschränke. Im Übrigen führe die Auffassung des Finanzamtes zu nicht sachgerechten Ergebnissen, da die Zahlungen dann weder Schulgelder noch Spenden darstellen würden (Quelle: FG Münster, Newsletter Dez. 2023).

Praxistipp:
Das Finanzgericht hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen. Ob diese tatsächlich eingelegt wurde, war bei Redaktionsschluss aber leider noch nicht bekannt.
gepostet: 13.03.2024
Rentenbesteuerung: Bundesverfassungsgericht weist Beschwerden ab
Das Bundesverfassungsgericht hat zwei Verfassungsbeschwerden gegen die - vermeintliche - Doppelbesteuerung von Renten soeben als unzulässig verworfen. Die Beschwerden seien nicht substantiiert genug, um sie zur Entscheidung anzunehmen (BVerfG, Beschlüsse vom 7.11.2023, 2 BvR 1140/21 und 2 BvR 1143/21). Was bedeutet dies für Rentner? Zunächst zum Hintergrund: Bis 2004 unterlagen Renten nur mit einem geringen Anteil, dem so genannten Ertragsanteil, der Einkommensteuer. Dadurch zahlten viele Rentner keine Einkommensteuer. Pensionäre mussten ihre Altersbezüge hingegen voll versteuern. Das Bundesverfassungsgericht hatte hierin eine nicht zu tolerierende Ungleichbehandlung gesehen und der Gesetzgeber musste reagieren. Seit dem 1. Januar 2005 werden Renten nach und nach höher besteuert, während im Gegenzug die Altersvorsorgeaufwendungen, also die Rentenbeiträge, ebenfalls nach und nach höher steuerlich abgezogen werden dürfen. Voraussichtlich im Jahre 2058 ist diese Übergangsregelung abgeschlossen, das heißt Rentner, die ab 2058 in den Rentenbezug eintreten werden, müssen ihre gesamte Rente versteuern.

Die langjährige Überleitung hin zu einer vollen Besteuerung führt aufgrund ihrer Pauschalität mitunter zu ungerechten Ergebnissen. Viele Rentner sind der Ansicht, dass ihre Renten, die sie mehr oder weniger hoch versteuern müssen, zu einem großen Teil aus bereits versteuertem Einkommen stammen. Dadurch würde es zumindest teilweise zu einer Doppelbesteuerung kommen. Insgesamt ist das Verfahren der Überleitung zur vollen Besteuerung aber weder vom Bundesfinanzhof noch vom Bundesverfassungsgericht beanstandet worden. Allerdings könne es im Einzelfall durchaus Fälle einer unzulässigen Doppelbesteuerung geben - so der BFH mit Urteil vom 21.6.2016 (X R 44/14). Eine solche doppelte Besteuerung ist gegeben, wenn die Summe der voraussichtlichen steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse geringer ist als die Summe der aus versteuertem Einkommen aufgebrachten Altersvorsorgeaufwendungen.

Auch zwei Klagen jüngeren Datums blieben weitestgehend erfolglos (BFH-Urteile vom 19.5.2021, X R 33/19 und X R 20/21). Der BFH hält an seiner bisherigen Rechtsprechung zur Rentenbesteuerung fest, nach der die gesetzlichen Übergangsregelungen im Grundsatz verfassungskonform sind. Zwar könne es im konkreten Einzelfall zu einer doppelten Besteuerung von Renten kommen. Diese habe aber in den Urteilsfällen (noch) nicht vorgelegen. Eine doppelte Besteuerung wird vermieden, wenn die Summe der voraussichtlich steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse (kurz: steuerfreier Rentenbezug) mindestens ebenso hoch ist wie die Summe der aus dem bereits versteuerten Einkommen aufgebrachten Rentenversicherungsbeiträge. Angesichts der noch recht hohen Rentenfreibeträge der betroffenen Jahrgänge habe sich in den jeweiligen Fällen folglich keine doppelte Besteuerung ergeben.

Die unterlegenen Kläger hatten gegen die beiden Entscheidungen des BFH Verfassungsbeschwerde eingelegt. Und die Finanzverwaltung hatte sich nach einigem Zögern durchringen können, betroffene Steuerbescheide hinsichtlich des streitigen Punktes vorläufig ergehen zu lassen (BMF-Schreiben vom 30.8.2021, BStBl 2021 I S. 1042). Doch wie erwähnt hat das Bundesverfassungsgericht die beiden Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen. Damit ist wahrscheinlich, dass die Vorläufigkeitsvermerke in den Einkommensteuerbescheiden bald aufgehoben werden bzw. in aktuellen Bescheiden nicht mehr erfolgen. Sofern Einsprüche eingelegt wurden, werden die Einspruchsführer wohl bald gebeten, diese zurückzunehmen oder die Einsprüche werden gleich per Allgemeinverfügung zurückgewiesen.

Praxistipp:
Letztlich bleibt Rentnern, die eine mögliche Doppelbesteuerung prüfen möchten, nichts anderes übrig, als diese im Einzelfall zu berechnen. Vor allem aber - und das ist besonders misslich - hatte der BFH darauf hingewiesen, dass die Beweislast für eine eventuelle Doppelbesteuerung bei den Steuerbürgern liegt. Dazu müssen nach Möglichkeit alle Steuerbescheide der letzten Jahre bzw. Jahrzehnte, Rentenverläufe und detaillierte Berechnungen vorgelegt werden - die Hürden und der Aufwand sind also enorm hoch.

Praxistipp:
Von einer Doppelbesteuerung betroffen sein könnten zum Beispiel Freiberufler, die über mehrere Jahre freiwillig hohe Beiträge (oberhalb des jeweiligen Höchstsatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung) in ihr Versorgungswerk einbezahlt haben, ohne von der so genannten Öffnungsklausel profitiert zu haben. Auch können Personen betroffen sein, die nach einer Scheidung einmalig einen hohen Beitrag in die Rentenversicherung bzw. ins Versorgungswerk eingezahlt haben, um ihren Rentenanspruch wieder aufzufüllen. Auch wenn ein Steuerpflichtiger einige Jahren im Ausland gearbeitet hat, nunmehr seine Rente aber in Deutschland versteuern muss, könnte die Prüfung einer eventuellen Übermaßbesteuerung empfehlenswert sein.

Praxistipp:
Zwar blieb den Klägern in den oben genannten Fällen der Erfolg verwehrt, doch zumindest haben sie einen Sieg für künftige Rentnerjahrgänge errungen. Einerseits werden Altersvorsorgeaufwendungen bereits seit 2023 und nicht erst ab 2025 - im Rahmen der Höchstbeträge - als Sonderausgaben mit 100 Prozent berücksichtigt. Zudem werden die Besteuerungsanteile der Renten, der Versorgungsfreibetrag und der Altersentlastungsbetrag angepasst. Nicht erst in 2040, sondern erst in 2058 soll der Besteuerungsanteil von Renten bei 100 Prozent liegen.
gepostet: 11.03.2024
Stipendien: Leistungen aus Heisenberg-Stipendium können steuerfrei sein
Stipendien sind unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei (§ 3 Nr. 44 EStG). So darf das Stipendium einen für die Erfüllung der Forschungsaufgabe oder für die Bestreitung des Lebensunterhalts und die Deckung des Ausbildungsbedarfs erforderlichen Betrag nicht übersteigen. Zudem darf der Empfänger im Zusammenhang mit dem Stipendium nicht zu einer bestimmten wissenschaftlichen oder künstlerischen Gegenleistung oder zu einer bestimmten Arbeitnehmertätigkeit verpflichtet sein. Die Finanzverwaltung will Leistungen aus dem "Heisenberg-Programm" nicht nach § 3 Nr. 44 EStG begünstigen, da es ihrer Ansicht nach den "erforderlichen Betrag" übersteigt (OFD Frankfurt/M., Verfügung vom 9.4.2019, S 2121 A - 013 - St 231). Dem ist der Bundesfinanzhof nun entgegengetreten (BFH-Beschluss vom 24.10.2023, VIII R 11/22). Nach Auffassung des BFH hat das Stipendium im Urteilsfall nicht den für die Erfüllung der Forschungsaufgabe oder für die Bestreitung des Lebensunterhalts erforderlichen Betrag überstiegen. Der erforderliche Betrag bestimme sich nach dem Alter des Stipendiaten, der akademischen Vorbildung sowie den nach der Verkehrsauffassung erforderlichen typischen Lebenshaltungskosten in der konkreten sozialen Situation. Für die Einhaltung dieser Bedingung sei es ein gewichtiges Indiz, wenn das Stipendium zuvor bezogene und nunmehr ausfallende Einnahmen nicht wesentlich übertrifft. Dies sei im Vergleich zu dem vorherigen Einkommen als Universitätslehrer nicht der Fall gewesen. Auch die weitere Bedingung sei erfüllt, da der Stipendiat im Zusammenhang mit dem Stipendium nicht zu einer bestimmten wissenschaftlichen Gegenleistung verpflichtet war. Zwar oblag ihm, über seine Forschungen zu berichten und etwaige Ergebnisse zu veröffentlichen. Eine "bestimmte wissenschaftliche" Gegenleistung hatte er damit aber nicht zu erbringen. Vielmehr war er in der Wahl des Forschungsthemas weitgehend und in dessen Bearbeitung völlig frei. Auch zu einer Lehrtätigkeit sei er gegenüber der Deutschen Forschungsgemeinschaft nicht verpflichtet.
gepostet: 09.03.2024
Grundstücksverkauf: Teilverkauf des Gartens kann Steuerpflicht auslösen
Wer eine Immobilie innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb wieder verkauft, muss einen eventuellen Veräußerungsgewinn versteuern. Steuerfrei bleibt - unter bestimmten Voraussetzungen - nur der Verkauf des selbstgenutzten Eigenheims. Was aber gilt, wenn lediglich ein Teil des Grundstücks, auf dem sich das Eigenheim befindet, verkauft wird und das Haus mitsamt des Restgrundstücks weiter selbst genutzt wird? Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass der Teilverkauf eines Grundstücks, hier eines Gartenteils, die so genannte Spekulationsbesteuerung auslöst (BFH-Urteil vom 26.9.2023 IX R 14/22).

Der Sachverhalt: Eheleute erwarben in 2014 ein Einfamilienhaus mitsamt eines sehr großen Grundstücks. Als im Jahre 2018 in der Nachbarschaft gebaut wurde, erkannten die Eheleute, dass auf ihrem Grundstück noch ein weiteres Gebäude errichtet werden könnte. Daraufhin veranlassten sie die Teilung des Grundstücks und veräußerten in 2019 eine Parzelle. Dem Finanzamt gegenüber erläuterten sie, dass sie lediglich einen Teil ihres Gartens des von ihnen selbst genutzten Grundstücks veräußert hätten. Das von ihnen in 2014 angeschaffte Grundstück in dem kleinen Dorf sei von ortsüblicher Größe gewesen. Das Finanzamt und nun auch der BFH waren dennoch der Auffassung, dass ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft (§§ 22, 23 EStG) vorgelegen habe. Dies sei auch dann gegeben, wenn das restliche Grundstück weiterhin zu eigenen Wohnzwecken genutzt werde.

Begründung: Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sind Gewinne aus Grundstücksverkäufen grundsätzlich als privates Veräußerungsgeschäft steuerpflichtig, wenn Erwerb und Verkauf der Immobilie binnen zehn Jahren stattfinden. Eine Ausnahme von der Besteuerung ist nur dann gegeben, wenn die Immobilie vom Steuerpflichtigen selbst bewohnt wird. Mangels eines auf dem Grundstück befindlichen Gebäudes können unbebaute Grundstücke nicht bewohnt werden. Dies gilt auch, wenn ein vorher als Garten genutzter Grundstücksteil abgetrennt und dann veräußert wird. Ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen dem zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäude und dem dazugehörenden Grund und Boden entfällt, soweit von dem bisher ungeteilten Wohngrundstück ein (unbebauter) Teil abgetrennt wird. Die beiden dadurch entstandenen Grundstücke sind in Bezug auf ihre "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ jeweils getrennt zu betrachten.
gepostet: 07.03.2024
Termingeschäfte: Beschränkung der Verlustverrechnung könnte unzulässig sein
Verluste aus Termingeschäften, insbesondere aus dem Verfall von Optionen, dürfen nur mit Gewinnen aus Termingeschäften und mit Erträgen aus Stillhaltergeschäften ausgeglichen werden. Dabei ist die Verlustverrechnung beschränkt auf 20.000 Euro. Nicht verrechnete Verluste können auf Folgejahre vorgetragen werden und jeweils in Höhe von 20.000 Euro mit Gewinnen aus Termingeschäften oder Stillhalterprämien verrechnet werden, wenn nach der unterjährigen Verlustverrechnung ein verrechenbarer Gewinn verbleibt. Verluste aus Termingeschäften können nicht mit anderen Kapitalerträgen oder gar anderen Einkünften verrechnet werden (§ 20 Abs. 6 Satz 5 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2020). Die Beschränkung gilt seit dem 1.1.2021.

Nun hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz in einem Aussetzungsverfahren Bedenken gegen die betragsmäßige Beschränkung der Verlustverrechnung geäußert (Beschluss vom 05.12.2023, 1 V 1674/23). Der Sachverhalt: Der Antragsteller erklärte in 2021 Kapitalerträge aus Termingeschäften in Höhe von 250.631 Euro und Verluste aus gleichartigen Geschäften in Höhe von 227.289 Euro. Das Finanzamt verrechnete die laufenden Verluste aus Termingeschäften nur in Höhe des gesetzlichen Höchstbetrags von 20.000 Euro mit Gewinnen aus Termingeschäften. Die noch nicht verrechneten laufenden Verluste in Höhe von 207.289 Euro wurden in der Verlustfeststellung berücksichtigt. Gegen den Bescheid legte der Antragsteller Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Er machte Einwände gegen die Beschränkung der Verrechnung von Gewinnen und Verlusten aus Termingeschäften geltend. Er wies darauf hin, dass vom Bundesverfassungsgericht derzeit ohnehin geprüft werde, ob die Beschränkung der Verlustverrechnung für Aktienverluste rechtens ist (2 BvL 3/21). Die Entscheidung werde richtungsweisend auch für die Verrechnung von Verlusten aus anderen Kapitalanlagen sein.

Das FG gab dem AdV-Antrag statt, da es ernstliche Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der betragsmäßig beschränkten Verlustverrechnung gemäß § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG habe. Die Verlustverrechnungsbeschränkung gehe mit der Gefahr einher, dass eine Verlustberücksichtigung faktisch ganz ausgeschlossen sein kann. Im Streitfall bräuchten die Antragsteller für die Verrechnung des gesondert festgestellten Verlustes in Höhe von 207.289 Euro bereits jetzt schon über zehn Gewinnjahre, um die Verluste auszugleichen.

Praxistipp:
Die Entscheidung in der Hauptsache bleibt abzuwarten. Möglicherweise wird das FG erst endgültig entscheiden, wenn das Bundesverfassungsgericht zur Verrechnung von Aktienverlusten geurteilt hat. Im AdV-Verfahren selbst hat das unterlegene Finanzamt Beschwerde beim Bundesfinanzhof eingelegt (Az. VIII B 113/23).
gepostet: 05.03.2024
Spenden: Förderung des demokratischen Staatswesens gemeinnützig
Bei Vereinen, die politische Zwecke verfolgen, steht oftmals die Gemeinnützigkeit in Frage. Am bekanntesten ist wohl der Rechtsstreit um die Organisation Attac, der nach dem BFH-Urteil vom 10.10.2019 (V R 60/17) auch das Bundesverfassungsgericht beschäftigt (1 BvR 697/21). Der Attac-Organisation wurde seinerzeit die Gemeinnützigkeit aberkannt, denn es gehe ihr nicht um politische Bildung, sondern um die Durchsetzung eigener politischer Vorstellungen. Bezüglich des Vereins innn.it hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hingegen kürzlich entschieden, dass dieser gemeinnützig tätig ist (Urteil vom 14.11.2023, 8 K 8198/22). Der Sachverhalt: Die Petitions- und Kampagnenplattform innn.it (e.V.) betreibt eine Online-Plattform, über die die Nutzer eigene Kampagnen jeglicher Art veröffentlichen können ("Online-Petition"). In 2019 hatte der Verein seine Steuererklärung für die Jahre 2016 und 2017 eingereicht. Das Finanzamt verweigerte dem Verein zwar die Anerkennung der Gemeinnützigkeit. Die hiergegen gerichtete Klage hatte jedoch Erfolg. Allerdings wurde die Revision zugelassen, die beim Bundesfinanzhof bereits unter dem Az. V R 28/23 vorliegt.

Die "allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens" ist ein förderwürdiger Zweck. Nach Auffassung des Gerichts muss sich der Begriff aus grundrechtlich verbürgten Prinzipien, Rechten und Werten ableiten lassen. Dazu gehört insbesondere die Förderung der Ausübung der grundgesetzlich verbürgten Grundrechte, wie im Streitfall der Meinungsfreiheit, sowie der Förderung allgemeiner demokratischer Teilhabe, die sich aus dem Demokratieprinzip ergibt. Das demokratische Prinzip bedingt nicht nur die Parteien- und Wahldemokratie, sondern erfordert generell den aufgeklärten Bürger. Demokratie ist ohne Meinungs- und Versammlungsfreiheit nicht denkbar. Damit fördert der Kläger das demokratische Staatswesen in seinem Kernbereich. Im Umkehrschluss führt die auf den Kernbereich zielende Förderung dazu, dass die einzelne Tätigkeit nicht zwingend messbare Erfolge aufweisen muss; die Förderung der Einzelnen und deren Erfahrungen im demokratischen Prozess genügt.
gepostet: 03.03.2024
Firmenwagen: Auch digitales Fahrtenbuch immer zeitnah führen
Für einen Firmen-Pkw, der zum Betriebsvermögen gehört, muss grundsätzlich ein Privatanteil versteuert werden, der sich entweder nach der so genannten Ein-Prozent-Regelung oder aber nach der Fahrtenbuchmethode ermittelt. Wer ein Fahrtenbuch führt, muss die Eintragungen zeitnah vornehmen. Dies gilt auch für ein elektronisches Fahrtenbuch. Zudem dürfen die Daten in einem elektronischen Fahrtenbuch programmtechnisch nicht änderbar sein. Zumindest müssen Änderungen protokolliert werden; dieses Änderungsprotokoll darf sich aber nicht in "Unterdateien verstecken", sondern muss augenscheinlich sein (FG Düsseldorf, Urteil vom 24.11.2023, 3 K 1887/22 H(L)).

Der Sachverhalt: Der Kläger führte für seine Firmenwagen jeweils elektronische Fahrtenbücher. In der damaligen Konformitätserklärung des Herstellers hieß es, dass dessen Software bei ordnungsgemäßer Anwendung die an ein elektronisches Fahrtenbuch zu stellenden gesetzlichen Anforderungen erfülle. Allerdings erlaubte es das Programm, dass Fahrten bis zum monatlichen Abschluss geändert oder gelöscht werden konnten. Erst nach dem Abschluss waren nachträgliche Änderungen technisch ausgeschlossen. Immerhin wurden die Änderungen, die bis zum Abschluss vorgenommen wurden, in einer internen Datei protokolliert. Der Kläger notierte die durchgeführten Fahrten zunächst auf einem Zettel. Erst jeweils nach den Tankvorgängen, die mitunter einige Wochen auseinanderlagen, gab er die Daten dann neben des Kostenbelegs in das elektronische Fahrtenbuch ein. Am Monatsende wurde das Fahrtenbuch abgeschlossen, ausgedruckt und archiviert. Das Finanzamt kam zu dem Schluss, dass das Fahrtenbuch nicht ordnungsgemäß sei, da die Eintragungen nicht zeitnah erfolgt seien, sondern eine Aktualisierung nur im drei- bis sechswöchigen Rhythmus erfolgt sei. Das Fahrtenbuch sei deshalb zu verwerfen und der geldwerte Vorteil sei unter Anwendung der Ein-Prozent-Regelung zu ermitteln. Die hiergegen gerichtete Klage wurde abgewiesen.

Begründung: Ein digitales Fahrtenbuch ist nur dann ordnungsgemäß, wenn nachträgliche Veränderungen von eingegebenen Daten programmtechnisch ausgeschlossen sind oder Änderungen dokumentiert werden. Diese Dokumentation muss aber bereits bei gewöhnlicher Einsichtnahme in das elektronische Fahrtenbuch erkennbar sein. Die im Streitfall geführten elektronischen Fahrtenbücher erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Denn es wurde zur Erstellung der Fahrtenbücher ein Programm verwendet, das nachträgliche Änderungen zulässt, ohne diese Änderungen im Fahrtenbuch selbst offenzulegen. Reine Protokolldateien reichen für augenscheinliche Dokumentationszwecke nicht aus. Die Fahrtenbücher wurden auch nicht zeitnah geführt. Eine zeitnahe Führung liegt vor, wenn der Nutzer des Fahrzeugs die Eintragungen im Anschluss an die betreffenden Fahrten vornimmt. Der Kläger hat aber eingeräumt, dass die Eintragungen in das Fahrtenbuch gebündelt - erst nach jedem Tankvorgang - vorgenommen und die Fahrten in der Zwischenzeit lediglich auf Notizzetteln festgehalten worden seien. Die gebündelte Eintragung der Fahrten mehrerer Tage bzw. sogar Wochen wird nicht den an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch zu stellenden Anforderungen gerecht.

Praxistipp:
Sofern elektronische Fahrtenbücher genutzt werden, in denen die Fahrten (Bewegungsdaten) automatisch per GPS erfasst werden, müssen fehlende Angaben - insbesondere der Fahrtanlass - auch hier zeitnah nachgetragen werden, und zwar innerhalb eines Zeitraums von bis zu sieben Kalendertagen nach Abschluss der jeweiligen Fahrt (BMF-Schreiben vom 4.4.2018, BStBl 2018 I S. 592).
gepostet: 01.03.2024
Februar 2024
Außergewöhnliche Belastungen: Kosten der Unterbringung in einer Pflege-WG
Aufwendungen für die Unterbringung in einem Pflegeheim wegen Pflegebedürftigkeit, Behinderung oder Krankheit sind wie Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG absetzbar, wobei eine Haushaltsersparnis und eine zumutbare Belastung gegengerechnet werden. Falls Heimkosten als außergewöhnliche Belastungen abgesetzt werden, darf allerdings der Behinderten-Pauschbetrag nicht in Anspruch genommen werden. Nun hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass auch die Aufwendungen für die Unterbringung in einer Pflege-Wohngemeinschaft als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind (BFH-Urteil vom 10.8.2023, VI R 40/20). Der Sachverhalt: Der 1965 geborene Kläger ist aufgrund eines Unfalls schwerbehindert. Er ist von der Pflegekasse in Pflegegrad 4 eingestuft worden. Der Kläger machte in seiner Einkommensteuererklärung Miet- und Verpflegungskosten für seine Unterbringung in einer Pflege-WG als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung der Aufwendungen ab. Der Kläger sei nicht in einem Heim, sondern in einer Wohngemeinschaft mit Betreuungsleistungen i.S. des § 24 Wohn- und Teilhabegesetz NRW (WTG NW) untergebracht. Dieser Ansicht folgte der BFH nicht und berücksichtigte die Kosten abzüglich einer Haushaltsersparnis und der zumutbaren Belastung als außergewöhnliche Belastungen. Der Behinderten-Pauschbetrag konnte allerdings nicht zusätzlich gewährt werden.

Begründung: Aufwendungen sind als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, wenn sie mit einer Krankheit und der zu ihrer Heilung oder Linderung notwendigen Behandlung in einem adäquaten Zusammenhang stehen und nicht außerhalb des Üblichen liegen. Entsprechendes gilt, wenn der Steuerpflichtige behinderungsbedingt in einer dafür vorgesehenen Einrichtung untergebracht ist. Für den Abzug der Unterbringungskosten in einer Wohngemeinschaft mit (ambulanten) Betreuungsleistungen macht es keinen Unterschied, ob es sich hierbei um eine anbieterverantwortete Wohngemeinschaft oder um eine selbstverantwortete Wohngemeinschaft handelt. Denn beide Wohngemeinschaften dienen nicht anders als ein "Heim" oder eine Einrichtung mit umfassendem Leistungsangebot zuvörderst dem Zweck, ältere oder pflegebedürftige Menschen oder Menschen mit Behinderung aufzunehmen und ihnen Wohnraum zu überlassen, in dem die notwendigen Betreuungs-, Pflege- und Versorgungsleistungen erbracht werden.
gepostet: 29.02.2024
Gewerbesteuer: Hinzurechnung von Aufwendungen für Ferienimmobilien
Nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG wird dem Gewinn aus Gewerbebetrieb u.a. ein Viertel aus der Hälfte der Mietzinsen für die Benutzung der unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, hinzugerechnet. Gerade im Bereich der Reisebranche kommt es immer wieder zum Streit über die Frage, ob eine Hinzurechnung von Entgelten zu erfolgen hat. So hatte der Bundesfinanzhof im Jahre 2019 zugunsten der Steuerpflichtigen entschieden: Entgelte, die ein Reiseveranstalter an Hoteliers für die Überlassung von Hotelzimmern bezahlt, unterliegen nicht der gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnung (BFH-Urteil vom 25.7.2019, III R 22/16). Aktuell musste der BFH zur Hinzurechnung von Aufwendungen für Ferienimmobilien entscheiden. Sein Urteil lautet: Aufwendungen, die ein Ferienimmobilienanbieter tätigt, damit ihm die Eigentümer von Ferienimmobilien diese zur Vermietung an Reisende überlassen, können als Mieten zu qualifizieren sein und zu einer gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnung zum Gewinn führen.

Das Unternehmen X bot Reisenden Ferienimmobilien über Kataloge, eine Internet-Plattform und über Vermittler, wie zum Beispiel Reisebüros, an. Mit seinen Reisekunden schloss X in eigenem Namen, aber für eigene Rechnung Ferienhaus- bzw. Ferienwohnungsverträge zu einem Gesamtpreis ab, in dem der an den jeweiligen Eigentümer der Immobile zu zahlende Preis und ein Aufschlag (Marge) für X enthalten war. Das Finanzamt kam zu dem Ergebnis, dass es sich bei den von X an die Eigentümer der Objekte gezahlten Entgelten um Mieten gehandelt habe, die dem Gewinn aus Gewerbebetrieb nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG hinzuzurechnen seien. Das Finanzgericht wies die dagegen gerichtete Klage zurück. Der BFH hielt die Revision der Klägerin für unbegründet.

Für eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG müsse der Nutzungsvertrag seinem wesentlichen rechtlichen Gehalt nach ein Mietverhältnis im Sinne des bürgerlichen Rechts sein. Dies war im Streitfall gegeben, da die Hauptleistungspflicht der Eigentümer in der Gebrauchsüberlassung der Ferienimmobilien und die Hauptleistungspflicht der X in der Zahlung eines Mietzinses bestand. Zwar könne ein Ferienimmobilienanbieter auch bloß als Vermittler zwischen den Eigentümern und den Reisenden tätig werden. X war jedoch keine Vermittlerin, da sie eine Vielzahl von Objekten im eigenen Namen anbot, ohne auf den jeweiligen Eigentümer des Ferienobjekts hinzuweisen. Zudem hatte X gegen die Ferienimmobilienanbieter keine Provisionsansprüche, sondern musste umgekehrt den Eigentümern Entgelte für die Überlassung der Objekte bezahlen (Quelle: Mitteilung des BFH vom 26.10.2023).
gepostet: 27.02.2024
Kuchenverkauf an Schulen und Kitas: Es fällt weiterhin keine Umsatzsteuer an
Aufgrund EU-rechtlicher Vorgaben muss die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand in Deutschland neu geregelt werden. Das heißt: Leistungen, die durch die öffentliche Hand - folglich auch durch Schulen und Kitas - erbracht werden, unterliegen der Umsatzsteuer, wenn sich die jeweiligen Institutionen in Wettbewerb zur Privatwirtschaft begeben. Originär hoheitliche Tätigkeiten - etwa die Ausstellung von Personalausweisen - bleiben jedoch unbesteuert. Diese Neuregelung gilt zwar bereits seit einigen Jahren, doch es gab coronabedingt immer wieder Übergangsregelungen. Auch wenn es Bestrebungen gibt, die Übergangsregelungen zu verlängern, muss aus heutiger Sicht damit gerechnet werden, dass sie Ende 2024 auslaufen.

Es ist vielfach nachgefragt worden, ob künftig beispielsweise auch der Kuchenverkauf an Schulen besteuert werden muss. Im Rahmen eines Pressemitteilung vom 28.12.2023 gibt das Finanzministerium Nordrhein-Westfalen aber Entwarnung. Danach gilt: Ein Verkauf durch wechselnde Schülergruppen bzw. Klassen, Elterninitiativen oder die Schülervertretungen ist auch künftig nicht umsatzsteuerpflichtig, wenn die Leistungen nicht der Schulträgerkommune zugerechnet werden, sondern der jeweiligen Schülergruppe oder Elterninitiative. Dies ist der Fall, wenn diese nach außen zum Beispiel auf Aushängen, Plakaten und Handzetteln oder mittels elektronischer Medien auftritt und insoweit neben der Schule als selbständiges unternehmerfähiges Gebilde anzusehen ist.

Eine solche unbürokratische und einfache Handhabe lag insbesondere im Interesse der Schulen und Schulträger, nachdem verschärfte gesetzliche Vorgaben für die Besteuerung der öffentlichen Hand im gesamten Bundesgebiet spätestens ab 2025 flächendeckend gelten. Für den Kuchenverkauf im Rahmen von Schulfesten fällt somit in aller Regel keine Umsatzsteuer an, da die einzelne Schülergruppe oder Elterninitiative nicht nachhaltig tätig wird und damit nicht als Unternehmer anzusehen ist. Diese Regel gilt auch für andere gelegentliche Verkäufe von Schülern oder Eltern wie zum Beispiel für den Pizzaverkauf. Auch Eintrittsgelder für Aufführungen von Schülergruppen in Schulen wie der Theater-AG oder des Schulchors unterliegen in diesen Fällen nicht der Umsatzsteuer. Damit ändert sich an Schulen nichts an der bestehenden Praxis. Die Regelung gilt auch für Kindertagesstätten oder andere Bildungseinrichtungen. Ausnahmen gelten nur, wenn die entsprechende Gruppe regelmäßig und nachhaltig, z.B. wöchentlich, solche Veranstaltungen durchführt. Allerdings entsteht auch in diesen Fällen keine Umsatzsteuer, wenn die Einnahmen im vorangegangenen Jahr weniger als 22.000 Euro betragen haben und im laufenden Jahr voraussichtlich 50.000 Euro nicht übersteigen werden.

Praxistipp:
In ähnlicher Weise hat sich kürzlich das Finanzministerium Baden-Württemberg geäußert, so dass wohl davon ausgegangen werden kann, dass die Haltung bundeseinheitlich abgestimmt ist. Das Bayerische Landesamt für Steuern hat im Übrigen zur Tätigkeit von Elternbeiräten Stellung genommen (Erlass vom 21.12.2023, S 7107.2.1-37/20 St33). Danach stellen die klassischen Elternbeiratstätigkeiten (z.B. Verkauf von gespendeten Kuchen auf einem Sommerfest; Durchführung einer Tombola auf der Abschlussfeier) grundsätzlich keine umsatzsteuerlich relevanten Tätigkeiten dar, da regelmäßig für sich genommen keine nachhaltige Tätigkeit vorliegt.
gepostet: 25.02.2024
Aufstiegs-BAföG: Minderung der Werbungskosten im "Entstehungsjahr"
Das Aufstiegs-BAföG, auch bekannt als Meister-BAföG, umfasst Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt werden müssen, sowie die Möglichkeit, ein zinsgünstiges Darlehen bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zu erhalten. Die Zuschüsse sind gemäß § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei, mindern aber die abziehbaren Werbungskosten, insbesondere die Lehrgangsgebühren für den Meisterkurs. Dies wiederum ergibt sich aus § 3c Abs. 1 EStG, in dem es heißt: "Ausgaben dürfen, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden ...". Doch angenommen, ein Zuschuss wird im Januar für die Lehrgangsgebühr des Vorjahres gezahlt, so stellt sich die Frage, in welchem Jahr der Zuschuss eigentlich die Werbungskosten mindert. Das Niedersächsische Finanzgericht hat diesbezüglich entschieden, dass der Zuschuss in dem Jahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit die Werbungskosten mindert. Das heißt, es werden diejenigen Werbungskosten, für die der Zuschuss geleistet worden ist, gekürzt. Auf das Jahr des Zuflusses kommt es nicht an (Niedersächsisches FG, Urteil vom 20.9.2023, 4 K 20/23, Revision zugelassen).

Praxistipp:
Vom Aufstiegs-BAföG zu unterscheiden ist der so genannte Meisterbonus für bestandene Meisterprüfungen und gleichgestellte Weiterbildungsabschlüsse. Er wird oder wurde in einigen Bundesländern gezahlt. Das Finanzgericht München hat entschieden, dass die als Werbungskosten abzugsfähigen Fortbildungskosten für die Meisterprüfung nicht um den ausgezahlten Meisterbonus gekürzt werden müssen (FG München, Urteil vom 30.5.2016, 15 K 474/16). Die Finanzverwaltung akzeptiert die Entscheidung und belässt den Meisterbonus nicht nur steuerfrei, sondern beim Werbungskostenabzug auch anrechnungsfrei (Bayerisches Landesamt für Steuern, Verfügung vom 6.7.2016, S 2324.2.1-262/6 St32).

Praxistipp:
Mit einer anderen Frage muss sich der Bundesfinanzhof in dem Verfahren mit dem Az. VI R 9/21 befassen: Welche steuerlichen Auswirkungen ergeben sich, wenn ein Darlehen nach erfolgreichem Bestehen der Prüfung teilweise erlassen wird (gemäß § 13b Abs. 1 AFBG)? Das Niedersächsische FG hat entschieden, dass der Darlehenserlass keine Einnahme ist und deshalb steuerfrei bleibt (Urteil vom 31.3.2021,14 K 47/20). Das FG sah auch keine Umqualifizierung des Darlehens in einen Zuschuss, so dass offenbar nicht einmal eine Minderung der Werbungskosten anzunehmen war.
gepostet: 23.02.2024
Splittingtarif bei gleichgeschlechtlicher Ehe: Wichtiges Urteil für "Altjahre"
Bis zum 31.12.2020 konnten Ehepaare, die ihre Lebenspartnerschaft in eine Ehe umgewandelt hatten, die Zusammenveranlagung beantragen - und zwar rückwirkend bis zum Beginn der eingetragenen Lebenspartnerschaft. Dies war auch dann möglich, wenn die Steuerbescheide bereits bestandskräftig waren. Voraussetzung war aber, dass die eingetragene Lebenspartnerschaft bis zum 31.12.2019 in eine Ehe umgewandelt wurde. Der Vorteil der Zusammenveranlagung liegt in der Gewährung des so genannten Splittingtarifs, der insbesondere Paare mit unterschiedlich hohen Einkünften begünstigt. Was aber gilt, wenn die Lebenspartnerschaft erst nach dem 31.12.2019 in eine Ehe umgewandelt wurde? Das Finanzgericht Sachsen hat hierzu entschieden, dass die rückwirkende Zusammenveranlagung ab Begründung der Lebenspartnerschaft auch dann möglich ist, wenn die Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe erst nach dem 31.12.2019 beantragt wurde (Sächsisches FG, Urteil vom 13.6.2023, 2 K 209/23). Der Sachverhalt: Zwei Frauen leben seit dem 5.8.2006 in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Am 8.5.2020 gaben sie eine Erklärung dazu ab, dass die Lebenspartnerschaft in eine Ehe überführt werden soll. Die bisher getrennt veranlagten Frauen beantragten am 14.7.2020 beim Finanzamt, sie für die Jahr 2006 bis 2009 rückwirkend gemeinsam zu veranlagen. Das Finanzamt lehnte dies unter Verweis auf die genannte Frist zur Umwandlung (31.12.2019) ab, doch die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich. Nach Auffassung der Richter stellt die Umwandlung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft in eine Ehe ein "rückwirkendes Ereignis" gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar.

Praxistipp:
Gegen das Urteil liegt die Revision beim Bundesfinanzhof unter dem Az. III R 18/23 vor. Das letzte Wort ist also noch nicht gesprochen.
gepostet: 21.02.2024
Dienstreisen ins Ausland: Neue Reisekostensätze ab 1. Januar 2024
Bei einer Auswärtstätigkeit dürfen Arbeitnehmer Verpflegungspauschbeträge als Werbungskosten geltend machen oder vom Arbeitgeber steuerfrei erstattet bekommen. Für Dienstreisen ins Ausland gibt es besondere - länderspezifische - Verpflegungssätze. Zudem dürfen - anders als bei Dienstreisen im Inland - Übernachtungspauschbeträge durch den Arbeitgeber steuerfrei erstattet werden. Auch diese gelten länderspezifisch. Üblicherweise werden die Pauschbeträge von Jahr zu Jahr von der Finanzverwaltung auf ihre Angemessenheit hin überprüft und entsprechend angepasst.

Nunmehr hat das BMF für betrieblich und beruflich veranlasste Auslandsreisen ab 1. Januar 2024 neue Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen und Übernachtungskosten bekanntgegeben. Die aktuellen Sätze sind unter folgendem Link abrufbar:
https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Steuerarten/Lohnsteuer/2023-11-21-steuerliche-behandlung-reisekosten-reisekostenverguetungen-2024.html
gepostet: 19.02.2024
Heimunterbringung: Anzusetzende Haushaltsersparnis erhöht
Aufwendungen für die Unterbringung in einem Pflegeheim sind grundsätzlich als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, wobei eine zumutbare Belastung gegengerechnet wird. Falls im Zuge der Heimunterbringung der eigene Haushalt aufgelöst wird, kürzt das Finanzamt die abzugsfähigen Heimkosten allerdings auch um eine so genannte Haushaltsersparnis. Zum 1.1.2024 wird der Betrag für die anzusetzende Haushaltsersparnis erhöht. Sie beträgt 11.604 Euro im Jahr, 967 Euro pro Monat und 32,23 Euro pro Tag. Die abziehbaren Heimkosten werden nicht um eine Haushaltsersparnis gekürzt, solange der Pflegebedürftige seinen Haushalt beibehält. Dies gilt auch, wenn die Wohnung des Pflegebedürftigen von dessen Ehegatten weiter bewohnt wird (BFH-Urteil vom 4.10.2017, VI R 22/16).

Praxistipp:
Die Höhe der Haushaltsersparnis steht in Relation zum steuerlichen Grundfreibetrag. Es ist denkbar, dass dieser im Laufe des Jahres - rückwirkend zum 1.1.2024 - erhöht wird. Im Gespräch ist eine Erhöhung auf 11.784 Euro. Somit kann sich auch die anzusetzende Haushaltsersparnis noch erhöhen.
gepostet: 17.02.2024
Kinderbetreuungskosten: Frage um Haushaltszugehörigkeit nun beim BVerfG
Kinderbetreuungskosten, darunter fallen auch Kindergartenbeiträge, sind unter bestimmten Voraussetzungen als Sonderausgaben absetzbar, und zwar mit zwei Drittel der Aufwendungen, höchstens 4.000 Euro je Kind (§ 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG). Begünstigt sind Dienstleistungen zur Betreuung eines Kindes, das das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Sonderregelungen gelten für Kinder mit einer Behinderung. Voraussetzung für den Abzug ist unter anderem, dass das Kind zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehört.

Der Bundesfinanzhof hat kürzlich bestätigt, dass es maßgebend auf die Haushaltszugehörigkeit ankommt. § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG verstoße jedenfalls dann nicht gegen das Grundgesetz, wenn die Betreuungsaufwendungen desjenigen Elternteils, der das Kind nicht in seinen Haushalt aufgenommen hat, durch den ihm gewährten Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (BEA-Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG) abgedeckt werden (BFH-Urteil vom 11.5.2023, III R 9/22). Doch ob die Haltung des BFH zutreffend ist, muss nun das Bundesverfassungsgericht entscheiden, denn es liegt die Verfassungsbeschwerde vor. Das Az. lautet 2 BvR 1041/23.

Folgender Sachverhalt liegt dem Verfahren zugrunde: Der Kläger ist Vater einer Tochter und lebt seit 2018 von der Kindesmutter dauernd getrennt. Die gemeinsame Tochter hat ihren ausschließlichen Wohnsitz bei der Mutter und gehörte im Veranlagungsjahr 2020 nicht zum Haushalt des Klägers. Die Tochter besuchte im Veranlagungsjahr einen Kindergarten sowie nach ihrer Einschulung den Hort einer Grundschule. Für den Besuch des Kindergartens zahlte die Kindesmutter jährlich 250 Euro und für den Besuch des Schulhorts jährlich 348 Euro. Der Kläger erstattete der Kindesmutter jeweils monatlich den hälftigen Betrag. Er beantragte für 2020 die Berücksichtigung der von ihm tatsächlich geleisteten Aufwendungen in Höhe von 299 Euro als Sonderausgaben. Das Finanzamt lehnte dies ab, da das Kind während des gesamten Veranlagungszeitraums nicht zum Haushalt des Klägers gehörte. Die hiergegen gerichtete Klage und auch die Revision blieben erfolglos, doch der Streit um die Frage der Haushaltszugehörigkeit geht nun in die nächste Runde.
gepostet: 15.02.2024
Umsatzsteuer: Aufsichtsräte trotz hoher Tantieme keine Unternehmer?
Kurz vor Weihnachten hat der Europäische Gerichtshof ein Urteil gefällt, das zwar zur Tätigkeit von Verwaltungsräten in Luxemburg ergangen ist, aber auch für Aufsichtsratsmitglieder deutscher Kapitalgesellschaften große Bedeutung haben kann. Vereinfacht gesagt gilt nach dem Urteil, dass hohe Tantiemen allein keine Unternehmereigenschaft von Aufsichts- und Verwaltungsräten begründen können und deren Vergütungen mitunter nicht der Umsatzsteuer unterliegen (EuGH-Urteil vom 21.12.2023, C‑288/22).

Zum Hintergrund: Mit Urteil vom 27.11.2019 (V R 23/19, V R 62/17) hatte der BFH entschieden, dass das Mitglied eines Aufsichtsrats nicht als Unternehmer tätig ist, wenn es aufgrund einer nicht variablen Festvergütung kein Vergütungsrisiko trägt. Mit Schreiben vom 8.7.2021 (BStBl 2021 I S. 919) und vom 29.3.2022 (BStBl 2022 I S. 567) hatte das Bundesfinanzministerium die grundsätzliche Anwendung des BFH-Urteils verfügt und folgende Mindestgrenze eingeführt: Besteht die Vergütung des Aufsichtsratsmitglieds sowohl aus festen als auch variablen Bestandteilen, ist es - umsatzsteuerlich - als Unternehmer anzusehen, wenn die variablen Bestandteile im Geschäftsjahr der Gesellschaft mindestens zehn Prozent der gesamten Vergütung, einschließlich erhaltener Aufwandsentschädigungen, betragen.

Der EuGH ist der Ansicht, dass die Partizipation am Gewinn der Gesellschaft nicht mit der Tragung eines eigenen Gewinn- und Verlustrisikos eines Verwaltungsratsmitglieds gleichgesetzt werden kann. Im zugrundeliegenden Fall war der Kläger Mitglied des Verwaltungsrats mehrerer Aktiengesellschaften nach luxemburgischem Recht und nahm in diesem Rahmen unterschiedliche Aufgaben wahr. Diese bestanden insbesondere darin, Berichte von Führungskräften oder Vertretern der betreffenden Gesellschaften entgegenzunehmen, strategische Vorschläge, Entscheidungen der operativen Führungskräfte, Probleme im Zusammenhang mit der Rechnungslegung dieser Gesellschaften und ihrer Tochtergesellschaften sowie die für sie bestehenden Risiken zu erörtern. Gegebenenfalls arbeitete er an der Ausarbeitung der Entscheidungen mit, die anschließend die Vertreter der betreffenden Gesellschaften treffen mussten. Die luxemburgische Finanzverwaltung erließ aufgrund der genannten Tätigkeiten einen Mehrwertsteuerbescheid für das Jahr 2019. Hiergegen wandte sich der Kläger und machte geltend, dass die Tätigkeit als Mitglied des Verwaltungsrats einer Aktiengesellschaft nach luxemburgischem Recht keine wirtschaftliche Tätigkeit darstelle bzw. keine Unternehmereigenschaft begründen könne. Der EuGH tendiert dazu, die Tätigkeit des Klägers - trotz der Tantiemezahlungen - als nichtunternehmerisch einzustufen. Allerdings ist es letztlich Sache des nationalen Gerichts, endgültig zu entscheiden.

Praxistipp:
Es bleibt zwar abzuwarten, wie das nationale Gericht im Luxemburg entscheiden und wie die deutsche Finanzverwaltung auf das Urteil reagieren wird. Es besteht aber Grund zu der Annahme, dass die oben erwähnte Zehn-Prozent-Grenze nicht zu halten sein wird und vielmehr individuell zu prüfen ist, ob das Aufsichtsratsmitglied einer deutschen Aktien- oder einer anderen Kapitalgesellschaft als Unternehmer anzusehen ist oder nicht. Die Höhe der Tantieme ist jedenfalls für sich genommen kein geeignetes Kriterium für diese Prüfung.
gepostet: 14.02.2024
Thesaurierende Investmentfonds: Vorabpauschale führt zur Besteuerung
Zu Beginn des Jahres 2018 ist die Besteuerung von Investmentfonds neu geregelt worden. Unter anderem gibt es nun die so genannte Vorabpauschale für thesaurierende und teilweise thesaurierende Fonds, also Fonds, die ihre Gewinne nicht oder nicht vollständig ausschütten. Diese Vorpauschale führt zu einer gewissen Mindestbesteuerung, das heißt, durch die Vorabpauschale sollen Werterhöhungen des Fonds vorab versteuert und die Verlagerung von Steuerzahlungen in kommende Jahre vermieden werden. Die Vorabpauschale beträgt 70 Prozent des jährlichen Basiszinses der Bundesbank multipliziert mit dem Wert des Fondsanteils zum Jahresbeginn (sog. Basisertrag). Sofern der tatsächliche Wertzuwachs des Fonds im Kalenderjahr geringer ist, wird aber nur dieser angesetzt. Gab es keine Wertsteigerung, erfolgt auch keine Vorabbesteuerung. Zugegebenermaßen ist die Besteuerung von Fonds alles andere als leicht. Für das Jahr 2021 war keine Vorabpauschale zu versteuern. Grund ist, dass bereits der Basiszins für 2021 mit -0,45 Prozent negativ war. Folglich konnte sich rein rechnerisch auch keine steuerpflichtige Vorabpauschale ergeben (BMF-Schreiben vom 6.1.2021, BStBl 2021 I S. 56). Auch für das Jahr 2022 war keine Vorabpauschale zu versteuern, denn der Basiszins war weiterhin negativ (BMF-Schreiben vom 7.1.2022, BStBl 2022 I S. 122).

Zur Vorabpauschale für das Jahr 2023 gilt Folgendes: Der Basiszins vom 2.1.2023 betrug 2,55 Prozent. 70 Prozent des Basiszinssatzes ergeben 1,785 Prozent. Die Vorabpauschale gilt beim Anleger als am ersten Werktag des folgenden Jahres zugeflossen, also am 2.1.2024 (BMF-Schreiben vom 4.1.2023, BStBl 2023 I S. 178).

Zur Vorabpauschale für das Jahr 2024 gilt: Der Basiszins vom 2.1.2024 betrug 2,29 Prozent. 70 Prozent des Basiszinssatzes ergeben 1,603 Prozent. Die Vorabpauschale gilt beim Anleger als am ersten Werktag des folgenden Jahres zugeflossen, also am 2.1.2025 (BMF-Schreiben vom 5.1.2024, IV C 1 -S 1980-1/19/10038 :008).
gepostet: 13.02.2024
Außergewöhnliche Belastungen: Kosten einer Leihmutterschaft nicht abziehbar
Aufwendungen, die ein aus zwei Männern bestehendes Ehepaar für eine in den USA durchgeführte Leihmutterschaft tragen, sind nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar. So lautet ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10.8.2023 (VI R 29/21). Der Sachverhalt: Zwei miteinander verheiratete Männer nahmen die Dienste einer in Kalifornien lebenden Leihmutter in Anspruch. Diese wurde dort in einer Leihmutterklinik künstlich befruchtet, wobei die Eizelle von einer anderen Frau und die Samenzellen von einem der Männer stammten. Das hieraus entstandene Kind lebt seit seiner Geburt bei den Männern in Deutschland. Die Männer machten die im Zusammenhang mit der Leihmutterschaft angefallenen Aufwendungen (Agentur-, Reise-, Beratungs- und Untersuchungskosten sowie Kosten für Nahrungsergänzungsmittel zur Steigerung der Fertilität) in Höhe von ca. 13.000 Euro als außergewöhnliche Belastungen geltend. Dies lehnte das Finanzamt ab, weil eine Leihmutterschaft nach dem Embryonenschutzgesetz in Deutschland verboten sei. Das Finanzgericht Münster hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen; die Revision blieb ohne Erfolg.

Begründung: Die Kosten der Kläger im Zusammenhang mit der Ersatzmutterschaft stellen keine krankheitsbedingten Aufwendungen dar. Denn die ungewollte Kinderlosigkeit der Kläger gründet nicht auf einem regelwidrigen Zustand eines oder beider Partner, sondern auf den biologischen Grenzen der Fortpflanzung. Der Vortrag eines der beiden Kläger, er habe sich unter anderem aufgrund seines starken (unerfüllten) Kinderwunsches eine beginnende psychische Erkrankung abgezeichnet, welche durch eine Ersatzmutterschaft unterbunden/behoben werden könne, erlaube es ebenfalls nicht, die Kosten als zwangsläufig entstandene Krankheitskosten nach § 33 EStG zu berücksichtigen.
gepostet: 11.02.2024
Grundsteuer: Erlassantrag bei Mietausfällen bis 2. April 2024 stellen
Vermieter, die hohe Mietausfälle zu beklagen haben, sollten unbedingt den Stichtag 2. April 2024 beachten: Falls sie bei vermieteten Wohnungen oder Gebäuden im Jahre 2023 ohne eigenes Verschulden erhebliche Mietausfälle erlitten haben, können Vermieter nämlich einen teilweisen Erlass der Grundsteuer beantragen - und zwar bei der zuständigen Gemeindeverwaltung bzw. in Berlin, Hamburg und Bremen (nicht aber Bremerhaven) beim Finanzamt.

Praxistipp:
Bei einer Ertragsminderung von mehr als 50 Prozent beträgt der Grundsteuererlass 25 Prozent, bei einer Ertragsminderung von 100 Prozent gibt es 50 Prozent der Grundsteuer zurück.

Ein Grundsteuererlass kommt aber nicht in Betracht, wenn die Ertragsminderung durch eine Fortschreibung des Einheitswerts berücksichtigt werden kann, etwa wenn ein Gebäude stark beschädigt wurde. In diesen Fällen sollte beim Finanzamt ein Antrag auf Wertfortschreibung des Einheitswerts gestellt werden. Auch bei eigengewerblich genutzten Immobilien ist ein Erlass der Grundsteuer denkbar; maßgebend ist die Minderung der Ausnutzung des Grundstücks. Wer seine Räumlichkeiten also aufgrund der Konjunktur oder bestimmter Maßnahmen nicht im gewohnten Umfang nutzen konnte, sollte einen Antrag auf Grundsteuererlass zumindest in Erwägung ziehen.

Praxistipp:
Betriebsinhaber müssen jedoch zusätzlich darlegen, dass die Einziehung der Grundsteuer nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betriebs unbillig wäre. Dazu sollten sie den Jahresabschluss oder zumindest betriebswirtschaftliche Auswertungen vorlegen können.

Praxistipp:
Eigentlich wäre das Fristende der 31. März 2024, doch aufgrund der Osterfeiertage verschiebt es sich auf den folgenden Werktag.
gepostet: 09.02.2024
Pilotenausbildung: Zwei Urteile zur Frage der Erstausbildung
Aufwendungen für die erste Berufsausbildung sind nur begrenzt bis zu 6.000 Euro als Sonderausgaben absetzbar, es sei denn, die Berufsausbildung erfolgt im Rahmen eines Dienstverhältnisses. Kosten für Bildungsmaßnahmen nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung, also auch für eine Zweitausbildung, sind hingegen in voller Höhe als Werbungskosten abziehbar. Insbesondere bei den teuren Pilotenausbildungen kann diese Differenzierung enorme steuerliche Auswirkungen haben, denn wenn die Pilotenausbildung als erste Berufsausbildung absolviert wird, kommt nur der begrenze Sonderausgabenabzug in Betracht, während diejenigen, die nach einer vorherigen anderen Berufsausbildung zum Piloten ausgebildet werden, einen unbeschränkten Werbungskostenabzug erhalten. Dass diese Differenzierung gerechtfertigt ist, hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt (BVerfG-Beschluss vom 19.11.2019, 2 BvL 22/14 -2 BvL 27/14). Allerdings geht es in einigen Streitfällen heutzutage immer noch um die Frage, was als "richtige" Erstausbildung gilt.

Nach alter Rechtslage wurde als Erstausbildung beispielsweise die Ausbildung zum Rettungssanitäter mit einer Dauer von acht Monaten anerkannt (BFH-Urteil vom 27.10.2011, VI R 52/10). Eine erstmalige Berufsausbildung setze weder ein Berufsausbildungsverhältnis nach dem Berufsbildungsgesetz noch eine bestimmte Ausbildungsdauer voraus. Mit Beginn des Jahres 2015 wurde das Gesetz allerdings geändert und so wird in § 9 Abs. 6 EStG nun verfügt: Eine Berufsausbildung als Erstausbildung liegt nur vor, wenn eine geordnete Ausbildung mit einer Mindestdauer von zwölf Monaten bei vollzeitiger Ausbildung und mit einer Abschlussprüfung durchgeführt wird.

Im vergangenen Jahr hat der Bundesfinanzhof zur alten Rechtslage bis 2014 entschieden, dass eine nur sechswöchige Ausbildung zum Rettungshelfer, die im Rahmen des Zivildienstes absolviert wird, eine ausreichende erstmalige Berufsausbildung darstellt. Die Aufwendungen für eine nachfolgende Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer sind daher als vorweggenommene Werbungskosten abziehbar (BFH-Urteil vom 12.1.2023, VI R 41/20). Zur neuen Rechtslage ab 2015 hat er hingegen geurteilt, dass eine "ordnungsgemäße" Erstausbildung auch dann nicht vorliegt, wenn der angehende Pilot ein 20-monatiges Praktikum absolviert hat und bereits seit mehreren Jahren gewerblich tätig war. Die Kosten der Pilotenausbildung waren daher nur begrenzt als Sonderausgaben abzuziehen (BFH-Urteil vom 15.2.2023, VI R 22/21).
gepostet: 07.02.2024
Umsatzsteuer: Rechtzeitige Steuerberichtung bei Ausfall einer Forderung
Die Umsatzsteuer entsteht bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten (Soll-Versteuerung) bereits mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. Wird das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Leistung aber uneinbringlich, etwa weil der Kunde in Zahlungsschwierigkeiten geraten ist, ist die Steuer zu berichtigen. Dies ist in § 17 des Umsatzsteuergesetzes geregelt. Die Korrekturvorschrift des § 17 UStG ist keine "Kann-", sondern eine "Muss-Vorschrift". Folglich muss der leistende Unternehmer die Steuer exakt in dem Monat oder zumindest in dem Jahr berichtigen, in dem die Uneinbringlichkeit konkret geworden ist. Aber wann ist dieser Zeitpunkt gegeben?

Diesbezüglich hat das Finanzgericht München wie folgt entschieden: Erstellt der Unternehmer nach Durchführung von Baumaßnahmen Schlussrechnungen und leistet der Kunde - trotz erfolgter Abnahme ohne Mängelbeanstandungen - keine Zahlungen auf die Forderungen, so gelten die Schlussforderungen spätestens dann als uneinbringlich, wenn der Kunde nach Ergehen eines für den Unternehmer positiven Grundurteils in der ersten Instanz Rechtsmittel einlegt. Es besteht auch dann kein Wahlrecht für den Zeitpunkt der Berichtigung, wenn in einem Folgejahr vor der Berufungsinstanz ein Vergleich über die Schlussforderungen geschlossen wird (FG München, Urteil vom 27.07.2023, 14 K 2411/21).

Dem Urteil lag - vereinfacht - der folgende Sachverhalt zugrunde: Ein Unternehmer erbrachte Erschließungsleistungen für eine Kommune, die die Zahlungen jedoch verweigerte, obwohl die Schlussabnahme der Arbeiten Mitte 2015 ohne Mängelrügen erfolgte. Der Unternehmer verklagte die Stadt daraufhin, deren Klageerwiderung erfolgte noch in 2015. Der Unternehmer obsiegte vor dem Landgericht im Jahre 2017, doch die Gemeinde ging in die Berufung. Vor dem Oberlandesgericht wurde Mitte 2020 von beiden Parteien ein Vergleich geschlossen. Für das III. Quartal 2020 gab der Unternehmer eine Umsatzsteuer-Voranmeldung ab, in der er negative steuerpflichtige Umsätze erklärte. Diese resultierten aus den entsprechenden Forderungsverlusten. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Minderung der Bemessungsgrundlage nicht in 2020 anzuerkennen sei, da die Schlussforderungen bereits in 2015 uneinbringlich gewesen seien. Anträge auf Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung für 2015 wurden abgelehnt, da insoweit mittlerweile Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Die hiergegen gerichtete Klage wurde zurückgewiesen.

Begründung: Erfolgen bei einem Bauvorhaben trotz erfolgter Abnahme ohne Mängelbeanstandungen keine Zahlungen auf die Forderung, sieht sich der Leistende daher gezwungen, die Forderung gerichtlich geltend zu machen und bestreitet der Leistungsempfänger in der Klageerwiderung die Anspruchsgrundlage für die Forderung substantiiert, so spricht Vieles dafür, dass die Forderung bereits uneinbringlich geworden ist. Spätestens, wenn der Leistungsempfänger nach Ergehen des Grundurteils Rechtsmittel einlegt, ist die Uneinbringlichkeit i.S. des § 17 Abs. 2 UStG gegeben. Schließen der Unternehmer und der Leistungsempfänger in einem Folgejahr vor der Berufungsinstanz einen Vergleich über die Schlussforderungen, so kann in diesem Jahr des Vergleichsabschlusses das Entgelt für die Schlussrechnungen nicht nach § 17 UStG berichtigt werden, wenn es bereits in einem früheren Jahr i.S. des § 17 Abs. 2 UStG uneinbringlich geworden ist; insoweit besteht kein Wahlrecht für den Zeitpunkt der Berichtigung. Das FG sah die Uneinbringlichkeit folglich bereits im Jahr 2015, spätestens aber im Jahr 2017 als gegeben an.

Praxistipp:
Bitte benachrichtigen Sie uns frühzeitig, wenn bei Ihnen ein ähnlich gelagerter Fall gegeben sein sollte bzw. sich - ganz allgemein - die volle oder teilweise Uneinbringlichkeit einer Forderung abzeichnet.
gepostet: 05.02.2024
Trinkgelder: Keine Steuerfreiheit bei außergewöhnlicher Höhe
Freiwillige Trinkgelder, die ein Arbeitnehmer für eine Arbeitsleistung erhält, sind grundsätzlich steuerfrei (§ 3 Nr. 51 EStG). Eine Ausnahme gilt für Trinkgelder in Spielbanken, die in den so genannten Tronc wandern und später ausgezahlt werden. Diese gelten aufgrund der arbeits -und spielbankrechtlichen Besonderheiten als steuerpflichtiger Arbeitslohn (BFH-Urteil vom 18.12.2008, BStBl 2009 II S. 820). Kürzlich hat das Finanzgericht Köln entschieden, dass extrem hohe Zahlungen aber kein steuerfreies Trinkgeld sind, obwohl § 3 Nr. 51 EStG keine betragsmäßige Grenze für die Steuerfreiheit von Trinkgeldern enthält (Urteile vom 14.12.2022, 9 K 2507/20 und 9 K 2814/20).

Ein Unternehmen, das an einer GmbH beteiligt war, zahlte den beiden Prokuristen der GmbH Beträge von 50.000 Euro bzw. rund 1,3 Mio. Euro und bezeichnete die Zahlungen als "Trinkgelder". Die Prokuristen machten im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärungen geltend, dass die Zahlungen als Trinkgelder nach § 3 Nr. 51 EStG steuerfrei seien. Die Beträge seien ihnen im Zusammenhang mit Beteiligungsveräußerungen von einem Dritten freiwillig und ohne einen Rechtsanspruch zusätzlich zu dem von der GmbH als Arbeitgeberin gezahlten Arbeitslohn gewährt worden. Das Finanzamt behandelte die Beträge als steuerpflichtigen Arbeitslohn. Freiwillige Sonderzahlungen konzernverbundener Unternehmen seien keine steuerfreien Trinkgelder. Auch wenn die für das Streitjahr geltende Fassung des Einkommensteuergesetzes keine betragsmäßige Begrenzung mehr enthalte, sei die Höhe der Zahlungen zu berücksichtigen. Der Trinkgeldbegriff werde durch den Trinkgeldempfänger geprägt. Trinkgelder würden traditionell insbesondere Kellnern, unselbstständigen Boten, Friseuren, Fußpflegern, Gepäckträgern und Taxifahrern gewährt. Es handele sich regelmäßig um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in eher niedriger entlohnten Berufen, die solche Zusatzleistungen regelmäßig nur als geringe Beträge erhielten. Geldgeschenke von hohem Wert oder die einem Arbeitsentgelt entsprächen, seien dagegen kein Trinkgeld. Die hiergegen gerichteten Klagen hatten keinen Erfolg.

Die Begründung: Die Zahlungen seien schon aufgrund ihrer Höhe, aber auch mit Blick auf die Gesamtumstände keine steuerfreien Trinkgelder. Auch wenn der Gesetzgeber im Jahr 2002 die damals noch enthaltene Freibetragsgrenze in Höhe von 1.224 Euro abgeschafft habe, habe er nicht beabsichtigt, dem Begriff des Trinkgelds keinerlei betragsmäßige Begrenzung mehr zuzuschreiben. Die Zahlungen überstiegen jedenfalls deutlich den Rahmen dessen, was nach dem allgemeinen Begriffsverständnis als Trinkgeld verstanden werden könne. Die Entscheidungen sind rechtskräftig (Quelle: FG Köln , Pressemitteilung vom 27.11.2023).
gepostet: 04.02.2024
Rechnungstellung an eigene GmbH: Versteuerungszeitpunkt von Honoraren
Viele GmbH-Gesellschafter sind über ihre Gesellschafterstellung hinaus zusätzlich im Rahmen eines Einzelunternehmens tätig und erbringen auch Leistungen an ihre eigene GmbH. Wenn ein solcher Gesellschafter rund um den Jahreswechsel Rechnungen an seine GmbH schreibt, ist zu entscheiden, ob er die entsprechenden Erträge bereits bei Rechnungstellung oder erst bei Vereinnahmung versteuern muss - vorausgesetzt, er selbst ermittelt seinen Gewinn per Einnahmen-Überschussrechnung. Bei beherrschenden Gesellschaftern ist die Antwort eindeutig: Die Versteuerung muss grundsätzlich im Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung, also regelmäßig bereits bei Rechnungstellung, erfolgen. Das ist die so genannte Zuflussfiktion. Denn ein beherrschender Gesellschafter hat es regelmäßig selbst in der Hand, sich geschuldete Beträge auszahlen zu lassen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Anspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist und sich gegen eine zahlungsfähige Gesellschaft richtet.

Schwieriger wird die Antwort bei nicht beherrschenden Gesellschaftern. Eigentlich sind in Rechnung gestellte Honorare erst bei Vereinnahmung zu versteuern, wenn der Gesellschafter seinen Gewinn per Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt. Allerdings muss der Bundesfinanzhof nun klären, ob die oben genannte Zuflussfiktion auch bei einem Minderheitsgesellschafter gilt, wenn sowohl er als auch der Mehrheitsgesellschafter die Rechnungen stets kurz vor dem Jahreswechsel gestellt haben und insofern "gleichgerichtete Interesse" zu unterstellen sind. Die Vorinstanz, das Finanzgericht Rheinland-Pfalz, hat für die Anwendung der Zuflussfiktion plädiert (FG Rheinland-Pfalz, Urteil 11.5.2022, 2 K 1811/17; Az. der Revision: VIII R 16/23).

Der Sachverhalt: A, der Kläger, erzielte mit dem Betrieb eines Ingenieurbüros Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Die Gewinnermittlung erfolgte durch Einnahmen-Überschussrechnung. A war zudem neben B Gesellschafter einer Architekten- und Ingenieurgesellschaft mbH. A hielt 49 Prozent der Geschäftsanteile, B 51 Prozent. Jeweils kurz vor Jahresende stellten A und B an die GmbH Rechnungen über erbrachte Leistungen, die von der GmbH jeweils erst im Folgejahr beglichen wurden. Die GmbH verbuchte die Leistungen der Gesellschafter bereits im Jahr der jeweiligen Rechnungsstellung als Aufwand. A berücksichtigte die Erträge dagegen jeweils erst im Zeitpunkt der Zahlung. Das Finanzamt und auch das Finanzgericht waren der Ansicht, dass die in Rechnung gestellten Beträge bei A nicht etwa im Jahr der Zahlung, sondern bereits mit Fälligkeit im Jahr der Rechnungsstellung gewinnerhöhend zu erfassen seien. Der Zufluss sei in Höhe des Bruttobetrages der Forderung zu fingieren.

Begründung: Der Kläger hielt zwar lediglich 49 Prozent der Gesellschaftsanteile an der GmbH und war damit nicht beherrschender Gesellschafter. Jedoch würden gleichgerichtete Interessen des Klägers und des Mitgesellschafters B vorliegen; so dass der Kläger einem beherrschenden Gesellschafter gleichgestellt werden könne. Denn auch B hat in den Streitjahren kurz vor Jahresende Rechnungen über erbrachte Leistungen an die GmbH gestellt. Bei beiden Gesellschaftern bestehe damit ein übereinstimmendes Interesse an der Bestimmung des Auszahlungszeitpunkts der in Rechnung gestellten Beträge, wobei der Kläger im Zusammenwirken mit dem Mitgesellschafter B die Auszahlung - jedenfalls bei entsprechender Liquidität der Gesellschaft - auch jederzeit hätte herbeiführen können.

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Für die Finanzrichter war es unerheblich, dass die GmbH bei Rechnungstellung nur eingeschränkt liquide war. Das heißt: Sie konnte die Forderungen ihrer Gesellschafter erst erfüllen, nachdem sie die Leistungen ihrerseits an ihre eigenen Kunden weiterberechnet und die Rechnungsbeträge vereinnahmt hatte. Nach Ansicht des FG handelte es sich insoweit jedoch lediglich um vorübergehende Zahlungsschwierigkeiten der Gesellschaft. Eine Ausnahme von der Zuflussfiktion sei daher nicht zu rechtfertigen.
gepostet: 03.02.2024
Außergewöhnliche Belastungen: Zur Übernahme der Pflegekosten für eine Tante
Außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG sind unter Anrechnung einer zumutbaren Eigenbelastung steuerlich abzugsfähig. Voraussetzung für den Abzug ist aber, dass die Aufwendungen zwangsläufig entstehen, weil sich der Steuerpflichtige ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (§ 33 Abs. 2 EStG). Nach Ansicht des Finanzgerichts München sind Aufwendungen, die ein Neffe für die krankheitsbedingte Unterbringung einer vermögenden Tante in einem Pflegeheim übernimmt, aber nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar. Es liegen auch dann keine sittlichen Gründe für die Kostenübernahme vor, wenn die Tante die Eltern des Neffen lange Jahre gepflegt und versorgt hatte (FG München, Urteil vom 25.8.2022, 11 K 812/22).

Der Kläger machte Unterstützungsleistungen an seine Tante geltend, die insbesondere aus Zuzahlungen für ihre Unterbringung in einem Pflegeheim entstanden sind. Ihm seien Aufwendungen aus sittlichen Gründen entstanden, obwohl die Tante wohlhabend gewesen sei. Sie habe nämlich unter Hintanstellung jeglicher eigener Belange beide Eltern des Klägers 15 Jahre lang versorgt und gepflegt, als diese gesundheitlich nicht mehr zu Verrichtungen des täglichen Lebens in der Lage gewesen seien. Es wäre undenkbar gewesen, die Unterstützungsleistungen zu unterlassen, nachdem sich die Tante bis an den Rand der Selbstaufgabe über Jahre um seine Eltern gekümmert hatte. Dennoch erkannte das Finanzamt die Unterstützungsleistungen nicht als außergewöhnliche Belastungen an. Die Klage blieb erfolglos.

Begründung: Liegt ein durch Krankheit veranlasster Aufenthalt in einem Pflegeheim vor, stellen die Aufwendungen für die Heimunterbringung Krankheitskosten dar. Die Unterbringungskosten bzw. das Pauschalentgelt - abzüglich einer Haushaltsersparnis - sind als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Unerheblich ist, ob der Kranke oder Pflegebedürftige die außergewöhnlichen Aufwendungen selbst trägt, oder ob diese ein unterhaltsverpflichteter Dritter übernimmt. Die Kostenübernahme muss aber "zwangsläufig" sein. Im Streitfall liegen keine hinreichenden Gründe vor, die zu einer Zwangsläufigkeit führen. Die Tante des Klägers war zwar krankheitsbedingt in einem Pflegeheim untergebracht. Der Kläger war gegenüber seiner Tante jedoch weder gesetzlich noch vertraglich unterhaltsverpflichtet. Auch sittliche Gründe lagen nicht vor. Zwar ist es verständlich, dass sich der Kläger entschieden hatte, die Unterbringungskosten seiner Tante zu bezahlen. Die Gesellschaft erwarte aber nicht unausweichlich und unabdingbar, dass ein Neffe die Heimkosten seiner vermögenden, aber pflegebedürftigen Tante übernimmt.
gepostet: 01.02.2024
Januar 2024
Zukunftsfinanzierungsgesetz: Höherer Freibetrag für Mitarbeiterbeteiligung
Überlässt der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern verbilligt oder unentgeltlich Vermögensbeteiligungen in Form von Kapitalbeteiligungen oder Darlehensforderungen, ist der geldwerte Vorteil in bestimmter Höhe steuerfrei. Seit dem 1.4.2009 betrug der Steuerfreibetrag zunächst 360 Euro (§ 3 Nr. 39 EStG). Zum 1.7.2021 wurde der Steuerfreibetrag auf 1.440 Euro angehoben (§ 3 Nr. 39 EStG, geändert durch das "Fondsstandortgesetz"). Ab dem 1.1.2024 wird der Steuerfreibetrag für Vermögensbeteiligungen auf 2.000 Euro pro Kalenderjahr erhöht (§ 3 Nr. 39 EStG, geändert durch das "Zukunftsfinanzierungsgesetz").
gepostet: 29.01.2024
Grundsteuer: Erlass nur bei hinreichender "Anstrengung" des Vermieters
Ein Vermieter, der hohe Mietausfälle zu beklagen hat, kann unter bestimmten Voraussetzungen einen teilweisen Erlass der Grundsteuer erlangen. Wichtig ist, dass der Steuerschuldner die Minderung des normalen Rohertrags nicht zu vertreten hat. Diesbezüglich hat das Verwaltungsgericht Koblenz entschieden, dass der Eigentümer einer gewerblichen Immobilie keinen Anspruch auf einen teilweisen Erlass der Grundsteuer hat, wenn er nicht genügend Anstrengungen unternommen hat, um die Immobilie zu vermieten bzw. auszulasten (Urteil vom 17.10. 2023, 5 K 350/23.KO).

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Tenniszentrums, das in 2015 und 2016 nur teilweise wirtschaftlich ausgelastet war. Daher beantragte sie den Erlass der Grundsteuer. Dies lehnte die betroffene Stadt ab. Hiergegen wandte sich die Klägerin zunächst erfolglos mittels Widerspruch und sodann mit ihrer Klage. Sie habe ihre beiden Sporthallen mittels Flyern und regionalen Zeitungsannoncen sowie auf ihrer Homepage und auf Facebook beworben. Seit 2010 habe sie zudem einen Immobilienmakler mit der Vermietung des Objekts beauftragt. Dabei habe sie ein Konzept erwogen, das die Vermietung einer der beiden Hallen zur Nutzung als Lager- und Produktionsflächen, als Lebensmittelmarkt, als Fitnesscenter oder für Veranstaltungen vorgesehen habe. Die Klage hatte keinen Erfolg. Begründung: Es ließen sich im Erlasszeitraum 2015 und 2016 keine hinreichenden Anstrengungen der Klägerin feststellen, das Tenniszentrum einer Vermietung zuzuführen. Die Klägerin habe bereits nicht belegt, mit welchem konkreten Vermittlungsauftrag sie den Makler beauftragt und welche Vermittlungstätigkeiten dieser im Einzelnen wahrgenommen habe. Unklar bleibe zudem, mit welchem Inhalt sie die Hallen in Lokalzeitungen und in anderen Printmedien beworben habe. Auch eine vernommene Zeugin habe keine konkreten Angaben zu den Vermietungsbemühungen der Klägerin machen können. Abgesehen davon, habe die Klägerin das Tenniszentrum nicht in den einschlägigen Suchportalen im Internet angeboten, was sich jedoch gerade bei gewerblich genutzten Immobilien und bei dem von der Klägerin verfolgten Nutzungskonzept aufdränge, um einen überregionalen Interessentenkreis zu erreichen. Dagegen genüge die Bewerbung des Zentrums auf der eigenen Homepage und der eigenen Facebook-Seite wegen deren geringeren Reichweite nicht (Quelle: VG Koblenz, Mitteilung vom 2.11.2023)
gepostet: 27.01.2024
Gesetzgebung: Keine Besteuerung der "Dezemberhilfe 2022"
Zur Abmilderung der hohen Energiekosten wurde Gas- und Fernwärmekunden im Dezember 2022 eine einmalige Soforthilfe gewährt, indem diese von ihren Voraus- oder Abschlagszahlungen für den Monat Dezember 2022 freigestellt wurden. Als "sozialer Ausgleich" sollten diese Hilfen - im Jahre 2023 - versteuert werden. Auf die Besteuerung der Dezemberhilfe für die hohen für Kosten für Erdgas soll nun aber verzichtet werden. Die Regelungen werden mit dem "Kreditzweitmarktförderungsgesetz" ersatzlos gestrichen.
gepostet: 25.01.2024
Gesetzliche Pflegeversicherung: Nachweis berücksichtigungsfähiger Kinder
Zum 1.7.2023 sind die Beitragssätze der gesetzlichen Pflegeversicherung neu geregelt werden. So wurde der allgemeine Beitragssatz um 0,35 Prozentpunkte angehoben und beträgt jetzt 3,40 Prozent. Zudem wurde der Beitragszuschlag für Kinderlose ab dem 23. Lebensjahr um 0,25 Prozentpunkte auf 0,60 Prozent angehoben. Vor allem aber gibt es einen Beitragsabschlag, denn Eltern mit mehr als einem Kind sollen entlastet werden. Für die Berücksichtigung der Abschläge muss die Anzahl der Kinder unter 25 Jahren gegenüber der beitragsabführenden Stelle, das sind insbesondere die Arbeitgeber, nachgewiesen sein, es sei denn, diesen sind die Angaben bereits bekannt. Bei Selbstzahlern ist der Nachweis gegenüber der Pflegekasse zu führen (§ 55 Abs. 3a ff. SGB XI).

Um sowohl die Mitglieder als auch die beitragsabführenden Stellen und die Pflegekassen von Verwaltungsaufwand zu entlasten, sieht das Gesetz vor, dass bis zum 31. März 2025 ein digitales Verfahren zur Erhebung und zum Nachweis der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder entwickelt wird. Damit sollen den beitragsabführenden Stellen sowie den Pflegekassen die Daten zu den berücksichtigungsfähigen Kindern bis spätestens zu diesem Zeitpunkt in digitaler Form zur Verfügung gestellt werden. Vom 1. Juli 2023 bis zum 30. Juni 2025 (Übergangszeitraum) ist ein vereinfachtes Nachweisverfahren vorgesehen. In diesem Zeitraum ist es ausreichend, wenn Mitglieder ihre unter 25-jährigen Kinder der beitragsabführenden Stelle oder der Pflegekasse mitteilen, sofern sie von dieser dazu aufgefordert werden. Auf die Vorlage und Prüfung konkreter Nachweise kann in diesem Fall verzichtet werden. Spätestens bei Ablauf des vereinfachten Verfahrens wird aber geprüft, ob die gemeldeten Kinder tatsächlich berücksichtigungsfähig sind oder waren.

Praxistipp:
Der Nachweis über die Elterneigenschaft und der Nachweis über die Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder sind von der beitragsabführenden Stelle zusammen mit den übrigen Unterlagen, die für die Zahlung der Pflegeversicherungsbeiträge relevant sind, aufzubewahren. Ein Vermerk "als Nachweis hat vorgelegen ...“ ist nicht ausreichend. Der Nachweis ist für die Dauer des Versicherungsverhältnisses zur Pflegeversicherung von der beitragsabführenden Stelle aufzubewahren und darüber hinaus bis zum Ablauf von weiteren vier Kalenderjahren.

Praxistipp:
Der GKV-Spitzenverband hat unter anderem zu der Frage, wie berücksichtigungsfähige Kinder nachgewiesen können, umfassend Stellung bezogen. Die Verlautbarung ist im Internet abrufbar unter folgendem Link: https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/pflegeversicherung/grundprinzipien/2023-07-11_Endfassung_GH_Beitragssatzdifferenzierung_Pflege.pdf
gepostet: 23.01.2024
Organschaft: Wichtiges Urteil zur Umwandlung von Unternehmen
Im Bereich der Körperschaft- und Gewerbesteuer sind häufig so genannte Organschaften erwünscht. Dabei wird eine Tochtergesellschaft, die Organgesellschaft, in das Mutterunterunternehmen, den Organträger, in steuerlicher Hinsicht eingegliedert. Der Vorteil einer solchen Organschaft liegt darin, dass im Ergebnis mehrere Gesellschaften als einziges Steuersubjekt behandelt werden und Verluste im Organkreis ausgeglichen werden können. Während Organschaften im Bereich der Umsatzsteuer bereits durch die tatsächlichen Verhältnisse, das heißt durch die finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung entstehen können, bedarf es für ertragsteuerliche Zwecke neben einer finanziellen Eingliederung auch eines Gewinn- bzw. Ergebnisabführungsvertrages. Der Gewinnabführungsvertrag muss auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt werden.

Aktuell hat der Bundesfinanzhof ein wichtiges Urteil gefällt, das für die steuerliche Organschaft bei der Umwandlung von Unternehmen von Bedeutung ist: Für den Fall der Verschmelzung einer Kapital- auf eine Personengesellschaft tritt der übernehmende Rechtsträger als ("neuer“) Organträger auch dann in die bereits beim übertragenden Rechtsträger (als "alter“ Organträger) erfüllte Voraussetzung einer finanziellen Eingliederung der Organgesellschaft ein, wenn die Umwandlung steuerlich nicht bis zum Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft zurückbezogen wird (BFH-Urteil vom 11.7.2023, I R 21/20).

Im Streitfall bestand ursprünglich zwischen der A-GmbH (Klägerin) als Organgesellschaft und der B-GmbH als Organträgerin eine steuerliche Organschaft. Nachdem die X-OHG im März 2015 sämtliche Anteile der B-GmbH erworben hatte, wurde die B-GmbH im November 2015 mit Rückwirkung zum April 2015 auf die X-OHG verschmolzen. Die Klägerin, deren Wirtschaftsjahr schon im Januar 2015 begonnen hatte, wollte daraufhin für das gesamte Jahr 2015 als Organgesellschaft der X-OHG behandelt werden. Das Finanzamt lehnte dies im Einklang mit der vom Bundesfinanzministerium veröffentlichten Auffassung ab. Aufgrund des zeitlich nachfolgenden Umwandlungsstichtags (April 2015) sei die Voraussetzung der finanziellen Eingliederung der Organgesellschaft in die (neue) Organträgerin (X-OHG) zum Beginn des Wirtschaftsjahres der Klägerin (noch) nicht erfüllt gewesen. Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg.

Der BFH bestätigte die Entscheidung des Finanzgerichts. Maßgebend sei nicht der steuerliche Umwandlungsstichtag, sondern eine spezielle Regelung des Umwandlungssteuergesetzes, die einen umfassenden Eintritt des übernehmenden Rechtsträgers (X-OHG) in die Rechtsstellung des übertragenden Rechtsträgers (B-GmbH) vorsehe (so genannte Fußstapfentheorie). Hierzu gehöre auch die finanzielle Eingliederung der Klägerin in die Organträgerin als Voraussetzung für eine steuerliche Organschaft. Darüber hinaus hat der BFH geklärt, dass über das Bestehen oder Nichtbestehen einer steuerlichen Organschaft für ab dem Jahr 2014 beginnende Zeiträume in einem gesonderten Feststellungsverfahren mit Bindungswirkung für das Besteuerungsverfahren aller beteiligten Gesellschaften zu entscheiden ist (Quelle: BFH, Mitteilung vom 23.11.2023).
gepostet: 21.01.2024
Direktversicherung: Volle Besteuerung von Kapitalabfindungen
Wird eine Direktversicherung in einer Summe ausgezahlt, ist die Kapitalabfindung bei den sonstigen Einkünften in voller Höhe zu versteuern, falls die Beiträge bei Einzahlung steuerfrei waren (§ 22 Nr. 5 EStG). Es kommt nicht einmal die so genannte Fünftel-Regelung zum Tragen, die wenigstens zu einer geringen Minderung des Steuersatzes führen würde - zumindest gilt dies, wenn bereits in der ursprünglichen Versorgungsregelung ein Kapitalwahlrecht enthalten ist. Bereits im Jahre 2021 hat das Finanzgericht Münster die volle Besteuerung der Einmalzahlung aus einer Direktversicherung als verfassungsgemäß angesehen (Gerichtsbescheid vom 29.10.2020, 15 K 1271/16 E). Kürzlich hat das Finanzgericht Münster seine Rechtsprechung bestätigt: Bei der Auszahlung einer Direktversicherung im Wege der Kapitalabfindung kommt die Anwendung der Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG ("Fünftel-Regelung") nicht in Betracht. Das gilt jedenfalls bei vorheriger Vereinbarung eines Kapitalwahlrechts. Damit sind Kapitalabfindungen in voller Höhe ohne jegliche Ermäßigung zu versteuern (FG Münster, Urteil vom 24.10.2023, 1 K 1990/22 E). Die Klägerin hatte mit ihrem damaligen Arbeitgeber im Jahr 2005 die Umwandlung eines Teils ihres Gehalts in Beiträge zu einer Direktversicherung nach dem BetrAVG vereinbart. Die Gehaltsumwandlung sollte nach § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei sein. Der Arbeitgeber schloss daraufhin für die Klägerin eine solche Versicherung mit einer Beitragszahlungsdauer von 14 Jahren ab. Danach sollte an die Klägerin eine lebenslängliche monatliche Rente gezahlt werden oder auf Antrag eine einmalige Kapitalabfindung erfolgen. Im Streitjahr 2019 übte die Klägerin das Kapitalwahlrecht aus und erhielt ca. 44.500 Euro ausbezahlt. Diesen Betrag behandelte das Finanzamt als steuerpflichtige Rente nach § 22 Nr. 5 EStG und besteuerte ihn mit dem regulären Steuersatz. Die Klägerin beantragte dagegen die Anwendung der Fünftel-Regelung, da der Gesetzeswortlaut von § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG erfüllt sei. Die Kapitalabfindung sei in einer Summe ausbezahlt worden, so dass die erforderliche Zusammenballung von Einkünften in einem Veranlagungszeitraum vorgelegen habe. Die Klage wurde jedoch abgewiesen. Die Kapitalauszahlung sei nicht ermäßigt zu besteuern.

Zur Anwendung der Fünftel-Regelung bedürfe es neben einer Zusammenballung von Einkünften auch einer "Außerordentlichkeit", an der es im Streitfall fehle. Eine Kapitalauszahlung sei nur dann außerordentlich, wenn das Kapitalwahlrecht lediglich in atypischen Einzelfällen ausgeübt wird. Dafür bedürfe es nach Ansicht des Bundesfinanzhofs aber statistischen Materials von Organisationen und Verbänden der Anbieter (BFH-Urteile vom 11.6.2019, X R 7/18 und vom 6.5.2020, X R 24/19). Dieses liege jedoch nicht vor. So sei ein vom FG Köln unternommener Versuch, derartiges statistisches Material zu erhalten, unergiebig geblieben, da die angefragten Organisationen keine entsprechenden Statistiken geführt hätten (Urteil vom 30.9.2021, Az. 15 K 855/18). Folge: Da Klägerin die Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen einer ermäßigten Besteuerung trage und sie die Außerordentlichkeit von Kapitalabfindungen nicht nachweisen könne, komme eine Tarifmäßigung nicht in Betracht (Quelle: FG Münster, Newsletter Nov. 2023).

Praxistipp:
Es wurde die Revision zugelassen. Ob diese tatsächlich eingelegt worden ist, war bei Redaktionsschluss leider noch nicht bekannt. Von dem obigen Sachverhalt zu unterscheiden sind übrigens die Fälle, in denen Verträge vor 2005 abgeschlossen und die Beiträge aus (pauschal) versteuertem Arbeitslohn erbracht worden sind. Hier bleiben Kapitalauszahlungen unter bestimmten Voraussetzungen (u.a. Vertragslaufzeit von mind. zwölf Jahren) steuerfrei. Doch Vorsicht: Auf den ersten Blick ist oft kaum erkennbar, inwieweit die Beiträge tatsächlich aus versteuertem Einkommen erbracht worden sind. Bitte informieren Sie uns daher frühzeitig, wenn Sie sich mit dem Gedanken tragen, eine Kapitalabfindung zu wählen. Erkundigen Sie sich ggf. auch bei der zuständigen Versicherungsgesellschaft.
gepostet: 19.01.2024
Doppelter Haushalt: Im Ausland keine Mietkosten-Begrenzung auf 1.000 Euro
Bei einer doppelten Haushaltsführung im Inland werden die Kosten der Zweitwohnung mit maximal 1.000 Euro pro Monat steuerlich anerkannt. Dies gilt seit 2014. Bei einer doppelten Haushaltsführung im Ausland gilt die 1.000 Euro-Grenze zwar nicht, doch die Finanzverwaltung will lediglich die ortsübliche Durchschnittsmiete für eine 60 qm große Wohnung anerkennen (BMF-Schreiben vom 25.11.2020, BStBl 2020 I S. 1228, Rz 112). Die Finanzverwaltung nimmt also eine gewisse Typisierung vor. Dabei beruft sie sich unter anderem auf ein BFH-Urteil vom 9.8.2007 (VI R 10/06, BStBl 2007 II S. 820), das allerdings für Inlandsfälle zur alten Rechtslage ergangen ist, die bis 2013 galt.

Nun hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass bei einer doppelten Haushaltsführung im Ausland im Einzelfall zu prüfen ist, welche Unterkunftskosten notwendig sind. Die vorgenannte Typisierung für Auslandssachverhalte mit dem Durchschnittsmietzins einer 60 qm-Wohnung am Beschäftigungsort greift nicht. Und weiter: Bei einer beamtenrechtlich zugewiesenen Dienstwohnung sind die Unterkunftskosten am ausländischen Beschäftigungsort stets in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung abzugsfähig (BFH-Urteil vom 9.8.2023, VI R 20/21). Der Sachverhalt: Ein Botschafter der Bundesrepublik Deutschland war in verschiedenen Ländern tätig und wohnte - wie vom Auswärtigen Amt angewiesen - in Wohnungen, die sich in den jeweiligen Botschaften befanden. Die Wohnungen hatten eine Größe zwischen 186 qm und 249 qm. Die Ehefrau wohnte während des gesamten Streitjahrs in der gemeinsamen Wohnung des Klägers im Inland. In der Steuererklärung machte der Botschafter Kosten für die doppelte Haushaltsführung in Höhe von rund 25.000 Euro geltend. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, die Aufwendungen seien nicht in voller Höhe "notwendig" gewesen und nur abziehbar, soweit sie auch für eine nach Lage und Ausstattung durchschnittliche Wohnung von maximal 60 qm entstanden wären. Doch die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich und die Revision des Finanzamts wurde zurückgewiesen. Eine Typisierung müsse sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren. Ein solch typischer Fall lasse sich für Unterkunftskosten aufgrund einer doppelten Haushaltsführung im Ausland aber schon deshalb nicht ausmachen, weil diese maßgebend von den jeweiligen Gegebenheiten im einzelnen Land geprägt sind.

Praxistipp:
Falls der Arbeitslohn aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens im Tätigkeitsstaat zu versteuern ist und in Deutschland steuerfrei bleibt, können die Unterkunftskosten nicht als Werbungskosten abgezogen werden (§ 3c Abs. 1 EStG).
gepostet: 17.01.2024
Zweitwohnungsteuer: Ohne Zugang zu Trinkwasser keine Steuererhebung
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass eine Gemeinde keine Zweitwohnungsteuer erheben darf, wenn der Zugang zum Trinkwasser fehlt, obwohl die Satzung der Gemeinde bestimmt, dass eine Wohnung nur dann die Eigenschaft als Zweitwohnung innehat, wenn eine Trinkwasserversorgung vorhanden ist oder in vertretbarer Nähe zur Verfügung steht (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.6.2023, 12 B 8/22 u. 12 B 9/22). Im Streitfall war in der Satzung einer Gemeinde geregelt: "Eine Zweitwohnung ist jede Wohnung, die jemand außerhalb des Grundstückes seiner Hauptwohnung zu Zwecken des persönlichen Lebensbedarfes innehat … Die Wohnung gilt als geeignet, wenn sie über Fenster verfügt und die Mindestwohnfläche 23 qm beträgt. Zusätzlich sollte eine Kochgelegenheit, Trinkwasserversorgung, Abwasserbeseitigung ….. vorhanden sein oder in Gemeinschaftsanlagen in vertretbarer Nähe zur Verfügung steht." Das Wasser aus dem Brunnen auf dem Grundstück entsprach jedoch nicht den Anforderungen der Trinkwasserverordnung. Die Gemeinde argumentierte, der Zweitwohnungsinhaber könne sich doch im nächsten Supermarkt mit Trinkwasser versorgen. Doch die Richter hielten diese Argumentation für wenig überzeugend. Die Gemeinden hätten zwar einen weitreichenden Ermessensspielraum, wenn sie ihre Satzungen zur Zweitwohnungsteuer verabschieden. Wird aber eine Wasserversorgung vorausgesetzt, könne damit nicht eine Versorgung mit Wasser beliebiger Qualität gemeint sein, sondern nur eine Versorgung mit Trinkwasser. Es genüge nicht, wenn das Trinkwasser in einem Supermarkt besorgt werden kann.
gepostet: 31.01.2024
Arbeitgeber: Höhe der Insolvenzgeldumlage in 2024 unverändert
Arbeitnehmer haben Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Arbeitgeber müssen durch eine monatliche Umlage die Mittel für die Zahlung des Insolvenzgeldes aufbringen. Arbeitgeber der öffentlichen Hand sowie Privathaushalte sind von der Zahlung der Umlage ausgenommen. Der Umlagesatz für das Kalenderjahr 2024 wurde durch Rechtsverordnung auf 0,06 Prozent festgesetzt und bleibt damit gegenüber dem Jahr 2023 unverändert.
gepostet: 15.01.2024
Unterstützung bedürftiger Personen: Unterhalt bereits zum Jahresanfang zahlen
Wer Angehörige finanziell unterstützt, darf seine Zahlungen als außergewöhnliche Belastungen steuerlich geltend machen, wenn eine gesetzliche Unterhaltspflicht besteht. Im Jahre 2024 sind bis zu 11.604 Euro abziehbar. Eine zumutbare Belastung wird dabei nicht gegengerechnet, wohl allerdings eigene Einkünfte und Bezüge der unterhaltenen Person, soweit diese 624 Euro im Jahr übersteigen. Wichtig ist, dass die Zahlungen möglichst frühzeitig geleistet werden. Das heißt: Der Höchstbetrag von 11.604 Euro mindert sich um jeden vollen Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für den Abzug der Unterhaltsleistungen nicht vorgelegen haben, um je ein Zwölftel. Da Unterhaltsleistungen nicht auf Monate vor ihrer Zahlung zurückbezogen werden dürfen, würde eine Zahlung erst im Laufe des Jahres also dazu führen, dass sich der Höchstbetrag mindert und die ersten Monate steuerlich eventuell verloren sind - so der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 25.4.2018 (VI R 35/16). Beispiel: Der Sohn leistet im Dezember 2024 eine Unterhaltszahlung in Höhe von 3.000 Euro an seinen mittellosen Vater im Ausland. Die Unterhaltsleistung ist für ein ganzes Jahr bestimmt. Eine monatliche Zahlung ist wegen der hohen Gebühren für Auslandsüberweisungen nicht sinnvoll. Das Finanzamt wird diese Zahlung jedoch nur mit einem Zwölftel des Höchstbetrages von 11.604 Euro, also 967 Euro, anerkennen, da Unterhaltsleistungen nur absetzbar sind, soweit sie dem laufenden Lebensbedarf der unterhaltenen Person im Kalenderjahr der Leistung dienen. Gegebenenfalls ist der Betrag bei der Unterstützung bedürftiger Personen - je nach Wohnsitzstaat des Empfängers - noch entsprechend der so genannten Ländergruppeneinteilung zu kürzen.

Praxistipp:
Das Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, eine größere Unterhaltszahlung stets zu Beginn des Jahres zu leisten. Bei Leistungen an Ehegatten mit Wohnsitz im Ausland soll das negative Urteil übrigens nicht gelten. Insoweit ist davon auszugehen, dass die Zahlungen stets zur Deckung des Lebensbedarfs des gesamten Kalenderjahrs bestimmt sind. Aber dennoch sollte auch hier lieber eine Unterstützung bereits zu Jahresbeginn erfolgen. Im Übrigen ist der Abzug von Unterhaltszahlungen an den Ehegatten ohnehin nur möglich, wenn nicht die Voraussetzungen der Zusammenveranlagung vorliegen.
gepostet: 13.01.2024
Ehrenamtliche Gewerkschaftstätigkeit: Kostenabzug auch bei Pensionären
Wenn ehemalige Arbeitnehmer als Pensionär Mitglied ihrer Gewerkschaft bleiben, entsprechende Beiträge zahlen und auch ehrenamtlich tätig sind, stellt sich die Frage, ob die Beiträge und sonstigen Aufwendungen als Werbungskosten abgezogen werden dürfen. Diesbezüglich hat der Bundesfinanzhof nun ein erfreuliches Urteil gefällt: Aufwendungen einer Ruhestandsbeamtin im Zusammenhang mit ihrer ehrenamtlichen Gewerkschaftstätigkeit sind als Werbungskosten bei ihren Versorgungsbezügen zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 28.6.2023, VI R 17/21).

Die Klägerin bezieht als pensionierte Landesbeamtin Versorgungsbezüge. Bis zum Eintritt in den Ruhestand war sie hauptamtlich für die Gewerkschaft X im Deutschen Gewerkschaftsbund tätig und hierfür von ihrem Dienstherrn freigestellt. Seit dem Eintritt in den Ruhestand ist die Klägerin für verschiedene Gremien der Gewerkschaft X ehrenamtlich tätig. In der Steuererklärung machte sie Aufwendungen für diese Tätigkeit als Werbungskosten geltend. Dem folgte das Finanzamt nicht. Doch der BFH beurteilt die Sache anders und lässt einen Werbungskostenabzug zu. Begründung: Da die Arbeit eines Berufsverbands auf dem Gedanken beruht, dass nur die Solidarität der Mitglieder zur Veränderung der beruflichen Bedingungen zugunsten der angeschlossenen Mitglieder führt, ist es folgerichtig, bei den Aufwendungen eines Mitglieds zwecks Förderung der solidarischen Gemeinschaft ebenfalls einen objektiven, durch Aufgabenstellung und Arbeit des Berufsverbands sichtbar werdenden Zusammenhang mit seiner Berufstätigkeit zu bejahen.

Praxistipp:
Das Urteil dürfte für die Bezieher von Renten sinngemäß gelten. Die Aufwendungen wären dann als Werbungskosten bei den Renteneinkünften zu berücksichtigen.
gepostet: 11.01.2024
Dienstwagen: Parkplatzmiete mindert geldwerten Vorteil für Privatnutzung
Wird ein Dienstwagen privat genutzt oder besteht zumindest die Möglichkeit einer Privatnutzung, ist der Privatanteil zu versteuern. Wenn kein Fahrtenbuch geführt wird, greift insoweit die so genannte Ein-Prozent-Regelung. Zahlen Arbeitnehmer an ihren Arbeitgeber für ihren Firmenwagen aber Miete für einen Parkplatz, so mindert dies den geldwerten Vorteil für die Nutzung des Dienstwagens (Finanzgericht Köln, Urteil vom 20.4.2023, 1 K 1234/22).

Es ging um folgenden Sachverhalt: Der Arbeitgeber ermöglichte seinen Beschäftigten, an oder in der Nähe der Arbeitsstätte einen Parkplatz für monatlich 30 Euro anzumieten. Einigen Beschäftigten standen Firmenwagen auch zur privaten Nutzung zur Verfügung. Der geldwerte Vorteil wurde nach der Ein-Prozent-Regelung berechnet. Hierbei zog der Arbeitgeber die von den Beschäftigten an ihn gezahlte Stellplatzmiete ab. Das Finanzamt war hingegen der Auffassung, dass die Mietzahlungen den pauschalen Nutzungswert nicht mindern dürften. Doch die Richter folgten der Ansicht des Arbeitgebers. Begründung: Es fehle hinsichtlich der Miete für den Stellplatz an einer Bereicherung der Arbeitnehmer und damit an einer Grundvoraussetzung für das Vorliegen von Arbeitslohn. Die Stellplatzmiete mindere bereits auf der Einnahmeseite den Vorteil aus der Firmenwagenüberlassung. Diese Minderung des Nutzungsvorteils trete unabhängig davon ein, ob die Miete für den Stellplatz freiwillig geleistet werde oder zur Erfüllung einer arbeitsvertraglichen Klausel oder zur Inbetriebnahme des Fahrzeugs erforderlich sei.

Praxistipp:
Das Finanzamt hat gegen das Urteil Revision eingelegt, die unter dem Az. VI R 7/23 beim Bundesfinanzhof anhängig ist (Quelle: FG Köln, Mitteilung vom 10.11.2023).
gepostet: 09.01.2024
Zukunftsfinanzierungsgesetz: Neuregelung zur aufgeschobenen Besteuerung
Für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen, die ab dem 1.7.2021 gewährt werden, wurde in das Einkommensteuergesetz eine Regelung aufgenommen, nach der die Einkünfte aus der Übertragung von Vermögensbeteiligungen am Unternehmen des Arbeitgebers zunächst nicht besteuert werden. Die Besteuerung erfolgt seit dem 1.7.2021 nicht mehr bei Überlassung der Vermögensbeteiligung, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt, und zwar im Zeitpunkt der Veräußerung, spätestens nach zwölf Jahren oder bei Beendigung des Dienstverhältnisses bzw. einem Arbeitgeberwechsel. Das ist die so genannte aufgeschobene Besteuerung (§ 19a EStG).

Ab dem 1.1.2024 werden die steuerlichen Vorschriften zur aufgeschobenen Besteuerung der geldwerten Vorteile aus Vermögensbeteiligungen von Arbeitnehmern in § 19a EStG ausgeweitet und damit insbesondere die Gewährung von Unternehmensanteilen als Vergütungsbestandteil für die Unternehmen und deren Beschäftigte attraktiver gestaltet (§ 19a EStG, geändert durch das "Zukunftsfinanzierungsgesetz"). Die Änderungen sind recht umfangreich. Hier einige der wesentlichen Punkte:

Die aufgeschobene Besteuerung des geldwerten Vorteils erfolgt künftig nicht nach spätestens zwölf Jahren, sondern erst nach 15 Jahren nach Übertragung der Vermögensbeteiligung. Die Verschiebung des Besteuerungszeitpunkts gilt auch für Vermögensbeteiligungen, die vor 2024 übertragen wurden (§ 19a Abs. 4 Nr. 2 EStG).

Der Anwendungsbereich der steuerlichen Regelung wird deutlich erweitert: Künftig ist nicht mehr auf den einfachen, sondern betreffend den Jahresumsatz und die Jahresbilanzsumme auf den doppelten KMU-Schwellenwert und betreffend die Anzahl der Mitarbeiter auf den vierfachen KMU-Schwellenwert abzustellen. Die Unternehmen müssen danach weniger als 1.000 Mitarbeiter beschäftigen und dürfen einen Jahresumsatz von höchstens 100 Mio. Euro oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens 86 Mio. Euro erzielen (§ 19a Abs. 3 EStG).

Zudem wird die zeitliche Komponente des Schwellenwerts von zwei auf sieben Jahre erweitert. Die Förderung kann danach gewährt werden, wenn die Schwellenwerte im Zeitpunkt der Übertragung der Vermögensbeteiligung oder in einem der sechs vorangegangenen Kalenderjahre nicht unterschritten wurden (§ 19a Abs. 3 EStG).

Außerdem wird der maßgebliche Gründungszeitraum des Unternehmens von zwölf auf 20 Jahre vor dem Beteiligungszeitpunkt ausgeweitet. Auch dies erhöht die Anzahl der Unternehmen, bei denen die Arbeitnehmer in den Genuss der Förderung kommen können (§ 19a Abs. 3 EStG).

Ab dem 1.1.2024 sollen auch so genannte vinkulierte Anteile von der sofortigen Besteuerung ausgenommen werden (§ 19a Abs. 1 Satz 3 EStG).
gepostet: 07.01.2024
Umsatzsteuer bei Ist-Versteuerer: Einnahmezufluss erst am Buchungstag
Wenn die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten berechnet wird (Ist-Versteuerung), kommt es für die Versteuerung eines Umsatzes auf den Zufluss- bzw. Zahlungszeitpunkt an. Doch wann gilt eine Einnahme bei einer Banküberweisung tatsächlich als zugeflossen? Am Tag der Wertstellung oder erst am Buchungstag? Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass es für die Versteuerung auf den Buchungstag und nicht auf den Wertstellungstag bei der Bank ankommt (BFH-Urteil vom 17.8.2023, V R 12/22).

Der Kläger, ein Designer, berechnet seine Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten. Am 31.12.2019 erfolgte die Wertstellung von Rechnungsbeträgen in Höhe von rund 30.000 Euro. Das Finanzamt erhöhte die umsatzsteuerpflichtigen Umsätze des Jahres 2019 um diesen Betrag und forderte die entsprechende Umsatzsteuer nach, während der Kläger der Auffassung ist, dass die Umsätze erst ins Jahr 2020 gehören, weil er in 2019 noch nicht über die Beträge habe verfügen können. Diese sind erst am 2.1.2020 gebucht worden. Die Wertstellung auf den 31.12.2019 sei lediglich für die Verzinsung von Bedeutung. Die Richter sind der Auffassung des Klägers gefolgt.

Begründung: Bei der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten entsteht die Umsatzsteuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind. Die Vereinnahmung erfordert, dass der Unternehmer über die Gegenleistung für seine Leistung wirtschaftlich verfügen kann. Bei Überweisungen kommt es daher zur Vereinnahmung (erst) im Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Girokonto des Zahlungsempfängers. Für das Vorliegen der Gutschrift ist es unerheblich, ob die Wertstellung (Valutierung) bereits zu einem früheren Zeitpunkt wirksam wird. Erfolgt die Wertstellung vor dem Tag der Buchung der Gutschrift, steht der Betrag dem Kontoinhaber gleichwohl erst mit der Buchung der Gutschrift zur Verfügung, da er erst ab diesem Zeitpunkt über den Betrag verfügen kann. Die zeitlich mit Rückwirkung vorgenommene Valutierung ist für die Vereinnahmung im Sinne von § 13 UStG unbeachtlich. Aus § 675t Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt sich nichts anderes. Danach muss zwar die Wertstellung zu dem Geschäftstag erfolgen, an welchem der Betrag dem Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers gutgeschrieben wurde. Die Gutschrift darf jedoch am folgenden Geschäftstag auf dem Konto des Überweisungsempfängers gebucht werden, so dass auch dann erst der Anspruch aus der Gutschrift zu seinen Gunsten entsteht.
gepostet: 05.01.2024
Verbilligte Vermietung: 66-Prozent-Grenze bei Luxusimmobilie ohne Belang?
Wer eine Wohnung verbilligt vermietet, darf seine Werbungskosten steuerlich auch dann voll geltend machen, wenn die Miete mindestens 50 Prozent der ortsüblichen Miete beträgt. Liegt die Miete darunter, sind die Kosten aufzusplitten in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil. Soweit die Werbungskosten auf den unentgeltlichen Teil entfallen, werden sie steuerlich nicht berücksichtigt. Beträgt die Miete mindestens 50 Prozent, jedoch weniger als 66 Prozent der ortsüblichen Miete, ist eine "Totalüberschussprognose" zu erstellen. Der Vermieter muss nachweisen können, dass er zumindest über einen längeren Zeitraum betrachtet einen Überschuss aus der Vermietung erzielt. Werden mindestens 66 Prozent der Marktmiete verlangt, ist eine Totalüberschussprognose nicht erforderlich (§ 21 Abs. 2 Satz 2 EStG).

Der Grundsatz, dass eine Totalüberschussprognose bei Einhaltung der 66-Prozent-Grenze entbehrlich ist, gilt aber nicht ausnahmslos. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs ist eine Totalüberschussprognose trotz Einhaltung der 66-Prozent-Grenze ausnahmsweise doch angezeigt, wenn es sich um die Vermietung einer aufwendig gestalteten Wohnimmobilie handelt. Davon ist insbesondere auszugehen, wenn das Objekt mehr als 250 qm Wohnfläche umfasst (BFH-Urteil vom 20.6.2023, IX R 17/21). Der Sachverhalt: Ein Elternpaar hatte insgesamt drei Villengebäude mit einer Wohnfläche von jeweils mehr als 250 qm erworben. Die Immobilien vermieteten sie unbefristet an ihre volljährigen Kinder. Durch die Vermietung entstanden den Eltern jährliche Verluste zwischen 172.000 Euro und 216.000 Euro. Diese Verluste verrechneten sie mit ihren übrigen Einkünften. Dadurch ergab sich eine erhebliche Einkommensteuerersparnis. Der BFH hat die Verrechnung der Verluste mit den übrigen Einkünften und die damit verbundene Steuerersparnis jedoch nicht zugelassen.

Wird eine Immobilie mit einer Wohnfläche von mehr als 250 qm vermietet, müsse der Steuerpflichtige nachweisen, dass die Vermietung mit der Absicht erfolgt, einen finanziellen Überschuss zu erzielen. Könne er diesen Nachweis nicht führen, weil er über einen längeren Zeitraum Verluste erwirtschaftet, handele es sich bei der Vermietungstätigkeit um eine steuerlich nicht beachtliche Liebhaberei. Folge: Verluste sind nicht abziehbar. Bereits in der Vergangenheit habe der BFH geurteilt, dass im Ausnahmefall eine Totalüberschussprognose angebracht sein könnte, insbesondere bei aufwendig gestalteten oder ausgestatteten Objekten (z.B. Größe von mehr als 250 qm Wohnfläche; Schwimmhalle; vgl. BFH-Urteil vom 6.10.2004, IX R 30/03). Denn insoweit handele es sich um Objekte, bei denen die Marktmiete den besonderen Wohnwert nicht angemessen widerspiegelt und die sich aufgrund der mit ihnen verbundenen Kosten oftmals auch nicht kostendeckend vermieten lassen. Daher sei bei diesen Objekten anlässlich der steuerlichen Erfassung der Einkünfte regelmäßig nachzuweisen, dass über einen 30-jährigen Prognosezeitraum ein positives Ergebnis erwirtschaftet werden kann. Der BFH bestätigt seine bisherige Rechtsprechung mit der aktuellen Entscheidung. Der Wortlaut von § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG, der die oben genannte 66-Prozent-Grenze betrifft, schließe die Durchführung einer Totalüberschussprognose nicht aus. Das heißt, die Einkünfteerzielungsabsicht ist auch bei einer Vermietung zu mehr als 66 Prozent der ortsüblichen Miete zu prüfen.

Praxistipp:
Vermieter von Luxuswohnungen bzw. von besonders großen Wohnungen müssen davon ausgehen, dass sie dem Finanzamt eine Überschussprognose vorlegen müssen, wenn sie zunächst hohe Verluste erwirtschaften. Das gilt nicht nur, aber insbesondere bei der Vermietung an nahe Angehörige. Es wird üblicherweise ein Prognosezeitraum von 30 Jahren, beginnend mit dem Erwerb der jeweiligen Immobilie, zugrunde gelegt.
gepostet: 05.01.2024
Steuerfreie Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge: Zur Berechnung des Grundlohns
Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit (SFN-Zuschläge), die neben dem Grundlohn gezahlt werden, sind bis zu bestimmten Höchstgrenzen steuer- und sozialversicherungsfrei. Zuschläge für Nachtarbeit dürfen beispielsweise 25 Prozent des Grundlohns nicht übersteigen (§ 3b EStG). Der Begriff des Grundlohns kann aber durchaus umstritten sein. Kürzlich hat der Bundesfinanzhof zugunsten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern entschieden, dass die vom Arbeitgeber an eine Unterstützungskasse geleisteten Beiträge in den Grundlohn einzubeziehen sind, der für die Bemessung der steuerfreien SFN-Zuschläge maßgeblich ist (BFH-Urteil vom 10.8.2023, VI R 11/21).

Der Arbeitgeber gewährte seinen Arbeitnehmern steuerfreie SFN-Zuschläge. Bei der Berechnung des maßgeblichen Grundlohns bezog er - aufgrund einer Gehaltsumwandlung - entrichtete Beiträge an eine zugunsten der Arbeitnehmer eingerichtete Unterstützungskasse ein. Weder die erteilte Leistungszusage des Arbeitgebers auf Alters- und Hinterbliebenenversorgung noch der Leistungsplan der Unterstützungskasse vermittelten den versorgungsberechtigten Arbeitnehmern einen eigenen Leistungsanspruch gegenüber der Unterstützungskasse. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Beiträge an die Unterstützungskasse nicht zum Grundlohn nach § 3b Abs. 2 EStG gehörten. Grundlohn sei danach der laufende Arbeitslohn. Hierunter sei nicht das arbeitsvertraglich geschuldete, sondern das tatsächlich zugeflossene Arbeitsentgelt zu verstehen. Doch der BFH beurteilt die Sache anders. Der für die Bemessung der Steuerfreiheit von SFN-Zuschlägen maßgebende Grundlohn ist der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum arbeitsvertraglich zusteht. Ob und in welchem Umfang der Grundlohn dem Arbeitnehmer tatsächlich zufließt, ist für die Bemessung der Steuerfreiheit der Zuschläge daher ohne Belang.

Praxistipp:
Zu der Frage, wie der Grundlohn zu bemessen ist, ist beim BFH eine weitere Revision anhängig (Az. VI R 1/22). Dabei geht es um den Einbezug oder den Nichteinbezug des Lohns für Bereitschaftsdienste. Die Vorinstanz, das Niedersächsische Finanzgericht, hatte wie folgt entschieden: Ist ein Bereitschaftsdienst am Arbeitsplatz abzuleisten, bemisst sich der Grundlohn nach dem regulären, vertraglich vereinbarten - auf eine Stunde umgerechneten - Arbeitslohn und nicht nach dem geringeren Stundenlohn, der sich für die vergütete Bereitschaftsdienstzeit ergibt (Urteil vom 15.12.2021, 14 K 268/18).
gepostet: 03.01.2024
Zukunftsfinanzierungsgesetz: Verbesserung bei der Arbeitnehmer-Sparzulage
Vermögenswirksame Leistungen sind Geldleistungen des Arbeitgebers zusätzlich zum Gehalt, die er in eine Anlage nach Wahl des Mitarbeiters überweist. Zu unterscheiden ist dabei zwischen der Anlage in Unternehmensbeteiligungen (Beteiligungssparen) und der Anlage für wohnwirtschaftliche Zwecke (Bausparen). In beiden Fällen fördert der Staat die Arbeitgeberleistungen mit einer Arbeitnehmer-Sparzulage, wobei hier jedoch Unterschiede bezüglich Zulagenhöhe, Förderhöchstbetrag und Einkommensgrenze gelten:
Die Sparzulage beträgt beim Beteiligungssparen 20 Prozent, beim Bausparen 9 Prozent. Der Förderhöchstbetrag beträgt beim Beteiligungssparen 400 Euro, beim Bausparen 470 Euro. Die Einkommensgrenze beträgt beim Beteiligungssparen 20.000 Euro / 40.000 Euro, beim Bausparen 17.900 Euro / 35.800 Euro (Alleinstehende / Verheiratete). Ab dem 1.1.2024 wird die Einkommensgrenze bei der Arbeitnehmer-Sparzulage sowohl für das Beteiligungssparen als auch für das Bausparen einheitlich auf 40.000 Euro bzw. 80.000 Euro angehoben. Dies sieht eine Änderung des § 13 Abs. 1 des 5. VermBG durch das "Zukunftsfinanzierungsgesetz" vor. Die Neuregelung gilt erstmals für vermögenswirksame Leistungen, die ab dem 1.1.2024 angelegt werden (§ 17 Abs. 17 des 5. VermBG).
gepostet: 01.01.2024
Dezember 2023
GmbH: Satzungen und Anstellungsverträge jetzt auf Aktualität prüfen
Vereinbarungen zwischen Gesellschaftern und ihrer GmbH müssen stets im Vorhinein getroffen werden, um rechtswirksam zu sein. Rückwirkende Vereinbarungen werden von der Finanzverwaltung oft verworfen und führen zu verdeckten Gewinnausschüttungen. Daher sollten jeweils zum Jahresanfang sowohl die GmbH-Satzungen als auch die Anstellungsverträge mit den Geschäftsführern auf ihre Aktualität hin untersucht werden. Zu prüfen wären insbesondere die Angemessenheit der Höhe des Gehalts, der Tantieme und anderer variabler Gehaltsbestandteile sowie des Urlaubs- und Weihnachtsgeldanspruchs. Sofern ein Pensionsanspruch besteht, sollte auch dieser auf seine Angemessenheit hin überprüft werden.

Verständlicherweise besteht immer wieder der Wunsch, auch dem Gesellschafter-Geschäftsführer eine Vergütung zu zahlen, die sich nach dem Umsatz richtet. Doch Vorsicht: Diese wird nur in ganz wenigen Ausnahmefällen anerkannt. Also sollte lieber eine Tantieme vereinbart werden, die sich am Gewinn orientiert. Der erfolgsabhängige Bestandteil sollte üblicherweise nicht höher sein als ¼ der Gesamtvergütung, das heißt, das Verhältnis von Festgehalt zu variablem Gehalt sollte bei 75 zu (max.) 25 liegen.

Auch die "Gesamtausstattung" eines Gesellschafter-Geschäftsführers muss noch angemessen sein. Orientieren Sie sich daher an branchenüblichen bzw. betriebsinternen Werten oder an Zahlen aus Vergleichsstudien. Zudem darf die Vergütung nicht zu einer so genannten Gewinnabsaugung führen, das heißt, der Gesellschaft muss nach Abzug des Geschäftsführergehalts noch ein angemessener Gewinn verbleiben.

Verrechnungskonten sind ein beliebtes Mittel, um Zahlungen zwischen GmbH und Gesellschafter abzuwickeln und um nicht bei jeder Kleinigkeit einen gesonderten Darlehensvertrag abschließen zu müssen. Der Jahresanfang ist ein guter Zeitpunkt, um zu prüfen, ob Verrechnungskonten ausgeglichen werden sollten, ob die Verbindlichkeiten werthaltig sind, ob eine Umwandlung in ein langfristiges Darlehen erfolgen sollte und ob die Verzinsung noch angemessen ist.

Praxistipp:
Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass ein nicht angemessen verzinstes Verrechnungskonto zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führt. Der angemessene Zinssatz, auf den die GmbH verzichtet und in dessen Höhe die verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt, ist zu schätzen. Hat die GmbH selbst keine Kredite aufgenommen, ist sie also schuldenfrei, so ist der Zinssatz innerhalb einer Marge zu schätzen, deren Untergrenze die banküblichen Habenzinsen und deren Obergrenze die banküblichen Sollzinsen bilden (BFH-Urteil vom 22.2.2023, I R 27/20).
gepostet: 30.12.2023
Erbschaftsteuer: Zur Aufteilung des Erbfallkosten-Pauschbetrages
Die Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer darf um den so genannten Erbfallkosten-Pauschbetrag in Höhe von 10.300 Euro gemindert werden (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG). Er wird unter anderem für die Kosten der Bestattung des Erblassers, für die Kosten eines angemessenes Grabdenkmals und für die Kosten der üblichen Grabpflege gewährt. Der Pauschbetrag ist für jeden Erbfall nur einmal in Höhe von insgesamt 10.300 Euro zu gewähren. Jüngst hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass der Abzug des Pauschbetrages nicht einmal den Nachweis voraussetzt, dass überhaupt Kosten angefallen sind (BFH-Urteil vom 1.2.2023, II R 3/20). Aber wie ist der Pauschbetrag bei mehreren Erben aufzuteilen?

Die Finanzverwaltung verfügt dazu lediglich: "Die einzelnen Erwerber sind in diesen Fällen in geeigneter Weise, zum Beispiel entsprechend einem gemeinsamen Antrag der Erwerber, an der Pauschbetragsregelung zu beteiligen." (RE 10.9 Abs. 3 ErbStR). Das aber setzt eine Einigung der Erben voraus, die nicht selbstverständlich ist. Das Niedersächsische Finanzgericht geht in einer aktuellen Entscheidung davon aus, dass eine Aufteilung entsprechend der quotalen Höhe des jeweiligen Vermögenszuflusses zur gesamten Erbmasse erfolgen muss, wenn sich die Erwerber untereinander nicht einigen (Gerichtsbescheid vom 28.6.2023, 3 K 169/21). Allerdings wurde die Revision zugelassen, die zwischenzeitlich unter dem Az. II R 25/23 beim Bundesfinanzhof vorliegt. Die obersten Steuerrichter werden also klären müssen, ob auch andere Aufteilungsmaßstäbe in Betracht kommen, etwa nach dem Anteil an individuellen Aufwendungen oder "nach Köpfen".

Praxistipp:
Der Erbfallkosten-Pauschbetrag kann auch von einem reinen Vermächtnisnehmer beansprucht werden, und zwar selbst dann, wenn dieser gar nicht mit Kosten belastet wurde. Dies hat das Niedersächsische FG bestätigt. Allerdings hat es auch entschieden, dass einzelne Erben nicht den Erbfallkosten-Pauschbetrag beanspruchen können, während andere ihre tatsächlichen Aufwendungen abziehen möchten. In den Erbschaftsteuer-Richtlinien heißt es hingegen: "Hatte ein Erwerber Aufwendungen, die sich allein auf die Erlangung seines Erwerbs beziehen und nicht den Nachlass belasten, können diese neben dem Pauschbetrag selbstständig abgezogen werden, soweit sie nachgewiesen werden." (RE 10.9. Abs. 5 EStR). Auch zu diesem Thema wird der BFH wohl Stellung beziehen müssen.
gepostet: 29.12.2023
Umsatzsteuer: Interessantes BFH-Verfahren für Wiederverkäufer antiker Möbel
Wiederverkäufer antiker Möbel unterliegen mit ihren Umsätzen üblicherweise der so genannten Differenzbesteuerung des § 25a UStG. Derzeit nicht geklärt sind aber Fälle, in denen beispielsweise eine antike Kommode mit einem neuen Gegenstand, zum Beispiel einem Waschbecken, versehen und anschließend verkauft wird ("Upcycling"). Mit dieser Problematik wird sich bald der Bundesfinanzhof befassen müssen (Az. XI R 9/23). Die Vorinstanz, das Schleswig-Holsteinische FG, hat zugunsten der Wiederverkäufer wie folgt entschieden: Die Differenzbesteuerung ist auch dann anwendbar, wenn ein Unternehmer antike Waschkommoden aus privater Hand ankauft, sie restauriert und zusammen mit einem individuell angepassten Waschbeckenaufsatzteil nebst Armatur (wieder-)verkauft. Die Verbindung des aufgearbeiteten Möbelstücks mit dem Neuteil lässt den Tatbestand eines Wiederverkaufs von Gebrauchtgegenständen im Sinne des § 25a UStG nicht entfallen (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 29.3.2023 , 4 K 77/22).

Zur Begründung zieht das Finanzgericht Parallelen zum so genannten Ausschlachten alter Kraftfahrzeuge und dem Weiterverkauf von Ersatzteilen. Der Europäische Gerichtshof hatte mit Urteil vom 18.1.2017 (C-471/15, "Sjelle Autogenbrug") für diese Fälle entschieden, dass die Differenzbesteuerung anzuwenden sein kann. Beim "Upcycling" gehe es zwar in Abweichung von dem EuGH-Urteil nicht um das Ausschlachten von Teilen, sondern eher um den umgekehrten Fall der Verbindung des eingekauften Gegenstandes mit einem anderen Gegenstand. Beide Sachverhalte basierten jedoch auf dem gleichen Geschäftsmodell. Es gehe um die Wiedereinführung von Gebrauchtgegenständen aus privater Hand in den Wirtschaftskreislauf, wobei für die Eingangsumsätze wegen des Ankaufs aus Privatbesitz keine Vorsteuer abgezogen werden kann. Um eine Mehrfachbelastung mit Umsatzsteuer zu vermeiden, müsste folglich auch beim Upcycling antiker Möbel die Differenzbesteuerung greifen - so die Richter.
gepostet: 27.12.2023
Zeitlich befristeter Zuwendungsnießbrauch: Steuermodell vom BFH akzeptiert
Die Übertragung einer Einkunftsquelle auf Sohn oder Tochter kann viele Vorteile bieten. So werden die Kinder mit finanziellen Mitteln ausgestattet, um beispielsweise ihr Studium zu finanzieren. Auch werden sie an das Geschäftsleben "herangeführt", wenn sie etwa eine Immobilie selbst verwalten dürfen. In steuerlicher Hinsicht kann ein "Steuersatzgefälle" innerhalb der Familie ausgenutzt werden. Das heißt: Wenn die Eltern mit ihren Einkünften zum Beispiel einem Steuersatz von 35 Prozent unterliegen, während die Kinder trotz Übertragung der Einkunftsquelle nur geringe Steuern zahlen, lassen sich mitunter hohe Steuerbeträge sparen. Aber zugegeben: Nicht jedem Elternteil ist wohl dabei, einem noch jungen Kind eine Einkunftsquelle, insbesondere ein Grundstück, dauerhaft zu übertragen. In einem solchen Fall wäre zu überlegen, dem Kind einen zeitlich befristeten Zuwendungsnießbrauch an einer vermieteten Immobilie zu übertragen, die Überschüsse generiert. Der Nießbrauch wird vielleicht für sieben oder acht Jahre eingeräumt; danach erlischt das Recht aber und die Eltern erzielen die Einkünfte dann wieder selbst.

Wenn das Modell zivilrechtlich und steuerlich ordnungsgemäß durchgeführt wird, bestehen keine Bedenken gegen seine Anerkennung. Das hat der Bundesfinanzhof jüngst bestätigt, und zwar selbst für die Fälle, in denen die Kinder bei Einräumung des Nießbrauchrechts noch minderjährig sind (BFH-Urteil vom 20.6.2023, IX R 8/22). Etwas vereinfacht ging es um folgenden Fall: Die Eltern besitzen ein bebautes Gewerbegrundstück, das sie zunächst an ihre eigene GmbH vermieteten. Sie räumten dann aber ihren beiden noch minderjährigen Kindern ein Nießbrauchrecht an der Immobilie für die Zeit vom 1.1.2016 bis 31.12.2023 ein. Der Vater erklärte namens der GmbH, dass er dem Eintritt der Kinder anstelle der Eltern in den Mietvertrag zustimme. Ohne dass es einer Kündigung bedurfte, sollten die Eltern ab 1.1.2024 als Grundstückseigentümer wieder Vermieter sein. Für die Kinder wurde vom Amtsgericht ein Ergänzungspfleger bestellt, der die abgegebenen Erklärungen der Eltern auch genehmigte. Der Nießbrauch wurde notariell beurkundet und im Grundbuch eingetragen. Das Finanzamt und das Finanzgericht versagten dem Modell zunächst die steuerliche Anerkennung, doch der BFH hat der Revision stattgegeben. Die zeitlich befristete Übertragung der Einkunftsquelle auf die Kinder war zulässig.

Begründung: Der Nießbrauch würde bürgerlich-rechtlich wirksam begründet. Das Mietverhältnis hält in steuerlicher Hinsicht auch einem Fremdvergleich stand, denn der Vertrag wurde ordnungsgemäß vereinbart und durchgeführt. Ob zwischen den Eltern und "ihrer" GmbH ein persönliches Näheverhältnis bestand, ist ohne Belang. Auch ein Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO) lag nicht vor. Die zeitlich befristete Übertragung der Einkunftsquelle Vermietung und Verpachtung durch unentgeltliche Bestellung eines befristeten Nießbrauchrechts ist nicht missbräuchlich, wenn dem Zuwendenden, von der Verlagerung der Einkunftsquelle abgesehen, kein weiterer steuerlicher Vorteil entsteht - so die Richter.

Praxistipp:
Im Urteilsfall war auch entscheidend, dass keine "Rückvermietung" an den Eigentümer, also den Nießbrauchgeber, erfolgte, denn das wäre schädlich gewesen. Die Vermietung an die GmbH der Eltern stuft der BFH prinzipiell als unproblematisch ein, da die GmbH als "fremder Dritter" gilt.

Praxistipp:
Wer sich mit dem Gedanken trägt, das Modell durchzuführen, muss einige Punkte beachten. Wichtig ist zunächst, dass die Nießbrauchbestellung und der Mietvertrag bürgerlich-rechtlich wirksam zustande kommen. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass der Eigentümer bei einem Zuwendungsnießbrauch mangels eigener Einkünfte seine AfA-Berechtigung verliert, während der Nießbrauchnehmer diese mangels eigenen Aufwands nicht erlangt. Auch könnte das Kind durch die Einräumung des Nießbrauchrechts aufgrund der dann vorhandenen eigenen Einkünfte aus der Familienversicherung ausscheiden. Diese und weitere Vor- und Nachteile sind also gegeneinander abzuwägen.
gepostet: 25.12.2023
GmbH-Geschäftsführer: Privatnutzungsverbot für Dienstwagen erneut gekippt
Wird ein Dienstwagen privat genutzt oder besteht zumindest die Möglichkeit einer Privatnutzung, ist der Privatanteil zu versteuern. Besteht allerdings ein arbeits- oder dienstrechtliches Privatnutzungsverbot, so ist von der Besteuerung abzusehen (BMF-Schreiben vom 4.4.2018, BStBl 2018 I S. 592, Tz. 2.8). Im Prinzip kann ein solches Privatnutzungsverbot auch mit dem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH vereinbart werden, so dass eine Besteuerung der Kfz-Nutzung unterbleiben müsste. Allerdings verlangen die Finanzämter in diesem Fall zusätzlich den Nachweis, dass das Verbot auch tatsächlich beachtet wurde. Und dieser Nachweis ist sehr schwierig zu führen.

Wir hatten Sie kürzlich bereits darüber informiert, dass das Finanzgericht Köln - rechtskräftig - entschieden hat, dass der Beweis des ersten Anscheins dafür spricht, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer einen ihm überlassenen Pkw selbst dann zu Privatzwecken nutzt, wenn ein Privatnutzungsverbot ausgesprochen wurde. Zwar mag dieser Vorgang eventuell nicht lohnsteuerpflichtig sein, doch er führt zu einer verdeckten Gewinnausschüttung auf Ebene der GmbH. Soll der Beweis des ersten Anscheins widerlegt werden, bedürfe es beispielsweise eines Fahrtenbuchs oder zumindest - nachweislicher -organisatorischer Maßnahmen, die eine Privatnutzung des Fahrzeugs ausschließen und eine unbeschränkte Zugriffsmöglichkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers auf den Pkw verhindern (FG Köln, Urteil vom 8.12.2022, 13 K 1001/19).

Kürzlich ist das FG Münster der Linie des FG Köln gefolgt (Urteil vom 28.4.2023, 10 K 1193/20 K,G,F): Die allgemeine Lebenserfahrung spreche dafür, dass ein Dienstwagen, der einem Gesellschafter-Geschäftsführer von "seiner" GmbH überlassen wird, auch privat genutzt werde. Dies gelte auch bei einem Privatnutzungsverbot, wenn keine organisatorischen Maßnahmen getroffen würden, die eine private Nutzung ausschließen und auch kein Fahrtenbuch geführt werde. Für den Anscheinsbeweis spreche, dass ein Privatnutzungsverbot wegen des fehlenden Interessengegensatzes keine gesellschaftsrechtlichen oder arbeitsrechtlichen Konsequenzen nach sich ziehe. Es könne daher nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass der Geschäftsführer sich tatsächlich an das Verbot halte. Die Klägerin habe den Anscheinsbeweis im Übrigen nicht entkräftet. Sie habe es versäumt, Beweisvorsorge etwa durch Führung eines Fahrtenbuches oder sonstige Aufzeichnungen zu treffen. Die Klägerin hatte zwar noch darauf verwiesen, dass im Privatvermögen Fahrzeuge zur privaten Nutzung zur Verfügung stünden. Doch damit konnte sie nicht durchdringen. Die im Privatvermögen gehaltenen Fahrzeuge seien aufgrund der geringeren Motorisierung und des niedrigeren Wertes in Status und Nutzungswert nicht mit den betrieblichen Fahrzeugen vergleichbar - so die Richter des FG Münster. Zudem habe auch die Ehefrau des Geschäftsführers die Privatfahrzeuge - etwa für Einkaufsfahrten - genutzt.

Praxistipp:
Das FG Münster hat die Revision zugelassen, die beim Bundesfinanzhof bereits unter dem Az. I R 33/23 anhängig ist. Auch wenn nun also das oberste deutsche Steuergericht entscheiden muss, ist bis auf Weiteres davon auszugehen, dass die Finanzämter ein Privatnutzungsverbot - wenn überhaupt - nur anerkennen werden, wenn dessen Durchführung "belegt" wird. Dazu ist zunächst erforderlich, dass dem Gesellschafter-Geschäftsführer mindestens ein weiteres, gleichwertiges Fahrzeug gehört. Der Dienstwagen muss im Übrigen nachts, am Wochenende und während des Urlaubs - nachweislich - auf dem Firmengelände geparkt sein und der Schlüssel in einem abschließbaren Schlüsselkasten aufbewahrt werden. Zudem sollte nach Möglichkeit ein Fahrtenbuch geführt werden.

Praxistipp:
Sollte der BFH im Sinne der Finanzverwaltung entscheiden, muss er auch zur Höhe der verdeckten Gewinnausschüttung Stellung nehmen. Das FG Münster führt aus, dass die verdeckte Gewinnausschüttung auf Ebene der Gesellschaft nicht nach der so genannten Ein-Prozent-Regelung, sondern nach Fremdvergleichsgrundsätzen zu bewerten sei.
gepostet: 23.12.2023
Erbschaft: Steuerbefreiung fürs Familienheim bei Grundstückszusammenlegung
Die Vererbung des selbstgenutzten Familienheims an das eigene Kind ist von der Erbschaftsteuer befreit. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist allerdings, dass der Erblasser das Familienheim vor dem Erbfall selbst bewohnt hat und der Erbe die Immobilie nach der Erbschaft zehn Jahre lang selbst zu Wohnzwecken nutzt. Die Vergünstigung greift, soweit die Wohnfläche der geerbten Wohnung 200 qm nicht übersteigt. Das Niedersächsische Finanzgericht hat entschieden, dass die erbschaftsteuerliche Befreiung für ein Familienheim neben dem Gebäude nur die Grundfläche des Flurstücks umfasst, auf dem sich das Gebäude befindet. Bei besonders großen oder zusammengelegten Flurstücken ist lediglich eine angemessene Fläche begünstigt (Niedersächsisches FG, Urteil vom 12.7.2023, 3 K 14/23).

Der Kläger ist Erbe seines verstorbenen Vaters. Zum Nachlass gehörten unter anderem drei Grundstücke - genauer gesagt drei Flurstücke - mit dem darauf befindlichen Wohnhaus des Erblassers, in das der Kläger offenbar zeitnah nach dem Versterben des Vaters eingezogen ist. Zwar handelt es sich um mehrere Flurstücke, doch im Grundbuch sind diese gemäß § 890 BGB zu einem einzigen Grundstück vereinigt worden. Der Kläger begehrte die Erbschaftsteuerbefreiung für ein Familienheim (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG). Er ging davon aus, dass das gesamte Grundstück bzw. alle drei Flurstücke, auf dem sich das Wohnhaus befindet, begünstigt seien. Das Finanzamt gewährte die Befreiung aber nur für ein einziges Flurstück mit einer Größe von 837 qm, also das Flurstück, auf dem sich das Wohnhaus ganz unmittelbar befand. Das Finanzgericht hat dem Finanzamt zugestimmt.

Begründung: Nur das tatsächlich bebaute Grundstück oder die bebaute Teilfläche kann in die erbschaftsteuerliche Begünstigung einfließen. Würde man über diesen angemessenen Rahmen hinausgehen, bestünde die Gefahr, dass der Grundstückseigentümer den Umfang des begünstigten Immobilienvermögens erweitert, indem er benachbarte Flurstücke im Sinne des Katasterrechts "verschmelzen" lässt. So hätten hier alle Grundstücke vom Eigentümer durch einfache Erklärung gegenüber dem Katasteramt verschmolzen werden können. Auch das BGB lässt es relativ leicht zu, Flurstücke durch Erklärung in einem Grundbuchblatt "zu vereinigen". Solche Gestaltungen entsprächen nicht dem Zweck der Steuerbegünstigung, denn es soll erbschaftsteuerlich nur das Familienwohnheim geschützt werden.

Praxistipp:
Gegen das Urteil wurde Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt. Das Az. des anhängigen Verfahrens lautet II R 27/23.
gepostet: 21.12.2023
Sonn-, Feiertags-, Nachtzuschläge: Keine überbordenden Anforderungen
Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit, die neben dem Grundlohn gezahlt werden, sind bis zu bestimmten Höchstgrenzen steuer- und sozialversicherungsfrei (§ 3b EStG). Wichtig ist allerdings, dass Einzelaufzeichnungen über die abgeleisteten Stunden vorliegen. Ohne entsprechende Unterlagen sind die Zuschläge nicht steuerfrei (so z.B. Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 27.11.2020, 10 K 410/17 H, L). Mit den Anforderungen an die Einzelaufzeichnungen hat sich nun auch das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht befasst. Es hat entschieden, dass es für die Steuerfreiheit der Zuschläge unschädlich ist, wenn die Aufzeichnungen des Arbeitgebers keine genaue Anfangszeit und Schlusszeit der jeweiligen Nachtarbeit enthalten, sofern die Ableistung der Nachtarbeit unstreitig ist (Urteil vom 9.11.2022, 4 K 145/20).

Der Sachverhalt: Der Arbeitgeber hatte an seine Arbeitnehmer teilweise Nachtzuschläge gezahlt und diese als steuerfrei behandelt. Es war unstreitig, dass die jeweiligen Personen die Nachtarbeit durchgeführt haben. Der Arbeitgeber führte auch durchaus entsprechende Aufzeichnungen, die dies einwandfrei erkennen ließen. Streitig war jedoch, ob die Steuerfreiheit deshalb zu verwehren ist, weil nicht die genaue Uhrzeit (Beginn und Ende der Arbeit), sondern lediglich der Zeitrahmen und die darin geleistete Stundenzahl angegeben wurden (z.B. 4 Stunden innerhalb der Zeit von 20 Uhr - 6 Uhr). Nach Auffassung des Finanzgerichts war die fehlende Präzision der Aufzeichnungen unschädlich und die Steuerfreiheit war zu gewähren.

Zwar verlange die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs durchaus, dass Einzelaufstellungen (einschließlich Anfangs- und Schlusszeit) der tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden zur Nachtzeit vorliegen müssen. Doch diese Anforderung sei nicht absolut, sondern lasse Ausnahmen zu. Sie habe im Übrigen lediglich dazu gedient, die subjektive Tatsache der Verknüpfung zwischen konkreter Nachtarbeit und Lohnzahlung - in Abgrenzung zu pauschalen Zuschlägen - zu belegen und die Anzahl der Stunden sichtbar zu machen. Die Aufzeichnungen erfüllten indes keinen Selbstzweck. Soweit daher die gesetzlichen Voraussetzungen unstreitig erfüllt seien, seien ungenauere Aufzeichnungen unschädlich (so z.B. BFH-Urteil vom 22.10.2009, VI R 16/08). Angesichts dessen war die Steuerfreiheit nach § 3b EStG im Streitfall nicht zu versagen.
gepostet: 19.12.2023
Unternehmensberater: Grundsätzlich keine Liebhaberei trotz Anfangsverlusten
Wer eine Tätigkeit aus persönlichen Neigungen heraus betreibt und dauerhaft Verluste erzielt, muss davon ausgehen, dass das Finanzamt diese nicht anerkennt, sondern eine so genannte Liebhaberei unterstellt. Andererseits können auch lang andauernde Verluste steuerlich abgezogen bzw. verrechnet werden, wenn ernsthaft die Absicht besteht, mit der Tätigkeit (positive) Einkünfte zu erzielen. Naturgemäß sind die Finanzämter aber skeptisch, wenn längere Zeit Verluste erwirtschaftet werden. Dann liegt es am Unternehmer, dem Finanzamt gegenüber die Einkünfte- bzw. Gewinnerzielungsabsicht glaubhaft zu machen. In diesem Zusammenhang hat das Finanzgericht Münster entschieden, dass die Finanzverwaltung an die Glaubhaftmachung der Gewinnerzielungsabsicht bei einem Unternehmensberater und Dozenten keine hohen Anforderungen stellen darf (FG Münster, Urteil vom 13.6.2023, 2 K 310/21 E).

Der Kläger, ein Diplom-Kaufmann, war bis zu seiner Kündigung im Jahr 2015 als Unternehmensberater angestellt. Nach seiner Kündigung unterlag er einem Wettbewerbs- bzw. Kontaktverbot hinsichtlich der von ihm beratenen Führungspersönlichkeiten. Bereits seit dem Jahr 2014 übt er eine selbständige Tätigkeit als Unternehmensberater aus, in deren Zusammenhang er unter anderem auch als Dozent tätig ist. Seit 2018 ist er zudem als Promotionsstudent immatrikuliert. In seinen Einkommensteuererklärungen 2014 bis 2018 erklärte der Kläger hinsichtlich seiner Tätigkeit als Unternehmensberater jeweils Verluste zwischen rund 1.100 Euro und 11.700 Euro. Die Betriebseinnahmen bewegten sich zwischen rund 2.400 Euro und 6.600 Euro. Das Finanzamt erkannte die Verluste nicht an. Lediglich die Aufwendungen für die Promotion wurden im Jahre 2018 mit 50 Prozent als vorweggenommene Werbungskosten (Fortbildungskosten) bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt. Der Kläger habe seine Tätigkeit als Unternehmensberater nicht ernsthaft ausgeübt. Auf Dauer gesehen sei sie nicht dazu geeignet und bestimmt, mit Gewinn betrieben werden zu können. Doch die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich.

Begründung: Bei den so genannten Katalogberufen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG, wie im Streitfall, müssen zusätzliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Verluste aus persönlichen Gründen oder Neigungen hingenommen werden. Diese "zusätzlichen Anhaltspunkte" konnte das Finanzamt nicht beibringen. Der Kläger habe in den Streitjahren eine "zusammengesetzte Tätigkeit“ als Berater und Dozent ausgeübt; dies sei für das Berufsbild des Unternehmensberaters, wie für sämtliche Katalogberufe i.S. des § 18 EStG, nicht untypisch. Die Tätigkeit sei auch nicht in der Nähe des Hobbybereichs anzusiedeln. Im Übrigen sei sogar der ehemalige Arbeitgeber des Klägers ernsthaft davon ausgegangen, dass dieser mit seiner selbstständigen Tätigkeit als Unternehmensberater Erfolg haben könnte, denn dies zeige das Wettbewerbs- bzw. Kontaktverbot hinsichtlich der von dem Kläger im Rahmen seiner Angestelltentätigkeit beratenen Führungspersönlichkeiten.
gepostet: 17.12.2023
Schenkungsteuer: Ein einmal festgestellter Grundstückswert bindet langfristig
Schenkungen an ein Kind bleiben bis zur Höhe des persönlichen Freibetrages von 400.000 Euro schenkungsteuerfrei. Allerdings werden dabei alle Schenkungen innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren zusammengerechnet. Das heißt: Eine zunächst unbesteuerte Schenkung kann aufgrund der Addition mit einer späteren Schenkung doch noch Schenkungsteuer auslösen. Dabei ist Folgendes zu beachten: Wird - zunächst - eine Immobilie übertragen, für die das Finanzamt einen Grundstückswert ermittelt und per Bescheid festsetzt, dann behält dieser Wert seine Gültigkeit dauerhaft. Stellt sich erst bei der zweiten Schenkung heraus, dass der seinerzeit - bestandskräftig - festgesetzte Grundstückswert zu hoch ist, wird der eventuell überhöhte Wert dennoch zugrunde gelegt und kann aufgrund der Zusammenrechnung Schenkungsteuer auslösen. Der Bundesfinanzhof hat bestätigt, dass ein für Zwecke der Schenkungsteuer gesondert festgestellter Grundstückswert für alle Schenkungsteuerbescheide bindend ist, bei denen er in die steuerliche Bemessungsgrundlage einfließt. Das gilt auch für die Berücksichtigung eines früheren Erwerbs bei einem so genannten Nacherwerb nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG, das heißt bei einer Schenkung, die innerhalb von zehn Jahren nach der ersten Schenkung erfolgt (BFH-Urteil vom 26.7.2023, II R 35/21).

Der Kläger hatte im Jahr 2012 von seinem Vater einen Miteigentumsanteil an einem unbebauten Grundstück geschenkt bekommen. Das Finanzamt hatte den Grundstückswert festgestellt und der Besteuerung zu Grunde gelegt. Seinerzeit musste der Kläger keine Schenkungsteuer bezahlen, weil der Grundstückswert mit knapp 90.000 Euro weit unter dem gesetzlichen Freibetrag für Kinder in Höhe von 400.000 Euro lag. Im Jahr 2017 bekam der Kläger von seinem Vater 400.000 Euro geschenkt. Da dies innerhalb der Zehn-Jahres-Frist geschah, rechnete das Finanzamt beide Erwerbe zusammen und setzte Schenkungsteuer von rund 10.000 Euro fest. Dabei berücksichtigte es den Grundstückswert in der damals festgestellten Höhe. Der Kläger meinte, dieser Wert sei zu hoch und deshalb nunmehr nach unten zu korrigieren. Bei der Schenkung in 2012 habe er sich nur deshalb nicht gegen den falschen Grundstückswert gewendet, weil die Schenkungsteuer ohnehin mit 0 Euro festgesetzt worden sei. Doch weder das Finanzgericht noch der BFH gaben dieser Forderung nach.

Der festgestellte Grundstückswert sei nicht nur der Schenkungsteuerfestsetzung zu Grunde zu legen, für die er angefordert wurde, sondern auch bei nachfolgenden Schenkungsteuerfestsetzungen innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren, die mit der Grundstücksschenkung zusammenzurechnen sind. Halte der Steuerpflichtige den festgestellten Grundstückswert für zu hoch, müsse er sich sogleich gegen die Feststellung wenden. Tue er dies nicht und wird der Bescheid über den festgestellten Wert bestandskräftig, könne er die Unrichtigkeit bei den nachfolgenden Schenkungsteuerfestsetzungen nicht mehr mit Erfolg geltend machen.
gepostet: 15.12.2023
Bilanzierung: Passive Rechnungsabgrenzung bei zeitraumbezogenen Leistungen
Für Einnahmen vor dem Abschlussstichtag, die Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen, ist ein passiver Rechnungsabgrenzungsposten (RAP) zu bilden. Mit der Frage, wann das Tatbestandsmerkmal "bestimmte Zeit" für die Bildung eines passiven RAP erfüllt ist, musste sich nun der Bundesfinanzhof befassen. Sein Urteil lautet: Eine Schätzung der "bestimmten Zeit“ als Tatbestandsvoraussetzung für eine passive Rechnungsabgrenzung von erhaltenen Einnahmen ist zulässig, wenn sie auf "allgemeingültigen Maßstäben“ beruht. Daran fehlt es, wenn die angewendeten Maßstäbe auf einer Gestaltungsentscheidung des Steuerpflichtigen beruhen, die geändert werden könnte. Eine Passivierung erhaltener Zahlungen für eine noch ausstehende zeitraumbezogene Leistung ist nicht als erhaltene Anzahlung, sondern nur unter den Voraussetzungen der passiven Rechnungsabgrenzung möglich (BFH-Urteil vom 26.7.2023, IV R 22/20).

Der Sachverhalt: Die Klägerin ist Projektentwicklerin für Immobilien. Für ihre Leistungen erhält sie als Regiekosten bzw. Regieerlöse bezeichnete Honorare. Die Regiekosten sind verteilt auf die voraussichtliche Laufzeit des jeweiligen Projekts in regelmäßigen Raten zu zahlen. Dies führte dazu, dass zum Teil Honorare vor der Leistungserbringung vereinnahmt wurden. Die Klägerin bildete in ihrer Gewinnermittlung einen passiven RAP. In einer Leistungsermittlung bestimmte sie dazu für jedes Projekt, für das sie in dem Streitjahr Regieerlöse erzielte, den Beginn, die Laufzeit und das Ende jeder Phase und verteilte die Projekterlöse auf die jeweilige Phase ihres Berechnungsschemas. Letztlich waren dies aber nur Schätzungen. Das Finanzamt beanstandete daher den gebildeten passiven RAP. Es fehle der erforderliche zeitliche und sachliche Zusammenhang zwischen den in den Projektverträgen zugrunde gelegten Zahlungsplänen und den durch die Klägerin zu erbringenden Leistungen. Statt des passiven RAP bildete das Finanzamt eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten (aufgrund eines Erfüllungsrückstandes), allerdings nur in Höhe von etwa 50 Prozent des beantragten RAP. Die hiergegen gerichtete Klage und auch die Revision beim BFH blieben erfolglos, das heißt, die Bildung des RAP wurde versagt und die Höhe der Rückstellung nicht beanstandet.

Die Begründung: Die Verträge für die Projekte würden zwar einen zeitlich genau bestimmten Vertragsbeginn vorsehen, nicht aber ein zeitlich genau bestimmtes Ende. Als Zeitmaßstab könne nur eine Größe anerkannt werden, die - wie etwa ein kalendermäßig festgelegter oder berechenbarer Zeitraum - nicht von vornherein Zweifel über Beginn und Ende des Zeitraums aufkommen lässt. Individuelle Schätzungen der Dauer der Gegenleistung seien nicht ausreichend, wohl aber eine Schätzung aufgrund allgemeingültiger Maßstäbe. Eigene langjährige Erfahrungen seien aber keine solche allgemeingültigen Maßstäbe. Die Verträge enthielten ferner keine Festlegung zu Phasen und auf diese entfallende Prozentsätze des Wertes der von der Klägerin zu erbringenden Leistungen. Sie würden auch weder erkennen lassen, in welchen Zeitabschnitten die von der Klägerin übernommenen Leistungen zu erbringen sind, noch, welche Vergütungsanteile darauf entfallen.

Praxistipp:
Unschädlich ist es, wenn eine Gegenleistung zunächst in hinreichender Bestimmtheit - etwa für einen kalendermäßigen Zeitraum - geschuldet wird, die Dauer der Leistungserbringung dann aber tatsächlich länger oder kürzer ausfällt als ursprünglich bestimmt.

Prinzipiell käme es zwar in Betracht, erhaltene Honorare als Anzahlungen zu passivieren. Doch dazu wiederum sei erforderlich, dass es sich um eine zeitpunktbezogene und nicht um ein zeitraumbezogene Leistung handele - so der BFH. Daran fehlte es im Streitfall. Zu prüfen war letztlich, ob eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten wegen eines Erfüllungsrückstandes gebildet werden konnte. Diese kam zwar in Betracht, doch nur in Höhe der Schätzung des Finanzamts, die das Finanzgericht nicht beanstandet hat. Der BFH sah sich insoweit an die Tatsachenfeststellung gebunden.

Praxistipp:
Um eine Rückstellung in voller Höhe zu rechtfertigen, muss der Steuerpflichtige detailliert darlegen, in welchem Umfang er sich zum Bilanzstichtag in einem Erfüllungsrückstand befunden hat. Im Streitfall hätte es dazu näherer Angaben und Unterlagen bedurft, etwa Kostenträger- und Kostenstellenrechnungen, Kosten- und Budgetplanungen, Nachweise über die Gewichtung der Anteile der einzelnen Phasen und sonstige zweckdienliche Aufzeichnungen.
gepostet: 13.12.2023
Vereine und Steuern: Arbeitshilfe für Vereinsvorstände und Mitglieder
Das Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hat seine Broschüre zum Thema Vereine und Steuern überarbeitet und auf seinen Internetseiten zum Download zur Verfügung gestellt. Die Broschüre bietet beispielsweise einen umfassenden Überblick über die Themen Gemeinnützigkeit, Spenden und Mitgliedsbeiträge, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, Umsatzsteuer, Lohnsteuer und Steuerabzug für ausländische Künstler und Sportler. Interessierte können die Information des Finanzministeriums unter folgendem Link kostenlos herunterladen:
https://broschuerenservice.nrw.de/default/shop/Vereine_Steuern/25
gepostet: 11.12.2023
GbR: Gefahr "Grundstücksverkauf nach Gesellschafterwechsel"
Der Verkauf einer Immobilie ist nach Ablauf der zehnjährigen Spekulationsfrist einkommensteuerfrei, sieht man einmal von den Fällen ab, in denen sich die Immobilie im Betriebsvermögen befindet oder ein so genannter gewerblicher Grundstückshandel vorliegt. Grundsätzlich gilt die Steuerfreiheit auch, wenn der Verkauf durch eine vermögensverwaltende GbR erfolgt. Allerdings ist Vorsicht angebracht, wenn innerhalb der GbR in den letzten zehn Jahren vor dem Grundstücksverkauf ein Gesellschafterwechsel vollzogen wurde oder aber ein Gesellschafter ausgeschieden und dessen GbR-Anteil den anderen Gesellschaftern "angewachsen" ist. So hat das Niedersächsische Finanzgericht entschieden, dass ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn entstehen kann, wenn sich der Anteil eines GbR-Gesellschafters aufgrund des Ausscheidens eines anderen Gesellschafters aus der GbR erhöht und die GbR eine Immobilie innerhalb von zehn Jahren nach diesem Vorgang veräußert. Die so genannte Anwachsung eines Gesellschaftsanteils gilt als separate Anschaffung, für die die Zehn-Jahres-Frist des § 23 Abs. 1 EStG neu zu laufen beginnt (Niedersächsisches FG, Urteil vom 25.5.2023, 4 K 186/20).

Der Kläger war zunächst mit zwei anderen Gesellschaftern seit vielen Jahren an der A-GbR beteiligt. Ein Gesellschafter schied jedoch Ende 2008 aus der GbR aus und erhielt dafür von den verbleibenden Gesellschaftern eine Abfindung. Der Anteil des Klägers erhöhte sich von 25 auf 52 Prozent. In 2014, also sechs Jahre nach dem Ausscheiden des Gesellschafters, veräußerte die A-GbR ein Grundstück, das sie bereits 1991 angeschafft und bisher verpachtet hatte. Das Finanzamt versteuerte beim Kläger einen Spekulationsgewinn aus dem Grundstücksverkauf. Es liege ein privates Veräußerungsgeschäft gemäß §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG vor. Die Erhöhung der Beteiligung an der A-GbR (Anwachsung) sei als separate Anschaffung zu werten. Da zwischen dem Grundstücksverkauf und der Anschaffung nicht mehr als zehn Jahre gelegen hätten, sei insoweit ein (anteiliges) Spekulationsgeschäft gegeben. Das Finanzgericht sieht dies in der Sache genauso, auch wenn es letztlich die Höhe des steuerpflichtigen Veräußerungsgewinns gemindert hat.

Begründung: Infolge der Anwachsung habe der Kläger einen weiteren Anteil an der A-GbR erworben, was gemäß § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG als anteilige Anschaffung des Wirtschaftsguts Grundstück gilt. Da die Veräußerung des Grundstücks durch die A-GbR innerhalb von zehn Jahren nach dem Hinzuerwerb des Anteils erfolgte, lag eine entsprechende (anteilige) Steuerpflicht vor. Der Wortlaut des § 23 Abs. 1 erfasse auch die Aufstockung einer schon vorhandenen Beteiligung.

Praxistipp:
Soweit ersichtlich ist das Urteil rechtskräftig geworden, obwohl das Finanzgericht die Revision zugelassen hatte.
gepostet: 09.12.2023
EU-Taxameter und Wegstreckenzähler: Nichtbeanstandungsregelung bis 31.12.25
EU-Taxameter und Wegstreckenzähler sind elektronische Aufzeichnungssysteme im Sinne der Kassensicherungsverordnung. Die damit zu führenden digitalen Aufzeichnungen sind durch eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung (TSE) zu schützen. Zur Frage, ab welchem Zeitpunkt die TSE spätestens zu installieren ist, hat das Bundesfinanzministerium folgende Nichtbeanstandungsregelung erlassen (BMF-Schreiben vom 13.10.2023, IV D 2-S 0319/20/10002 :010): Die technisch notwendigen Anpassungen und Aufrüstungen sind zwar umgehend durchzuführen und die rechtlichen Voraussetzungen unverzüglich zu erfüllen. Zur Umsetzung einer flächendeckenden Aufrüstung wird es aber nicht beanstandet, wenn diese elektronischen Aufzeichnungssysteme längstens bis zum 31. Dezember 2025 noch nicht über eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung verfügen. Die Belegausgabepflicht nach § 146a Abs. 2 AO bleibt hiervon unberührt.

Die digitale Schnittstelle der Finanzverwaltung für EU-Taxameter und Wegstreckenzähler - DSFinV-TW - findet bis zur Implementierung der zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung, längstens für den Zeitraum der Nichtbeanstandung, keine Anwendung. Die Meldeverpflichtung nach § 9 Abs. 3 KassenSichV für die Inanspruchnahme der Übergangsregelung für EU-Taxameter mit INSIKA-Technologie findet ebenfalls längstens für den Zeitraum der Nichtbeanstandung keine Anwendung. Von der Mitteilung nach § 146a Abs. 4 AO ist bis zum Einsatz einer elektronischen Übermittlungsmöglichkeit abzusehen.
gepostet: 07.12.2023
Außergewöhnliche Belastung: Beerdigungskosten nicht um Sterbegeld mindern
Kosten für die Beerdigung eines nahen Angehörigen sind grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Voraussetzung für den Abzug ist zum einen, dass die Kostenübernahme aus rechtlichen oder sittlichen Gründen zwangsläufig erfolgt und zum anderen, dass die Kosten nicht aus dem Nachlass bestritten werden können und auch nicht durch Versicherungs- oder sonstige Ersatzleistungen gedeckt sind. Zudem wirken sie sich nur aus, soweit die zumutbare Belastung überschritten ist. Wie der Bundesfinanzhof nun entschieden hat, mindert das dem Erben gezahlte Sterbegeld die abzugsfähigen außergewöhnlichen Belastungen aber nicht, wenn es schon versteuert werden muss (BFH-Beschluss vom 15.6.2023, VI R 33/20).

Im Jahre 2021 hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass das pauschale Sterbegeld aus der Beamtenversorgung, das nach den Dienstbezügen bzw. dem Ruhegehalt des Verstorbenen bemessen ist, als Versorgungsbezug zu versteuern ist (BFH-Urteil vom 19.4.2021, VI R 8/19). Zuvor hatte der BFH bereits entschieden, dass ein Sterbegeld aus einer betrieblichen Altersversorgung (Pensionskasse) auch dann einkommensteuerpflichtig ist, wenn es mangels lebender Bezugsberechtigter nicht an die Bezugsberechtigten i.S. des BetrAVG, sondern ersatzweise an die Erben gezahlt wird (BFH-Urteil vom 5.11.2019, X R 38/18).

Immerhin: Wenn das Sterbegeld schon versteuert werden muss, darf es nicht die Beerdigungskosten mindern, die von den Hinterbliebenen getragen werden und die diese als außergewöhnliche Belastungen geltend machen können. Lediglich der steuerfreie Versorgungsfreibetrag ist von den Beerdigungskosten abzuziehen. Begründung: Werden außergewöhnliche Belastungen aus zu versteuerndem Einkommen geleistet, sind die entsprechenden Aufwendungen ohne Anrechnung der zu versteuernden Beträge nach § 33 EStG abziehbar. Denn eine (auch nur teilweise) Anrechnung der zu versteuernden Leistung auf die nach § 33 EStG abziehbare außergewöhnliche Belastung hätte eine unzulässige doppelte steuerliche Belastung des Steuerpflichtigen zur Folge.
gepostet: 05.12.2023
Arbeitslohn: Keine Erhöhung per Summenbescheid der Sozialversicherung
Die Höhe des Beitrages zur Sozialversicherung ist für jeden Arbeitnehmer grundsätzlich einzeln zu ermitteln; entsprechende Aufzeichnungen (Entgeltunterlagen) sind für jeden Mitarbeiter gesondert zu führen. Zuweilen "verstoßen" Arbeitgeber jedoch gegen die Aufzeichnungspflichten, etwa weil sie davon ausgehen, dass eine bestimmte Leistung überhaupt nicht der Sozialversicherung unterliegt. Wird ein solcher Verstoß von den Prüfern der Sozialversicherung bemängelt und ist eine Zuordnung des - nun der Sozialversicherung unterliegenden - Vorteils nicht getrennt möglich, können die Beiträge "von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte" geltend gemacht werden. Vielfach werden die zusätzlichen Arbeitsentgelte geschätzt und gegenüber dem Arbeitgeber mittels eines so genannten Summenbeitragsbescheides festgesetzt (§ 28 f SGB IV). Zugunsten der Betroffenen hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die Zahlungen des Arbeitgebers an die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) aufgrund eines solchen Bescheides nicht zu steuerpflichtigem Arbeitslohn führen (BFH-Urteil vom 15.6.2023, VI R 27/20).

Der Sachverhalt: Der Arbeitgeber hatte seine Arbeitnehmer beispielsweise zu einem "Get-Together" im Rahmen einer Schulungsveranstaltung eingeladen und dabei eine Band engagiert. Diese Zuwendungen sind nach § 37b EStG pauschal besteuert worden. Allerdings wurden diese nicht einzelnen Arbeitnehmern "zugeordnet". Mit der DRV wurde vereinbart, dass die Zuwendungen nicht den einzelnen Lohnkonten zugerechnet, sondern die Sozialversicherungsbeiträge über pauschalierte Summenbescheide erhoben werden. Das Finanzamt wiederum war der Meinung, dass die hierin - sozusagen fiktiv - enthaltenen Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung der Lohnsteuer zu unterwerfen sind. Doch nach Ansicht der BFH-Richter führten die streitigen Zahlungen nicht zu Arbeitslohn. Den Arbeitnehmern fließe durch den Summenbescheid kein Vorteil und folglich kein steuerpflichtiger Arbeitslohn zu, denn es handele sich insoweit nicht um "fremdnützige“ Leistungen zugunsten der Arbeitnehmer, sondern um "systemnützige“ Zahlungen zum Vorteil der Sozialkassen.
gepostet: 03.12.2023
Registrierkassen: Übergangsregelungen und Erleichterungen ausgelaufen
Elektronische Aufzeichnungssysteme, zu denen auch digitale Registrierkassen gehören, müssen generell bereits seit dem 1. Januar 2020 über eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung (TSE) verfügen. So sollen Manipulationen an den digitalen Daten verhindert werden. Zunächst gab es für die Registrierkassen noch gewisse Übergangsfristen und Erleichterungen. Diese sind aber bereits Ende 2022 ausgelaufen. Die Einhaltung der Vorgaben wird in unangekündigten Kassen-Nachschauen der Finanzämter überprüft. Bei diesen Kontrollen wird allgemein geprüft, ob die Kassenaufzeichnungen, welche der Besteuerung unterliegen, ordnungsgemäß geführt werden und nunmehr auch, ob die TSE ordnungsgemäß eingesetzt wird.

„Meist beginnt eine solche Überprüfung mit Testkäufen und einer stillen Beobachtung. Ergeben sich hierbei keine Unregelmäßigkeiten und liegen auch keine anderen Hinweise auf eventuelle Verstöße vor, kann eine Kassen-Nachschau bei TSE-gesicherten Kassen sehr zügig ablaufen“, so die Thüringer Finanzministerin Heike Taubert. Oftmals sei eine Kassen-Nachschau so "geräuschlos“, dass der überprüfte Betrieb die Nachschau gar nicht mitbekommt. In einigen Fällen seien aber tiefgründigere Nachprüfungen nötig. Um die von den Kassensystemen und der TSE erzeugten Daten zu verifizieren, erfolgen die Prüfungen IT-gestützt (Quelle: Thüringer FinMin, Mitteilung vom 22.9.2023).

Praxistipp:
Es gibt keine Pflicht, eine (digitale) Registrierkasse einzusetzen. Betriebsinhaber können auch weiterhin eine offene Ladenkasse führen. Die Aufzeichnungs- und Buchführungspflichten sind aber dieselben, sie unterliegen strengen Anforderungen. Und die Praxis zeigt, dass die Prüfer der Finanzverwaltung die Aufzeichnungs- und Buchführungspflichten bei offenen Ladenkassen besonders genau unter die Lupe nehmen.

Praxistipp:
Zur Nichtbeanstandungsregelung bei EU-Taxametern und Wegstreckenzählern beachten Sie bitte die nachfolgende Information.
gepostet: 01.12.2023
November 2023
Privatschulkosten für hochbegabtes Kind: Keine außergewöhnliche Belastung
Wenn ein Kind eine Privatschule besucht, können die Eltern 30 Prozent der Kosten, höchstens 5.000 Euro pro Jahr, als Sonderausgaben abziehen, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind (10 Abs. 1 Nr. 9 EStG). Die darüber hinausgehenden Aufwendungen sind aber nicht abzugsfähig. Wie das Finanzgericht Münster entschieden hat, stellen die Kosten für den Privatschulbesuch eines hochbegabten Kindes auch keine außergewöhnlichen Belastungen nach § 33 EStG dar (Urteil vom 13.6.2023, 2 K 1045/22 E).

Die Tochter der Kläger besuchte ein staatlich anerkanntes Internatsgymnasium. Dem Internatsbesuch ging ein Schreiben des amtsärztlichen Dienstes voraus, wonach bei ihr eine besondere Lernbegabung und eine sehr hohe Intelligenz vorliege. Diese außerordentlichen intellektuellen Fähigkeiten würden in der Schule keine entsprechende Förderung erhalten. Durch die ständige schulische Unterforderung seien bei der Tochter behandlungsbedürftige psychosomatische Beschwerden aufgetreten, die sich innerhalb eines Jahres zu einem Besorgnis erregenden gesundheitlichen Zustand entwickelten. Aus gesundheitlichen Gründen sei daher der Besuch einer Schule mit individuellen, an die Hochbegabung angepassten Fördermöglichkeiten wie dem Internatsgymnasium amtsärztlich dringend zu befürworten. Die Aufwendungen für den Internatsbesuch machten die Eltern - soweit die gezahlten Schulgelder nicht bereits als Sonderausgaben berücksichtigt wurden - als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das Finanzamt folgte dem nicht. Das FG Münster hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen.

Die Aufwendungen für den Privatschulbesuch seien keine zu berücksichtigenden unmittelbaren Krankheitskosten, sondern Kosten der privaten Lebensführung. Entsprechende Aufwendungen können zwar im Ausnahmefall - unter ganz engen Voraussetzungen - als (unmittelbare) Krankheitskosten angesehen werden. Erforderlich sei dazu aber, dass der Privatschulbesuch zum Zwecke der Heilbehandlung erfolge und dort eine spezielle, unter der Aufsicht medizinisch geschulten Fachpersonals durchgeführte Heilbehandlung stattfinde. Im Streitfall konnte dieser Nachweis nicht erbracht werden. Es sei - trotz des Schreiben des amtsärztlichen Dienstes - nicht ersichtlich, dass der Privatschulbesuch medizinisch indiziert sei und im Internat eine spezielle, unter der Aufsicht medizinisch geschulten Fachpersonals durchgeführte Heilbehandlung stattgefunden habe. Der Schulbesuch sei (auch) im Hinblick auf die Hochbegabung des Kindes erfolgt, die keine Krankheit i.S. des § 33 EStG darstelle, und andere Krankheiten in dem amtsärztlichen Schreiben nicht diagnostiziert worden seien. Der Schulbesuch als solcher könne auch bei günstigen Auswirkungen auf die Krankheit ebenfalls nicht als eigentliche Heilmaßnahme anzusehen sein, da es sich in diesem Fall nicht um unmittelbare Krankheitskosten, sondern um nicht abziehbare Kosten der Vorbeugung bzw. Folge einer Krankheit handele.

Praxistipp:
Gegen das Urteil wurde Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesfinanzhof eingelegt. Diese ist unter dem Az. VI B 35/23 anhängig (Quelle: FG Münster, Newsletter August 2023).
gepostet: 29.11.2023
Gesetzgebung: Befristete Wiedereinführung der degressiven Abschreibung
Das so genannte Wachstumschancengesetz befindet sich derzeit zwar noch in der parlamentarischen Beratung und wird wohl erst im Dezember 2023 verabschiedet. Dennoch möchten wir Sie bereits heute auf eine Änderung aufmerksam machen: Es ist geplant, eine degressive Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter einzuführen, die im Zeitraum vom 1. Oktober 2023 bis 31. Dezember 2024 angeschafft oder hergestellt werden. Der bei der degressiven AfA anzuwendende Prozentsatz darf höchstens das Zweieinhalbfache des Prozentsatzes der linearen AfA betragen und 25 Prozent nicht übersteigen. Die degressive AfA ist nur bei Wirtschaftsgütern des beweglichen Anlagevermögens zulässig, gilt also nur bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit und Land- und Forstwirtschaft. Es spielt dabei keine Rolle, ob der Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich oder durch Einnahmenüberschussrechnung ermittelt wird. Die degressive AfA für bewegliche Wirtschaftsgüter kommt nicht in Betracht bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit und bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.
gepostet: 27.11.2023
Dienstreisen mit dem privaten Fahrrad: Abzug der tatsächlichen Kosten möglich
Dienstreisen werden zwar zumeist mit dem Firmenwagen, dem privaten Pkw oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln durchgeführt, doch manch Arbeitnehmer nutzt auch sein privates Fahrrad für eine Auswärtstätigkeit. Die Bundesregierung wurde gefragt, ob und in welcher Form Aufwendungen für Dienstreisen mit einem privaten Fahrrad steuerlich geltend gemacht werden können. Die Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Katja Hessel lautet (BT-Drucks. 20/7889, S 20): Werden Dienstreisen mit einem privaten Fahrrad des Arbeitnehmers durchgeführt, dürfen die tatsächlich entstehenden Aufwendungen als Werbungskosten angesetzt oder in dieser Höhe durch den Arbeitgeber steuerfrei erstattet werden. Dabei ist der Teilbetrag der jährlichen Gesamtkosten dieses Fahrzeugs anzusetzen, der dem Anteil der zu berücksichtigenden Fahrten an der Jahresfahrleistung entspricht. Der auf Grundlage eines Zeitraums von zwölf Monaten errechnete Kilometersatz kann so lange für jeden beruflich gefahrenen Kilometer angesetzt werden, bis sich die Verhältnisse wesentlich ändern (R 9.5 Absatz 1 Satz 4 LStR).

Anstelle der tatsächlichen Aufwendungen können die Fahrtkosten für eine berufliche Auswärtstätigkeit zwar auch in Höhe der pauschalen Kilometersätze angesetzt werden, die im Bundesreisekostengesetz (BRKG) für das jeweils benutzte Beförderungsmittel als höchste Wegstreckenentschädigung vorgesehen sind (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 2 EStG). In § 5 BRKG sind für folgende Fälle pauschale Kilometersätze vorgesehen: für die Benutzung eines Kraftwagens, z.B. Pkw, 0,30 Euro und für jedes andere motorbetriebene Fahrzeug 0,20 Euro für jeden gefahrenen Kilometer. Für Dienstreisen mit einem privaten Fahrrad sind aber keine Pauschalen vorgesehen, das heißt, es bleibt nur der oben erwähnte Einzelnachweis.

Praxistipp:
Eine Ausnahme gilt lediglich für die so genannten S-Pedelecs, wenn diese als motorgetriebene Fahrzeuge gelten. Hier können unseres Erachtens 0,20 Euro für jeden gefahrenen Kilometer pauschal angesetzt werden. Die herkömmlichen Pedelecs gelten jedoch nicht als motorgetriebenes Fahrzeug.
gepostet: 25.11.2023
Verluste aus Kapitalanlagen: Ist im Ausnahmefall ein Steuererlass möglich?
Für Verluste aus bestimmten Kapitalanlagen, zum Beispiel aus Options- oder Termingeschäften, sieht das Einkommensteuergesetz strikte Beschränkungen bei der Verlustverrechnung vor. Insbesondere Verluste aus spekulativen Anlagen dürfen nicht mit anderen positiven Einkünften, sondern nur mit Gewinnen aus gleichartigen Geschäften verrechnet werden. Gegebenenfalls ist zwar ein Verlustvortrag möglich. Doch auch dann dürfen Verluste nur mit Gewinnen aus gleichartigen Geschäften der Folgejahre verrechnet werden.

Nach Ansicht des Finanzgerichts Köln kann die Beschränkung der Verlustverrechnung im Ausnahmefall eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen, vereinfacht gesagt also einen Steuererlass, rechtfertigen, nämlich dann, wenn der Einzug der Steuern dazu führen würde, dass dem Anleger nicht einmal das Existenzminimum verbliebe (FG Köln, Urteil vom 26.4.2023, 5 K 1403/21). Der zugrundeliegende Sachverhalt: Die Klägerin erlitt Verluste aus Stillhaltergeschäften von rund 390.000 Euro. Wegen einer Verlustausgleichsbeschränkung wurden die Verluste nicht mit den positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten verrechnet. Dabei hatte die Klägerin beispielsweise nennenswerte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Letztlich wurde Einkommensteuer aufgrund der anderen Einkünfte festgesetzt, die so hoch war, dass sie gemeinsam mit den Kapitalverlusten die positiven Einkünfte aus anderen Einkunftsarten aufzehrte. Auf das Streitjahr bezogen verblieb der Klägerin nicht einmal das Existenzminimum. Daher begehrte sie eine Minderung ihrer Gesamtsteuerbelastung im Wege der "abweichenden Festsetzung der Einkommensteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen gemäß § 163 Abs. 1 AO". Das Finanzamt lehnte dies zwar ab, doch die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Finanzamt sei verpflichtet, die Steuer aus Billigkeitsgründen erheblich niedriger festzusetzen als es bislang der Fall war.

Begründung: Der Staat müsse einem Steuerpflichtigen von seinem Erworbenen so viel steuerfrei belassen, wie zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts erforderlich sei (Existenzminimum). Der existenznotwendige Bedarf bilde von Verfassungswegen die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer. Hinsichtlich der Freistellung des Existenzminimums sei keine Gesamtbetrachtung über mehrere Jahre vorzunehmen. Der für den Lebensunterhalt tatsächlich und unabweisbar benötigte Geldbetrag sei vielmehr in jedem Veranlagungsjahr von der Besteuerung auszunehmen. Die Erhebung von Einkommensteuern kann folglich sachlich unbillig sein, wenn die festgesetzte Steuer bei Einbezug tatsächlich abgeflossener, aber aufgrund von Ausgleichsbeschränkungen steuerlich nicht zu berücksichtigender Verluste aus Kapitalanlagen das jährlich steuerfrei zu belassende Existenzminimum übersteigt.

Praxistipp:
Das Finanzamt hat gegen das Urteil Revision eingelegt, die unter dem Az. IX R 18/23 beim Bundesfinanzhof anhängig ist.
gepostet: 23.11.2023
Zeitsoldaten: Erste Tätigkeitsstätte bei Förderung der beruflichen Bildung
Aufwendungen für die Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte dürfen nur mit der Entfernungspauschale steuerlich geltend gemacht werden, während Fahrten zu Auswärtstätigkeiten nach Reisekostengrundsätzen zu berücksichtigen sind. Zudem können für Auswärtstätigkeiten Verpflegungspauschalen berücksichtigt werden. Auswärtstätigkeiten liegen vor, wenn jemand außerhalb seiner ersten Tätigkeitsstätte beruflich tätig ist. Die Frage, wo die erste Tätigkeitsstätte liegt, kann beispielsweise bei längerfristigen Abordnungen streitig sein. Das Finanzgericht Nürnberg hat diesbezüglich entschieden, dass eine Soldatin Fahrtkosten vom Wohnort zur Ausbildungsstätte nur in Höhe der Entfernungspauschale abziehen und auch keine Verpflegungsmehraufwendungen ansetzen darf, wenn sie vom militärischen Dienst freigestellt ist, um eine Ausbildung im öffentlichen Dienst zu absolvieren (FG Nürnberg, Urteil vom 8.3.2023, 5 K 211/22).

Die Klägerin war von Anfang 2009 bis Anfang 2021 Soldatin auf Zeit. In der Zeit von 1.9.2019 bis 4.1.2021 war sie vom militärischen Dienst freigestellt und in das Beamtenverhältnis auf Widerruf berufen worden. Sie absolvierte in dieser Zeit die Laufbahnausbildung zur Verwaltungssekretärin bei einer Gemeinde (Förderung nach § 5 Soldatenversorgungsgesetz). Sie erhielt ihre Bezüge aber weiter vom Bundesverwaltungsamt. In der Einkommensteuererklärung für 2019 machte die Klägerin hohe Kosten für eine Auswärtstätigkeit geltend. Sie begründet dies damit, dass ihre erste Tätigkeitsstätte weiter in der Stammkaserne gelegen habe. Die erste Tätigkeitsstätte sei nicht aufgegeben worden, so dass die Ausbildung bei der Stadt eine Auswärtstätigkeit darstelle. Finanzamt und Finanzgericht hingegen sahen bei der Gemeinde die erste Tätigkeitsstätte, so dass der Abzug von Dienstreisesätzen für die Fahrtkosten und von Verpflegungspauschalen nicht in Betracht kamen.

Begründung: Mit der Berufung der Klägerin in das Beamtenverhältnis auf Widerruf für die Dauer der Ausbildung mit Wirkung zum 1.9.2019 begründete die Klägerin ein aktives Dienstverhältnis zu der Stadt. Das Dienstverhältnis eines Beamtenanwärters stellt im Grundsatz ein Ausbildungsdienstverhältnis dar. Für die Dauer der Ausbildung bei der Stadt, das heißt vom 1.9.2019 bis zum Ende des Wehrdienstverhältnisses Anfang 2021, stand die Klägerin nicht (mehr) im aktiven Dienst bei der Bundeswehr. An der Dienststelle des Amtes der Stadt übte sie weisungsgemäß innerhalb ihres aktiven Dienstverhältnisses diejenigen Tätigkeiten aus, die sie dienstrechtlich schuldete und die zu dem Berufsbild als Verwaltungssekretärin gehörten. Somit hatte sie dort ihre erste Tätigkeitsstätte und nicht mehr am letzten militärischen Dienstort. Dass die bisherigen, höheren Bezüge weiter durch die Bundeswehr geleistet wurden, steht der Annahme eines aktiven Dienstverhältnisses zu der Gemeinde nicht entgegen.
gepostet: 21.11.2023
Gewinne aus Online-Poker: Steuerpflicht bei hohem Geld- und Zeiteinsatz
Spielgewinne sind - ähnlich wie Lotteriegewinne - in Deutschland nicht einkommensteuerpflichtig. Bei Gewinnen aus Pokerspielen kann die Sache aber anders zu beurteilen sein. So hat der Bundesfinanzhof bereits entschieden, dass die Gewinne eines erfolgreichen Pokerspielers, der sehr hohe Preisgelder erzielt hat, als Einkünfte aus Gewerbebetrieb steuerpflichtig sind und nicht als Spielgewinne steuerfrei bleiben. Poker sei im Allgemeinen eine Mischung aus Glücks- und Geschicklichkeitselementen. Pokergewinne seien nur bei Hobbyspielern steuerfrei (BFH-Urteil vom 16.9.2015, X R 43/12; BFH-Urteil vom 25.2.2021, III R 67/18). Nun hat der BFH entschieden, dass auch Gewinne aus dem Online-Pokerspiel als Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Einkommensteuer unterliegen können (BFH-Urteil vom 22.2.2023, X R 8/21). Ein Mathematikstudent hatte im Jahr 2007 mit dem Online-Pokerspiel (Variante "Texas Hold´em/Fixed Limit") begonnen. Ausgehend von zunächst kleinen Einsätzen und Gewinnen steigerte er seine Einsätze allmählich. Auch seine Gewinne stiegen im Zeitablauf erheblich an. Im Streitjahr 2009 erzielte er aus dem Online-Pokerspiel bereits einen Gewinn von über 80.000 Euro, der in den Folgejahren weiter anstieg. Allein im Zeitraum von Juli bis Dezember 2009 belief sich seine registrierte Gesamtspielzeit auf 673 Stunden. Das Finanzgericht war der Auffassung, dass der Kläger ab Oktober 2009 gewerblich tätig gewesen sei und demzufolge der in den Monaten Oktober bis Dezember 2009 erzielte Gewinn von gut 60.000 Euro der Einkommensteuer unterliege. Dies hat der BFH bestätigt. Poker sei kein reines Glücksspiel, sondern auch durch Geschicklichkeitselemente gekennzeichnet. Dies gelte auch beim Online-Poker, selbst wenn dort kein persönlicher Kontakt zu den Mitspielern möglich ist.

Praxistipp:
Nicht jeder Pokerspieler unterliegt der Einkommensteuer. Für Freizeit- und Hobbyspieler handelt es sich weiterhin um eine private Tätigkeit, bei der Gewinne - und auch Verluste - keine steuerliche Auswirkung haben. Wenn jedoch der Rahmen einer privaten Hobbytätigkeit überschritten wird und es dem Spieler nicht mehr um die Befriedigung seiner Spielbedürfnisse geht, sondern um die Erzielung von Einkünften, ist sein Handeln als gewerblich anzusehen. Maßgebend ist die strukturelle Vergleichbarkeit mit einem Gewerbetreibenden bzw. Berufsspieler, zum Beispiel die Planmäßigkeit des Handelns, die Ausnutzung eines Marktes oder der Umfang des investierten Geld- und Zeitbudgets (Quelle: Mitteilung des BFH vom 29.6.2023).

Praxistipp:
In umsatzsteuerlicher Hinsicht gilt, dass Preisgelder oder Spielgewinne, die ein Berufspokerspieler (nur) bei erfolgreicher Teilnahme an Spielen fremder Veranstalter erhält, keine Entgelte für eine umsatzsteuerpflichtige Leistung des Pokerspielers (an den Veranstalter oder die Mitspieler) sind und der Pokerspieler deshalb von seinen Spielgewinnen keine Umsatzsteuer abführen muss (BFH-Urteil vom 30.8.2017, XI R 37/14). Klargestellt hat der BFH dabei allerdings, dass die Teilnahme an einem Pokerspiel eine der Umsatzsteuer unterliegende Dienstleistung gegen Entgelt ist, wenn der Veranstalter an den Pokerspieler hierfür eine von der Platzierung unabhängige Vergütung zahlt (z.B. Antrittsgeld). In einem solchen Fall ist die vom Veranstalter geleistete Zahlung die tatsächliche Gegenleistung für die vom Spieler erbrachte Dienstleistung, an dem Pokerspiel teilzunehmen.
gepostet: 19.11.2023
Kinderfreibetrag: Identifikationsnummer des Kindes ist erforderlich
Wer Kindergeld beantragt, muss die steuerliche Identifikationsnummer des Kindes angeben (§ 63 EStG). Die Familienkassen wollen durch einen Abgleich der Identifikationsnummern eine missbräuchliche Inanspruchnahme von Kindergeld und damit Überzahlungen vermeiden. Seit dem 1. Januar 2023 ist auch für die Beantragung des Kinderfreibetrages und des Freibetrages für Betreuung-, Erziehung- und Ausbildung in der Steuererklärung erforderlich, dass die steuerliche Identifikationsnummer des Kindes angegeben wird (§ 32 Abs. 6 Satz 12 EStG).

Praxistipp:
Finden Sie die Identifikationsnummer in den Unterlagen nicht mehr, dann können Sie diese über ein Eingabeformular des Bundeszentralamts für Steuern oder per Brief an dieses Amt erneut anfordern. Wenn an das Kind noch keine Identifikationsnummer vergeben worden ist oder deswegen nicht vergeben wird, weil es dauerhaft außerhalb Deutschlands wohnt oder sich aufhält und keiner inländischen Steuerpflicht unterliegt, erfolgt die Identifizierung durch andere geeignete Nachweise, zum Beispiel durch Ausweisdokumente, ausländische Urkunden oder die Angabe eines ausländischen Personenkennzeichens. Damit sichergestellt ist, dass Kinder, deren Identität im Vergabeverfahren der Identifikationsnummer oder auf andere geeignete Weise zunächst nicht eindeutig geklärt werden kann, dennoch berücksichtigt werden für die Monate, in denen sie die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung der Freibeträge für Kinder erfüllen, wirkt die Vergabe der Identifikationsnummer oder die Identifizierung auf diese Monate zurück.
gepostet: 18.11.2023
Grundstücksvermietung mit Betriebsvorrichtungen: Aufteilungsgebot verworfen
Werden Gebäude mitsamt so genannter Betriebsvorrichtungen vermietet, also Anlagen und Maschinen, die speziell an den Betrieb angepasst sind und oftmals auch nicht ohne Weiteres aus dem Gebäude entfernt werden können, darf die Vermietung nach bisheriger Auffassung nicht vollständig umsatzsteuerfrei erfolgen. Vielmehr soll der Anteil der Miete oder Pacht, der auf die Überlassung der Betriebsvorrichtungen entfällt, selbst dann umsatzsteuerpflichtig sein, wenn die Gebäudevermietung ansonsten umsatzsteuerfrei erfolgt. Man spricht insoweit von einem Aufteilungsgebot der beiden Leistungen "Gebäudevermietung" und "Vermietung von Betriebsvorrichtungen", auch wenn nur ein einziger Miet- oder Pachtvertrag vorliegt. Nunmehr haben der Europäische Gerichtshof und in der Folge der Bundesfinanzhof das Aufteilungsgebot verworfen. Bei der Grundstücksvermietung samt Betriebsvorrichtungen liegt eine einheitliche Leistung vor, die insgesamt umsatzsteuerfrei sein kann (EuGH-Urteil vom 4.5.2023, C-516/21; BFH-Beschluss vom 17.8.2023, V R 7/23 / V R 22/20).

Der Kläger vermietete im Rahmen eines Pachtvertrags ein Stallgebäude zur Putenaufzucht mit auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen. Diese Vorrichtungen und Maschinen waren speziell auf die Nutzung des Gebäudes als Putenaufzuchtstall abgestimmt. Nach den Bestimmungen des Pachtvertrags erhielt der Kläger ein einheitliches Entgelt für die Überlassung des Zuchtstalls sowie der Vorrichtungen und Maschinen. Er ging davon aus, dass seine Leistung bei der Verpachtung insgesamt umsatzsteuerfrei sei. Das Finanzamt vertrat hingegen die Ansicht, dass die Pacht der Vorrichtungen und Maschinen nicht von der Umsatzsteuer befreit sei und dass das vereinbarte einheitliche Entgelt, das zu 20 Prozent auf die Maschinen und Vorrichtungen entfalle, insoweit umsatzsteuerpflichtig sei (Aufteilungsgebot entsprechend Abschnitt 4.12.10 und Abschnitt 4.12.11 UStAE). Das Finanzgericht, der EuGH und nun auch der BFH sehen die Sache aber anders. Danach liegt eine insgesamt und damit auch im Umfang der Verpachtung der eingebauten Vorrichtungen und Maschinen steuerfreie Leistung vor. Begründung: Aus dem Unionsrecht ergibt sich kein Erfordernis, einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang in eigenständige Leistungen aufzuteilen. Handelt es sich bei den mitvermieteten Vorrichtungen und Maschinen um speziell abgestimmte Ausstattungselemente, die nur dazu dienen, die vertragsgemäße Nutzung des Gebäudes, hier also des Putenstalls, unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen, liegt bei der Vermietung des Gebäudes samt Betriebsvorrichtungen eine einheitliche Leistung vor, bei der die Überlassung der Betriebsvorrichtungen Nebenleistung zur Gebäudeüberlassung ist; es liegt folglich eine insgesamt nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfreie Leistung vor. An der bisherigen Annahme eines Aufteilungsgebots von Leistungen ist nicht mehr festzuhalten.

Praxistipp:
Die aktuelle Rechtsprechung ist von Vorteil, wenn der Vorsteuerabzug aus dem Erwerb der Betriebsvorrichtungen nicht mehr von Belang und eine insgesamt steuerfreie Vermietung sinnvoll ist. Sollte hingegen der Vorsteuerabzug aus dem Erwerb oder der Herstellung der Betriebsvorrichtungen begehrt werden, würde dem die Annahme einer insgesamt steuerfreien Vermietungsleistung entgegenstehen. Gegebenenfalls wäre zu prüfen, ob eine Option zur Umsatzsteuerpflicht erfolgen sollte. Sicherlich wird die Finanzverwaltung zu der Thematik aber auch noch Stellung beziehen.
gepostet: 17.11.2023
Stille Beteiligung beim Arbeitgeber: Kapitaleinkünfte statt Arbeitslohn
Beteiligt sich ein Angestellter als typisch stiller Gesellschafter am Unternehmen seines Arbeitgebers, ist die Frage zu beantworten, ob die Erträge aus dieser Beteiligung als Kapitaleinkünfte oder als Arbeitslohn gelten. Die Antwort ist bedeutsam, weil Kapitaleinkünfte üblicherweise nur dem Abgeltungsteuersatz unterliegen, während Arbeitslohn mit dem persönlichen Steuersatz zu versteuern ist. Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat hierzu entschieden, dass Kapitaleinkünfte vorliegen, wenn der Arbeitnehmer keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Einräumung der stillen Beteiligung hatte (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 6.10.2022,12 K 1692/20).

Der Sachverhalt: Der Kläger war Arbeitnehmer einer GmbH, die "ausgesuchten, besonders wichtigen Mitarbeitern“ die Möglichkeit eröffnet hatte, sich als typisch stiller Gesellschafter für die Dauer der Anstellung bei der GmbH zu beteiligen. Ende 2010 schloss der Kläger mit der GmbH einen Gesellschaftsvertrag einer typischen stillen Beteiligung und leistete seine Einlage. Das Finanzamt behandelte die Gewinnanteile des Klägers aus seiner stillen Beteiligung als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Mit seiner Klage begehrte der Kläger, seine Gewinnanteile als Kapitaleinkünfte zu erfassen. Das Finanzgericht gab der Klage statt. Die Gewinnanteile aus der stillen Beteiligung an der GmbH seien beim Kläger weder Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 EStG noch gewerbliche Einkünfte, sondern Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG.

Begründung: Im Streitfall sei die Arbeitnehmerstellung des Klägers bei der GmbH für das daneben bestehende Gesellschaftsverhältnis zwischen dem Kläger und der GmbH - als unabhängiges Sonderrechtsverhältnis - weder prägend noch stehe sie im Vordergrund. Die dem Kläger zugeflossenen Gewinnanteile seien nicht durch sein Arbeitsverhältnis veranlasst. Die Gewinnanteile hätten ihre Ursache vielmehr in der Kapitalbeteiligung des Klägers, die als Sonderrechtsverhältnis unabhängig vom Arbeitsverhältnis des Klägers bestehe. Soweit daneben auch Gesichtspunkte gegeben seien, die für einen Veranlassungszusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis des Klägers bei der GmbH sprächen, würden diese hinter die letztlich ausschlaggebende Kapitalbeteiligung des Klägers am Unternehmen der GmbH zurücktreten und würden von diesem Sonderrechtsverhältnis überlagert, das die Grundlage für die dem Kläger zugeflossenen Gewinnanteile bilde.

Für ein unabhängig vom Arbeitsverhältnis bestehendes Sonderrechtsverhältnis spreche insbesondere, dass der Kläger keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Einräumung der stillen Beteiligung gehabt habe. Darüber hinaus habe der Kläger die Einlage in die GmbH auch aus seinem Vermögen erbracht. Zudem trage der Kläger ein effektives Verlustrisiko. Zum einen bestehe die Möglichkeit des Totalverlusts seiner Kapitaleinlage als solche. Zum anderen trage der Kläger das Verlustrisiko hinsichtlich der laufenden Jahresergebnisse. Dass dieses Verlustrisiko auf die Höhe seiner Einlage begrenzt sei, falle dabei nicht ins Gewicht, da er in diesem Fall an künftigen Gewinnen nur dann teilnehme, wenn die Verlustanteile wieder ausgeglichen seien. Schließlich stünden die Gewinnanteile dem Kläger auch dann zu, wenn er das gesamte Geschäftsjahr - zum Beispiel krankheitsbedingt - ausgefallen wäre. Gerade hierdurch zeige sich die Unabhängigkeit von Arbeitsleistung und Kapitalüberlassung sehr deutlich (Quelle: FG Baden-Württemberg, Newsletter 1/2023).

Praxistipp:
Gegen das Urteil wurde Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt, die unter dem Az. VIII R 13/23 vorliegt. Insofern besteht in diesem und ähnlichen Fällen noch eine gewisse Rechtsunsicherheit.
gepostet: 15.11.2023
Midijobs: Neue Grenzwerte für den Übergangsbereich
Ein Gehalt oberhalb der Minijob-Grenze unterliegt zwar der Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung, doch im so genannten Übergangsbereich (früher: Gleitzone) werden die Sozialabgaben für die Arbeitnehmer von einer ermäßigten Bemessungsgrundlage berechnet - und zwar nach einer komplizierten Berechnungsformel. Seit dem 1. Januar 2023 liegt der Übergangsbereich bei den so genannten Midijobs zwischen 520,01 Euro und 2.000 Euro. Ab dem 1. Januar 2024 wird der Übergangsbereich bei Midijobs voraussichtlich im Bereich von 538,01 Euro bis 2.000 Euro liegen, da die Minijob-Grenze auf 538 Euro erhöht werden soll.
gepostet: 13.11.2023
Einlagekonto der GmbH: Kann ein einzelner Gesellschafter Bescheide anfechten?
Auf dem steuerlichen Einlagekonto einer Kapitalgesellschaft werden insbesondere die Einlagen erfasst, die der Gesellschafter an seine Kapitalgesellschaft geleistet hat. Werden solche Einlagen später an den Gesellschafter aus dem Einlagekonto zurückgezahlt, dann muss der Gesellschafter diese Einlagenrückgewähr - anders als Gewinnausschüttungen - nicht versteuern. Der Bestand des steuerlichen Einlagekontos wird Jahr für Jahr mit einem besonderen Bescheid festgeschrieben (§ 27 Abs. 2 KStG). Dieser Bescheid richtet sich an die Kapitalgesellschaft. Der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft kann den Bescheid über den Bestand des steuerlichen Einlagekontos nicht eigenständig anfechten. Dies hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 21.12.2022 (I R 53/19) entschieden. Allerdings liegt nunmehr die Verfassungsbeschwerde vor, so dass das letzte Wort doch nicht gesprochen ist. Das Az. beim Bundesverfassungsgericht lautet: 1 BvR 1060/23.

Im Streitfall war die Klägerin an einer GmbH beteiligt; sie hatte im Jahr 2007 eine hohe Einlage geleistet. Der Vorgang war irrtümlich nicht deklariert worden und der entsprechende Bescheid wurde bestandskräftig. Erst im Jahr 2018 legte die Klägerin Einspruch mit der Begründung ein, dass ohne Erfassung ihrer Einlage im Bescheid eine spätere steuerfreie Einlagenrückgewähr nicht möglich sei. Weder dieser Einspruch noch die nachfolgende Klage waren erfolgreich. Das Finanzgericht entschied, dass alleine die GmbH als Adressatin des Bescheids das Recht habe, diesen anzufechten. Der Bundesfinanzhof bestätigte diese Auffassung. Grundsätzlich kann ein Bescheid nur von den Adressaten angefochten werden. Das ist im Fall des Bescheids gemäß § 27 Abs. 2 KStG die Kapitalgesellschaft und allein sie kann deshalb Einspruch einlegen und Klage erheben. Der Gesellschafter der Kapitalgesellschaft ist nicht Adressat, sondern als Dritter lediglich mittelbar von dem Bescheid betroffen. Ein eigenes Anfechtungsrecht des Gesellschafters ("Drittanfechtungsrecht") ist auch nicht ausnahmsweise anzuerkennen. Ob die Haltung des BFH zutreffend ist, müssen nun die Richter in Karlsruhe entscheiden. Bis zu dessen Urteil werden aber sicherlich noch einige Jahre vergehen.
gepostet: 11.11.2023
Verluste aus Kapitalanlagen: Verlustbescheinigung bis 15.12.2023 beantragen
Banken nehmen eine Verrechnung von Verlusten und negativen Einnahmen mit positiven Kapitalerträgen bereits während des Jahres vor. Hierzu bilden sie für jeden Anleger einen so genannten Verlustverrechnungstopf. Bis zur Höhe der Verluste wird dann von positiven Kapitalerträgen keine Abgeltungsteuer einbehalten oder früher einbehaltene Steuer wieder erstattet. Genau genommen bilden die Banken sogar zwei Verlustverrechnungstöpfe, und zwar einen allgemeinen Verlustverrechnungstopf und einen Aktien-Verlustverrechnungstopf speziell für Verluste und Gewinne aus Aktiengeschäften. Die Verluste aus den Töpfen überträgt die Bank in das nächste Kalenderjahr, so dass der Verlust steuerlich weiter erhalten bleibt. Doch Sie können auch beantragen, dass die Bank Ihnen eine Bescheinigung über den verbleibenden Verlust ausstellt. Dann wird der Verlustverrechnungstopf auf Null gestellt. Mit dieser Verlustbescheinigung können Sie den Verlustbetrag dann in Ihrer Steuererklärung geltend machen und gegebenenfalls mit positiven Kapitalerträgen anderer Bankinstitute verrechnen lassen. Dazu ist aber ein wichtiger Termin zu beachten: Nur bis zum 15. Dezember 2023 kann die Verlustbescheinigung bei der Bank für das Kalenderjahr 2023 beantragt werden.

Praxistipp:
Die Banken dürfen bei der Frage, ob ein Verlust steuerlich anzuerkennen ist, nur die Auffassung des Bundesfinanzministeriums berücksichtigen. Zuweilen gibt es positive Urteile, die einen Verlustabzug entgegen der Ansicht des BMF zulassen. Doch die Banken dürfen diese Urteile nicht anwenden, solange sie von der Finanzverwaltung nicht "allgemein akzeptiert" werden. Daher ist sehr genau zu prüfen, ob der Verlustverrechnungstopf und die Verlustbescheinigung tatsächlich alle Verluste enthalten.

Praxistipp:
Verluste aus wertlosen Aktien bei der reinen Depotausbuchung dürfen zwar mit Einkünften aus Kapitalvermögen ausgeglichen werden, allerdings gibt es hier eine betragsmäßige Grenze. Die Verluste können nur mit Einkünften aus Kapitalvermögen bis zur Höhe von 20.000 Euro ausgeglichen werden. Nicht verrechnete Verluste sind dann auf Folgejahre vorzutragen. Wichtig: Bei wertlos gewordenen Aktien nimmt die Bank keine Verlustverrechnung vor. Sie stellt Verluste also nicht in den Verlusttopf ein. Die Verluste aus wertlos gewordenen Aktien müssen also zwingend in die Steuererklärung übernommen werden. Bitte informieren Sie uns, wenn bei Ihnen entsprechende Verluste entstanden sind.
gepostet: 09.11.2023
November 2013
Kindergeld: Verlust bei längerem Studium außerhalb des EU-/EWR-Raums?
Begibt sich ein Kind für ein Studium längere Zeit ins Ausland, entfällt der Kindergeldanspruch der Eltern grundsätzlich nicht. Sofern das Kind aber außerhalb des EU- und EWR-Raums studiert, bleibt der Anspruch auf Kindergeld nur erhalten, wenn es seinen Inlandswohnsitz beibehält. Kürzlich hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass ein Kind seinen Wohnsitz im Elternhaus nicht aufgibt, wenn das Auslandsstudium zunächst nur für ein Jahr geplant ist. Der Kindergeldanspruch bleibt also erhalten. Bei einem mehrjährigen Auslandsaufenthalt behält ein Kind seinen inländischen Wohnsitz in der elterlichen Wohnung hingegen regelmäßig nur dann bei, wenn es sich während der ausbildungsfreien Zeiten überwiegend im Inland aufhält und die Inlandsaufenthalte Rückschlüsse auf ein zwischenzeitliches Wohnen zulassen (BFH-Urteil vom 21.6.2023, III R 11/21).

Der Sachverhalt: Die Tochter der Klägerin wollte zunächst nur für ein Jahr in Australien studieren, beginnend ab Juli 2014, hat sich dann aber kurzfristig entschlossen, ihren Studienaufenthalt im Ausland um zwei weitere Jahre zu verlängern. Während des zweiten Studienjahres (Juli 2015 bis Juni 2016) hielt sich die Tochter - mitsamt eines Krankenaufenthalts - über 60 Tage im Inland auf. Im dritten Studienjahr war die Tochter nur kurzzeitig in Deutschland. Die Familienkasse wollte bereits von Beginn des Auslandsaufenthalts an kein Kindergeld zahlen. Das Finanzgericht hatte der Klägerin das Kindergeld immerhin für das erste Studienjahr zugesprochen (Juli 2014 bis Juni 2015). Der Bundesfinanzhof hingegen erkennt aufgrund der Besuche der Tochter sogar einen Kindergeldanspruch bis zum Dezember 2016 an. Erst ab Januar 2017 sei nicht mehr erkennbar, dass ein inländischer Wohnsitz vorgelegen habe.

Die Begründung: Bei Auslandsaufenthalten zu Ausbildungs-, Schul- oder Studienzwecken, die bis zu einem Jahr dauern, führt das Fehlen unterjähriger Inlandsaufenthalte des Kindes regelmäßig für sich allein noch nicht zu einer Aufgabe des Wohnsitzes. Im Erstjahr bleibt der Kindergeldanspruch also grundsätzlich erhalten. Bei einem mehrjährigen Auslandsaufenthalt behält ein Kind seinen inländischen Wohnsitz in der elterlichen Wohnung regelmäßig nur dann bei, wenn es sich während der ausbildungsfreien Zeiten überwiegend im Inland aufhält und die Inlandsaufenthalte Rückschlüsse auf ein zwischenzeitliches Wohnen zulassen. Das ist der Fall, wenn das Kind während seines Inlandsaufenthalts die (elterliche) Wohnung nutzt; kurze Unterbrechungen - zum Beispiel zu Besuchszwecken oder wegen eines Krankenhausaufenthalts - sind unschädlich.

War ein Auslandsaufenthalt zunächst nur auf ein Jahr angelegt, entschließt sich das Kind jedoch, den Auslandsaufenthalt zu verlängern, sind die Kriterien, die für einen mehrjährigen Auslandsaufenthalt gelten, (erst) ab dem Zeitpunkt anzuwenden, in dem sich das Kind zu einer Verlängerung entschließt. Das Fehlen unterjähriger Inlandsaufenthalte bis dahin hat nicht die Aufgabe des Wohnsitzes zur Folge. Ab dem Entschluss, länger als ein Jahr zu Ausbildungszwecken im Ausland zu bleiben, behält das Kind seinen Inlandswohnsitz in der Regel nur dann bei, wenn es sich im Folgenden regelmäßig mehr als die Hälfte der ausbildungsfreien Zeit im Inland aufhält und dabei - von kurzen Unterbrechungen abgesehen - die inländische Wohnung nutzt. Dies gilt auch dann, wenn sich das Kind von Jahr zu Jahr entschließt, seinen Auslandsaufenthalt um jeweils ein Jahr zu verlängern.

Praxistipp:
Für die Beibehaltung eines Inlandswohnsitzes im Hause der Eltern bei mehrjährigen Auslandsaufenthalten reichen nur kurze, üblicherweise durch die Eltern-Kind-Beziehung begründete Besuche regelmäßig nicht aus. Fehlende finanzielle Mittel für Heimreisen des Kindes können zudem nicht die fehlenden wesentlichen Inlandsaufenthalte in den ausbildungsfreien Zeiten kompensieren (BFH-Urteil vom 25.9.2014, III R 10/14). Eltern und Kinder sollten im Übrigen Beweisvorsorge treffen und zum Beispiel Flugtickets aufbewahren, die belegen, dass sich das Kind tatsächlich längere Zeit im Inland aufgehalten hat. Der guten Ordnung halber sei darauf hingewiesen, dass es beim Kindergeld Besonderheiten im Zusammenhang mit den Ländern gibt, mit denen ein Abkommen über Soziale Sicherheit besteht (z.B. der Türkei).

Praxistipp:
Bei der Frage, ob die ausbildungsfreie Zeit überwiegend in Deutschland verbracht wurde, kommt es auf eine rein objektive Betrachtung an. Wenn Reisen aufgrund der coronabedingten Reiserestriktionen nicht möglich waren, kann das für den Kindergeldanspruch schädlich sein. So lautet zumindest die Auffassung des Finanzgerichts Bremen im Urteil vom 7.3.2023 (2 K 27/21 (1)).
gepostet: 07.11.2013
November 2023
Abzugsbeträge für Baudenkmal nach § 10f EStG: Keine Folgeobjekt-Regelung
§ 10f EStG sieht eine Steuerbegünstigung für zu eigenen Wohnzwecken genutzte Baudenkmale vor. Nach dieser Vorschrift kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen an einem solchen Gebäude im Kalenderjahr des Abschlusses der Baumaßnahme und in den neun folgenden Kalenderjahren jeweils bis zu 9 Prozent wie Sonderausgaben abziehen, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. Der Bundesfinanzhof hat nun bestätigt, dass ein Steuerbürger die Steuervergünstigung des § 10f EStG nur für ein Objekt und nur einmal im Leben nutzen kann. Durch die Inanspruchnahme einer Steuervergünstigung nach § 10f Abs. 1 EStG tritt ein so genannter Objektverbrauch ein. § 10f Abs. 3 EStG verhindert die Inanspruchnahme der Vergünstigung für mehr als ein Objekt nicht nur in demselben Veranlagungszeitraum nebeneinander, sondern auch in mehreren Veranlagungszeiträumen nacheinander (BFH-Urteil vom 24.5.2023, X R 22/20).

Der Kläger hatte für eine Erhaltungsmaßnahme an seinem Eigenheim die Steuerbegünstigung nach § 10f EStG in Anspruch genommen. Die Aufwendungen wurden im Jahre 2006 getätigt, so dass die Abzugsbeträge nach § 10f EStG in den Jahren 2006 bis 2013 genutzt wurden. In 2013 zog er aus der Wohnung aus und er nutzte seitdem eine andere Wohnung, die aber offenbar gleichermaßen unter Denkmalschutz stand. Zwei Jahre des Begünstigungszeitraums nach § 10f EStG waren also noch nicht verbraucht. In seinen Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2014 und 2015 beantragte der Kläger daher ebenfalls einen Begünstigungsbetrag nach § 10f EStG. Das Finanzamt versagte diesen jeweils, denn gemäß § 10f Abs. 3 EStG könne die Begünstigung nur bei einem einzigen Objekt in Anspruch genommen werden; dies sei bereits bei der ersten Wohnung geschehen. Klage und Revision blieben erfolglos.

Begründung: Der BFH versteht die Regelungen in § 10f EStG dahingehend, dass der Steuerpflichtige von der Steuervergünstigung im Verlauf seines Lebens nur für ein einziges Gebäude bzw. für einen gleichstehenden Miteigentumsanteil Gebrauch machen kann. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, nach dem der Steuerpflichtige die Abzugsbeträge nur bei "einem“ Gebäude in Anspruch nehmen kann (vgl. § 10f Abs. 3 Satz 1 EStG). Es ist nicht möglich, in einem späteren Veranlagungszeitraum Beträge für ein anderes Gebäude abzuziehen. Es ist weder unverhältnismäßig noch unangemessen, dass nicht in Anspruch genommene Teile des Begünstigungszeitraums gegebenenfalls verlorengehen. Anders ausgedrückt: Es gibt keine "Folgeobjekt-Regelung" im Bereich des § 10f EStG für nicht ausgenutzte Abzugsbeträge.
gepostet: 05.11.2023
Geringfügige Beschäftigung: Erhöhung der Verdienstobergrenze
Die Verdienstobergrenze für eine geringfügige Beschäftigung ("Minijob-Grenze" bzw. " Geringfügigkeitsgrenze") liegt derzeit noch bei 520 Euro im Monat. Diese Grenze gilt seit dem 1. Oktober 2022. Seitdem ist im Übrigen geregelt, dass die Geringfügigkeitsgrenze dynamisch ausgestaltet ist. Das heißt, sie wird berechnet, indem der Mindestlohn mit 130 vervielfacht, durch drei geteilt und auf volle Euro aufgerundet wird. Da der gesetzliche Mindestlohn zum 1. Januar 2024 von 12,00 Euro auf 12,41 Euro/Stunde angehoben werden soll, wird folglich die Geringfügigkeitsgrenze von 520 Euro auf 538 Euro steigen (12,41 x 130 : 3 = 537,76, aufgerundet 538 Euro).
gepostet: 04.11.2023
Dienstwagen: Garagenkosten mindern steuerpflichtigen Nutzungsanteil nicht
Für die private Nutzung eines Dienstwagens ist monatlich ein Prozent des Bruttolistenpreises zu versteuern, wenn kein Fahrtenbuch geführt wird. Einzelne Kosten des Arbeitnehmers, insbesondere Kraftstoffkosten, die dieser selbst trägt, können den steuerpflichtigen privaten Nutzungswert aber vermindern (BFH-Urteil vom 30.11.2016, VI R 2/15). Doch was gilt, wenn Arbeitnehmer ihren Firmenwagen in der eigenen Garage unterstellen? Dürfen die anteilig auf die Garage entfallenden Gebäudekosten, also die Absetzung für Abnutzung der Garage, ebenfalls den steuerpflichtigen privaten Nutzungswert vermindern?

In 2019 hat das Finanzgericht Münster entschieden, dass die anteilig auf die Garage eines Arbeitnehmers entfallenden Grundstückskosten nicht den geldwerten Vorteil für die Überlassung eines Fahrzeugs durch den Arbeitgeber mindern (Urteil vom 14.3.2019, 10 K 2990/17). Und auch das Niedersächsische FG hat in diesem Sinne entschieden: Die anteilig auf eine private Garage eines Arbeitnehmers entfallenden Gebäudekosten mindern den geldwerten Vorteil aus der Nutzungsüberlassung eines betrieblichen Fahrzeugs grundsätzlich nicht. Etwas anderes könne möglicherweise gelten, wenn die Unterbringung in der Garage zwingende Voraussetzung bzw. eine Bedingung für die Überlassung des Kfz ist. Eine solche Verpflichtung lag im Urteilsfall aber nicht vor oder konnte zumindest nicht nachgewiesen werden (Urteil vom 9.10.2020, 14 K 21/19). Der Bundesfinanzhof hat dieser Auffassung nun zugestimmt und die Revision gegen das Urteil des Niedersächsischen FG zurückgewiesen (BFH-Urteil vom 4.7.2023, VIII R 29/20).

Vorteilsmindernde Nutzungsentgelte seien nur solche Aufwendungen, die (einschließlich der vom Arbeitnehmer zu tragenden Anschaffungskosten) für die Überlassung und Inbetriebnahme des Dienstwagens vom Arbeitnehmer an den Arbeitgeber zu leisten sind. Der Arbeitnehmer müsse sich insoweit gegenüber dem Arbeitgeber zur Tragung bestimmter Aufwendungen für das überlassene Fahrzeug verpflichten. Im Urteilsfall seien die Aufwendungen für die Garagen-AfA kein solches vorteilsminderndes Nutzungsentgelt, weil der Kläger nicht aufgrund einer mit dem Arbeitgeber getroffenen Vereinbarung verpflichtet war, die überlassenen Fahrzeuge in seiner Garage unterzustellen. Eine allgemein gehaltene Vorgabe des Arbeitgebers, einen Dienstwagen sorgfältig und unter Beachtung der Betriebsanleitung zu behandeln, genüge nicht. Die Garagen-AfA sei auch nicht als vorteilsmindernde Einzelausgabe einzuordnen. Vorteilsmindernde einzelne Aufwendungen außerhalb eines laufenden Nutzungsentgelts müssen ebenfalls nutzungsabhängig sein; zudem sei auch hier erforderlich, dass diese Kosten vom Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber zu übernehmen sind.

Praxistipp:
Es liegt der Gedanke nahe, dass ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer verpflichtet, einen Dienstwagen nachts stets in der Garage unterzustellen, sofern der Arbeitnehmer über eine solche verfügt. Entsprechende vertragliche Abreden sollten aber mit Bedacht gewählt werden. Die Beteiligten sollten insbesondere zuvor prüfen (lassen), welche rechtlichen Folgen sich ergeben, wenn das Fahrzeug beschädigt oder gestohlen wird, während es ausnahmsweise außerhalb der Garage abgestellt wurde.
gepostet: 03.11.2023
EU-Taxameter und Wegstreckenzähler: Kosten der erstmaligen Implementierung
EU-Taxameter und Wegstreckenzähler sind elektronische Aufzeichnungssysteme im Sinne der Kassensicherungsverordnung. Die damit zu führenden digitalen Aufzeichnungen sind durch eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung (TSE) zu schützen. Zur Frage der steuerlichen Behandlung der Kosten der erstmaligen Implementierung von TSE und der einheitlichen digitalen Schnittstelle hat das Bundesfinanzministerium folgende Vereinfachungsregelung erlassen (BMF-Schreiben vom 30.8.2023, IV D 2 - S 0316-a/19/10006: 037): Es wird nicht beanstandet, wenn die Kosten für die nachträgliche erstmalige Ausrüstung bestehender EU-Taxameter oder Wegstreckenzähler mit einer TSE und die Kosten für die erstmalige Implementierung der einheitlichen digitalen Schnittstelle eines bestehenden elektronischen Aufzeichnungssystems in voller Höhe sofort als Betriebsausgaben abgezogen werden.
gepostet: 01.11.2023
Oktober 2023
Außergewöhnliche Belastung: Prozesskosten grundsätzlich nicht abziehbar
Kosten eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind seit 2013 nur noch dann als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig, wenn der Steuerpflichtige ohne die Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können (§ 33 Abs. 2 Satz 4 EStG). Der Bundesfinanzhof hat bereits entschieden, dass unter Existenzgrundlage nur die "materielle" Lebengrundlage zu verstehen ist, das heißt, Kosten für Rechtsstreitigkeiten um "immaterielle" Lebensbereiche sind nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar (BFH-Urteil vom 13.8.2020, VI R 27/18; BFH-Urteil vom 13.8.2020, VI R 15/18). Das Finanzgericht Sachsen-Anhalt hat sich in einem aktuellen Urteil dieser Sichtweise angeschlossen: Prozesskosten anlässlich eines Rechtsstreits mit dem Jugendamt ums Kindeswohl stellen keine außergewöhnlichen Belastungen dar und können steuerlich folglich nicht abgezogen werden (FG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14.2.2023, 5 K 547/21).

Der Sachverhalt: Die Klägerin war für ihren Sohn allein sorgeberechtigt. Ihr Sohn wandte sich im Frühjahr 2018 an das Jugendamt in der Absicht, eine eigene Wohnung beziehen zu wollen. Offenbar eskalierte der Streit, so dass die Klägerin sogar Strafanzeige gegen Mitarbeiter des Jugendamts erstattete. In ihrer Einkommensteuererklärung 2018 machte die Klägerin ihr anlässlich dieser Umstände entstandene Kosten als außergewöhnliche Belastungen geltend. Dabei handelte es sich unter anderem um Anwalts- und Gerichtskosten. Ihre Begründung lautete: Prozesskosten zur Abwehr einer Kindeswohlgefährdung sowie des damit verbundenen Strafverfahrens berührten den Kernbereich des menschlichen Lebens und seien deshalb zur Wahrung der (immateriellen) Existenzgrundlage erforderlich.

Finanzamt und Finanzgericht lehnten einen Abzug der Kosten jedoch ab. Der BFH habe bereits entschieden, dass unter dem Begriff der Existenzgrundlage i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG nur die materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen zu verstehen ist und daher zum Beispiel auch Prozesskosten anlässlich eines Umgangsrechtsstreits vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen sind. Das Gericht sieht sich hieran gebunden.

Praxistipp:
In einem älteren Urteil hatte der BFH zwar Kosten im Zusammenhang mit einem Sorgerechtsstreit als außergewöhnliche Belastungen angesehen, doch die Entscheidung ist überholt, denn sie betraf die Rechtslage bis 2012 (BFH-Urteil vom 4.12.2001, III R 31/00). Seit 2013 gilt die eingangs erwähnte Einschränkung, dass ein Abzug nur bei Gefährdung der Existenzgrundlage zulässig ist.
gepostet: 30.10.2023
Umsatzsteuer: Vorsteuerabzug für Betriebsfeier bei Kosten bis 110 Euro/Person
Zuwendungen des Arbeitgebers an einen Arbeitnehmer und dessen Begleitperson anlässlich einer Betriebsveranstaltung bleiben bis zu 110 Euro (einschließlich Umsatzsteuer) pro Arbeitnehmer steuer- und sozialversicherungsfrei. Der Freibetrag von 110 Euro gilt für bis zu zwei Betriebsveranstaltungen pro Jahr. Bis einschließlich 2014 handelte es sich bei dem Wert von 110 Euro um eine Freigrenze und nicht um einen Freibetrag. Neben der lohnsteuerlichen und der beitragsrechtlichen Behandlung ist aber auch die Frage zu beantworten, ob dem Arbeitgeber der Vorsteuerabzug aus den ihm in Rechnung gestellten Kosten zusteht - vorausgesetzt, er ist grundsätzlich zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Kürzlich hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass der Arbeitgeber die Vorsteuer nur abziehen darf, wenn die Kosten einer Feier nicht höher sind als 110 Euro pro Teilnehmer. Der Betrag von 110 Euro ist für umsatzsteuerliche Zwecke - wie früher bei der Lohnsteuer - als Freigrenze und nicht als Freibetrag zu verstehen. Übersteigen die Kosten also 110 Euro pro Teilnehmer, entfällt der Vorsteuerabzug komplett (BFH-Urteil vom 10.05.2023, V R 16/21). Im Übrigen gilt: Bei der Prüfung der 110-Euro-Grenze dürfen die Kosten des äußeren Rahmens nicht außer Betracht bleiben. Erfasst werden also beispielsweise auch die Raummiete oder die Kosten für einen Eventmanager. Die Gesamtkosten der Feier werden zur Prüfung der 110-Euro-Grenze durch die Zahl der teilnehmenden Personen geteilt. Das heißt, sie sind zu gleichen Teilen auf die bei der Betriebsveranstaltung anwesenden Teilnehmer und nicht auf die angemeldeten Teilnehmer aufzuteilen. Bei Überschreiten der Freigrenze kommt ein Vorsteuerabzug daher auch nicht in Betracht, soweit ein Rechnungsbetrag fiktiv auf die nicht anwesenden Teilnehmer ("No-Show-Kosten") entfällt.

Praxistipp:
Dient die betriebliche Veranstaltung einem vorrangigen Unternehmensinteresse, etwa wie bei einer typischen Arbeitssitzung, ist ein Abzug der Vorsteuer trotz Überschreitens der 110-Euro-Grenze zulässig. Ein vorrangiges Unternehmensinteresse liegt aber nur dann vor, wenn das private Interesse des Arbeitnehmers deutlich im Hintergrund und das unternehmerische Motiv nach ungestörter Durchführung einer Sitzung ohne allzu große Zeitverluste im Vordergrund steht. Für das unternehmerische Interesse spricht im Übrigen, wenn die Veranstaltung während der Dienstzeit durchgeführt wird und die Qualität der Speisen und Getränke als nebensächlich erscheint. Dafür spricht auch, wenn die Teilnahme des Arbeitnehmers an der Veranstaltung verpflichtend ist. Bei einer Weihnachtsfeier wird das allerdings grundsätzlich nicht der Fall sein. Ab dem 1.1.2024 soll der Freibetrag (und damit auch die umsatzsteuerliche Freigrenze) für Betriebsveranstaltungen übrigens von 110 Euro auf 150 Euro angehoben werden. Dies sieht der Entwurf des "Wachstumschancengesetzes" vor. Begünstigt sind aber wohl nach wie vor maximal zwei Veranstaltungen pro Jahr.
gepostet: 28.10.2023
Gesetzgebung: Degressive Abschreibung für Wohngebäude geplant
Das so genannte Wachstumschancengesetz wirft seine Schatten voraus. Zwar wird es wohl erst Ende des Jahres verabschiedet werden und die meisten Neuregelungen werden erst in 2024 in Kraft treten, doch auf eine geplante Änderung möchten wir bereits heute aufmerksam machen: Aufgrund des akuten Wohnraummangels sowie der Krise in der Baubranche soll eine degressive Abschreibung für neue Mietwohngebäude eingeführt werden.

Konkret: Bereits ab dem 1.10.2023 soll es eine degressive Abschreibung für vermietete Wohngebäude geben, wenn im Zeitraum vom 1.10.2023 bis 30.9.2029 mit der Herstellung begonnen wird oder der Kaufvertrag abgeschlossen und das Gebäude bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung angeschafft wird. Die degressive Abschreibung beträgt dann sechs Prozent des jeweiligen Restwertes (§ 7 Abs. 5a EStG). Die degressive AfA soll auch für Bauvorhaben gelten, für die bereits eine Baugenehmigung vorliegt, die aber noch nicht begonnen wurden. Die degressive AfA kann für alle Wohngebäude, die in einem EU-/EWR-Mitgliedstaat belegen sind, in Anspruch genommen werden. Eine Begrenzung auf Wohngebäude im Inland ist nicht vorgesehen.

Solange die degressive Abschreibung vorgenommen wird, sind Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzungen nicht zulässig. Falls diese eintreten, kann aber zur linearen AfA nach § 7 Abs. 4 Nr. 2a EStG gewechselt werden (3 Prozent jährlich). Der Steuerpflichtige soll ohnehin ein Wahlrecht haben, zur linearen AfA nach § 7 Abs. 4 Nr. 2a EStG zu wechseln. Die lineare AfA ist nach dem Wechsel vom Restwert vorzunehmen. Der Restwert ermittelt sich dabei von den um die bisherigen Abschreibungen geminderten ursprünglichen Anschaffungs- und Herstellungskosten. Falls nach dem Wechsel zur linearen AfA die tatsächliche Nutzungsdauer dann geringer als die übliche Nutzungsdauer von insgesamt 33 Jahren sein sollte, kann diese zugrunde gelegt werden. Das bedeutet, dass der Abschreibungssatz dann höher als 3 Prozent ist (§ 7 Abs. 4 Satz 2 EStG).
gepostet: 26.10.2023
Sozialversicherungspflicht: BSG entscheidet zur Ein-Personen-Gesellschaft
Stellt sich die Tätigkeit einer natürlichen Person nach deren tatsächlichem Gesamtbild als abhängige Beschäftigung dar, ist ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht deshalb ausgeschlossen, weil Verträge nur zwischen dem Auftraggeber und einer Kapitalgesellschaft bestehen, deren alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter die natürliche Person ist - so hat das Bundessozialgericht in drei Urteilen entschieden und damit einem vermeintlichen Modell zur Verhinderung eines Sozialversicherungspflicht die Anerkennung versagt (BSG-Urteile vom 20.7.2023, B 12 BA 1/23 R, B 12 R 15/21 R und B 12 BA 4/22 R).

Exemplarisch soll hier der Fall vorgestellt werden, der dem Verfahren B 12 BA 1/23 R zugrunde lag: Der Kläger ist ausgebildeter Krankenpfleger sowie alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft (UG). Unternehmensgegenstand ist unter anderem die selbstständige Erbringung von Pflegedienstleistungen im ambulanten und stationären Bereich. Für die Tätigkeit als Geschäftsführer der UG erhält der Kläger ein monatliches Bruttogehalt von 500 Euro und eine Tantieme von 15 Prozent des Jahresgewinns. Für konkrete Einsatzzeiträume im Jahr 2017 schloss die UG als "Auftragnehmer" mit der Trägerin eines Krankenhauses als "Auftraggeber" Dienstleistungsverträge über die eigenverantwortliche Planung, Durchführung, Dokumentation und Überprüfung von häuslicher/stationärer Kranken-/Altenpflege. Vereinbart war der Einsatz fachlich geeigneter und qualifizierter Personen zu einem Stundenhonorar von 36 Euro, ein außerordentliches Kündigungsrecht der UG bei Verhinderung des eigenen Personals und eine Weisungsfreiheit bei Durchführung der übertragenen Tätigkeiten. Während der vertraglich vereinbarten Einsatzzeiten war der Kläger die einzige ausgebildete Pflegefachkraft der UG. Die Deutsche Rentenversicherung stellte die Sozialversicherungspflicht des Klägers fest. Das BSG stimmt dem im Grundsatz zu, auch wenn es die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen hat.

Begründung: Die jeweiligen konkreten tatsächlichen Umstände einer Tätigkeit entscheiden nach einer Gesamtabwägung über das Vorliegen einer selbstständigen oder abhängigen Beschäftigung. Daran ändert der Umstand nichts, dass Verträge nur zwischen dem Auftraggeber und der Kapitalgesellschaft geschlossen wurden. Die Abgrenzung richtet sich vielmehr nach dem Geschäftsinhalt, der sich aus den ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien und der praktischen Durchführung des Vertrages ergibt, nicht aber nach der von den Parteien gewählten Bezeichnung oder gewünschten Rechtsfolge. Das Landessozialgericht muss nun Feststellungen über die Höhe des erzielten (regelmäßigen) Jahresarbeitsentgelts nachholen.
gepostet: 24.10.2023
Photovoltaikanlagen: Übergangsfrist für vermögensverwaltende Gesellschaften
Eine rein vermögensverwaltende Personengesellschaft (GbR, KG) erzielt keine gewerblichen Einkünfte, sondern üblicherweise Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Es ist aber eine Steuerfalle zu beachten, die unter den Namen "Abfärberegelung" und "Infektionstheorie" bekannt ist. Wenn die Gesellschaft auch einer gewerblichen Tätigkeit nachgeht, werden ihre gesamten Einkünfte zu gewerblichen Einkünften - sie werden "infiziert". Zudem wird ihr Vermögen zu Betriebsvermögen und ist steuerverhaftet, das heißt, dass ein Gewinn aus dem Verkauf einer Immobilie auch jenseits der zehnjährigen Spekulationsfrist zu versteuern ist. Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 30.6.2022 (IV R 42/19) entschieden, dass die gewerbliche Infizierung/Abfärbung selbst dann eintritt, wenn eine GbR neben der reinen Vermietungstätigkeit nur eine Photovoltaikanlage betreibt, aus der sie Verluste erwirtschaftet. Das Jahressteuergesetz 2022 sorgt insoweit zwar für eine Verbesserung in Bezug auf "Neufälle", das heißt hier soll keine gewerbliche Infizierung mehr eintreten, doch in "Altfällen" können sich nun ungewollte Steuerfolgen ergeben. Dazu folgende Beispiele:

Beispiel 1: Einer GbR gehören mehrere Mietwohnimmobilien; sie ist rein vermögensverwaltend. Seit dem 1.7.2022 betreibt die GbR eine Photovoltaikanlage mit 15 kWp auf einem ihrer Gebäude. Der Betrieb der Photovoltaikanlage ist steuerfrei. Aufgrund einer Regelung in § 3 Nr. 72 Satz 3 EStG tritt keine "gewerbliche Infizierung" der Vermietungseinkünfte ein. Folge: Mangels gewerblicher Infizierung erzielt die GbR weiterhin nur Vermietungseinkünfte und ihre Immobilien gehören im Regelfall nicht zu einem Betriebsvermögen. Die GbR muss üblicherweise steuerlich nichts weiter veranlassen.

Beispiel 2: Einer GbR gehören mehrere Mietwohnimmobilien; sie ist eigentlich rein vermögensverwaltend. Allerdings betreibt die GbR bereits seit fünf Jahren eine Photovoltaikanlage mit 15 kWp. Sie erzielt aufgrund der Abfärberegelung bzw. gewerblichen Infizierung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG daher insgesamt gewerbliche Einkünfte und ihr gesamtes Vermögen, also auch das Immobilienvermögen, gehört zum Betriebsvermögen - es ist "steuerverhaftet". Aufgrund der Steuerfreiheit der Photovoltaikanlage ab 2022 könnte bzw. wird die gewerbliche Infizierung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nun entfallen (§ 3 Nr. 72 Satz 3 EStG). Folge: Mangels gewerblicher Infizierung könnte das Immobilienvermögen auf einen Schlag als entnommen gelten und es entstehen mitunter hohe Steuernachforderungen.

Praxistipp:
Das BMF verfügt zu diesem Thema in seinem Schreiben vom 17.7.2023 (IV C 6 - S 2121/23/10001 :001): In Fällen wie dem obigen sind sämtliche Wirtschaftsgüter, insbesondere die Gebäude, auf, an oder in dem sich eine Photovoltaikanlage befindet, mit Ausnahme der Photovoltaikanlagen, in 2022 zu entnehmen. Aus Vertrauensschutzgründen wird von einer Entnahme abgesehen, wenn die "Verstrickung" der stillen Reserven bis zum 31.12.2023 aus anderen Gründen wiederhergestellt ist. Insofern sollte in ähnlichen Fällen unbedingt noch in diesem Jahr geprüft werden, ob eine "Entstrickung" der stillen Reserven bewusst gewünscht ist oder ob die "Verstrickung" dauerhaft gesichert werden soll, beispielsweise durch eine Umwandlung der Gesellschaft in eine GmbH & Co. KG.
gepostet: 22.10.2023
Vergleich nach Rechtsstreit: Übernahme von Verfahrenskosten kein Kapitalertrag
Erwirken Kapitalanleger im Rahmen eines Rechtsstreits mit ihrer Bank eine Nachzahlung von Zinsen, sind diese als Kapitaleinkünfte steuerpflichtig und unterliegen grundsätzlich der Abgeltungsteuer. Zahlreiche Finanzämter haben offenbar die Auffassung vertreten, dass auch die Verfahrenskosten, die das Kreditinstitut im Rahmen eines Vergleichs mitunter übernimmt, als Kapitalertrag gelten. Doch das Bundesfinanzministerium verfügt nun: Wird im Rahmen eines Rechtsstreits um die Verzinsung einer Kapitalanlage ein Vergleich gemäß § 278 ZPO geschlossen, bei dem sich das Kreditinstitut unter anderem zur Übernahme der Verfahrenskosten bereit erklärt, handelt es sich sowohl bei den übernommenen Anwaltskosten als auch bei den übernommenen Gerichtskosten nicht um Einnahmen des Anlegers im Sinne des § 8 Abs. 1 EStG, die ihm im Rahmen der Einkunftsart des § 20 EStG zufließen (BMF-Schreiben vom 11.7.2023, IV C 1 - S 2252/19/10003 :013, Rz. 83a).

Praxistipp:
Das BMF hat zwar sein Anwendungsschreiben zur Abgeltungsteuer um den oben genannten Punkt erweitert, doch es weist nach wie vor darauf hin, dass Entschädigungszahlungen für Verluste, die Anleger auf Grund von Beratungsfehlern geleistet werden, als Kapitaleinkünfte gelten. Dies gilt jedenfalls, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zu einer konkreten einzelnen Transaktion besteht, bei der ein konkreter Verlust entstanden ist oder ein steuerpflichtiger Gewinn vermindert wird. Dies gilt auch dann, wenn die Zahlung ohne eine rechtliche Verpflichtung erfolgt, und im Übrigen auch bei Entschädigungszahlungen für künftig zu erwartende Schäden (BMF-Schreiben vom 19.5.2022, BStBl 2022 I S. 742, Rz. 83).
gepostet: 20.10.2023
Umfassende Renovierung: Herstellungsaufwand aufgrund Nutzungsänderung
Wird ein älteres Gebäude, das der Einkünfteerzielung dient, umfassend renoviert, können die entsprechenden Kosten entweder zu Herstellungs- oder aber zu Erhaltungsaufwand führen. Herstellungskosten sind nur im Wege der Absetzung für Abnutzung (AfA) über viele Jahre verteilt abzugsfähig, während Erhaltungsaufwand entweder sofort oder wahlweise über zwei bis fünf Jahre verteilt abgezogen werden darf (§ 82b EStDV). Zur Abgrenzung zwischen Herstellungs- und Erhaltungsaufwand gelten folgende Grundsätze:

Aufwendungen für die Renovierung oder Modernisierung einer Immobilie, die in den ersten drei Jahren nach deren Erwerb getätigt werden, sind nicht sofort abziehbar, wenn die Investitionen insgesamt 15 Prozent der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen. Dann müssen die Aufwendungen den Anschaffungskosten des Gebäudes hinzugerechnet und damit zusammen abgeschrieben werden. Sie können also nicht sofort in einer Summe geltend gemacht werden. Das sind die sogenannten anschaffungsnahen Herstellungskosten i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG.

Wenn sich die Immobilie schon seit mehreren Jahren im Besitz des Steuerpflichtigen befindet, anschaffungsnahe Herstellungskosten also ausscheiden, kommt es darauf an, ob die Renovierungsmaßnahmen zu einer wesentlichen Verbesserung gegenüber dem ursprünglichen Zustand der Immobilie geführt haben. Das ist die "Standardhebung" und die Aufwendungen sind dann als Herstellungsaufwand zu beurteilen. Eine wesentliche Verbesserung liegt vor, wenn der Gebrauchswert des Gebäudes durch die Baumaßnahmen deutlich erhöht wird. Maßgebend ist, dass mindestens drei der vier Ausstattungs-Kernbereiche einer Immobilie, nämlich Elektro-, Heizungs-, Sanitärinstallation und Fenster, nicht allein eine zeitgemäße Modernisierung erfahren, sondern in ihrer Funktion deutlich erweitert und ergänzt werden (BFH-Urteil vom 14.7.2004, IX R 52/02). Auch wenn etwas Neues geschaffen, also zum Beispiel angebaut wird, liegen Herstellungskosten vor. Dies wird als Substanzmehrung bezeichnet. Ohne Standardhebung oder Substanzmehrung sind die Kosten grundsätzlich als Erhaltungsaufwand zu beurteilen, selbst wenn diese - zum Beispiel aufgrund einer Generalüberholung des Gebäudes - in ungewöhnlicher Höhe zusammengeballt in einem Veranlagungszeitraum anfallen (BMF-Schreiben vom 18.7.2003, BStBl 2003 I S. 386).

Das Niedersächsische Finanzgericht hat entschieden, dass Herstellungsaufwand auch dann vorliegen kann, wenn die von der Baumaßnahme betroffene Fläche eine bessere oder eine völlig neue Nutzungsmöglichkeit schafft. Auf eine Standardhebung kommt es dann nicht mehr an (Urteil vom 17.3.2023, 15 K 17/21). Vereinfacht ging es um folgenden Sachverhalt: Ein Geschäftshaus, Baujahr 1974, hat ein Keller-, ein Erd- sowie zwei Obergeschosse. Das Erdgeschoss wurde in 2014 umfassend renoviert. An die Stelle einer Nutzung als Verkaufsfläche für einen Lebensmittelmarkt sollte eine Nutzung als Ladenfläche für eine Apotheke sowie eine Bäckerei mit angeschlossenem Café-Betrieb treten. Die Größe der Nutzfläche blieb unverändert. Der Eigentümer war der Auffassung, dass lediglich Erhaltungsaufwand vorlag, da es durch die Baumaßnahmen nicht zu einer über den ursprünglichen Zustand hinausgehenden wesentlichen Verbesserung gekommen sei. Die Eigenschaft des Erdgeschosses als Einzelhandelsfläche sei durch den Umbau nicht berührt worden. Der Umbau habe nur zur Aufteilung der vormaligen einheitlichen Einzelhandelsfläche in zwei separat vermietbare Einzelhandelsflächen geführt. Eine Wesensänderung des Gebäudes sei nicht eingetreten. Die Aufwendungen für die Gewerke Elektro, Heizung, Sanitär und Fenster hätten hauptsächlich darin bestanden, die vorhandenen Anlagen in zeitgemäßer Form zu ersetzen. Doch das Finanzamt und das Finanzgericht beurteilten die Sache anders: Es lägen Herstellungskosten vor, die lediglich im Wege der AfA abzuziehen seien.

Begründung: Aufgrund der Gesamtheit der durchgeführten Gewerke liegen Herstellungskosten vor, weil das Erdgeschoss umfassend renoviert und - vor allem - für eine andere Art von gewerblicher Nutzung erschlossen wurde. Mag es auch zutreffen, dass sämtliche Teile in ihrer ursprünglichen Funktion bereits im Erdgeschoss vorhanden waren, so wurden diese durch den Umbau neu zueinander in Beziehung gesetzt. Damit ist die Schwelle zu einer mit der Substanzmehrung einhergehenden erweiterten bzw. geänderten Nutzungsmöglichkeit überschritten. Eine wesentliche Verbesserung liegt zwar nicht durch eine Standardhebung in drei der vier für Wohngebäude entwickelten Kernbereichen der Ausstattung vor, jedoch durch die Schaffung einer bislang nicht vorhandenen Nutzungsmöglichkeit für eine andere Art der gewerblichen Nutzung. Im Übrigen ist es ausreichend, wenn - wie hier - lediglich die Erdgeschossfläche infolge der Baumaßnahme in seinen Nutzungsmöglichkeiten erweitert wird.
gepostet: 18.10.2023
Doppelte Haushaltsführung: Stellplatzkosten trotz hoher Miete abziehbar
Wer aus beruflichen Gründen einen zweiten Haushalt am Arbeitsort führt, darf die Kosten der doppelten Haushaltsführung steuerlich geltend machen. Die Kosten der zweiten Unterkunft können mit den tatsächlichen Aufwendungen angesetzt werden, höchstens aber mit 1.000 Euro im Monat, wenn sich der Zweitwohnsitz im Inland befindet. Nach Ansicht mehrerer Finanzgerichte gehören die Kosten für einen angemieteten Stellplatz oder für eine Garage nicht zu den Unterkunftskosten und fallen damit nicht unter die 1.000-Euro-Grenze. Sie sind also auch dann abziehbar, wenn die Miete so hoch ist, dass die Grenze von 1.000 Euro überschritten ist (FG Saarland, Gerichtsbescheid vom 20.5.2020, 2 K 1251/17; FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 21.9.2022, 3 K 48/22; FG Niedersachen, Urteil vom 16.3.2023, 10 K 202/22).

Praxistipp:
Während die beiden erstgenannten Entscheidungen rechtskräftig geworden sind, ist gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts die Revision eingelegt worden. Diese ist beim Bundesfinanzhof unter dem Az. VI R 4/23 anhängig.

Praxistipp:
Zu den abzugsfähigen Kosten der doppelten Haushaltsführung gehören auch Ausgaben für die Anschaffung von notwendigen Einrichtungsgegenständen und Hausrat. Dabei sind auch diese Aufwendungen abziehbar, wenn der Höchstbetrag von monatlich 1.000 Euro für die Wohnungsnutzung, also für die Miete, bereits ausgeschöpft ist. Dies hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 4.4.2019 (VI R 18/17) entschieden.
gepostet: 16.10.2023
Erkrankung des Kindes: Was gilt bei Unterbrechung einer Ausbildung?
Für ein Kind zwischen dem 18. und dem 25. Lebensjahr besteht Anspruch auf Kindergeld, wenn das Kind für einen Beruf ausgebildet wird. Wenn ein Kind während der Ausbildung erkrankt und seine Ausbildung unterbrechen muss, führt dies zwar noch nicht unmittelbar zum Verlust des Kindergeldes. Etwas anderes gilt aber, wenn die Erkrankung länger als sechs Monate dauert. Dann ist im Einzelfall zu prüfen, ob mit einer Fortsetzung der Ausbildung noch zu rechnen ist oder nicht. Wie der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 21.8.2021 (III R 41/19) entschieden hat, ist eine Kindergeldgewährung nicht mehr möglich, wenn das Ausbildungsverhältnis wegen einer Erkrankung des Kindes beendet wurde. Eine Kindergeldgewährung wegen Berufsausbildung ist zudem selbst dann nicht möglich, wenn das Ausbildungsverhältnis zwar fortbesteht, Ausbildungsmaßnahmen wegen einer langfristigen Erkrankung des Kindes aber unterbleiben. Eine Krankheit ist nicht vorübergehend, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit eine länger als sechs Monate dauernde Beeinträchtigung zu erwarten ist (BFH-Urteil vom 15.12.2021, III R 43/20).

Nun hat das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) die "Dienstanweisung Kindergeld" überarbeitet, an der sich die Familienkassen bei der Prüfung des Kindergeldanspruchs orientieren. Das BZSt hat die Anwendung der BFH-Urteile verfügt (BZSt vom 26.5.2023, BStBl 2023 I S. 818). Danach gilt laut Abschnitt A 15.11:

Eine anspruchsschädliche Unterbrechung der Ausbildung liegt nicht vor, solange während einer Erkrankung die rechtliche Bindung zur Ausbildungsstätte bzw. zum Ausbilder fortbesteht und die Durchführung der Ausbildungsmaßnahmen wegen einer vorübergehenden Erkrankung unterbleibt.

Von einer vorübergehenden Erkrankung ist auszugehen, wenn sie im Hinblick auf die ihrer Art nach zu erwartende Dauer der von ihr ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung mit hoher Wahrscheinlichkeit regelmäßig nicht länger als sechs Monate währt.

Die Erkrankung und das voraussichtliche Ende der Erkrankung sind durch eine Bescheinigung des behandelnden Arztes nachzuweisen. Ist nach den ärztlichen Feststellungen das voraussichtliche Ende der Erkrankung nicht absehbar oder währt die Erkrankung bzw. die von ihr ausgehende Beeinträchtigung länger als sechs Monate, ist zu prüfen, ob das Kind wegen einer Behinderung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG berücksichtigt werden kann.

Von einer ärztlichen Bescheinigung über das voraussichtliche Ende der Erkrankung kann abgesehen werden, wenn das Kind zwischenzeitlich die Ausbildung wieder aufgenommen oder eine neue Ausbildung begonnen hat.

Ein Studierender ist während einer Unterbrechung seines Studiums zu berücksichtigen, wenn er wegen Erkrankung beurlaubt oder von der Belegpflicht befreit ist und dies der Familienkasse unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung nachgewiesen wird. Die Berücksichtigung erfolgt für das betreffende Studiensemester einschließlich der Semesterferien, in dem der Studierende durch Krankheit gehindert ist, seinem Studium nachzugehen. Dies gilt auch, wenn die Erkrankung vor Ablauf des Semesters endet, das Studium aber erst im darauf folgenden Semester fortgesetzt wird.

Praxistipp:
Eltern, deren Kind längerfristig erkrankt ist, sollten rechtzeitig Kontakt mit der Familienkasse aufnehmen. Wird davon ausgegangen, dass das Kind seine Ausbildung fortsetzen kann, sollte dies der Familienkasse glaubhaft dargelegt und zudem das voraussichtliche Ende der Erkrankung durch eine Bescheinigung des behandelnden Arztes nachgewiesen werden. Die Bescheinigung ist jeweils nach Ablauf von sechs Monaten zu erneuern und der Familienkasse vorzulegen. Die Familienkasse hält entsprechende Vordrucke bereit (z.B. Vordruck KG 9a: "Erklärung für ein erkranktes Kind" und "Ärztliche Bescheinigung über die Behandlung"), die aber auch im Internet abrufbar sind.
gepostet: 14.10.2023
Photovoltaikanlagen: Faltblatt der Finanzverwaltung zu den Neuregelungen
Auf die Lieferung von Photovoltaikanlagen fällt seit dem 1. Januar 2023 keine Umsatzsteuer mehr an, wenn diese auf oder in der Nähe von Wohngebäuden - auch auf dem Balkon - installiert werden (Nullsteuersatz). Der Nullsteuersatz umfasst auch die für den Betrieb einer Photovoltaikanlage wesentlichen Komponenten, die Speicher sowie die Montage. Bereits seit dem 1. Januar 2022 fallen bei bestimmten Anlagen zudem keine Ertragsteuern mehr an und die Abgabe einer Einnahmen-Überschussrechnung zur Einkommensteuererklärung ist nicht mehr erforderlich. Zuvor bestand bereits die Möglichkeit eines so genannten Liebhaberei-Antrages. Das Bundesfinanzministerium hat das Faltblatt "Ihre Photovoltaikanlage: Weniger Steuern, weniger Bürokratie" veröffentlicht, in dem die Neuerungen kurz und übersichtlich dargestellt werden. Das Faltblatt richtet sich insbesondere an Privatpersonen, die kürzlich eine Photovoltaikanlage gekauft haben, eine bestehende Anlage erweitern oder reparieren wollen. Sie können es unter folgendem Link abrufen:
www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Broschueren_Bestellservice/ihre-photovoltaikanlage.html
gepostet: 12.10.2023
Abfindungen: Unschädliche Einzahlung in ein Zeitwertkonto
Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes werden steuerlich mittels der so genannten Fünftel-Regelung begünstigt. Damit wird der Steuersatz für die Abfindung zumindest ein Stück weit gemindert. Doch zuweilen möchten die Arbeitnehmer - in Absprache mit dem Arbeitgeber - eine höhere Entlastung erreichen oder die Steuerzahlung zeitlich verschieben. Kürzlich hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass auch die Einzahlung einer Abfindung in ein Zeitwertkonto lohnsteuerfrei bleiben kann (§ 3 Nr. 53 EStG), das heißt, eine Abfindung für den Verlust eines Arbeitsplatzes kann zur Aufstockung eines Wertguthabenkontos genutzt werden (BFH-Urteil vom 3.5.2023, IX R 25/21).

Es ging um folgenden Sachverhalt: Im Unternehmen sollte Personal abgebaut werden. Arbeitgeber und Betriebsrat schlossen daraufhin eine Vereinbarung, wonach ausscheidenden Arbeitnehmern eine "Freiwilligen-Abfindung“ zugesagt wurde. Diese wurde mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig. Es wurde die Möglichkeit eingeräumt, die Abfindung in ein Wertguthabenkonto einzubringen, das nach Ende der Beschäftigung gemäß § 7f SGB IV auf die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund übertragen werden sollte. Der Arbeitgeber unterwarf die Abfindungen, soweit sie dem Zeitwertkonto zugeführt wurden, nicht der Lohnsteuer und führte auch keine Beiträge zur Sozialversicherung ab. Das Finanzamt akzeptierte dies nicht und forderte Lohnsteuer vom Arbeitgeber. Voraussetzung für die Lohnsteuerfreiheit der Übertragung auf die DRV Bund sei nämlich, dass die zugeführten Beträge durch Freistellung in demselben Arbeitsverhältnis noch vollständig aufgebraucht werden könnten. Daran fehle es nach Beendigung der Arbeitsverträge. Das Finanzgericht gab der Finanzverwaltung Recht, doch die Revision des Arbeitgebers war erfolgreich.

Die Begründung des BFH: Im Streitfall seien alle Beteiligten ersichtlich von der Zulässigkeit und Wirksamkeit der getroffenen Vereinbarungen ausgegangen und hätten sich dementsprechend verhalten. Sie hätten (in gutem Glauben) das Vereinbarte eintreten und bestehen lassen. Ob die streitigen Wertguthabenvereinbarungen unwirksam waren, sei danach unerheblich. Eine Entlassungsentschädigung fließe dem Arbeitnehmer auch dann nicht zu, wenn die Vereinbarung über die Zuführung zu einem Wertguthaben des Arbeitnehmers oder die vereinbarungsgemäße Übertragung des Wertguthabens auf die DRV Bund sozialversicherungsrechtlich unwirksam sein sollten, soweit alle Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis gleichwohl eintreten und bestehen lassen.

Praxistipp:
Lohnsteuer fällt in Fällen wie dem obigen erst an, wenn die DRV Bund jeweils Teilauszahlungen aus dem Wertguthaben vornimmt. Die Lohnsteuer hat die DRV Bund einzubehalten und abzuführen. Die "Fünftel-Regelung", also ein ermäßigter Steuersatz, kommt aber nicht zur Anwendung. Ob sich das "Modell Einzahlung einer Abfindung in ein Zeitwertkonto" in der Praxis etablieren wird, bleibt aber abzuwarten. Zumindest derzeit dürfte es - in steuerlicher Hinsicht - noch sicherer sein, die "althergebrachten" Möglichkeiten der Begünstigung von Entlassungsentschädigungen zu nutzen. So bleiben Abfindungen, die in eine Direktversicherung, einen Pensionsfonds oder eine Pensionskasse eingezahlt werden, in bestimmtem Umfang steuerfrei (§ 3 Nr. 63 EStG).
gepostet: 10.10.2023
Gesellschafter-Darlehen: Keine Abgeltungsteuer bei Gesellschaftssitz im Ausland
Zinsen aus Darlehen eines Gesellschafters an eine ausländische Kapitalgesellschaft, an der er mittelbar zu mindestens zehn Prozent beteiligt ist, sind nach der bis zum Jahressteuergesetz (JStG) 2020 geltenden Rechtslage dem individuellen Steuersatz zu unterwerfen - so hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 27.6.2023 (VIII R 15/21) entschieden.

Im Streitfall gewährte der Kläger Darlehen an eine niederländische Kapitalgesellschaft, an der er mittelbar über eine weitere niederländische Kapitalgesellschaft als Alleingesellschafter beteiligt war. Die hieraus erzielten Darlehenszinsen in Höhe von rund 400.000 Euro erklärte er in seiner Einkommensteuererklärung als dem "Sonder-Steuertarif "des § 32d Abs. 1 EStG unterliegende Kapitalerträge, das heißt, es sollte nur die Abgeltungsteuer mit dem Steuersatz von 25 Prozent zum Tragen kommen. Das Finanzamt unterwarf die Zinsen dagegen der höheren tariflichen Einkommen-steuer unter Hinweis auf § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG. Nach dieser Vorschrift findet der gesonderte Steuertarif des § 32d Abs. 1 EStG keine Anwendung bei bestimmten Kapitalerträgen, die von einer Kapitalgesellschaft an einen Anteilseigner gezahlt werden, der zu mindestens zehn Prozent an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Das Gleiche gilt, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge eine dem Anteilseigner nahestehende Person ist. Das Finanzgericht bestätigte die Auffassung des Finanzamts. Die dagegen erhobene Revision wies der BFH zurück.

Der BFH bejahte das erforderliche Näheverhältnis des Klägers zu der Anteilseigner-Kapitalgesellschaft, weil er aufgrund seiner Beteiligung als Alleingesellschafter deren Einflussmöglichkeiten auf Ebene der Schuldner-Kapitalgesellschaft beherrschte. Anhaltspunkte dafür, die Anwendung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG über den Wortlaut hinaus auf reine Inlandssachverhalte zu beschränken, sah der BFH aber nicht. Der Gesetzgeber habe erst mit dem JStG 2020 neu geregelt, dass der Ausschluss des gesonderten Steuertarifs nur für solche Kapitalerträge aus Gesellschafterforderungen gegenüber der Schuldner-Kapitalgesellschaft gelte, die auf Seiten der Gesellschaft zu entsprechenden inländischen Betriebsausgaben führten. Der BFH sah auch keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes, weil Kapitalerträge, die von einer inländischen Kapitalgesellschaft an einen Anteilseigner oder an eine diesem nahestehende Person gezahlt würden, unter denselben Voraussetzungen wie im Streitfall tariflich zu besteuern seien (Quelle: Mitteilung des BFH vom 17.8.2023).
gepostet: 08.10.2023
Aktientausch mit Barabfindung: Neue Zehn-Prozent-Grenze der Finanzverwaltung
Kapitalmaßnahmen und gesellschaftsrechtliche Schritte von Kapitalgesellschaften sind steuerlich oft sehr schwierig zu beurteilen. Umso mehr gilt dies bei ausländischen Gesellschaften. Die Auswirkungen dieser Maßnahmen betreffen grundsätzlich nicht nur die Kapitalgesellschaft selbst, sondern auch ihre Anleger. Und die jüngste Vergangenheit zeigt, dass die Finanzverwaltung, die einzelnen Finanzgerichte und auch der Bundesfinanzhof zum Teil konträre Meinungen zur Versteuerung von Kapitalerhöhungen, Sachausschüttungen oder Zuzahlungen bei einem Aktientausch vertreten.

Zum letztgenannten Punkt, den Zuzahlungen bei einem Aktientausch, gilt - eigentlich - folgende Regelung: Beim Aktientausch treten die erhaltenen Anteile steuerlich an die Stelle der bisherigen Anteile. Dadurch bleiben die steuerlichen Reserven dauerhaft verstrickt und werden erst bei einer zukünftigen Veräußerung realisiert und erst dann versteuert. Wird bei einem Aktientausch aber zusätzlich ein Barausgleich gezahlt, ist dieser ebenso wie eine Bardividende nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG steuerpflichtig und unterliegt sofort der Abgeltungsteuer (§ 20 Abs. 4a Satz 2 EStG). Im Jahre 2022 hat der Bundesfinanzhof jedoch einschränkend entschieden, dass § 20 Abs. 4a Satz 2 EStG, also die sofortige Besteuerung des Barausgleichs, nur greift, wenn es um Verschmelzungen, Ab- bzw. Aufspaltungen und qualifizierte Anteilstauschvorgänge geht, die dem Anwendungsbereich des deutschen Umwandlungssteuergesetzes unterliegen oder die zumindest mit einer inländischen Umwandlung vergleichbar sind. Eine gesellschaftsrechtliche Maßnahme kann sich aber durchaus nur als ein reiner Verkauf der alten Anteile gegen Übernahme neuer Anteile, gegebenenfalls verbunden mit einem zusätzlichen Entgelt (Tausch gegen Gewährung eines Mischentgelts) darstellen (BFH-Urteil vom 14.2.2022, VIII R 44/18, BStBl 2022 II S. 636).

Im zugrundeliegenden Fall ging es um den Aktieninhaber einer US-amerikanischen Kapitalgesellschaft, bei der es zu einem Aktientausch mit einem Barausgleich von umgerechnet rund 90.000 Euro kam. Die Bank berechnete auf den Barausausgleich die volle Abgeltungsteuer. Finanzamt und Finanzgericht sahen das als korrekt an. Der bei einem Aktientausch gezahlte Barausgleich unterliege gemäß § 20 Abs. 4a Satz 2 EStG in vollem Umfang als Kapitalertrag der Besteuerung nach § 32d Abs. 1 EStG. Auch ein Abzug anteiliger Anschaffungskosten sei gesetzlich nicht vorgesehen und verfassungsrechtlich nicht geboten. Der BFH ist dem jedoch entgegengetreten. § 20 Abs. 4a EStG findet keine Anwendung, wenn bei rechtsvergleichender Betrachtung die Umwandlung nicht einmal hypothetisch in den Anwendungsbereich des deutschen Umwandlungssteuergesetzes fallen könnte. Der gesamte Vorgang ist danach als Tausch gegen Gewährung eines Mischentgelts nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 EStG zu besteuern. Die Ermittlung des Veräußerungsgewinns richtet sich dann im Wesentlichen nach dem Unterschied zwischen den Einnahmen aus der Veräußerung und den Anschaffungskosten. Letztlich belief sich der Gewinn aus der Veräußerung der Aktien aufgrund der Verschmelzung insgesamt auf "nur" noch rund 47.500 Euro.

Das Bundesfinanzministerium hat nun die Anwendung des BFH-Urteils verfügt und zusätzlich folgende Vereinfachungsregelung erlassen: Werden bei einem Anteilstausch Barzahlungen geleistet, die zehn Prozent des Börsenkurses der gewährten Anteile der übernehmenden Gesellschaft übersteigen, so findet § 20 Abs. 4a Satz 2 EStG keine Anwendung. Der gesamte Vorgang ist danach als Tausch gegen Gewährung eines Mischentgelts nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 EStG zu besteuern. Ist ein Börsenkurs für die gewährten Anteile nicht zeitnah ermittelbar, wird es nicht beanstandet, wenn stattdessen auf den Börsenkurs der hingegebenen Anteile abgestellt wird. Es wird nicht beanstandet, wenn die sich durch das o. g. BFH-Urteil ergebenden Änderungen für das Kapitalertragsteuer-Abzugsverfahren erst ab dem 1.1.2024 angewendet werden (BMF-Schreiben vom 11.7.2023, IV C 1 - S 2252/19/10003 :013, Rz. 100a).

Praxistipp:
Bitte informieren Sie uns frühzeitig, wenn Sie Anteile an einer Kapitalgesellschaft halten, bei denen es zu einem Aktientausch, einer Umwandlung, einer Kapitalmaßnahme oder sonstigen gesellschaftsrechtlichen Schritten gekommen ist und bei denen der Steuereinbehalt geprüft werden soll. Gegebenenfalls muss der entsprechende Sachverhalt, soweit Sie als Anleger betroffen sind, in Ihre Einkommensteuererklärung übernommen werden, denn die depotführenden Banken müssen sich beim Einbehalt der Kapitalertragsteuer an die Regelungen des BMF halten, selbst wenn diese zwischenzeitlich von der Rechtsprechung angezweifelt werden. Das heißt: Eine Überprüfung des Einbehalts der Kapitalertragsteuer (Abgeltungsteuer) muss oder sollte zumindest im Rahmen der Steuererklärung erfolgen, da die Kreditinstitute den Auslegungsvorschriften der Finanzverwaltung folgen müssen (§ 44 Abs. 1 Satz 3 EStG).
gepostet: 06.10.2023
Handwerkerleistungen: Abzug von Kosten bei unentgeltlicher Wohnungsnutzung
Aufwendungen für Handwerkerleistungen im Zusammenhang mit dem eigenen Haushalt können mit 20 Prozent, höchstens 1.200 Euro im Jahr, unmittelbar von der Steuerschuld abgezogen werden (§ 35a Abs. 3 EStG). Kürzlich hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen auch dann beansprucht werden kann, wenn ein Steuerzahler eine Wohnung unentgeltlich nutzt, etwa im Haus der Eltern, er die Handwerkerarbeiten in Auftrag gibt und auch bezahlt (BFH-Urteil vom 20.4.2023, VI R 23/21).

Der Sachverhalt: Der Kläger nutzte eine Dachgeschosswohnung im Haus seiner Mutter als Nebenwohnsitz. In seiner Einkommensteuererklärung machte er die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 3 EStG für Leistungen eines Dachdeckers geltend, die das Haus seiner Mutter betrafen. Er legte hierzu eine Rechnung der Dachdeckerfirma vor, die auf seinen Namen lautete und in der die Lohnkosten ausgewiesen waren. Der Kläger hatte den Rechnungsbetrag nachweislich auf das Konto der Dachdeckerfirma gezahlt. Finanzamt und Finanzgericht versagten die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen unter anderem mit der Begründung, dass aufgrund der unentgeltlichen Nutzung - ohne förmlichen Mietvertrag - keine Verpflichtung für die Kostenübernahme zur Sanierung des Daches bestanden habe. Doch der BFH hat das Urteil aufgehoben und der Revision entsprochen.

Ein "Haushalt" i.S. von § 35a EStG erfordere nicht, dass der Steuerpflichtige die Räumlichkeiten, in denen sich hauswirtschaftliches Leben entfaltet, als wirtschaftlicher (Mit-)Eigentümer oder als Mieter nutzt. Das Gesetz verlange neben der tatsächlichen Führung eines Haushalts kein besonderes Nutzungsrecht des Steuerpflichtigen. Der Steuerpflichtige könne folglich auch in unentgeltlich überlassenen Räumlichkeiten einen Haushalt führen. Eine über den Gesetzeswort-laut hinausgehende Einschränkung der Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen auf bestimmte Nutzungsrechte oder Nutzungsverhältnisse die Wohnung betreffend, in der der Steuerpflichtige den Haushalt führt, sei damit indessen nicht verbunden. Es sei auch ohne Bedeutung, wenn der Sohn gegenüber seiner Mutter nicht verpflichtet war, das Dach ihres Hauses sanieren zu lassen und die von ihm allein finanzierte Dachsanierung dem ganzen Haus zugutekam.

Praxistipp:
Auch das Bundesfinanzministerium erkennt an, dass ein Wohnungsnutzer trotz unentgeltlicher Überlassung die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 3 EStG beanspruchen kann, wenn er die entsprechenden Aufwendungen getragen hat (BMF-Schreiben vom 9.11.2016, BStBl I 2016, 1213, Rz. 27). Im Urteilsfall lag aber die Besonderheit darin, dass die Dachreparatur dem gesamten Gebäude und damit der Hauseigentümerin zugutekam. Doch das allein ist kein Grund für die Versagung des Steuerabzugs. Wichtig ist aber, dass der Nutzende selbst Auftraggeber ist und den Rechnungsbetrag tatsächlich vom eigenen Konto überweist. Zudem dürfen die Aufwendungen keine Werbungskosten darstellen, etwa im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung. Steuerlich abziehbar sind nur reine Arbeitskosten sowie eventuell in Rechnung gestellte Maschinen- und Fahrtkosten zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer.
gepostet: 04.10.2023
Firmenwagen: Bei Handwerkerwagen scheidet Privatnutzung nicht immer aus
Für einen Firmenwagen, der auch privat genutzt werden kann, ist ein Privatanteil entweder nach der so genannten Ein-Prozent-Regelung oder nach der Fahrtenbuchmethode zu versteuern. Grundsätzlich spricht bereits der Beweis des ersten Anscheins für eine Privatnutzung eines Fahrzeugs und nur ganz ausnahmsweise wird auf die Besteuerung eines - fiktiven - Privatanteils verzichtet. Für ein Fahrzeug, das aufgrund seiner objektiven Beschaffenheit und Einrichtung typischerweise so gut wie ausschließlich nur zur Beförderung von Gütern bestimmt ist, muss zwar grundsätzlich kein Privatanteil versteuert werden. So werde ein typischer Werkstattwagen mit lediglich zwei Sitzen allenfalls gelegentlich und ausnahmsweise auch für private Zwecke eingesetzt (BFH-Urteil vom 18.12.2008, VI R 34/07). Doch das bedeutet nicht, dass die Versteuerung eines Privatanteils bei jedem Werkstatt- oder Handwerkerwagen ausscheidet.

Ist ein Fahrzeug durchaus geeignet, privat genutzt zu werden und ist zudem im Privatvermögen kein weiteres Kfz vorhanden, so ist eine Privatnutzung zu unterstellen. Wenn kein Fahrtenbuch geführt wird, ist der Privatanteil nach der Ein-Prozent-Regelung zu versteuern (BFH-Beschluss vom 31.05.2023, X B 111/22). Im zugrundeliegenden Fall nutzte der Kläger, der einen Hausmeisterservice betrieb, einen Mercedes Vito. Im Privatvermögen war lediglich ein Moped vorhanden, aber kein Pkw. Der Vito war zudem kein typischer Werkstattwagen, da er wohl nicht mit betrieblichen Einrichtungen (z.B. fest eingebaute Fächer für Werkzeuge) ausgestattet war. Im Übrigen wurde festgestellt, dass die Ladefläche des Vito nicht dauerhaft mit Werkzeugen belegt war. Das Finanzamt ermittelte einen Privatanteil nach der Ein-Prozent-Regelung. Das Finanzamt und auch der BFH sehen dies als rechtens an.
gepostet: 02.10.2023
September 2023
Kinderbetreuungskosten: Haushaltszugehörigkeit des Kindes ist erforderlich
Kinderbetreuungskosten, darunter fallen auch Kindergartenbeiträge, sind unter bestimmten Voraussetzungen als Sonderausgaben absetzbar, und zwar mit zwei Drittel der Aufwendungen, höchstens 4.000 Euro je Kind (§ 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG). Begünstigt sind Dienstleistungen zur Betreuung eines Kindes, das das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Sonderregelungen gelten für Kinder mit einer Behinderung. Voraussetzung für den Abzug ist unter anderem, dass das Kind zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehört. Der Bundesfinanzhof hat nun bestätigt, dass es maßgebend auf die Haushaltszugehörigkeit ankommt. § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG verstoße jedenfalls dann nicht gegen das Grundgesetz, wenn die Betreuungsaufwendungen desjenigen Elternteils, der das Kind nicht in seinen Haushalt aufgenommen hat, durch den ihm gewährten Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (BEA-Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG) abgedeckt werden (BFH-Urteil vom 11.5.2023, III R 9/22).

Der Kläger ist Vater einer Tochter und lebt seit 2018 von der Kindesmutter dauernd getrennt. Die gemeinsame Tochter hat ihren ausschließlichen Wohnsitz bei der Mutter und gehörte im Veranlagungsjahr 2020 nicht zum Haushalt des Klägers. Die Tochter besuchte im Veranlagungsjahr einen Kindergarten sowie nach ihrer Einschulung den Hort einer Grundschule. Für den Besuch des Kindergartens zahlte die Kindesmutter jährlich 250 Euro und für den Besuch des Schulhorts jährlich 348 Euro. Der Kläger erstattete der Kindesmutter jeweils monatlich den hälftigen Betrag. Er beantragte für 2020 die Berücksichtigung der von ihm tatsächlich geleisteten Aufwendungen in Höhe von 299 Euro als Sonderausgaben. Das Finanzamt lehnte dies ab, da das Kind während des gesamten Veranlagungszeitraums nicht zum Haushalt des Klägers gehörte. Die hiergegen gerichtete Klage und auch die Revision blieben erfolglos.

Der Gesetzgeber habe das Recht, zur Verwaltungsvereinfachung typisierend auf die Haushaltszugehörigkeit abzustellen. Hierin sei kein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG zu sehen. Dem Umstand, dass trotz fehlender Haushaltsaufnahme auch beim anderen Elternteil Betreuungsaufwand in Gestalt der Eigenbetreuung oder der Übernahme von Betreuungskosten entstehen kann, habe der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich grundsätzlich hinreichender Weise dadurch Rechnung getragen, dass der BEA-Freibetrag auch diesem Elternteil zu gewähren ist. Im Streitfall sei auch eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 GG in Gestalt einer Beeinträchtigung des familiären Existenzminimums durch die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG nicht ersichtlich. Denn der dem Kläger gewährte BEA-Freibetrag lag mit (damals) 1.320 Euro wesentlich höher als der von ihm für die Kindergarten- und Hortbeiträge entrichtete Betrag von 299 Euro.
gepostet: 30.09.2023
Künstlersozialversicherung: Abgabe bleibt im Jahr 2024 bei 5,0 Prozent
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat die Ressort- und Verbändebeteiligung zur Künstlersozialabgabe-Verordnung 2024 (KSA-VO 2024) eingeleitet. Nach der neuen Verordnung wird der Abgabesatz zur Künstlersozialversicherung im Jahr 2024 bei 5,0 Prozent bleiben. Mit dem dramatischen wirtschaftlichen Einbruch infolge der Corona-Pandemie waren auch die künstlersozialabgabepflichtigen Entgelte im Jahr 2020 um fast 20 Prozent zurückgegangen. Insbesondere für 2022 ist aber eine deutliche Erholung der so genannten Honorarsumme und - damit verbunden - der Einnahmen aus der Künstlersozialabgabe zu beobachten. Der Erholungsprozess fand dabei mit deutlich größerer Dynamik statt, als es zunächst zu erwarten war. Die bei der Künstlersozialkasse gemeldete Honorarsumme hat im Jahr 2022 wieder den Stand wie vor der Pandemie erreicht. Dies und der Einsatz zusätzlicher Bundesmittel in Höhe von insgesamt über 175 Mio. Euro in den Jahren 2021 bis 2023 tragen zur finanziellen Stabilisierung der Künstlersozialkasse bei und machen es möglich, dass der aktuelle Abgabesatz in der Künstlersozialversicherung in Höhe von 5,0 Prozent beibehalten werden kann - so das BMAS in einer Pressemitteilung vom 14.7.2023.
gepostet: 28.09.2023
Haushaltnahe Dienstleistungen: Steuerermäßigung auch für Mieter
Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen können - bis zu bestimmten Höchstbeträgen - mit 20 Prozent der Kosten unmittelbar von der Steuerschuld abgezogen werden. Geregelt ist dies in § 35a des Einkommensteuergesetzes. Voraussetzung für den Abzug ist unter anderem, dass die Rechnungsbeträge unbar beglichen, also auf das Konto des jeweiligen Dienstleisters oder Handwerkers überwiesen werden. Nicht nur Haus- und Wohnungseigentümer können von der Steuerermäßigung profitieren, sondern auch Mieter. Dies hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 20.4.2023 (VI R 24/20) bestätigt und dabei auch zu der Frage Stellung genommen, welche Nachweise Mieter für das Finanzamt benötigen, wenn nicht sie selbst, sondern der Vermieter oder Verwalter die Aufträge an die Dienstleister vergeben hat.

Der Sachverhalt: Die Kläger wohnten in einer angemieteten Eigentumswohnung. Der Vermieter stellte ihnen mit der Nebenkostenabrechnung Aufwendungen für Treppenhausreinigung, Schneeräumdienst, Gartenpflege und für die Überprüfung von Rauchwarnmeldern in Rechnung. Hierfür begehrten sie die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen nach § 35a EStG. Aus den zunächst vorgelegten Abrechnungen ergaben sich aber nicht unbedingt alle geforderten Angaben, zum Beispiel zu der Frage, ob und inwieweit die Beträge tatsächlich per Banküberweisung beglichen worden sind. Und eine explizite Aufteilung in Arbeitslohn und Materialkosten war zumindest unvollständig. Finanzamt und Finanzgericht lehnten mithin einen Abzug der Kosten ab. Doch der BFH entschied anders und gab den Steuerpflichtigen Recht.

Zunächst weist der BFH darauf hin, dass es der Steuerermäßigung nicht entgegenstehe, wenn Mieter die Verträge mit den jeweiligen Leistungserbringern, zum Beispiel dem Reinigungsunternehmen und dem Handwerksbetrieb, nicht selbst abschließen. Für die Gewährung der Steuerermäßigung sei ausreichend, dass die haushaltsnahen Dienstleistungen und Handwerkerleistungen dem Mieter zu Gute gekommen sind. Soweit das Gesetz verlange, dass der Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten habe und die Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung erfolgt sei, genüge als Nachweis auch eine Wohnnebenkostenabrechnung oder eine Bescheinigung, die einem von der Finanzverwaltung anerkannten Muster entspricht. Aus beiden müssen sich allerdings Art, Inhalt und Zeitpunkt der Leistung sowie Leistungserbringer und Leistungsempfänger nebst geschuldetem Entgelt einschließlich des Hinweises der unbaren Zahlung ergeben. Nur bei sich aufdrängenden Zweifeln an der Richtigkeit dieser Unterlagen bleibe es dem Finanzamt unbenommen, die Vorlage der Rechnungen im Original oder in Kopie vom Steuerpflichtigen zu verlangen. In diesem Fall müsse sich der Mieter die Rechnungen vom Vermieter beschaffen.

Praxistipp:
Der BFH weist in einer Pressemitteilung vom 13.7.2023 darauf hin, dass die Rechtsprechung für Aufwendungen der Wohnungseigentümer entsprechend gilt, wenn die Beauftragung für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen durch die Wohnungseigentümergemeinschaft - regelmäßig vertreten durch deren Verwalter - erfolgt ist. Die Finanzverwaltung hat das Muster zum Nachweis von Aufwendungen nach § 35a EStG für Mieter und Wohnungseigentümer in der Anlage 2 des BMF-Schreibens vom 9.11.2016 (BStBl 2016 I S. 1213) veröffentlicht. Das Muster ist beispielsweise unter folgendem Link abrufbar:
www.steuerrat24.de/images/bestand-pdf/Haushalt-Anlage-2-BMF-Schreiben-2016-11-09.pdf
gepostet: 26.09.2023
Umzugskosten: Abzugskriterium "Erleichterung der Arbeitsbedingungen"
Umzugskosten sind steuerlich abzugsfähig, wenn der Umzug beruflich veranlasst ist. Das ist zumeist (nur) dann der Fall, wenn ein Arbeitnehmer erheblich näher an seine Arbeitsstätte zieht und sich dadurch die Fahrzeit enorm verkürzt. Allerdings können die Kosten auch abziehbar sein, wenn der Umzug zu einer wesentlichen Erleichterung oder Verbesserung der Arbeitsbedingungen führt. Zum letzten Kriterium hat das Finanzgericht Hamburg entschieden, dass eine wesentliche Erleichterung für das Jahr 2020 anzunehmen sein könne, wenn ein Umzug erfolgt ist, um für jeden Ehegatten in der neuen Wohnung ein Arbeitszimmer einzurichten, damit beide Ehegatten im Homeoffice wieder ungestört ihrer jeweiligen Tätigkeit nachgehen können (FG Hamburg, Urteil vom 23.02.2023, 5 K 190/22).

Die Kläger übten ihre nichtselbstständige Tätigkeit vor der Corona-Pandemie jeweils im Betrieb ihrer Arbeitgeber aus. Seit Beginn der Corona-Pandemie verlagerten sie ihre Tätigkeit ins Homeoffice. Dies ging aber mit erheblichen Beeinträchtigungen einher. Zur Beseitigung der Situation suchten sie eine neue Wohnung mit genau zwei zusätzlichen Arbeitszimmern. Die Einrichtung von zwei Arbeitszimmern war angesichts der verschiedenen Arbeitsweisen der Eheleute erforderlich für die (ungestörte) Ausübung der jeweiligen Tätigkeit. Das Finanzgericht hat die Umzugskosten als Werbungskosten anerkannt. Nach Auffassung der Richter hat der Umzug zu einer wesentlichen Verbesserung und Erleichterung der Arbeitsbedingungen geführt. Der Umzug habe erst eine ungestörte Ausübung der nichtselbstständigen Tätigkeit beider Eheleute ermöglicht.

Praxistipp:
Gegen das Urteil ist Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt worden, so dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Das Az. lautet VI R 3/23.
gepostet: 24.09.2023
Rentenversicherung: Auf das Krankengeld entfallende Beiträge nicht abziehbar
Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung sind bis zu einem bestimmten Höchstbetrag als Sonderausgaben abziehbar. Sie dürfen allerdings grundsätzlich nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen. Daher werden Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, soweit sie auf das Krankengeld entfallen, steuerlich nicht berücksichtigt. Diese Auffassung der Finanzverwaltung wurde kürzlich vom Finanzgericht Köln bestätigt (FG Köln, Urteil vom 25.5.2023, 11 K 1306/20).

Die Klägerin bezog im Streitjahr 2018 zunächst Arbeitslohn und später Krankengeld. Auch vom Krankengeld wurden Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung einbehalten und abgeführt. Das Krankengeld war zwar steuerfrei, doch im Rahmen des so genannten Progressionsvorbehalts führte es zu einer Erhöhung des Steuersatzes und damit zu einer Erhöhung der Einkommensteuer. Dennoch konnten die Rentenversicherungsbeiträge, die auf das Krankengeld entfielen, nicht als Sonderausgaben abgezogen werden. Die Klägerin war hingegen der Ansicht, dass die Beiträge zur Rentenversicherung abziehbar sein müssten. Letztlich stünden sie im Zusammenhang mit den späteren - steuerpflichtigen - Renteneinnahmen und nicht nur mit dem steuerfreien Krankengeld. Zumindest müssten sie im Rahmen des Progressionsvorbehalts mindernd berücksichtigt werden. Doch die Klage blieb ohne Erfolg. Die Begründung: Die von der Klägerin getragenen Pflichtbeiträge stünden ausschließlich in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem steuerfreien Krankengeld. Die Beitragszahlung löse dagegen nicht unmittelbar einen steuerpflichtigen Rentenbezug aus. Hierfür müssten weitere Voraussetzungen (z.B. Erreichen der Altersgrenze, Vorliegen der Schwerbehinderung, hinreichende Beitragsjahre) hinzutreten. Eine Berücksichtigung der Rentenbeiträge im Rahmen des Progressionsvorbehalts komme ebenfalls nicht in Betracht, da ein solcher Abzug gesetzlich nicht vorgesehen sei.

Praxistipp:
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Zwar wurde die Revision nicht ausdrücklich zugelassen, doch da das Verfahren vom Bund der Steuerzahler unterstützt wurde, ist es durchaus denkbar, dass sich auch der Bundesfinanzhof mit dem Thema befassen muss.
gepostet: 22.09.2023
GmbH: Stark reduziertes Geschäftsführergehalt neben voller Pension möglich
Manch Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH möchte auch bei Eintritt des Pensionsalters noch weiter als Geschäftsführer "seiner" Kapitalgesellschaft tätig sein. In steuerlicher Hinsicht ist dann aber zu beachten, dass sich die gleichzeitige Zahlung von Aktivbezügen und die Zahlung der Pension aus einer Pensionszusage der GmbH grundsätzlich ausschließen. Das heißt: In der Auszahlungsphase der Pension führt die parallele Zahlung von Geschäftsführergehalt und Pension - sowohl bei einem beherrschenden als auch bei einem nicht beherrschenden - Gesellschafter-Geschäftsführer zu einer verdeckten Gewinnausschüttung, soweit das Aktivgehalt nicht auf die Pensionsleistung angerechnet wird (BMF-Schreiben vom 18.9.2017, BStBl 2017 I S. 1293; BFH-Urteil vom 23.10.2013, I R 60/12).

Immerhin lässt nun ein Urteil des Bundesfinanzhofs ausnahmsweise etwas Spielraum. Danach darf im Einzelfall die volle Pension neben einem geringen Geschäftsführergehalt gezahlt werden (BFH-Urteil vom 15.3.2023, I R 41/19). Der Sachverhalt: Der GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer ging mit Erreichen des 68. Lebensjahres in den Ruhestand und bezog eine Pension aus einer Zusage seiner GmbH. Doch bereits wenige Monate später wurde er erneut zum Geschäftsführer bestellt. Die abermalige Bestellung war aus wirtschaftlichen Gründen der Gesellschaft notwendig geworden. Die GmbH schloss mit ihm einen neuen Anstellungsvertrag. Als Vergütung erhielt der Geschäftsführer einen geringen Betrag; die Pension wurde aber nicht gekürzt. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, die geleisteten Pensionszahlungen seien als verdeckte Gewinnausschüttung zu behandeln. Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Der BFH hat das Urteil aus verfahrensrechtlichen Gründen zwar aufgehoben, der GmbH in der Sache aber Recht gegeben. Grundsätzlich würde eine GmbH ihrem Geschäftsführer zwar nicht zeitgleich eine Pension und ein laufendes Gehalt zahlen. Sie würde aber auch nicht erwarten, dass ein "pensionierter“ Geschäftsführer umsonst weiterarbeitet. Vielmehr würde sie grundsätzlich bereit sein, neben der Versorgung aufgrund der fortgeführten oder wieder aufgenommenen Tätigkeit als Geschäftsführer ein Gehalt bis zur Höhe der Differenz zwischen der Versorgung und den letzten Aktivbezügen zu zahlen. Im Streitfall betrug die Summe von Versorgung und neuem Gehalt lediglich 26 Prozent der letzten Aktivbezüge des Geschäftsführers. Damit war die Differenz zwischen Versorgung und letzten Aktivbezügen bei Weitem nicht ausgeschöpft.

Praxistipp:
Das Urteil ist erfreulich und bietet nun etwas mehr Gestaltungsspielraum bei der Weiterbeschäftigung von Gesellschafter-Geschäftsführern im Pensionsalter. Sofern rechtlich und wirtschaftlich sinnvoll, sollte aber auch darüber nachgedacht werden, ob statt der Weiter- oder einer erneuten Beschäftigung eine reine Beratungstätigkeit für die Gesellschaft in Betracht kommt. Zumindest ließen sich dadurch die steuerlichen Probleme hinsichtlich der Pensionszahlung vermeiden (vgl. dazu BFH-Urteil vom 23.10.2013, I R 60/12, BStBl 2015 II S. 413).
gepostet: 20.09.2023
Prozesskosten: Kosten für Abwehr einer Grundbuchberichtigung nicht abziehbar
Aufwendungen, die im Zusammenhang mit einem vermieteten Grundstück stehen, sind prinzipiell als Werbungskosten absetzbar. Ein Werbungskostenabzug ist allerdings ausgeschlossen, wenn die Aufwendungen nicht durch das Erzielen von Einkünften, sondern durch die private Vermögenssphäre veranlasst sind. Das Finanzgericht Münster hat entschieden, dass die Kosten zur Abwehr eines Grundbuchberichtigungsanspruchs nicht als Werbungskosten bei den Vermietungseinkünften absetzbar sind. In diesem Fall stehe der Rechtsstreit nicht in Zusammenhang mit der Einkünfteerzielung, sondern mit der Eigentümerstellung und damit mit der privaten, nicht steuerbaren Vermögenssphäre (FG Münster, Urteil vom 26.3.2021, 4 K 424/19 E).

Der Sachverhalt: Aufgrund eines Vermächtnisses wurde die Tochter als Eigentümerin eines Grundstücks mit zwei Häusern eingetragen, obwohl der Mutter ein Objekt gehörte. Nachdem der Tochter und ihrer Mutter dieser Fehler bewusst geworden war, erhob die Mutter gegen ihre Tochter Klage mit dem Ziel, im Grundbuch als Eigentümerin des Grundstücksteils, auf dem sich "ihr" Objekt befindet, eingetragen zu werden. Es folgte ein langwieriger und teurer Rechtsstreit. Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung machte die Tochter die Prozesskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend, die sie wegen der Rechtsstreitigkeiten aufgewendet hatte. Doch Finanzamt und Finanzgericht lehnten dies ab. Die Prozesskosten seien nicht als Werbungskosten abziehbar, da es keinen Veranlassungszusammenhang zwischen dem Prozess und der Einkünfteerzielung gäbe. Im Streitfall stünde nicht die Absicht der Einkünfteerzielung, sondern die nichtsteuerbare Vermögenssphäre im Vordergrund. Gegenstand des Streits sei nämlich nicht gewesen, wem die Einnahmen aus dem betroffenen Objekt zustehen, sondern vielmehr, wem das Grundstück gehört.
gepostet: 18.09.2023
Außergewöhnliche Belastungen: Aufwendungen für Liposuktion sind abziehbar
Aufwendungen für eine operative Fettabsaugung (Liposuktion) zur Behandlung eines Lipödems sind als außergewöhnliche Belastungen steuerlich abziehbar. Spätestens seit dem Jahr 2016 kann der Kostenabzug selbst dann erfolgen, wenn vor der Operation kein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung eingeholt wurden (BFH-Urteil vom 23.3.2023, VI R 39/20). Die Klägerin litt seit Jahren an einem Lipödem (krankhafte Fettverteilungsstörung). Da konservative Behandlungen keine Besserung bewirkten, unterzog sie sich im Jahr 2017 auf Anraten des behandelnden Arztes einer Liposuktion. Die Krankenkasse übernahm die Kosten der Operation nicht, da der Gemeinsame Bundesausschuss der Krankenkassen (GBA) - trotz jahrelanger Prüfung - immer noch keine entsprechende Kostenübernahmeempfehlung ausgesprochen hatte. Die Klägerin machte den Aufwand als außergewöhnliche Belastung geltend. Das Finanzamt lehnte dies ab, da es sich um eine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode handele und ein vor Behandlungsbeginn ausgestelltes Gutachten bzw. eine ärztliche Bescheinigung des Medizinischen Dienstes nicht vorlagen. Das Finanzgericht und auch der Bundesfinanzhof lassen einen Abzug hingegen zu.

Inzwischen (jedenfalls ab 2016) bestehe über die Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit der Liposuktion bei einem Lipödem unter den Medizinern kein nennenswerter Streit mehr. Zudem benenne das Gesetz beispielhaft die Frisch- und Trockenzellenbehandlung sowie die Sauerstoff-, Chelat- und Eigenbluttherapie als wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden. Damit sei die Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems nicht vergleichbar. Die fehlende Einbeziehung der Liposuktion in das Leistungsverzeichnis der Krankenkassen durch den GBA sei unerheblich. Da die bei der Klägerin durchgeführte Liposuktion nicht kosmetischen Zwecken gedient habe, sondern medizinisch indiziert gewesen sei, habe es für die Anerkennung der Kosten als außergewöhnliche Belastungen, ebenso wie bei anderen Krankheitsaufwendungen, nicht der Vorlage eines vor der Behandlung ausgestellten amtsärztlichen Gutachtens oder einer ärztlichen Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung bedurft (Quelle: Mitteilung des BFH vom 29.6.2023).
gepostet: 16.09.2023
Trinkgelder: Steuerfreiheit auch bei Gemeinschaftskasse
Freiwillige Trinkgelder, die ein Arbeitnehmer für eine Arbeitsleistung erhält, sind grundsätzlich steuerfrei (§ 3 Nr. 51 EStG). Allerdings gelten Trinkgelder in Spielbanken, die in den so genannten Tronc wandern und später ausgezahlt werden, als steuerpflichtiger Arbeitslohn (BFH-Urteil vom 18.12.2008, BStBl 2009 II S. 820). Daher stellte sich die Frage, ob die Einzahlung von Trinkgeldern in eine Gemeinschaftskasse auch in anderen Branchen der Steuerfreiheit entgegensteht. Erfreulicherweise sorgt die Bundesregierung hier für Klarheit. In der Bundestags-Drucksache 20/7148 vom 9.6.2023, Seite 38, heißt es sinngemäß: Der Bundesfinanzhof hat zwar entschieden, dass aus dem Spielbanktronc finanzierte Zahlungen an die Arbeitnehmer der Spielbank keine steuerfreien Trinkgelder sind. Das liegt aber an den besonderen rechtlichen Regelungen für Spielbanken. Der Fall ist daher von solchen Sachverhalten zu unterscheiden, in denen eine "Poolung von Einnahmen“ vorliegt und Trinkgeld in eine gemeinsame Kasse eingezahlt und anschließend aufgeteilt wird, zum Beispiel beim Friseurgewerbe oder Gaststättenbereich bei zentraler Kasse. Denn in diesen Fällen mag das Trinkgeld den Arbeitnehmern in ihrer Gesamtheit gegeben werden, so dass sie entweder originär Miteigentum am Inhalt der Trinkgeldkasse erwerben, jedenfalls aber gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Überlassung des Inhalts der Trinkgeldkasse haben. Fazit: Trinkgelder bleiben grundsätzlich auch dann steuerfrei, wenn sie in eine Zentral- oder Gemeinschaftskasse eingelegt und später verteilt werden. Dabei ist es unerheblich, ob der Verteilungsmaßstab von den Arbeitnehmern selbst oder vom Arbeitgeber festgelegt wird. Wichtig: Die Steuerfreiheit gilt nur für Trinkgelder an Arbeitnehmer und nicht an Selbstständige. Soweit der Betriebsinhaber von den Trinkgeldern profitiert, stellen sie steuerpflichtige Betriebseinnahmen dar.
gepostet: 14.09.2023
GmbH: Privatnutzungsverbot für Dienstwagen des Geschäftsführers belanglos?
Wird ein Dienstwagen privat genutzt oder besteht zumindest die Möglichkeit einer Privatnutzung, ist der Privatanteil zu versteuern. Wenn kein Fahrtenbuch geführt wird, greift insoweit die so genannte Ein-Prozent-Regelung. Besteht allerdings ein arbeits- oder dienstrechtliches Privatnutzungsverbot, so ist von der Besteuerung abzusehen (BMF-Schreiben vom 4.4.2018, BStBl 2018 I S. 592, Tz. 2.8). Im Prinzip kann ein solches Privatnutzungsverbot auch mit dem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH vereinbart werden, so dass eine Besteuerung der Kfz-Nutzung unterbleiben müsste. Allerdings verlangen die Finanzämter in diesem Fall zusätzlich den Nachweis, dass das Verbot auch tatsächlich beachtet wurde. Und dieser Nachweis ist sehr schwierig zu führen. Das Finanzgericht Köln hat - rechtskräftig - entschieden, dass der Beweis des ersten Anscheins dafür spricht, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer einen ihm überlassenen Pkw selbst dann zu Privatzwecken nutzt, wenn ein Privatnutzungsverbot ausgesprochen wurde. Zwar mag dieser Vorgang eventuell nicht lohnsteuerpflichtig sein, doch er führt zu einer verdeckten Gewinnausschüttung auf Ebene der GmbH (FG Köln, Urteil vom 8.12.2022, 13 K 1001/19). Im Urteilsfall wurde dem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH ein neuer Porsche Cayenne als Dienstwagen überlassen. Eine private Nutzung des Kfz war ihm nicht gestattet. Im Privatvermögen des Gesellschafter-Geschäftsführers befanden sich ein älterer Porsche Boxster sowie ein Opel Agila. Finanzamt und Finanzgericht kamen zu dem Schluss, dass dennoch eine verdeckte Gewinnausschüttung anzunehmen sei.

Die Richter berufen sich auf die Rechtsprechung des I. Senats des Bundesfinanzhofs: Der Beweis des ersten Anscheins spreche dafür, dass ein Dienstwagen von dem Gesellschafter-Geschäftsführer tatsächlich auch für private Fahrten genutzt wird. Dies gelte auch bei einem Privatnutzungsverbot, und zwar insbesondere dann, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer kein Fahrtenbuch führt, keine organisatorischen Maßnahmen getroffen werden, die eine Privatnutzung des Fahrzeugs ausschließen und eine unbeschränkte Zugriffsmöglichkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers auf den Pkw besteht (BFH-Urteil vom 23.1.2008, I R 8/06, BFH-Urteil vom 17.7.2008, I R 83/07). Das FG Köln verwies zudem darauf, dass der Porsche Cayenne und die Fahrzeuge des Privatvermögens nicht "gleichwertig" seien, so dass auch dies für eine Privatnutzung des Porsche Cayenne spreche. Der VI. Senat des Bundesfinanzhofs, der für Fragen der Lohnsteuer zuständig ist, will zwar von der Versteuerung eines Privatanteils absehen, wenn ein arbeitsvertragliches Privatnutzungsverbot besteht. Selbst wenn dieses nicht überwacht wird, sei es nicht in Frage zu stellen (BFH-Urteil vom 8.8.2013, VI R 71/12). Doch diese Rechtsprechung lasse sich nicht auf die Körperschaftsteuer übertragen; sie bleibe auf den Bereich der Lohnsteuer beschränkt - so das FG Köln.

Praxistipp:
Wer ein Verbot der Privatnutzung eines Firmenwagens durch den Gesellschafter-Geschäftsführer vereinbart hat, wird sich auf Diskussionen mit dem Finanzamt einstellen müssen. Damit das Privatnutzungsverbot eine Chance auf Anerkennung hat, muss es ernsthaft durchgeführt und "belegt" werden. Dazu ist zunächst erforderlich, dass dem Gesellschafter-Geschäftsführer mindestens ein weiteres, gleichwertiges Fahrzeug gehört. Der Dienstwagen muss im Übrigen nachts, am Wochenende und während des Urlaubs - nachweislich - auf dem Firmengelände geparkt sein und der Schlüssel in einem abschließbaren Schlüsselkasten aufbewahrt werden. Nach Möglichkeit sollte ein Fahrtenbuch geführt werden.
gepostet: 12.09.2023
Riester- und Basisrentenverträge: Broschüre zum Produktinformationsblatt
Seit dem 1. Januar 2017 erhält jeder Verbraucher vor Abschluss eines steuerlich geförderten Vertrages zur privaten Altersvorsorge ein individuelles Produktinformationsblatt. Das heißt: Der Anbieter muss seinen potenziellen Kunden vor Abschluss eines Riester- bzw. Basisrentenvertrages Informationen über die Kosten, wesentliche Bestandteile des Vertrages, die Einordnung des Produkts in eine Chancen- und Risikoklasse, Angaben zum Preis-Leistungs-Verhältnis, einen Anbieterwechsel und zur Kündigung des Vertrages sowie die Angabe der Zertifizierungsnummer des jeweiligen Produkts zur Verfügung stellen. Welche Informationen in welcher Form auf das Produktinformationsblatt gehören, ist im Wesentlichen gesetzlich vorgegeben.

Unabhängig davon können sich Verbraucher bereits auch ohne die Angabe persönlicher Daten über die jeweiligen Produkte informieren. Dazu müssen die Anbieter zertifizierter Riester- und Basisrentenprodukte so genannte Muster-Produktinformationsblätter im Internet veröffentlichen und zwar auf allen Webseiten, auf denen das jeweilige Produkt beworben wird. Eine Auflistung aller veröffentlichten Muster-Produktinformationsblätter ist auf der Internetseite des Bundeszentralamts für Steuern zu finden. Zum verbindlichen Produktinformationsblatt für zertifizierte Riester- und Basisrentenverträge hat das Bundesfinanzministerium eine Informationsbroschüre veröffentlicht. Darin wird erläutert, welche wesentlichen Daten zum Vertrag auf dem Produktinformationsblatt zu finden sind. Sie können die Broschüre unter folgendem Link abrufen:
www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/Steuerliche_Themengebiete/Altersvorsorge/produktinformationsblatt-fuer-zertifizierte-riester-und-basisrentenvertraege.html
gepostet: 10.09.2023
Erbschaftsteuer: Erwerb der Nachbarwohnung kann trotz Umbaus steuerfrei sein
Die Vererbung des selbstgenutzten Familienheims an das eigene Kind ist von der Erbschaftsteuer befreit. Das gilt auch für eine Doppelhaushälfte oder eine Nachbarwohnung, die mit der bereits genutzten eigenen Wohnung des Kindes verbunden wird. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist allerdings, dass der Erblasser das Familienheim vor dem Erbfall selbst bewohnt hat und der Erbe die Immobilie nach der Erbschaft zehn Jahre lang selbst zu Wohnzwecken nutzt. Die Vergünstigung greift, soweit die Wohnfläche der geerbten Wohnung 200 qm nicht übersteigt. Im Übrigen ist eine weitere wichtige Voraussetzung zu beachten: Die hinzuerworbene Wohnung muss unverzüglich zur Selbstnutzung bestimmt sein. Dies hatte der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 6.5.2021 (II R 46/19) entschieden, die Sache zur abschließenden Entscheidung aber an die Vorinstanz, das Finanzgericht Münster, zurückverwiesen. Das Finanzgericht ist nun zu dem Ergebnis gelangt, dass die Steuerbefreiung im Streitfall trotz einer fast drei Jahre andauernden Umbauphase zu gewähren war (FG Münster, Urteil vom 30.6.2022, 3 K 3184/17 E).

Dem Urteil lag der folgende Sachverhalt zugrunde: Der Kläger bewohnt mit seiner Familie seit langem eine Doppelhaushälfte. Die andere Hälfte nutzte - ebenfalls seit vielen Jahren - sein Vater. Nach dem Tod des Vaters verband der Kläger, der Alleinerbe war, die Doppelhaushälften baulich und katastermäßig zu einer Einheit. Nach Abschluss der umfangreichen, teilweise in Eigenleistung erbrachten Sanierungs- und Renovierungsarbeiten nutzt er die so verbundenen Doppelhaushälften als eine Wohnung. Der Kläger begehrte für den Erwerb der Doppelhaushälfte des Erblassers die Steuerbefreiung für ein Familienheim. Diese ist ihm nun gewährt worden.

Im Einzelnen gilt: Eine "unverzügliche" Bestimmung zur Selbstnutzung bedeutet im Grundsatz, dass der Erbe spätestens sechs Monate nach dem Erbfall in die Wohnung einziehen muss. Doch diese Regel gilt nicht uneingeschränkt. Auch ein späterer Einzug kann in besonders gelagerten Ausnahmefällen zum steuerfreien Erwerb des Familienheims führen, etwa im Fall einer dringend notwendigen Renovierung. Der Erbe muss dann aber glaubhaft darlegen, dass er die Verzögerung nicht zu vertreten hat. Es obliegt ihm, die Renovierungsarbeiten und die Beseitigung etwaiger Mängel zeitlich so zu fördern, dass es nicht zu Verzögerungen kommt, die nach der Verkehrsanschauung als unangemessen anzusehen sind. Ein unverhältnismäßiger Aufwand zur zeitlichen Beschleunigung ist jedoch nicht erforderlich. Vielmehr reicht es aus, wenn der Erwerber alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergreift.

Praxistipp:
Eine zeitliche Verzögerung des Einzugs aufgrund von Renovierungsarbeiten ist dem Erwerber nicht anzulasten, wenn er die Arbeiten unverzüglich in Auftrag gibt, die beauftragten Handwerker sie aber aus Gründen, die der Erwerber nicht zu vertreten hat, zum Beispiel wegen einer hohen Auftragslage, nicht rechtzeitig ausführen können. Ein weiteres Indiz für die unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung ist die zeitnahe Räumung bzw. Entrümpelung der erworbenen Wohnung. Verzögert sich der Einzug hingegen deshalb, weil zunächst ein gravierender Mangel beseitigt werden muss, ist eine spätere Entrümpelung der Wohnung unschädlich, wenn sie nicht ihrerseits zu einem verzögerten Einzug führt. Auf jeden Fall sollten Erben Beweisvorsorge betreiben und eventuelle Verzögerungen bei der Bauausführung sorgfältig dokumentieren.
gepostet: 08.09.2023
Photovoltaikanlagen: BMF äußert sich zu vielen Zweifelsfragen
Für bestimmte Photovoltaikanlagen wurde mit dem Jahressteuergesetz 2022 eine ertragsteuerliche Steuerbefreiung eingeführt. Geregelt ist dies in § 3 Nr. 72 des Einkommensteuergesetzes. Es gilt: Seit dem 1.1.2022 sind Photovoltaikanlagen auf Einfamilienhäusern (einschließlich Dächern von Garagen und Carports und anderen Nebengebäuden) bis zu 30 kWp steuerfrei gestellt. Bei Anlagen auf Mehrfamilienhäusern und gemischt genutzten Häusern liegt die Grenze bei 15 kWp pro Wohn- oder Gewerbeeinheit. Auch Photovoltaikanlagen auf überwiegend zu betrieblichen Zwecken genutzten Gebäuden bis zu 15 kWp je Wohn-/Geschäftseinheit sind begünstigt. Vor dem 1.1.2022 galt lediglich das so genannte Liebhaberei-Wahlrecht für bestimmte Anlagen bis 10 kWp. Im Zusammenhang mit der gesetzlichen Neuregelung haben sich eine ganze Reihe von Zweifelsfragen ergeben. Zu einigen dieser Fragen hat das Bundesfinanzministerium mit Schreiben vom 17.7.2023 (IV C 6 - S 2121/23/10001 :001) Stellung genommen, allerdings auch wichtige Fragen unbeantwortet gelassen:

Betriebsausgaben: Ausgaben für Photovoltaikanlagen, die mit den steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, dürfen nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden. Ein Betriebsausgabenabzug in Veranlagungszeiträumen vor 2022 ist weiter möglich - vorausgesetzt, es wurde nicht bereits von dem Liebhaberei-Wahlrecht für Anlagen bis 10 kWp Gebrauch gemacht. Es bleibt allerdings die Frage, wann tatsächlich ein "unmittelbarer" wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Ausgaben und den steuerfreien Einnahmen besteht. Beispiel: Bei Abgabe der Umsatzsteuer-Jahreserklärung im Jahre 2022 für das Jahr 2021 kommt es zu einer Umsatzsteuer-Nachzahlung, die im Laufe des Jahres 2022 entrichtet wird. Ob diese Zahlung abzugsfähig ist, da sie wirtschaftlich das Jahr 2021 betrifft, lässt das BMF offen.

Investitionsabzugsbetrag: Für die geplante Anschaffung einer Photovoltaikanlage, zum Beispiel im Jahr 2022 oder 2023, konnte bereits in 2021 (oder zuvor) ein Investitionsabzugsbetrag nach § 7g EStG gebildet werden, und zwar in Höhe von bis zu 50 Prozent der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Das BMF verfügt, dass Investitionsabzugsbeträge, die in vor dem 1.1.2022 endenden Wirtschaftsjahren in Anspruch genommen und bis einschließlich zum 31.12.2021 noch nicht gewinnwirksam hinzugerechnet wurden, nach § 7g Abs. 3 EStG rückgängig zu machen sind, wenn in nach § 3 Nr. 72 EStG begünstigte Photovoltaikanlagen investiert wurde. Eine Ausnahme gilt nur in den Fällen, in denen die Photovoltaikanlage zum Betriebsvermögen eines Betriebes gehört, dessen Zweck nicht nur die Erzeugung von Strom aus Photovoltaikanlagen ist. Ob die Haltung des BMF Bestand hat, werden allerdings wohl erst die Gerichte entscheiden. Sie ist jedenfalls umstritten.

Handwerkerleistungen: Wenn Kosten im Zusammenhang mit einer Photovoltaikanlage nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen, stellt sich die Frage, ob ein (teilweiser) Abzug wenigstens nach § 35a EStG in Betracht kommt, denn danach können Aufwendungen für Handwerkerleistungen im Zusammenhang mit der selbst genutzten Wohnung mit 20 Prozent, höchstens 1.200 Euro im Jahr, direkt von der Steuerschuld abgezogen werden (§ 35a Abs. 3 EStG). Hier hat das BMF eine erfreuliche Sichtweise: Ein Abzug als Handwerkerleistung nach § 35a EStG ist möglich, soweit es um Anlagen im Zusammenhang mit dem Eigenheim geht. Wichtig ist, dass ordnungsgemäße Rechnungen vorliegen und die Beträge unbar beglichen, also auf das Konto des jeweiligen Dienstleisters oder Handwerkers überwiesen werden. Begünstigt sind die Lohnanteile in den Handwerkerrechnungen sowie Maschinen- und Fahrtkosten (jeweils inklusive Umsatzsteuer). Konkret begünstigt sind Arbeiten, die auf, an oder in zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäuden montiert sind. Eine Begünstigung nach § 35a Abs. 3 EStG ist nicht möglich, wenn die Maßnahme öffentlich gefördert wurde. Die Steuerermäßigung gilt zudem nicht bei einem Zusammenhang zu einem Neubau.
gepostet: 06.09.2023
Kindergeld für behinderte Kinder: Opferentschädigungsrente ist kein "Bezug"
Eltern erhalten das Kindergeld für ein behindertes Kind über das 18. und auch über das 25. Lebensjahr hinaus, wenn dieses wegen seiner Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Voraussetzung ist, dass die Behinderung bereits vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist. Ein behindertes Kind ist außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn seine Einkünfte, Bezüge und sonstigen Einnahmen nicht ausreichen, um seinen Grundbedarf und gegebenenfalls einen behinderungsbedingten Mehrbedarf zu decken. Nun hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass eine Grundrente, die das Opfer einer Gewalttat bezieht, nicht zu den Bezügen eines behinderten Kindes zu rechnen ist. Diese Rente steht daher der Gewährung von Kindergeld nicht entgegen (BFH-Urteil vom 20.4.2023, III R 7/21).

Der Kläger ist der Vater einer volljährigen Tochter, bei der eine Behinderung vorliegt. Die Tochter wurde Opfer einer Gewalttat und erhielt deshalb eine Beschädigtengrundrente nach dem Opferentschädigungsgesetz. Der Kläger bezog für die Tochter wegen der vorliegenden Behinderung auch nach deren Volljährigkeit Kindergeld. Unter Hinzurechnung der Beschädigtengrundrente und weiterer Sozialleistungen kam die Familienkasse zu dem Ergebnis, dass sich die Tochter ab Oktober 2019 selbst unterhalten könne. Die Kindergeldfestsetzung hob sie deshalb auf. Das Finanzgericht gab der dagegen gerichteten Klage statt. Der BFH hat die Revision der Familienkasse abgewiesen.

Begründung: Das Opferentschädigungsgesetz sieht für die Opfer von Gewalttaten verschiedene Versorgungsleistungen vor, die es dem Bundesversorgungsgesetz entnimmt. Danach kommen insbesondere Heilbehandlungen der Schädigung, einkommensunabhängige Rentenleistungen aufgrund der bleibenden Schädigungsfolgen sowie einkommensabhängige Leistungen mit Lohnersatzfunktion in Betracht. Im Streitfall erhielt das Kind eine Beschädigtengrundrente. Eine solche Grundrente dient in erster Linie dazu, den immateriellen Schaden abzudecken, den das Opfer durch die Gewalttat erlitten hat. Insoweit dient sie nicht dazu, den Lebensunterhalt des Opfers und seiner Familie sicherzustellen. Selbst wenn die Beschädigtengrundrente daneben auch materielle Schäden des Opfers abdecken sollte, wären die verschiedenen Leistungskomponenten zum einen nicht trennbar. Zum anderen dürften dann nicht nur entsprechende Rentenbezüge angesetzt werden, sondern die Familienkasse hätte berücksichtigen müssen, dass das Kind auch einen entsprechend höheren behinderungsbedingten Mehrbedarf hat, der die Rente wieder ausgleicht.
gepostet: 04.09.2023
Mitarbeiter-PC-Programm: Entgeltumwandlung beitragsrechtlich "wirkungslos"
Wird einem Arbeitnehmer ein PC, Notebook, Tablet oder Smartphone von seinem Arbeitgeber auch zur privaten Nutzung überlassen, so ist dieser geldwerte Vorteil steuerfrei (§ 3 Nr. 45 EStG). Das gilt selbst dann, wenn die Überlassung im Rahmen einer Gehaltsumwandlung erfolgt, der Mitarbeiter also auf Barlohn zugunsten dieses Sachbezugs verzichtet. Aufgrund der Steuerfreiheit haben sich in den letzten Jahren so genannte Mitarbeiter-PC-Programme etabliert. Dabei schließt der jeweilige Arbeitgeber zunächst einen Rahmenvertrag mit einem Leasingunternehmen. Es wird anschließend ein Portal freigeschaltet, in dem die Mitarbeiter die Geräte wie PCs, Notebooks, Tablets oder Smartphones auswählen können. Der Arbeitgeber schließt im nächsten Zuge Einzelleasingverträge mit dem Leasingunternehmen über die ausgewählten Geräte ab; die Laufzeit beträgt zumeist 24 Monate. Den Arbeitnehmern werden die Geräte dann (auch) zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt; dafür verzichten diese aber auf einen Teil ihres Gehalts, und zwar üblicherweise in Höhe der Leasingrate, die auch bereits die Versicherung enthält. Der Arbeitnehmer zahlt Lohnsteuer nur auf den um die Leasingrate verminderten Lohn, da der "Sachlohn" in Höhe der Leasingrate nach § 3 Nr. 45 EStG steuerfrei ist. Nun haben die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung zur beitragsrechtlichen Behandlung von Arbeitgeberleistungen im Rahmen eines Mitarbeiter-PC-Programms Stellung genommen. Danach wird das Modell sozialversicherungsrechtlich nicht anerkannt, wenn es lediglich im Rahmen einer Entgeltumwandlung durchgeführt wird. Das heißt, es werden die Sozialversicherungsbeiträge vom vollen und nicht vom verminderten Lohn berechnet (Besprechungsergebnis vom 4.5.2023). Es gilt:

Die Zuwendung in Form des geldwerten Vorteils des Arbeitnehmers aus der privaten Nutzung der betrieblichen Geräte stellt sich unter den Voraussetzungen des § 3 Nr. 45 EStG als steuerfreie Einnahme dar, und zwar unabhängig davon, ob die Zuwendung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt wird oder nicht. Für die Beitragsfreiheit wird hingegen verlangt, dass diese Arbeitgeberleistung zusätzlich zu Löhnen und Gehältern gewährt wird (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SvEV). Diese Voraussetzung ist bei einer Entgeltumwandlung jedoch nicht erfüllt. Bei Entgeltumwandlungen im Sinne eines vorherigen Entgeltverzichts und daraus resultierenden neuen Zuwendungen des Arbeitgebers ist regelmäßig davon auszugehen, dass es an der Zusätzlichkeit der neuen Zuwendungen fehlt.

Die Bewertung des geldwerten Vorteils (Höhe des anzusetzenden Sachbezugswertes) richtet sich bei derartigen sonstigen Sachbezügen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 SvEV. Danach ist als Wert für Sachbezüge, für die keine amtlichen Sachbezugswerte festgesetzt sind und die nicht nach § 8 Abs. 2 Satz 2 bis 5 EStG oder § 8 Abs. 3 EStG zu bewerten sind, der um übliche Preisnachlässe geminderte übliche Endpreis am Abgabeort im Zeitpunkt der Abgabe anzusetzen. Die Bewertung nach dem üblichen Abgabepreis ist bei den in Rede stehenden Geräten jedoch aufwendig und durch eine hohe Komplexität bei der Ermittlung des Nutzungsvorteils im Einzelfall geprägt. Hinzu kommt, dass die Geräte nicht übereignet, sondern im Wege des Leasings nur zeitlich befristet überlassen werden. Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung sind daher der Auffassung, dass als Wert für die Nutzungsüberlassung das Nutzungsentgelt anzusetzen ist, das in der Regel dem Betrag der Gehaltsumwandlung entspricht. Weichen im Einzelfall die Höhe der Leasingrate und die Höhe des Entgeltverzichts voneinander ab, ist als Wert für die Nutzungsüberlassung die Höhe der vom Arbeitgeber als Leasingnehmer vereinbarten Leasingrate in Ansatz zu bringen.
gepostet: 02.09.2023
August 2023
Betriebsaufgabe und -verkauf: Zum Nachweis der dauernden Berufsunfähigkeit
Wer seinen Betrieb veräußert oder aufgibt, muss einen eventuellen Veräußerungs- oder Aufgabegewinn versteuern. Wenn der Betriebsinhaber das 55. Lebensjahr vollendet oder im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig ist, kommt allerdings ein Freibetrag von bis zu 45.000 Euro in Betracht. Dieser wird abgeschmolzen, wenn bzw. soweit der Veräußerungsgewinn 136.000 Euro übersteigt (§ 16 Abs. 4 EStG). Für den Veräußerungs- oder Aufgabegewinn kommt zudem die Begünstigung des § 34 Abs. 3 EStG in Betracht, also ein ermäßigter Steuersatz. Doch auch hier ist die Vollendung des 55. Lebensjahres oder eine dauernde Berufsunfähigkeit Voraussetzung.

Zum Nachweis der dauernden Berufsunfähigkeit wird in den Einkommensteuer-Richtlinien verfügt: Es reicht die Vorlage eines Bescheides des Rentenversicherungsträgers aus, wonach die Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung vorliegt. Der Nachweis kann auch durch eine amtsärztliche Bescheinigung oder durch die Leistungspflicht einer privaten Versicherungsgesellschaft, wenn deren Versicherungsbedingungen an einen Grad der Berufsunfähigkeit von mindestens 50 Prozent oder an eine Minderung der Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als sechs Stunden täglich anknüpfen, erbracht werden (R 16 Abs. 14 EStR). Der Bundesfinanzhof hat allerdings entschieden, dass die dauernde Berufsunfähigkeit auch auf anderen Wegen nachgewiesen werden kann (BFH-Urteil vom 14.12.2022, X R 10/21).

Im Urteilsfall meldete die Klägerin, eine Friseurmeisterin, ihren Betrieb aus gesundheitlichen Gründen ab und ermittelte einen Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn. Hierfür beantragte sie den Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG. Die Deutsche Rentenversicherung hatte zwar die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt, doch bereits zuvor hatte ein Gutachter festgestellt, dass die Klägerin "bis auf Weiteres in ihrem bisherigen Beruf als Friseurmeisterin nur in einem zeitlichen Umfang von drei bis unter sechs Stunden tätig sein könne." Nach Ansicht des Finanzamts fehlte es dennoch am Nachweis der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit (§ 240 Abs. 2 SGB VI). Der Freibetrag sei daher nicht zu gewähren. Doch der BFH führt aus: Für die Feststellung der dauernden Berufsunfähigkeit i.S. des § 16 Abs. 4 EStG gelten die allgemeinen Beweisregeln. Daher darf das Gericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung auch nichtamtliche Unterlagen, zum Beispiel Gutachten und andere Äußerungen von Fachärzten und sonstigen Medizinern, heranziehen. Weder der Wortlaut des § 240 Abs. 2 SGB VI noch der des § 16 Abs. 4 EStG verlangen einen bestimmten formalen Nachweis für das Vorliegen der Berufsunfähigkeit. Die verminderte Erwerbsfähigkeit muss aber mehr als sechs Monate andauern. Im Urteilsfall muss die Vorinstanz nun Feststellungen zur dauernden Berufsunfähigkeit nachholen.

Praxistipp:
Das oben Gesagte gilt nur für die Frage, ob ein Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG und eventuell der ermäßigte Steuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG in Betracht kommen. Für die Frage des Abzugs von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen oder für die Gewährung eines Behinderten-Pauschbetrages gelten strengere Nachweispflichten (§§ 64, 65 EStDV).
gepostet: 31.08.2023
Mehrkosten für "Essen auf Rädern": Kein Abzug als außergewöhnliche Belastung
Mehraufwendungen für das "Essen auf Rädern" sind steuerlich nicht als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG abziehbar, und zwar auch dann nicht, wenn diese krankheitsbedingt entstanden sind. Dies hat das Finanzgericht Münster mit Urteil vom 27.4.2023 (1 K 759/21 E) entschieden. Es fehle an der Außergewöhnlichkeit und Zwangsläufigkeit von Aufwendungen, wenn sie nicht unmittelbar zur Heilung aufgewendet werden, sondern als Folgekosten gelegentlich einer Krankheit entstehen. Die grundsätzliche Berücksichtigung derartiger mittelbarer Kosten einer Erkrankung würde zu einer nicht vertretbaren steuerlichen Berücksichtigung von Kosten der Lebenshaltung führen, die mit dem Sinn und Zweck des § 33 EStG nicht vereinbar wäre. Bei der Beurteilung, ob Lebenshaltungskosten über § 33 EStG ausnahmsweise steuerlich berücksichtigt werden können, sei - nicht zuletzt wegen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung - ein strenger Maßstab anzulegen.

Auch Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden. Dies muss umso mehr für "normale“ Verpflegung wie die im Streitfall gelieferten Mittagessen gelten, welche im Übrigen preislich im eher üblichen Bereich liegen. Nichts anderes kann auch für den Abzug der - in den Rechnungsbeträgen enthaltenen, aber nicht separat ausgewiesenen - Lieferkosten gelten. Denn zum einen ist die Inanspruchnahme von Essens-Lieferdiensten mittlerweile in der gesamten Bevölkerung weit verbreitet. Schon vor diesem Hintergrund sind auch diese Kosten der allgemeinen Lebensführung zuzuordnen und nicht nach § 33 Abs. 1 EStG abzugsfähig. Zum anderen ist die Zubereitung von Mahlzeiten als Verrichtung des täglichen Lebens vom Behindertenpauschbetrag nach § 33b Abs. 1 Satz 1 EStG abgegolten.
gepostet: 29.08.2023
Umsatzsteuer: Ermäßigter Steuersatz für so genannte Werbelebensmittel
Bei Seminaren und anderen Veranstaltungen werden oft Pfefferminzbonbons oder Fruchtgummis gereicht, deren Verpackungen mit dem Logo des Veranstalters oder eines Ausstellers bedruckt sind. Für den Verkäufer solcher Werbelebensmittel stellt sich die Frage, ob seine Lieferungen dem regulären oder dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegen. Einem aktuellen Urteil des Bundesfinanzhofs zufolge kommt trotz des Werbecharakters der Verpackung der ermäßigte Umsatzsteuersatz in Betracht (BFH-Urteil vom 23.2.2023, V R 38/21).

Der Kläger betrieb einen Handel für Werbeartikel. Zu den Werbelebensmitteln, die er in seinem Sortiment führte, zählten zum Beispiel Fruchtgummis, Pfefferminz- und Brausebonbons, Popcorn, Kekse, Glückskekse, Schokolinsen, Teebeutel, Kaffee und Traubenzuckerwürfel, die jeweils in kleinen Abpackungen angeboten wurden. Die Kunden konnten die Waren nach ihren Wünschen individualisiert beziehen. Die Individualisierung erfolgte durch eine bestimmte Umverpackung sowie Aufdrucke, Gravuren oder Ähnlichem. Der Kläger bezog die Gegenstände nach den Kundenwünschen von seinen Lieferanten oder ließ sie von Dritten veredeln. Er versteuerte die Veräußerungen als Lieferungen von Lebensmitteln zum ermäßigten Steuersatz. Das Finanzamt hingegen ging davon aus, dass die Veräußerung der Werbelebensmittel eine sonstige Leistung in Form einer Werbeleistung sei, die dem Regelsteuersatz unterliege. Der Einspruch und die anschließende Klage blieben erfolglos, doch der BFH hat der Revision entsprochen.

Die Begründung reicht ins Zolltarifrecht hinein und ist recht technisch. Vereinfacht ausgedrückt: Die Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1, 2, 12, 13 und 14 des Umsatzsteuergesetzes enthält die Liste der dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden Gegenstände. Dazu gehören viele Lebensmittel. Soweit die Anlage 2 zum UStG bestimmte Lebensmittel aufführt, bleibt es beim ermäßigten Steuersatz; eine tatbestandsmäßige Erweiterung - wie sie das Finanzamt im Streitfall vornehmen wollte - ist nicht zulässig. Die Verpackungen werden generell wie die darin enthaltenen Waren eingereiht, wenn sie zur Verpackung dieser Waren üblich sind. Die zusätzliche Aufnahme eines Werbeaufdrucks ist für die Gewährung des ermäßigten Steuersatzes grundsätzlich unschädlich.

Praxistipp:
Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen, denn der BFH hat die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen. Diese muss nun prüfen, ob die Verpackungen der Werbelebensmittel tatsächlich "üblich" sind. Allerdings lässt sich der Urteilsbegründung eine starke Tendenz in Richtung "ermäßigter Steuersatz" entnehmen.
gepostet: 27.08.2023
Kindergeld für behinderte Kinder: Private Rente nach Vermögensumschichtung
Eltern erhalten das Kindergeld für ein behindertes Kind über das 18. und auch über das 25. Lebensjahr hinaus, wenn dieses wegen seiner Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Voraussetzung ist, dass die Behinderung bereits vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist. Ein behindertes Kind ist außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn seine Einkünfte, Bezüge und sonstigen Einnahmen nicht ausreichen, um seinen Grundbedarf und gegebenenfalls einen behinderungsbedingten Mehrbedarf zu decken. Bezieht das Kind eine Rente, die durch Einzahlung von Mitteln der Mutter in einen privaten Versicherungsvertrag begründet wurde, so sind die den Ertragsanteil übersteigenden Teile der Rentenzahlungen aber nicht als Bezug zu berücksichtigen. Eine reine Vermögensumschichtung ist für die Beurteilung des Kindergeldanspruchs unschädlich (BFH-Urteil vom 16.2.2023, III R 23/22).

Dem Urteil des Bundesfinanzhofs lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der volljährige Sohn des Klägers ist behindert; die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit scheidet aus. Im Juli 2020 teilte der Kläger der Familienkasse mit, dass sein Sohn eine Rente und zudem Einkünfte aus Kapitalvermögen beziehe. Die Rente wird lebenslänglich aufgrund eines Vertrages gezahlt, auf den der Sohn zum Vertragsbeginn (1.1.2017) einen Einmalbeitrag in Höhe von 400.000 Euro entrichtet hatte. Dazu verwendete er rund 380.000 Euro, die nach dem Tode seiner Mutter auf sein Konto überwiesen worden waren und mit denen er aufgrund einer testamentarischen Zweckbindung eine private Rentenversicherung zu begründen hatte. Die Familienkasse hob daraufhin die Kindergeldfestsetzung auf, weil der Sohn seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten könne. Bei ihrer Berechnung setzte die Familienkasse die Renten aus dem privaten Versicherungsvertrag in voller Höhe und nicht nur mit dem niedrigeren Ertragsanteil an. Renten- und Versorgungsbezüge seien stets in vollem Umfang einzubeziehen. Auch der über den steuerpflichtigen Ertragsanteil hinausgehende Rentenbezug sei für die Beurteilung des Kindergeldanspruchs zu berücksichtigen. Die hiergegen gerichtete Klage war aber erfolgreich; die Revision der Familienkasse wurde zurückgewiesen.

Begründung: Vermögensübertragungen von Eltern auf ihre Kinder sind bei der Ermittlung der Bezüge des Kindes stets außer Betracht zu lassen. Als Bezüge anzusetzen sind allein Zuflüsse "von außen", sofern sie zur Finanzierung des Unterhalts oder der Berufsausbildung geeignet oder bestimmt sind. Vom Kind bezogene Renten gehören zwar mit dem Besteuerungs- oder Ertragsanteil zu dessen Einkünften; der steuerfreie Teil ist zudem grundsätzlich als Bezug anzusetzen und bei Beurteilung des Kindergeldanspruchs zu berücksichtigen. Der den Ertragsanteil übersteigende Teil der Rentenzahlungen ist aber nicht als Bezug zu erfassen, wenn der Rentenanspruch durch eine Vermögensumschichtung begründet wurde. Soweit es sich bei Rentenzahlungen nicht um vom Versicherer erwirtschaftete Erträge handelt, sondern das Kind lediglich bereits vorher vorhandenes Vermögen zurückerhält, das heißt vom Kind oder vom Kindergeldberechtigten zuvor angesparte Mittel, handelt es sich nicht um Bezüge, aus denen das Kind seinen Unterhalt zu decken hat.
gepostet: 25.08.2023
Betreiber digitaler Plattformen: Fragen-Antworten-Katalog zur Meldepflicht
Seit dem 1. Januar 2023 ist das "Plattformen-Steuertransparenzgesetz" (PStTG) in Kraft. Nun müssen die Betreiber von Online-Handelsplattformen, auf denen Privatleute Waren und Dienstleistungen gegen Entgelt anbieten, die Anbieter identifizieren und an das Bundeszentralamt für Steuern melden. Die erste Meldung müssen die Plattformbetreiber am 31. Januar 2024 einreichen. Zu melden sind Transaktionen, die seit dem 1. Januar 2023 stattfinden. Plattformbetreiber müssen sich beim BZSt registrieren lassen. Das BZSt hat nun einen Fragen-Antworten-Katalog (FAQs) zu den Meldepflichten digitaler Plattformbetreiber veröffentlicht. Diesen finden Sie unter folgendem Link:
https://www.bzst.de/SharedDocs/Downloads/DE/Digitale_Plattformbetreiber/FAQ_PStTG.pdf?__blob=publicationFile&v=2. Zu beachten ist, dass die Antworten nur die Auffassung des BZSt wiedergeben; sie wurden nicht mit den obersten Finanzbehörden der Länder abgestimmt. Dennoch dürften sie für Betroffene in Zweifelsfällen hilfreich sein.
gepostet: 23.08.2023
PV-Anlage: Umsatzsteuerlicher Nullsteuersatz bei Teil-Inbetriebnahme in 2022?
Für die Lieferung einer Photovoltaikanlage gilt seit dem 1. Januar 2023 der umsatzsteuerliche Nullsteuersatz, wenn die Anlage auf oder in der Nähe eines Wohngebäudes installiert wird (§ 12 Abs. 3 UStG). Auch die Lieferung eines Batteriespeichers und der wesentlichen Komponenten, beispielsweise des Wechselrichters, unterliegt dem Nullsteuersatz. Was aber gilt, wenn eine Photovoltaikanlage bereits im Jahr 2022 zum Teil in Betrieb genommen wurde, der Batteriespeicher jedoch erst im Jahr 2023 installiert wurde? Diese Frage wurde an die Bundesregierung gerichtet. Die Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Katja Hessel lautet: Bei gleichzeitiger Anschaffung einer Photovoltaik-anlage und eines Stromspeichers liegt umsatzsteuerrechtlich eine Sachgesamtheit vor. Der Nullsteuersatz des § 12 Abs. 3 UStG ist auf diese einheitliche Leistung dann anzuwenden, wenn sie nach dem 31. Dezember 2022 ausgeführt worden ist. Werklieferungen werden dabei grundsätzlich im Zeitpunkt ihrer Vollendung ausgeführt. Sofern der Batteriespeicher nicht zusammen mit einer Photovoltaikanlage, sondern als einzelner Gegenstand erworben und im Jahr 2023 geliefert worden ist, unterliegt die Lieferung des Batteriespeichers dem Nullsteuersatz (BT-Drucks. 20/6608 S. 16 f.).

Das bedeutet "übersetzt": Wurde ein einheitlicher Auftrag für die Installation einer Photovoltaikanlage mitsamt Batteriespeicher erteilt, so kann diese "einheitliche Leistung" selbst dann insgesamt dem Nullsteuersatz unterliegen, wenn die Anlage ohne den Batteriespeicher bereits in 2022 in Betrieb genommen wurde und der Speicher erst in 2023 nachinstalliert wurde. Es kommt letztlich auf die vertraglichen Regelungen an, das heißt, es ist zu prüfen, ob der Unternehmer das "fertige Werk", also Photovoltaikanlage inklusive Batteriespeicher, geschuldet hat oder ob echte Teilleistungen vorliegen, also von vornherein klar war, dass die Anlage zunächst ohne den Speicher in Betrieb genommen werden sollte. Sollten zwei einzelne Aufträge bzw. Lieferungen vorliegen, kommt der Nullsteuersatz nur für die Anschaffungskosten des Batteriespeichers in Betracht, wenn dieser in 2023 geliefert wurde bzw. noch wird.
gepostet: 21.08.2023
GmbH: Verrechnungskonten müssen angemessen verzinst werden
Gesellschafter-Verrechnungskonten sind ein beliebtes Mittel, um Zahlungen zwischen GmbH und Gesellschafter abzuwickeln und um nicht bei jeder Kleinigkeit einen gesonderten Darlehensvertrag abschließen zu müssen. Doch auch Gesellschafter-Verrechnungskonten müssen angemessen verzinst werden. So hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass ein nicht angemessen verzinstes Verrechnungskonto zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führt (BFH-Urteil vom 22.2.2023, I R 27/20). Die Klägerin, eine GmbH, hatte in den Streitjahren 2014 und 2015 eine Forderung gegenüber dem Gesellschafter-Geschäftsführer, die auf einer "Überziehung" des Verrechnungskontos beruhte. Das Verrechnungskonto wurde nicht verzinst. Daraufhin schätzten das Finanzamt und später das Finanzgericht fiktive Zinsen, die zu einer verdeckten Gewinnausschüttung bei der GmbH führten. Das Finanzamt und auch die Richter des Finanzgerichts unterstellten einen Zinssatz von 4,5 Prozent. Die Revision der GmbH beim BFH blieb erfolglos.

Die Begründung des BFH: Gewährt eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter ein Darlehen, kommt der Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung insoweit in Betracht, als der Kredit zinslos oder zu einem unangemessen niedrigen Zins gewährt wird, denn es liegt hier eine "verhinderte Vermögensmehrung" bei der GmbH vor. Davon kann insbesondere auszugehen sein, wenn die Gesellschaft für den bei ihr angestellten Gesellschafter ein unangemessen verzinstes Verrechnungskonto führt. Hat die Gesellschaft selbst keinen Kredit aufgenommen, so bilden die banküblichen Habenzinsen die Unter- und die banküblichen Sollzinsen die Obergrenze der verhinderten Vermögensmehrung. Der im Einzelfall maßgebliche Betrag innerhalb der genannten Marge ist durch Schätzung zu ermitteln, wobei dem Risiko, dass das Darlehen nicht zurückgezahlt werden kann, besondere Bedeutung zukommt. Sind keine anderen Anhaltspunkte für die Schätzung erkennbar, ist es nicht zu beanstanden, wenn von dem Erfahrungssatz ausgegangen wird, dass sich private Darlehensgeber und -nehmer die bankübliche Marge zwischen Soll- und Habenzinsen teilen. Die vom Finanzamt und dem Finanzgericht vorgenommene Schätzung mit 4,5 Prozent war nicht zu beanstanden.

Praxistipp:
Die Argumentation der Gesellschaft, angesichts des allgemein niedrigen Zinsniveaus sei es ihr nicht möglich gewesen, das Kapital anderweitig ertragbringend anzulegen, ließen weder die Vorinstanz noch der BFH gelten. Angesichts des eindeutigen Urteils - und des nun wieder erhöhten Zinsniveaus - sollten Gesellschafter und/oder Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften prüfen, ob die Verzinsung der Gesellschafter-Verrechnungskonten angepasst werden muss.
gepostet: 19.08.2023
Ehegatten: Zum Anspruch auf Zusammenveranlagung nach Trennung
Eheleute, die sich getrennt haben, können im Trennungsjahr statt der Einzelveranlagung noch die Zusammenveranlagung wählen. Zumeist ist die Zusammenveranlagung - insgesamt betrachtet - steuerlich günstiger als die Einzelveranlagung, denn es wird der so genannte Splittingtarif gewährt. Sind die Ex-Partner zerstritten, ist es zuweilen allerdings schwierig, von beiden Eheleuten die Zustimmung zur Zusammenveranlagung zu erhalten. Wer die Zustimmung willkürlich verweigert, sollte aber bedenken, dass er sich gegebenenfalls schadensersatzpflichtig macht. So hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass sich aus dem Wesen der Ehe für beide Ehegatten grundsätzlich die Verpflichtung ergibt, die finanziellen Lasten des anderen Teils nach Möglichkeit zu vermindern, soweit dies ohne eine Verletzung eigener Interessen möglich ist. Es besteht daher für beide Ehegatten jeweils die Verpflichtung, in eine Zusammenveranlagung einzuwilligen, wenn dadurch die Steuerschuld des anderen Ehegatten verringert, der in Anspruch genommene aber keiner zusätzlichen steuerlichen Belastung ausgesetzt wird. Eine hiernach begründete familienrechtliche Verpflichtung, der Zusammenveranlagung zuzustimmen, bleibt auch nach der Scheidung als Nachwirkung der Ehe bestehen (BGH-Urteil vom 13.10.1976, IV ZR 104/74; BGH-Urteil vom 12.6.2002, XII ZR 288/00).

Aktuell hat das Oberlandesgericht Bamberg entschieden, dass die Pflicht der Zustimmung zur Zusammenveranlagung aber wirksam abbedungen werden kann. Das heißt: Wenn einer der beiden Ex-Partner ausdrücklich zu erkennen gibt, dass er keine Zusammenveranlagung wünscht, im Nachhinein aber erkennt, dass er insoweit einen steuerlichen Fehler begangen hat, kann er den anderen Ehegatten später nicht mehr verpflichten, der Zusammenveranlagung doch zuzustimmen (OLG Bamberg, Beschluss vom 10.1.2023, 2 UF 212/22). Der Sachverhalt: Die Eheleute leben seit Anfang 2019 getrennt. Nachdem sie durch das Finanzamt zur Abgabe von Einkommensteuererklärungen für mehrere Jahre aufgefordert worden waren, wandte sich die Ehefrau zur Unterstützung an einen Lohnsteuerhilfeverein. Sie wies ihren Ehegatten darauf hin, dass eine gemeinsame steuerliche Veranlagung gegenüber einer Einzelveranlagung wirtschaftlich vorteilhaft wäre. Doch im Rahmen von WhatsApp-Nachrichten gab der Ehemann zu erkennen, dass er keine Zusammenveranlagung wünschte. Im Anschluss forderte er die eigenen Steuerunterlagen vom Lohnsteuerhilfeverein zurück. Im Folgenden reichte daraufhin die Ehefrau ihre Steuererklärungen ein und erhielt hohe Steuererstattungen. Gegenüber dem Ehemann ergingen im Rahmen der Einzelveranlagung Steuerbescheide mit Nachzahlungen. Daraufhin wollte er seine Ehefrau doch noch nachträglich zur Zustimmung zur Zusammenveranlagung verpflichten, scheiterte mit seinem Anliegen aber vor Gericht. Begründung: Trotz der erhaltenen Informationen über die wirtschaftlich für ihn nachteilige Einzelveranlagung habe zwischen den Beteiligten Einvernehmen darüber bestanden, dass keine Zusammenveranlagung erfolgen sollte, sondern die Steuererklärungen getrennt im Sinne einer Einzelveranlagung abzugeben waren.
gepostet: 17.08.2023
Personengesellschaften: Einführung eines besonderen Gesellschaftsregisters
Bereits im Jahre 2021 ist das "Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts" (MoPeG) verabschiedet worden, doch es tritt im Wesentlichen erst am 1. Januar 2024 in Kraft. Das Gesetz ist sehr umfangreich und enthält 137 Artikel. Von besonderer Relevanz ist das neu geschaffene Gesellschaftsregister. Dieses tritt selbstständig neben das Handels- und Transparenzregister und soll Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) und ihre Gesellschafter erfassen (§§ 705 bis 740c BGB). Das heißt, dass sich eine GbR künftig ins Gesellschaftsregister eintragen lassen kann.

Die Eintragung ist zwar nicht zwingend, kann der GbR und ihren Gesellschaftern im Rechtsverkehr aber Vorteile bringen, weil dadurch die Transparenz erhöht wird. Im Übrigen ist die Eintragung sinnvoll, weil damit die gesetzliche "Registerfähigkeit" der Gesellschaft erreicht wird. Eine GbR kann damit - nunmehr gesetzlich anerkannt - selbst ein registriertes Recht, zum Beispiel ein Grundstück, erwerben und ins Grundbuch eingetragen werden. Gleiches gilt beispielsweise für die Eintragung ins Markenregister. Die Kehrseite der Medaille: Die Grundbuchämter werden die Eintragung ins Grundbuch nicht vornehmen, wenn bzw. solange die GbR nicht ordnungsgemäß im Gesellschaftsregister verzeichnet ist.

Das neue Gesellschaftsregister wird bei den Amtsgerichten geführt. Da es sich um ein öffentliches Register handelt, besteht für den allgemeinen Rechtsverkehr ein Vertrauen in die Richtigkeit der Angaben. Jede eingetragene GbR muss einen entsprechenden Rechtsformzusatz wie "eGbR" oder "eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechtes" führen. Wenn in einer eingetragenen Gesellschaft keine natürliche Person als Gesellschafter haftet, muss der Name eine Bezeichnung enthalten, welche die Haftungsbeschränkung kennzeichnet.

Die Anmeldung muss unter anderem den Namen, den Sitz und die Anschrift der Gesellschaft enthalten, darüber hinaus die Namen, Vornamen, Geburtsdaten und Wohnorte aller Gesellschafter. Anzugeben ist ferner die Vertretungsbefugnis der Gesellschafter. Nach der "Verordnung über die Einrichtung und Führung des Gesellschaftsregisters und zur Änderung der Handelsregisterverordnung“ soll im Übrigen der Gegenstand der Gesellschaft, soweit er sich nicht aus dem Namen ergibt, bei der Anmeldung angegeben werden. Ändert sich die Vertretungsbefugnis eines Gesellschafters, ist dies zur Eintragung in das Gesellschaftsregister anzumelden. Ist die Gesellschaft im Gesellschaftsregister eingetragen, so sind auch das Ausscheiden eines Gesellschafters und der Eintritt eines neuen Gesellschafters zur Eintragung in das Gesellschaftsregister anzumelden. Daneben müssen wirtschaftlich Berechtigte an das Transparenzregister gemeldet werden.

Praxistipp:
GbR-Gesellschafter sollten sich kurzfristig mit den Vor- und Nachteilen der Eintragung ins Gesellschaftsregister vertraut machen. Dies gilt besonders, wenn der Erwerb einer Immobilie geplant ist bzw. in diesem Zusammenhang Hypotheken oder Grundschulden ins Grundbuch eingetragen werden sollen. Hier könnte die an sich freiwillige Eintragung ins Gesellschaftsregister de facto zu einem Zwang werden. Wenn die Eintragung ins Gesellschaftsregister begehrt wird, sollte aber beachtet werden, dass alle Gesellschafter mit Namen, Anschrift und Geburtsdatum zu benennen sind. Daran hat möglicherweise nicht jeder Gesellschafter ein Interesse.

Praxistipp:
Auch wenn mit dem Gesellschaftsregister eine gewisse Transparenz und ein Gutglaubensschutz einhergehen, sollten potenzielle Geschäftspartner die Wirkung aber nicht überbewerten, denn beispielsweise ist der Umfang der Beteiligung einzelner Gesellschafter nicht erkennbar.
gepostet: 15.08.2023
Erbschaft- und Schenkungsteuer: Bayern reicht Normenkontrollantrag ein
Die unentgeltliche Übertragung einer Immobilie kann eine hohe Erbschaft- oder Schenkungsteuer auslösen. Und zum 1. Januar 2023 wurden die Faktoren für die Ermittlung der steuerlichen Grundstückswerte angepasst ("Jahressteuergesetz 2022"), so dass das Verschenken und Vererben in vielen Fällen sogar noch teurer geworden ist. Die Bayerische Staatsregierung hatte sich daraufhin - zur Abmilderung der steuerlichen Auswirkungen - für eine Erhöhung der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Freibeträge eingesetzt, ist mit ihrem Antrag aber im Bundesrat gescheitert. Bereits kurze Zeit später hatte sie angekündigt, für eine Anhebung der persönlichen Erbschaftsteuer-Freibeträge vor das Bundesverfassungsgericht ziehen zu wollen.

Tatsächlich hat Bayern nun einen Normenkontrollantrag beim Bundesverfassungsgericht gegen das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz eingereicht. Er ist unter dem Az. 1 BvF 1/23 anhängig. In einer Pressemitteilung der Bayerischen Staatsregierung vom 23.5.2023 heißt es zur Begründung des Normenkontrollantrags unter anderem: "Mit dem Antrag soll über eine verfassungsrechtliche Überprüfung der Weg für eine Erhöhung der persönlichen Freibeträge, Senkung der Steuersätze und eine Regionalisierung der Erbschaftsteuer geöffnet werden. Ziel ist, dass sowohl das Eigenheim in Familienhand als auch viele Arbeitsplätze in mittelständischen Unternehmen gesichert werden."
gepostet: 13.08.2023
Ferienwohnung: Interessantes BFH-Urteil zur Frage der Gewerblichkeit
Bei der Vermietung einer Ferienwohnung kann sich die Frage stellen, ob insoweit Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung oder Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt werden. Im letzteren Fall kann Gewerbesteuer entstehen, vor allem aber wäre die Wohnung stets "steuerverhaftet" und ein Gewinn aus einem Verkauf der Wohnung wäre auch außerhalb der zehnjährigen Spekulationsfrist zu versteuern. Die Finanzverwaltung verfügt, dass ein Gewerbebetrieb dann anzunehmen ist, wenn eine hotelmäßige Nutzung der Ferienwohnung vorliegt oder die Vermietung nach Art einer Fremdenpension erfolgt. Ausschlaggebend sei, ob wegen der Häufigkeit des Gästewechsels oder im Hinblick auf zusätzlich zur Nutzungsüberlassung erbrachte Leistungen, zum Beispiel Bereitstellung von Wäsche und Mobiliar, Reinigung der Räume, eine Unternehmensorganisation erforderlich ist, wie sie auch in Fremdenpensionen vorkommt (EStH H 15.7 (2) zu § 15 EStG). Bereits im Jahre 2020 hat der Bundesfinanzhof aber eine bemerkenswerte Entscheidung gefällt, die erst jetzt veröffentlicht wurde: Der Vermieter einer Ferienwohnung erzielt keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb, wenn der von ihm mit der treuhänderischen Vermietung beauftragte Vermittler diese hotelmäßig anbietet, aber ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Treuhandstellung hat, insbesondere weil er hoteltypische Zusatzleistungen auf eigene Rechnung oder für Rechnung Dritter erbringt (BFH-Urteil vom 28.5.2020, IV R 10/18).

Der Sachverhalt: Die Klägerin besitzt drei Eigentumswohnungen, die sich in einer größeren Anlage befinden. Hierin integriert ist ein Hotel. Die Vermietung der Wohnungen erfolgt über eine Vermietungs- bzw. Vermittlungsgesellschaft an wechselnde Feriengäste. Bei entsprechendem Bedarf darf die Gesellschaft die Wohnungen auch als Hotelzimmer vermieten und in diesem Fall weitere Leistungen anbieten, wie Frühstück, Halb- oder Vollpension, tägliche Reinigung mit Handtuchwechsel und Bettwäschewechsel. Die Gesellschaft stellte den Gästen in den Streitjahren unter eigenem Namen jeweils die Kosten für den Hotelaufenthalt inklusive Frühstück zuzüglich Nebenleistungen (z.B. Kurtaxe, Pkw-Stellplatz, Haustiere etc.) in Rechnung. Sie rechnete auch jeweils die Kommissionen mit den Buchungsportalen ab. Gegenüber den Eigentümern erstellte sie vierteljährliche Abrechnungen. Im Ergebnis kehrte sie an die Klägerin die um den "Anteil Wäsche“, den "Anteil Endreinigung/Hotelservice“ und den "Anteil F&B“ bereinigten Beträge abzüglich Provision aus. Finanzamt und Finanzgericht beurteilten die Vermietung als gewerbliche Tätigkeit, denn die Wohnungen seien nicht als Ferienwohnungen, sondern als Hotelzimmer vermietet worden. Der BFH sieht die Sache jedoch anders.

Die Zwischenschaltung eines gewerblichen Vermittlers führe nicht zwangsläufig dazu, dass deshalb auch der Vermieter eine gewerbliche Tätigkeit ausübt. Entscheidend sei vielmehr, inwieweit in der Person des Vermieters die Vermietung einer Ferienwohnung im Hinblick auf die Art des vermieteten Objekts und die Art der Vermietung einem gewerblichen Beherbergungsbetrieb vergleichbar ist. Die Handlungen der gewerblich tätigen Vermietungs- bzw. Vermittlungsgesellschaft können der Klägerin dabei nicht aufgrund eines Treuhandverhältnisses oder einer zivilrechtlichen Stellvertretung zugerechnet werden. Dies gilt - wie im Streitfall - jedenfalls dann, wenn die Vermietungs- bzw. Vermittlungsgesellschaft ein erhebliches eigenes wirtschaftliches Interesse an der Treuhandstellung hat. Da die Klägerin im Urteilsfall die gewerblichen Handlungen der Vermietungsgesellschaft nicht zugerechnet werden konnten, habe sie aus der Vermietung ihrer Wohnungen keine gewerblichen Einkünfte, sondern solche aus Vermietung und Verpachtung erzielt.
gepostet: 11.08.2023
Fahrten zur Arbeit: Kein weiträumiges Tätigkeitsgebiet bei mehreren Einsatzorten
Ein Arbeitnehmer darf Fahrten zu seiner ersten Tätigkeitsstätte nur mit der Entfernungspauschale steuerlich geltend machen. Das sind 30 Cent je Entfernungskilometer und 38 Cent ab dem 21. Entfernungskilometer. Dienstreisen hingegen sind mit 30 Cent pro gefahrenem Kilometer oder mit den tatsächlichen Kosten abziehbar. Besonderheiten gelten für den Fall, dass ein Arbeitnehmer in einem "weiträumigen Tätigkeitsgebiet" arbeitet und nicht über eine erste Tätigkeitsstätte verfügt. Dann sind die Fahrten von der Wohnung zum nächstgelegenen Zugang des Tätigkeitsgebiets zwar ebenfalls nur mit der Entfernungspauschale abziehbar, die Fahrten innerhalb des Tätigkeitsgebiets hingegen dürfen mit den Dienstreisesätzen geltend gemacht werden.

Im Jahre 2021 hatte das Niedersächsische Finanzgericht entschieden, dass ein Hafenarbeiter, im Urteilsfall¬ des Hamburger Hafens, insgesamt in einem solch weiträumigen Tätigkeitsgebiet arbeitet. Dies gilt auch dann, wenn er von seinem Arbeitgeber im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung bei verschiedenen Einzelbetrieben auf dem Gebiet des Hamburger Hafens eingesetzt wird. Folglich wurden die Fahrten zu dem nächstgelegenen Hafenzugang nur mit der Entfernungspauschale berücksichtigt (Urteil vom 3.2.2021, 4 K 11006/17). Doch kürzlich hat der Bundesfinanzhof dieses Urteil verworfen und entschieden, dass aufgrund der Zuordnung zu bestimmten Einsatzorten innerhalb des Hamburger Hafens kein "Arbeiten in einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet" vorlag. Da der Kläger auch nicht über eine "erste Tätigkeitsstätte" verfügte, wurden die Fahrtkosten in tatsächlicher Höhe zum Abzug zugelassen (BFH-Urteil vom 15.2.2023, VI R 4/21).

Der Kläger war als Hafenarbeiter beschäftigt. Gegenüber seinem Arbeitgeber erklärte er seine unwiderrufliche Zustimmung, auch im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung tätig zu werden und sich auf Weisung des Arbeitgebers in anderen Hafeneinzelbetrieben einsetzen zu lassen. Im Streitjahr wurde er von seinem Arbeitgeber an 164 Arbeitstagen an vier verschiedenen Orten, das heißt bei den jeweiligen Kunden seines Arbeitgebers, innerhalb des Gebiets des Hamburger Hafens eingesetzt. Die Einsatzstellen wurden ihm von seinem Arbeitgeber arbeitstäglich morgens telefonisch zugewiesen. Die Fahrten von seiner Wohnung zu den jeweiligen Einsatzstellen legte der Kläger mit seinem eigenen Pkw zurück. Nach Auffassung des BFH darf der Kläger seine Fahrtkosten in tatsächlicher Höhe absetzen, und zwar sowohl für die Fahrten bis zum Hafeneingang als auch für die Fahrten bis zum jeweiligen Einsatzort.

Praxistipp:
Das Gebiet des Hamburger Hafens gilt aufgrund seiner Größe grundsätzlich schon als weiträumiges Tätigkeitsgebiet. Zahlreiche Hafenarbeiter werden daher durchaus unter die eingangs erwähnte Regelung fallen und können ihre Fahrtkosten bis zum Eingangstor nur mit der Entfernungspauschale geltend machen. Im Urteilsfall war aber die Besonderheit, dass eine Zuordnung zu mehreren Einsatzorten erfolgte, was die Annahme eines weiträumigen Tätigkeitsgebiets ausschloss. Gleichzeitig war aber auch keine erste Tätigkeitsstätte vorhanden.
gepostet: 09.08.2023
Personengesellschaften: "Volle" AfA nach Einbringung von Wirtschaftsgütern?
Wurde ein Wirtschaftsgut zunächst im Privatvermögen gehalten und wurden dort die Absetzungen für Abnutzung (AfA) vorgenommen, so ist dies bei der Einbringung des Wirtschaftsguts in ein Betriebsvermögen zu berücksichtigen. Das heißt, der Einlagewert ist um die Abschreibungen, die bis zum Zeitpunkt der Einlage vorgenommen worden sind, zu mindern (§ 7 Abs. 1 Satz 5 EStG). So soll verhindert werden, dass ein Wirtschaftsgut zweimal abgeschrieben wird. Bei der Einbringung eines Wirtschaftsguts in das Betriebsvermögen einer Personengesellschaft sind aber zahlreiche Besonderheiten zu beachten, so unter anderem, ob das Wirtschaftsgut "nur" ins Sonderbetriebsvermögen eingebracht wird, ob es gegen die Gewährung von Gesellschaftsrechten ins Gesamthandsvermögen eingebracht wird, ob der Wert des eingebrachten Wirtschaftsguts auch dem gesamthänderisch gebundenen Einlagekonto gutgeschrieben wird und/oder, ob eine "echte" Gegenleistung gewährt wird. Zu diesem schwierigen Thema hat der Bundesfinanzhof kürzlich entschieden: Die Übertragung eines Wirtschaftsguts des Privatvermögens auf eine gewerbliche Personengesellschaft gegen erstmalige Einräumung einer Mitunternehmerstellung ist auch dann ein vollentgeltliches Geschäft (Einbringung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten), wenn der Wert des übertragenen Wirtschaftsguts nicht nur dem Kapitalkonto I (Festkapitalkonto), sondern auch einem gesamthänderisch gebundenen Rücklagenkonto gutgeschrieben wird. Dieser Vorgang ist nicht in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuspalten; § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG ist insgesamt nicht anwendbar (BFH-Urteil vom 23.3.2023, IV R 2/20). Das bedeutet, dass die AfA-Bemessungsgrundlage für das eingebrachte Wirtschaftsgut nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG zu mindern ist.

Im Urteilsfall wurde ein Grundstück mitsamt Windkraftanlage in eine gewerblich tätige Personengesellschaft eingebracht. Die Anschaffungskosten der Windkraftanlage wurden zuvor im Privatvermögen abgeschrieben. Der Wert der Einlage wurde zum einen auf dem Kapitalkonto I der einbringenden Gesellschafter verbucht. Der Wert, der die Einlageverpflichtung überstieg, wurde zum anderen dem gesamthänderisch gebundenen Rücklagenkonto gutgeschrieben. Die Personengesellschaft war der Auffassung, dass hier ein voll entgeltliches Anschaffungsgeschäft vorlag. Dementsprechend machte sie die AfA von einer neuen (hohen) Bemessungsgrundlage für die Windkraftanlage geltend, ohne die bereits im Privatvermögen vorgenommene AfA gegenzurechnen. Das Finanzamt hingegen sah einen Anwendungsfall des § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG. Danach seien die zuvor im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Anspruch genommenen Abschreibungsbeträge vom Einlagewert abzuziehen, so dass die Klägerin im Ergebnis keine weiteren Abschreibungsbeträge mehr in Anspruch nehmen könne. Doch diese Kürzung war unzutreffend, wie der BFH entschieden hat.

Praxistipp:
Die Sache wurde an die Vorinstanz zurückverwiesen, denn die AfA-Bemessungsgrundlage ergibt sich im Urteilsfall aus dem gemeinen Wert des Wirtschaftsguts im Zeitpunkt der Einbringung. Der gemeine Wert ist nun vom Finanzgericht festzustellen.
gepostet: 07.08.2023
Erbschaftsteuer: "Verspäteter" Einzug ins Familienheim wegen Zeitmietvertrages
Die Vererbung des selbstgenutzten Familienheims an das eigene Kind ist von der Erbschaftsteuer befreit. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist allerdings, dass der Erblasser das Familienheim vor dem Erbfall selbst bewohnt hat und der Erbe die Immobilie nach der Erbschaft zehn Jahre lang selbst zu Wohnzwecken nutzt. Die Vergünstigung greift, soweit die Wohnfläche der geerbten Wohnung 200 qm nicht übersteigt. Im Übrigen ist eine weitere wichtige Voraussetzung zu beachten: Die hinzuerworbene Wohnung muss unverzüglich zur Selbstnutzung bestimmt sein (BFH-Urteil vom 6.5.2021, II R 46/19). "Unverzüglich" bedeutet im Grundsatz, dass der Erbe bereits kurz nach dem Erbfall in das Familienheim einziehen muss, wenn er nicht bereits darin wohnt. Üblicherweise gilt hier eine Frist von maximal sechs Monaten. Eine zeitliche Verzögerung des Einzugs aufgrund von Renovierungsarbeiten ist dem Erwerber nicht anzulasten, wenn er die Arbeiten unverzüglich in Auftrag gibt, die beauftragten Handwerker sie aber aus Gründen, die der Erwerber nicht zu vertreten hat, zum Beispiel wegen einer hohen Auftragslage, nicht rechtzeitig ausführen können - so der Bundesfinanzhof in dem o.g. Urteil vom 6.5.2021.

Bald wird sich der BFH erneut mit der Frage befassen müssen, ob ein "verspäteter" Einzug ins Familienheim noch als unschädlich zu werten ist. Es geht um folgenden Fall: Die Mutter hatte eine Wohnung selbst genutzt, musste aber im Jahre 2016 in ein Pflegeheim umziehen. Um die Kosten für ihre Unterbringung in der Pflegeeinrichtung zu decken, hatte sie ihre bisherige Wohnung vermietet, den Mietvertrag aber auf vier Jahre befristet. Im Jahre 2018 ist die Mutter gestorben; der Mietvertrag lief im Todeszeitpunkt folglich noch zwei Jahre. Die Tochter beabsichtigte, in die Wohnung unmittelbar nach dem Ende des Zeitmietvertrages einzuziehen und beantragte daher die erbschaftsteuerliche Befreiung für das Familienheim. Tatsächlich ist der Einzug im Jahre 2020 erfolgt. Das Finanzamt gewährte die Steuerbefreiung nicht, doch das Finanzgericht München ist dem entgegengetreten (Urteil vom 26.10.2022, 4 K 2183/21). Der Mietvertrag sei ursächlich dafür gewesen, dass die Tochter die Wohnung erst nach Ablauf der Mietzeit beziehen und damit erst ab diesem Zeitpunkt zu eigenen Wohnzwecken nutzen konnte. Den Grund für die spätere Aufnahme der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken habe die Tochter daher nicht zu vertreten. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände habe die Klägerin durch ihren Einzug in 2020 in ausreichendem Maße belegt, dass sie die Wohnung nach dem Tod ihrer Mutter unverzüglich zur Selbstnutzung bestimmt hat. Die Erblasserin ihrerseits hatte ein berechtigtes Interesse an der Vermietung der Wohnung, weil sie mit den Mieteinnahmen die Kosten der Unterbringung mitfinanzieren wollte.

Praxistipp:
Das FG hat die Revision zugelassen, die auch bereits beim BFH unter dem Az. II R 48/22 vorliegt. Bis auf Weiteres bleibt in entsprechenden Fällen also eine große Unsicherheit.
gepostet: 05.08.2023
PV-Anlage: Anzeigen über die Erwerbstätigkeit vielfach nicht mehr erforderlich
Für bestimmte Photovoltaikanlagen greift seit Januar 2022 eine ertragsteuerliche Steuerbefreiung (§ 3 Nr. 72 EStG). Seit Januar 2023 gilt zudem der umsatzsteuerliche Nullsteuersatz für die Lieferung und Installation gewisser Photovoltaikanlagen. Dennoch sind Betreiber von Photovoltaikanlagen grundsätzlich verpflichtet, den Betrieb der Anlage als "Betriebseröffnung" der Gemeinde anzuzeigen und zusätzlich den "Fragebogen zur steuerlichen Erfassung" auszufüllen und diesen digital an die Finanzverwaltung zu übermitteln (§ 138 Abs. 1 und 1b AO). Wie das Bundesfinanzministerium kürzlich mitgeteilt hat, wird es aus Gründen des Bürokratieabbaus und der Verwaltungsökonomie aber nicht beanstandet, wenn die Anzeige bei der Gemeinde und die Übermittlung des Fragebogens nicht erfolgen. Voraussetzung ist, dass die gewerbliche Tätigkeit lediglich das Betreiben von begünstigten Photovoltaikanlagen (§ 3 Nr. 72 EStG) umfasst, sich die unternehmerische Tätigkeit in umsatzsteuerlicher Hinsicht ausschließlich auf den Betrieb einer begünstigten Photovoltaikanlage (§ 12 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 UStG) sowie gegebenenfalls auf eine steuerfreie Vermietung und Verpachtung beschränkt und zudem die Kleinunternehmerregelung angewandt wird. Die Vereinfachung gilt mit sofortiger Wirkung in allen Fällen, in denen die diesbezügliche Erwerbstätigkeit ab dem 1. Januar 2023 aufgenommen wurde (BMF-Schreiben vom 12.6.2023, IV A 3-S 0301/19/10007 :012).
gepostet: 03.08.2023
Gewerbesteuer: Kürzung des Gewerbeertrages bei Wohnungsunternehmen
Wohnungsunternehmen, die außer der Immobilienverwaltung sowie der Verwaltung eigenen Kapitalvermögens keine anderen Aktivitäten entfalten, profitieren von einer besonderen Regelung im Gewerbesteuergesetz: Nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG greift die "erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung", die selbst hohe Gewinne komplett von der Gewerbesteuer befreit. Doch die Finanzverwaltung ist recht streng: Übrige Aktivitäten, die in der Vorschrift nicht genannt sind, führen zu einem Entzug der erweiterten Gewerbesteuerkürzung. Der Bundesfinanzhof hat diesbezüglich entschieden, dass die Reinigung des Treppenhauses oder von Gemeinschaftsflächen einer fremden Immobilie für die erweiterte Kürzung schädlich sind, wenn das Wohnungsunternehmen hierfür ein Entgelt erhält. Dies gilt selbst dann, wenn das Entgelt extrem niedrig ist (BFH-Urteil vom 16.2.2023, III R 49/20).

Die Klägerin, eine GmbH, kaufte und verkaufte Grundbesitz, bebaute Grundstücke für eigene und fremde Rechnung und war Eigentümerin von fremdvermieteten Wohnimmobilien. Ihren Sitz hatte die Klägerin im Obergeschoss eines im Eigentum ihrer Gesellschafter stehenden Gebäudes mit vier Wohnungen. Die beiden Wohnungen im Erdgeschoss waren fremdvermietet, die Wohnungen im Obergeschoss nutzten die Gesellschafter - ein Ehepaar - zu Wohn- und Geschäftsführungszwecken. Die GmbH berechnete den Gesellschaftern pro Jahr rund 1.600 Euro für die Reinigung des Treppenhauses und des Hauseingangspodests der Immobilie durch eine geringfügig Beschäftigte. Das Finanzamt versagte der GmbH daraufhin die erweiterte Gewerbesteuerkürzung. Klage und Revision blieben ohne Erfolg.

Zum einen betrafen die Reinigung des Treppenhauses und des Hauseingangs keine eigene Immobilie, sondern die ihrer Gesellschafter. Zum anderen lag auch keine unschädliche "Betreuung von Wohnungsbauten i.S. des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG" vor. Die bloße Reinigung von Gemeinschaftsflächen sei keine Bewirtschaftungsbetreuung. Anhaltspunkte dafür, dass die entgeltlichen Reinigungsleistungen in dem fremden Gebäude als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes und als unschädliche Nebentätigkeit anzusehen seien, könnten auch nicht festgestellt werden. Vom Ausschließlichkeitsgebot seien auch in Bagatellfällen keine Ausnahmen wegen Geringfügigkeit oder aus Gründen der Verhältnismäßigkeit geboten.

Praxistipp:
Im Jahre 2021 wurde das Fondsstandortgesetz verabschiedet, das Erleichterungen hinsichtlich der erweiterten gewerbesteuerlichen Kürzung vorsieht. So sind die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen und der Betrieb von E-Ladestationen für die erweiterte Kürzung unschädlich. Wohnungsunternehmen können die erweiterte Kürzung weiterhin in Anspruch nehmen, wenn ihre diesbezüglichen Einnahmen nachweislich nicht höher sind als zehn Prozent der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes (§ 9 Nr. 1 S. 3, 4). Eine weitere Neuerung betrifft im Übrigen die (Mit-)Vermietung so genannter Betriebsvorrichtungen. Auch diese ist seit 2021 im geringen Umfang unschädlich. Der aktuelle Urteilsfall zeigt aber, dass es dennoch zahlreiche "Fallen" gibt und Tätigkeiten, die über die Verwaltung eigener Immobilien sowie der Verwaltung eigenen Kapitalvermögens hinausgehen, sehr sorgfältig daraufhin zu prüfen sind, ob sie die Kürzung gefährden.
gepostet: 01.08.2023
Juli 2023
Pflegeversicherung: Neue Beitragssätze ab 1. Juli 2023
Der Bundesrat hat das vom Bundestag beschlossene Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz gebilligt. Es sieht unter anderem neue Beitragssätze zur sozialen Pflegeversicherung ab dem 1. Juli 2023 vor. Bei kinderlosen Mitgliedern gilt seit dem 1. Juli 2023 ein Beitragssatz in Höhe von 4 Prozent. Bei Mitgliedern mit einem Kind gilt demgegenüber ein "allgemeiner" Beitragssatz von 3,4 Prozent. Ab zwei Kindern wird der Beitrag während der Erziehungsphase bis zum 25. Lebensjahr um 0,25 Beitragssatzpunkte je Kind bis zum fünften Kind weiter abgesenkt. Nach der jeweiligen Erziehungsphase entfällt der Abschlag wieder. Der Arbeitgeberanteil beträgt jeweils 1,7 Prozent. Konkret gelten seit dem 1. Juli 2023 folgende Beitragssätze:

· Mitglieder ohne Kinder: 4,00 % (Arbeitnehmer-Anteil: 2,3 %)
· Mitglieder mit 1 Kind: 3,40 % (lebenslang) (Arbeitnehmer-Anteil: 1,7 %)
· Mitglieder mit 2 Kindern: 3,15 % (Arbeitnehmer-Anteil: 1,45 %)
· Mitglieder mit 3 Kindern: 2,90 % (Arbeitnehmer-Anteil: 1,2 %)
· Mitglieder mit 4 Kindern: 2,65 % (Arbeitnehmer-Anteil 0,95 %)
· Mitglieder mit 5 und mehr Kindern: 2,40 % (Arbeitnehmer-Anteil 0,7 %)

Die oben genannten Beitragssätze bzw. Abschläge gelten, solange die jeweils zu berücksichtigenden Kinder unter 25 Jahre alt sind. Das heißt im Umkehrschluss: Bei Mitgliedern mit mehreren Kindern erhöht sich der Beitrag immer dann, wenn ein Kind das 25. Lebensjahr vollendet hat. Bei Mitgliedern mit einem Kind bleibt es aber bei dem Höchstsatz von 3,4 Prozent auch dann, wenn das Kind das 25. Lebensjahr vollendet hat. Der Vollständigkeit halber: In Sachsen beträgt der Arbeitgeberanteil lediglich 1,2 Prozent, so dass der jeweilige Arbeitnehmeranteil entsprechend höher ist.

Praxistipp:
Es soll ein digitales Verfahren zur Erhebung und zum Nachweis der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder entwickelt werden. Bis dahin gilt ein vereinfachtes Nachweisverfahren. Das heißt: Für die Berücksichtigung der Abschläge muss die Anzahl der Kinder unter 25 Jahren gegenüber der beitragsabführenden Stelle (zumeist dem Arbeitgeber oder der Rentenversicherung) nachgewiesen sein, es sei denn, diesen sind die Angaben bereits bekannt. Bei Selbstzahlern ist der Nachweis gegenüber der Pflegekasse zu führen. Das digitale Verfahren soll bis zum Frühjahr 2025 entwickelt werden. Vom 1. Juli 2023 bis zum 30. Juni 2025 (Übergangszeitraum) ist es dagegen ausreichend, wenn Mitglieder ihre unter 25-jährigen Kinder der beitragsabführenden Stelle oder der Pflegekasse mitteilen, sofern sie von dieser dazu aufgefordert werden. Auf die Vorlage und Prüfung konkreter Nachweise kann in diesem Fall verzichtet werden. Spätestens nach dem Übergangszeitraum müssen die beitragsabführenden Stellen und die Pflegekassen die angegebenen Kinder überprüfen.

Praxistipp:
Die Umsetzung der - je nach Kinderzahl - unterschiedlichen Beitragssätze ist für die beitragsabführenden Stellen mit einem hohen Aufwand verbunden. Deshalb sieht der Gesetzgeber für sie einen Übergangszeitraum vor: Können die Abschläge von ihnen nicht direkt ab dem 1. Juli 2023 berücksichtigt werden, sind sie so bald wie möglich, spätestens bis zum 30. Juni 2025 zu erstatten. Der Erstattungsbetrag ist zu verzinsen.
gepostet: 04.07.2023
Vorsorgeaufwendungen: Kein Abzug bei Tätigkeit im Nicht-EU-/EWR-Ausland
Wenn Vorsorgeaufwendungen mit steuerfreien Einnahmen zusammenhängen, die aus dem Ausland bezogen wurden, sind sie in Deutschland nicht als Sonderausgaben abziehbar. Doch von diesem Grundsatz gibt es eine gewichtige Ausnahme: Vorsorgeaufwendungen sind als Sonderausgaben in Deutschland absetzbar, soweit sie in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit Arbeitslohn stehen, der in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem EWR-Staat oder der Schweiz erzielt wurde, diese Einnahmen nach einem Doppelbesteuerungsabkommen im Inland steuerfrei sind und der Beschäftigungsstaat keinerlei steuerliche Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen im Rahmen der Besteuerung dieser Einnahmen zulässt. Ausgenommen bleiben Vorsorgeaufwendungen, die mit Einnahmen zusammenhängen, die in einem so genannten Drittstaat erzielt werden, also zum Beispiel China. Der Bundesfinanzhof hat nun entschieden, dass dieser Ausschluss rechtens ist (BFH-Urteil vom 14.12.2022, X R 25/21). Der Kläger war bei einem deutsch-chinesischen Joint Venture angestellt, wobei er im Streitjahr 2016 insgesamt 224 Arbeitstage in China arbeitete. Er bezog Arbeitslohn sowohl in Deutschland als auch in China. Er zahlte seine Rentenversicherungsbeiträge aber weiter in Deutschland. In seiner Einkommensteuererklärung wollte er die Beiträge zur Rentenversicherung in voller Höhe als Sonderausgaben abziehen, obwohl rund 88 Prozent seines Arbeitslohns aufgrund des DBA mit China steuerfrei blieb. Das Finanzamt lehnte den vollen Abzug der Vorsorgeaufwendungen ab und berücksichtigte nur den Teil, der auf den steuerpflichtigen deutschen Arbeitslohn entfiel, also rund 12 Prozent. Eine weitergehende Berücksichtigung der erklärten Vorsorgeaufwendungen sei hingegen ausgeschlossen, da diese in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stünden und deshalb keine berücksichtigungsfähigen Sonderausgaben darstellten. Die hiergegen gerichtete Klage und auch die Revisionen blieben ohne Erfolg.

Begründung: In § 10 Abs. 2 EStG sei ein Sonderausgabenabzug bei einem Zusammenhang mit steuerfreien Einkünften aus Drittstaaten nicht vorgesehen. Unerheblich sei, dass die Vorsorgeaufwendungen in China nicht abgezogen werden könnten, die spätere Rente in Deutschland aber wohl dennoch der vollen Besteuerung unterliegen wird. Das Verfassungsrecht stehe dem nicht entgegen.
gepostet: 31.07.2023
Inflationsausgleichsprämie: Fragen-Antworten-Katalog des BMF erweitert
Arbeitgeber dürfen ihren Mitarbeitern eine Inflationsausgleichsprämie gewähren, die bis zu einem Betrag von 3.000 Euro steuer- und sozialversicherungsfrei bleibt. Voraussetzung für die Steuer- und Beitragsfreiheit ist, dass die Leistung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt wird. Die Regelung gilt für Zahlungen, die vom 26.10.2022 bis zum 31.12.2024 geleistet werden (§ 3 Nr. 11c EStG). Das Bundesfinanzministerium hat einen Fragen-Antworten-Katalog zur Inflationsausgleichsprämie veröffentlicht. Dieser ist auf der Interseite des BMF unter folgendem Link abrufbar:
www.bundesfinanzministerium.de/.... Nunmehr wurden die FAQs um zwei wichtige Punkte erweitert:

Frage: Gilt die Steuerbefreiung auch für Arbeitslohn von dritter Seite (zum Beispiel von Konzernunternehmen)?
Antwort: Ja. Es wird für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nicht beanstandet, wenn die Inflationsausgleichsprämie als Arbeitslohn von dritter Seite, zum Beispiel durch ein verbundenes Unternehmen im Konzern, geleistet wird.

Frage: Sind Leistungen von ausländischen Arbeitgebern an ihre im Inland steuerpflichtigen Beschäftigten begünstigt?
Antwort: Ja. Die Steuerbefreiung kommt auch dann zur Anwendung, wenn ein im Ausland ansässiger Arbeitgeber seinem in Deutschland steuerpflichtigen Arbeitnehmer eine Inflationsausgleichsprämie gewährt, soweit die weiteren Voraussetzungen der Steuerbefreiung erfüllt sind. Eine steuerliche Auswirkung in Deutschland ergibt sich jedoch nicht, wenn der Arbeitslohn nach dem jeweils anzuwendenden Doppelbesteuerungsabkommen in Deutschland nicht zu versteuern ist. Die Steuerbefreiung kommt auch dann zur Anwendung, wenn der von einem ausländischen Arbeitgeber gezahlte Arbeitslohn nicht dem deutschen Lohnsteuerabzug unterliegt, jedoch im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung anzusetzen ist und die weiteren Voraussetzungen der Steuerbefreiung erfüllt sind.
gepostet: 29.07.2023
Erbschaftsteuer: Erbfallkosten-Pauschale ohne tatsächliche Kosten
Die Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer darf um die so genannte Erbfallkosten-Pauschale von 10.300 Euro gemindert werden (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG). Sie wird unter anderem für die Kosten der Bestattung des Erblassers, für die Kosten eines angemessenes Grabdenkmals und für die Kosten der üblichen Grabpflege gewährt. Jüngst hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass der Abzug des Pauschbetrags nicht einmal den Nachweis voraussetzt, dass überhaupt Kosten angefallen sind (BFH-Urteil vom 1.2.2023, II R 3/20).

Die Klägerin ist Nacherbin ihrer verstorbenen Tante. Vorerbe war deren Ehemann, der nur wenige Monate nach seiner Frau verstorben ist. Mit der Erbschaftsteuererklärung beantragte die Klägerin die Berücksichtigung der Erbfallkosten-Pauschale in Höhe von 10.300 Euro. Nachweisen konnte sie indes nur Kosten von 40 Euro für die Erteilung des Erbscheins und die Testamentseröffnung. Die Beerdigungskosten wies sie nicht nach. Das Finanzamt berücksichtigte die Erbfallkosten-Pauschale nicht. Allenfalls könnten die nachgewiesenen 40 Euro berücksichtigt werden. Doch der BFH pflichtet der Klägerin bei. Zunächst weist er darauf hin, dass es der Gewährung des Pauschbetrages nicht entgegensteht, dass die Klägerin nur Nacherbin war. Dann stellt der BFH fest, dass der Abzug des Pauschbetrags nicht einmal den Nachweis voraussetzt, dass zumindest dem Grunde nach tatsächlich Kosten angefallen sind, die der Pauschbetrag erfasst. Das Gesetz gehe davon aus, dass mit dem Erbanfall typischerweise entsprechende Kosten entstehen.

Praxistipp:
Sofern höhere Kosten als die Erbfallkosten-Pauschale angefallen sind, können diese geltend gemacht werden, doch dann sind sie im Einzelnen nachzuweisen. Um Missverständnisse zu vermeiden: Mehrere Erben können die Pauschale für einen einzigen Erbfall insgesamt nur einmal erhalten.
gepostet: 27.07.2023
Entgelt für Sicherheiten: Kapitaleinkünfte oder sonstige Einkünfte?
Welcher Einkunftsart ist ein Entgelt für Sicherheiten, beispielsweise für die Verpfändung eines Bankguthabens, zuzuordnen? Den Einkünften aus Kapitalvermögen oder den sonstigen Einkünften? Mit dieser Frage muss sich der Bundesfinanzhof nun in dem Verfahren VIII R 7/23 auseinandersetzen. Die Unterscheidung ist im Streitfall von Bedeutung, weil Einkünfte aus Kapitalvermögen hier lediglich dem Abgeltungsteuersatz von 25 Prozent unterliegen würden, während sonstige Einkünfte mit dem persönlichen Steuersatz zu versteuern sind.

Hintergrund: Bereits am 29.12.2021 (8 K 592/20 E) hat das Finanzgericht Münster entschieden, dass ein Entgelt für die Zurverfügungstellung von Sicherheiten keine Kapitalerträge, sondern sonstige Einkünfte darstellt. Die Klägerin gewährte einer GmbH, an der sie nicht beteiligt war und zu der sie auch sonst keine persönlichen Beziehungen unterhielt, für die Durchführung eines Bauvorhabens die Verpfändung eines Bankguthabens in Höhe von 200.000 Euro und stellte einen bei Bedarf in Teilbeträgen abrufbaren Girokredit in Höhe von 250.000 Euro. Das vereinbarte Entgelt von 50.000 Euro zahlte die GmbH nach Abschluss des Bauvorhabens und Freigabe des verpfändeten Betrages. Diesen Betrag erklärte die Klägerin als Einkünfte aus Kapitalvermögen. Das Finanzamt und auch das Finanzgericht behandelten ihn jedoch als sonstige Einkünfte, die dem persönlichen Steuersatz zu unterwerfen seien.

Begründung: Sowohl die Verpfändung des Kontoguthabens als auch die Bereitstellung des Betriebsmittelkredits stellten Leistungen im Sinne von § 22 Nr. 3 EStG dar. Die Verpfändung des Guthabens führe nicht zu Kapitaleinkünften nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, da die Klägerin das Entgelt nicht für die Bereitstellung von Kapital und damit nicht "aus“ ihrer Kapitalforderung gegenüber der Bank erhalten habe. Die Klägerin habe der GmbH kein Kapital zur Verfügung gestellt und die GmbH habe auch nicht die Rückzahlung von Kapitalvermögen zugesagt. Vielmehr habe die Klägerin ihr Kapitalvermögen weiterhin zur Erzielung von Zinsen nutzen können. Die doppelte Nutzung einer Kapitalforderung zur Fruchtziehung sei nicht möglich. Die Bereitstellung des Betriebsmittelkredits führe ebenfalls nicht zu Kapitaleinkünften. Auch bei Bereitstellungszinsen werde weder die Rückzahlung von Kapital vereinbart noch ein Entgelt für die Überlassung des Kapitals zur Nutzung zugesagt oder geleistet. Erst mit Abruf des Kredits werde Kapitalvermögen entgeltlich zur Nutzung überlassen. Doch auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger hat der BFH jetzt die Revision zugelassen, so dass das letzte Wort die obersten Steuerrichter haben (Quelle: FG Münster, Newsletter 4/2023).
gepostet: 25.07.2023
Immobilienverkauf: Kaufpreiszahlung in Raten kann hohe Zinseinkünfte auslösen
Wer eine Immobilie veräußert und für den Kaufpreis eine unverzinsliche Ratenzahlung gestattet, sollte beachten, dass das Finanzamt den Kaufpreis in einen Kapital- und einen Zinsanteil aufteilt, sofern die Laufzeit dieser Stundung mehr als ein Jahr beträgt. Der Zinsanteil wird mit einem Zinsfuß von 5,5 Prozent berücksichtigt und führt beim Veräußerer zu Einkünften aus Kapitalvermögen. Das heißt: Selbst wenn die Vertragsparteien bewusst davon ausgehen, dass der Kaufpreis zinslos gestundet wird, unterstellt der Fiskus den Zufluss von fiktiven Zinseinnahmen. Diese muss der Veräußerer entweder zu seinem individuellen Steuersatz oder mit dem Abgeltungssteuersatz von 25 Prozent versteuern. Das Finanzgericht Köln hat diese Auffassung jüngst bestätigt: Zinsen aus der Abzinsung eines ratierlich gezahlten Kaufpreises sind als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern (FG Köln, Urteil vom 27.10.2022, 7 K 2233/20). Der Sachverhalt: Die Kläger haben eine vermietete Immobilie an Sohn und Schwiegertochter verkauft. Der Kaufpreis war in 258 monatlichen Raten zu zahlen. Zudem war eine Wertsicherungsklausel vereinbart, wonach sich die Raten entsprechend des Verbraucherindexes erhöhen oder vermindern sollten. Das Finanzamt zerlegte den Kaufpreis in einen Kapital- und einen Zinsanteil. Der Zinsanteil sei gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG als Einnahmen aus Kapitalvermögen zu erfassen und wurde der Abgeltungssteuer von 25 Prozent unterworfen. Bei der Bestimmung des Zinsanteils wurde von einem Zinsfuß von 5,5 Prozent ausgegangen. Zur Begründung führte das Finanzamt aus, dass die geleisteten Zahlungen (Kaufpreisraten) in einen Tilgungsanteil (Kapitalanteil) und in einen Zinsanteil zu zerlegen seien, da ein zum Privatvermögen gehörendes Grundstück veräußert und die Kaufpreisforderung langfristig - länger als ein Jahr - bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gestundet worden sei. Die Stundung enthalte einen darlehnsähnlichen Charakter, so dass sie einen Zinsanteil enthalte. Dies gelte auch dann, wenn die Vertragsparteien keine Zinsen vereinbart oder sogar ausdrücklich ausgeschlossen hätten.

Die Finanzrichter teilen die Auffassung des Finanzamts. Die Gestattung einer langfristiger Ratenzahlung zur Tilgung einer Schuld stelle eine Kreditgewährung durch den Gläubiger dar. Daran ändere auch die Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel nichts. Ihre Grundlage finde diese Auffassung in § 12 Abs.3 BewG, wonach unverzinsliche Forderungen, deren Laufzeit mehr als ein Jahr beträgt und die zu einem bestimmten Zeitpunkt fällig sind, abzuzinsen, das heißt in einen Kapital- und einen Zinsanteil aufzuteilen sind. Bei der Berechnung des Zinsanteils seien die nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BewG i.V.m. Anlage 9a zu bestimmenden Barwerte zu Beginn und zum Ende des Streitjahres unter Zugrundelegung finanzmathematischer Grundsätze basierend auf einem Zinsfuß von 5,5 Prozent zu ermitteln, sofern die Vertragspartner nicht einen höheren Rechnungszinsfuß vereinbart haben.

Praxistipp:
Gegen das Urteil wurde die Revision zugelassen und auch eingelegt. Das Az. beim Bundesfinanzhof lautet VIII R 1/23. Übrigens hatte das FG des Saarlandes mit Urteil vom 15.4.2010 (1 K 1237/05) eine andere Auffassung vertreten und einer Wertsicherungsklausel durchaus einen Zinscharakter zugewiesen, so dass in einem solchen Fall keine "zinslose" Darlehensgewährung gegeben war. Daher wird spannend sein, wie der BFH entscheiden wird. Unabhängig davon muss der BFH die Frage, ob ein fiktiver Zinssatz von 5,5 Prozent noch verfassungsgemäß ist, ohnehin in einem anderen Verfahren entscheiden (Az. II R 8/22). Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass der fiktive Zinsanteil bei den Erwerbern sofort als Werbungskosten abziehbar ist, wenn die Immobilie zur Einkünfteerzielung genutzt wird.
gepostet: 23.07.2023
Doppelte Haushaltsführung: BFH klärt viele Fragen zur "finanziellen Beteiligung"
Wer aus beruflichen Gründen einen zweiten Haushalt am Arbeitsort führt, darf die Kosten der doppelten Haushaltsführung steuerlich geltend machen. Voraussetzung für eine Anerkennung ist aber unter anderem, dass sich derjenige, der einen zweiten Hausstand unterhält, an den Kosten des ersten Haushalts finanziell beteiligt. Dazu muss er mehr als zehn Prozent der monatlich regelmäßig anfallenden laufenden Kosten der Haushaltsführung übernehmen (BMF-Schreiben vom 25.11.2020, BStBl 2020 I S. 1228). Bei verheirateten Personen wird die finanzielle Beteiligung nur selten angezweifelt, doch bei Ledigen erfolgt zumeist eine strenge Prüfung durch die Finanzämter.

Im Jahre 2019 hatte das Niedersächsische Finanzgericht entschieden, dass die Finanzverwaltung indes keine überbordenden Anforderungen an das Vorliegen einer finanziellen Beteiligung stellen darf. Auch unregelmäßige Zahlungen oder nur Einmalzahlungen können als finanzielle Beteiligung angesehen werden. Und auch auf den Zeitpunkt der Zahlung (Anfang, Mitte oder Ende des jeweiligen Jahres) komme es insoweit nicht an (FG Niedersachsen, Urteil vom 18.9.2019, 9 K 209/18). Nun hat der Bundesfinanzhof die Entscheidung aus Niedersachsen bestätigt (BFH-Urteil vom 12.1.2023, VI R 39/19).

Der Kläger hat eine Wohnung an seinem Arbeitsort angemietet. Zudem bewohnt er in seinem Elternhaus eine nicht abgeschlossene Wohnung im Obergeschoss gemeinsam mit seinem Bruder. Ein Mietvertrag bezüglich dieser Wohnung besteht nicht. Im Rahmen seiner Steuererklärung gab der Kläger an, dass er sich im Streitjahr (2015) mit rund 3.150 Euro an den Haushaltskosten beteiligt habe. So erwarb er für sich und seinen Bruder Lebensmittel und Getränke für rund 1.400 Euro. Im Dezember 2015 überwies er zudem 1.200 Euro mit dem Verwendungszweck "Nebenkosten/Telekommunikation“ sowie 550 Euro mit dem Verwendungszweck "Anteil neue Fenster in 2015“ auf ein Konto seines Vaters. Das Finanzamt sah hierin jedoch keinen ausreichenden Nachweis über eine finanzielle Beteiligung und lehnte den Abzug von Kosten der doppelten Haushaltsführung ab. Der Kläger habe nicht dargelegt, in welcher Höhe monatlich regelmäßig laufende Kosten der Lebensführung für die Haushaltsführung entstanden seien. Die hiergegen gerichtete Klage war jedoch erfolgreich; die Revision des Finanzamts wurde zurückgewiesen.

Die Begründung lautet unter anderem: Bezüglich der Kostenbeteiligung sieht das Gesetz weder eine bestimmte betragsmäßige Grenze vor, noch, dass es sich um eine laufende Beteiligung im Sinne einer mietgleichen Zahlung handeln muss. Deshalb kann sich der Steuerpflichtige dem Grunde nach auch durch Einmalzahlungen - einschließlich solcher am Jahresende - an den Kosten der Haushaltsführung finanziell beteiligen. Eine Haushaltsbeteiligung in sonstiger Form (z.B. durch die Übernahme von Arbeiten im Haushalt oder Dienstleistungen für den Haushalt) genügt insoweit jedoch nicht. Auch darf die finanzielle Beteiligung des Steuerpflichtigen an den Kosten des (Haupt-)Hausstands nicht erkennbar unzureichend sein. Als Vergleichsmaßstab zur Prüfung der ausreichenden finanziellen Beteiligung dienen die im Jahr tatsächlich entstandenen Haushalts- und sonstigen Lebenshaltungskosten. Diese hat der Steuerpflichtige darzulegen und gegebenenfalls nachzuweisen. Ob die finanzielle Beteiligung dann tatsächlich ausreichend ist, lässt sich nicht pauschal beantworten, sondern bedarf einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls.

Praxistipp:
Trotz dieses BFH-Urteils ist es besser, sich an den Anforderungen der Finanzverwaltung zu orientieren, einen Dauerauftrag einzurichten und einen angemessenen Betrag "Beteiligung an den Miet- und Hauskosten" monatlich zu überweisen. Dabei sollte die Zehn-Prozent-Grenze der Finanzverwaltung eingehalten werden, das heißt, es sollten mehr als zehn Prozent der monatlich regelmäßig anfallenden laufenden Kosten der Haushaltsführung übernommen werden.

Praxistipp:
Um Missverständnisse zu vermeiden, sei darauf hingewiesen, dass das Urteil nicht auf den Fall von jüngeren berufstätigen Kindern übertragbar ist, die während der Ausbildung oder nach Beendigung der Ausbildung weiterhin im elterlichen Haushalt ihr Jugendzimmer bewohnen. Hier wird üblicherweise unterstellt, dass die Kinder einen eigenen Hausstand nicht unterhalten, selbst wenn sie sich an den Kosten beteiligen (so zum Beispiel FG Münster, Urteil vom 7.10.2020, 13 K 1756/18 E).
gepostet: 21.07.2023
Haushaltsnahe Dienste: Hausnotrufsystem bei allein lebenden Senioren
Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen sind mit 20 Prozent, höchstens 4.000 Euro im Jahr, von der Steuerschuld abziehbar (§ 35a Abs. 2 EStG). Steuerbegünstigt sind auch die Kosten für ein Hausnotrufsystem, falls die Rufbereitschaft im Rahmen des "Betreuten Wohnens" in einer Seniorenwohneinrichtung erfolgt. Die Kosten, die üblicherweise in der Betreuungspauschale enthalten sind, können somit zu 20 Prozent direkt von der Steuerschuld abgezogen werden (BFH-Urteil vom 28.1.2016, VI R 18/14). Die Kosten für ein Hausnotrufsystem außerhalb des "Betreuten Wohnens" werden von der Finanzverwaltung hingegen nicht zum Abzug zulassen. Der Bundesfinanzhof hat diese Auffassung bestätigt: Die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 für ein Hausnotrufsystem kann nicht in Anspruch genommen werden, wenn dieses im Notfall lediglich den Kontakt zu einer 24-Stunden-Servicezentrale herstellt (BFH-Urteil vom 15.2.2023, VI R 7/21).

Der Sachverhalt: Die im Jahr 1933 geborene Klägerin lebte allein im eigenen Haushalt und nahm ein Hausnotrufsystem in Anspruch. Sie erhielt vom Anbieter ein Gerät, mit dem sie sich im Notfall per Knopfdruck an eine 24-Stunden-Service-Zentrale wenden konnte. Das Finanzamt erkannte die Kosten hierfür nicht an, weil die Dienstleistung nicht im Haushalt der Rentnerin erfolge. Das Finanzgericht gab der Klage zwar statt, doch der BFH sieht dies anders. Die Steuerermäßigung nach § 35a EStG könne nur für haushaltsnahe Dienstleistungen in Anspruch genommen werden, die im Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht würden. An letzterer Voraussetzung fehle es vorliegend. Denn die Klägerin zahle im Wesentlichen für die vom Anbieter des Hausnotrufsystems eingerichtete Rufbereitschaft sowie für die Entgegennahme eines eventuellen Notrufs. Die Rufbereitschaft und die Entgegennahme von eingehenden Notrufen in der Servicezentrale sowie gegebenenfalls die Verständigung Dritter, damit diese vor Ort Hilfe leisten, erfolge jedoch außerhalb der Wohnung der Klägerin und damit nicht in deren Haushalt.

Praxistipp:
Der BFH weist ausdrücklich darauf hin, dass er sich von der erstgenannten Entscheidung aus dem Jahre 2016 abgrenzt. Dort erfolgte der Notruf über einen so genannten Piepser unmittelbar an eine Pflegekraft, die sodann auch die erforderliche Notfall-Soforthilfe übernahm (Quelle: Mitteilung des BFH vom 4.5.2023). Das heißt, dass im Fall des "Betreuten Wohnens" ein Abzug der Kosten für ein Hausnotrufsystem möglich bleibt.
gepostet: 19.07.2023
Umsatzsteuer: Leistungen von Verfahrensbeiständen sind steuerfrei
Um die Interessen eines minderjährigen Kindes in einem gerichtlichen Verfahren zu wahren, wird vom Gericht ein Verfahrensbeistand bestellt, sofern bedeutsame Angelegenheiten für das weitere Leben des Kindes geregelt werden müssen (§ 158 FamFG). Im Jahre 2019 hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die Leistungen eines Verfahrensbeistands umsatzsteuerfrei sind. Zwar könne die Umsatzsteuerfreiheit nicht aus dem deutschen Recht (§ 4 Nr. 25 UStG) hergeleitet werden, doch sie ergäbe sich aus dem europäischen Recht. Darauf könnten sich Betroffene berufen (BFH-Urteil vom 17.7.2019, V R 27/17). Mit dem Jahressteuergesetz 2020 wurde in § 4 Nr. 25 Satz 3 UStG ein neuer Buchstabe d angefügt, so dass die Leistungen der Verfahrensbeistände jetzt auch nach dem deutschem Umsatzsteuerrecht befreit sind. Nunmehr hat das Bundesfinanzministerium zu den Auswirkungen der Gesetzesänderung Stellung genommen (BMF-Schreiben vom 28.4.2023, III C 3 - S 7183/19/10003 :002). Danach gilt:

Nach § 4 Nr. 25 Satz 3 Buchst. d UStG sind Leistungen von der Umsatzsteuer befreit, wenn sie von Einrichtungen erbracht werden, die als Verfahrensbeistand nach den §§ 158, 174 oder 191 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zur Wahrnehmung der Interessen minderjähriger Kinder in Kindschaftssachen, in Abstammungssachen oder in Adoptionssachen bestellt worden sind. Unter die Steuerbefreiung fallen sowohl die von freiberuflich tätigen Rechtsanwälten, Pädagogen sowie Kinder- und Jugendpsychologen erbrachten Beistandsleistungen als auch die Leistungen von Mitarbeitern von Betreuungsvereinen, die vom Familiengericht zum Verfahrensbeistand bestellt wurden. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist, dass die Preise, die diese Einrichtungen verlangen, von den zuständigen Behörden genehmigt sind oder die genehmigten Preise nicht übersteigen. Bei Umsätzen, für die eine Preisgenehmigung nicht vorgesehen ist, müssen die verlangten Preise unter den Preisen liegen, die der Mehrwertsteuer unterliegende gewerbliche Unternehmen für entsprechende Umsätze fordern.

Praxistipp:
Die Grundsätze des aktuellen BMF-Schreibens sind auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31.12.2020 erbracht wurden bzw. erbracht werden. Die Grundsätze des BFH-Urteils vom 17.7.2019 sind in allen offenen Fällen für Umsätze anzuwenden, die bis zum 31.12.2020 erbracht wurden. Für Umsätze, die vor dem 1.1.2021 erbracht wurden, wird es nicht beanstandet, wenn der Unternehmer seine Leistungen abweichend von den Grundsätzen im genannten BFH-Urteil als umsatzsteuerpflichtig behandelt hat.
gepostet: 17.07.2023
Photovoltaikanlage: Vorsteuerabzug aus Reparaturkosten für Hausdach
Wird aufgrund der unsachgemäßen Montage einer unternehmerisch genutzten Photovoltaikanlage das Dach eines eigenen Wohnzwecken dienenden Hauses beschädigt, steht dem Unternehmer für die zur Beseitigung des Schadens notwendigen Zimmerer- und Dachdeckerarbeiten der Vorsteuerabzug zu - so lautet ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom 7.12.2022 (XI R 16/21).

Der Sachverhalt: Der Kläger installierte im Jahr 2009 eine Photovoltaikanlage auf dem Dach seines privat genutzten Hauses. Er lieferte den von der PV-Anlage erzeugten Strom umsatzsteuerpflichtig an den zuständigen Netzbetreiber, ordnete die PV-Anlage rechtzeitig vollständig einem Unternehmen zu und nahm den vollen Vorsteuerabzug für die PV-Anlage in Anspruch. Im Jahr 2019 wurden Schäden am Dach festgestellt. Unzweifelhaft waren diese durch eine unsachgemäße Montage der Anlage entstanden. Zivilrechtliche Ansprüche gegen die Montagefirma der PV-Anlage waren allerdings verjährt. Der Eigentümer ließ das Dach auf eigene Kosten reparieren und begehrte den vollen Vorsteuerabzug aus den Reparaturkosten, weil der Schaden nur durch die unternehmerische Nutzung des Dachs (durch die PV-Anlage) entstanden sei. Das Finanzamt versagte den begehrten Vorsteuerabzug jedoch. Es stellte nicht auf den "wirtschaftlichen Gehalt" der Dachreparatur ab, sondern bezog sich allein darauf, dass das Dach den privaten Wohnraum bedecke. Mithin habe die Dachreparatur den privaten Bereich betroffen und sei umsatzsteuerrechtlich ohne Belang. Die hiergegen gerichtete Klage war zunächst erfolglos, doch der BFH hat der Revision stattgegeben und den Vorsteuerabzug für die Reparaturkosten zugelassen. Maßgebend für den Vorsteuerabzug sei nicht nur die Verwendung der erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen, sondern auch der "ausschließliche Entstehungsgrund des Eingangsumsatzes". Die Reparaturkosten im Zusammenhang mit der unternehmerisch genutzten PV-Anlage seien aufgewendet worden, um anschließend (weiter) Umsätze zu erzielen. Sie seien damit Teil der Kostenelemente für den Betrieb der Anlage. Voraussetzung ist aber, dass die Reparatur nur in dem erforderlichen Umfang erfolgt ist.

Praxistipp:
Der Fall betraf das Jahr 2019 und folglich haben die Handwerker die Dachreparatur mit Umsatzsteuer abgerechnet. Würde man den Fall ins Jahr 2023 verlagern, hätte für die Reparatur des Daches allerdings auch die Umsatzsteuer ausgewiesen werden müssen. Etwas anderes würde indes gelten, wenn es sich bei der "Reparatur" um die (nachträgliche) Lieferung bzw. Installation wesentlicher Komponenten der PV-Anlage und deren Ersatzteile handeln würde. Dann käme ab dem 1.1.2023 der Nullsteuersatz zur Anwendung, sofern die übrigen Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 Nr. 1 UStG erfüllt sind (Abschnitt 12.18 Abs. 8 UStAE). Voraussetzung ist danach insbesondere der Betrieb der Anlage auf oder in der Nähe von Privatwohnungen.
gepostet: 15.07.2023
Vorsorgeaufwendungen: Entlastung bei Tätigkeit im EU-/EWR-Ausland
Vorsorgeaufwendungen, die während einer Tätigkeit im EU-/-EWR-Ausland oder in der Schweiz entrichtet wurden, sind als Sonderausgaben in Deutschland absetzbar. Insoweit gibt es eine Begünstigung gegenüber Tätigkeiten in so genannten Drittstaaten. Für einen Abzug in Deutschland müssen aber bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Eine dieser Voraussetzungen lautet, dass der Beschäftigungsstaat keinerlei steuerliche Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen im Rahmen der Besteuerung dieser Einnahmen zulässt. Die Wörter "keinerlei steuerliche Berücksichtigung" sind an sich eindeutig, haben aber dennoch zu einigen Verfahren vor dem Bundesfinanzhof geführt. Der BFH hat mit mehreren Urteilen entschieden, dass Beiträge zur Pflegeversicherung aus dem EU-Ausland in Deutschland auch dann als Sonderausgaben absetzbar sind, wenn der Steuerpflichtige im Ausland zwar eine Entlastung für die Beiträge zur Renten- und Krankenversicherung erhalten hat, aber eben nicht für die Pflegeversicherung. Das bedeutet: Die Wörter "keinerlei steuerliche Berücksichtigung" sind für den jeweiligen Versicherungszweig gesondert zu prüfen.

In einem Verfahren hatte ein in Deutschland lebender Rentner geklagt, der seinerzeit in Luxemburg als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen war und seit seinem Ruhestand eine gesetzliche Altersrente aus Luxemburg bezieht, die dort besteuert wird. Nach luxemburgischem Einkommensteuerrecht sind zwar Renten- und Krankenversicherungsbeiträge absetzbar, nicht aber - anders als in Deutschland - Beiträge zur Pflegeversicherung. Den deshalb vom Kläger begehrten Sonderausgabenabzug für die Pflegeversicherung lehnte das deutsche Finanzamt ab. Der Kläger habe schließlich in Luxemburg eine steuerliche Entlastung seiner Vorsorgeaufwendungen erhalten, wenn auch nicht für Pflegeversicherung. Die hiergegen gerichtete Klage hatte aber Erfolg und der BFH bestätigt die Auffassung der Vorinstanz.

Die Voraussetzungen der Ausnahmeregel lägen vor. Soweit ein inländischer Sonderausgabenabzug auch davon abhängt, dass der (ehemalige) Beschäftigungsstaat - hier Luxemburg - keinerlei steuerliche Berücksichtigung zulässt, verbietet sich nach Ansicht des BFH eine Zusammenfassung sämtlicher gezahlter Vorsorgeaufwendungen. Vielmehr sei die jeweilige Versicherungssparte für sich zu beurteilen. Die Beiträge zur Pflegeversicherung seien folglich abzugsfähig (BFH-Urteil vom 27.10.2021, X R 11/20; im gleichen Sinne: BFH-Urteil vom 10.11.2021, X R 13/20).

In einer weiteren Entscheidung hat der BFH zudem klargestellt, dass Beiträge zu einer bestimmten Versicherungssparte, die bereits im Rahmen der Besteuerung im ausländischen Beschäftigungsstaat zum Abzug zugelassen sind, nicht nochmals in Deutschland steuermindernd berücksichtigt werden können. Ein solcher "double dip" könne weder nach nationalem Recht noch nach Maßgabe unionsrechtlicher Grundfreiheiten eingefordert werden (BFH-Urteil vom 27.10.2021, X R 28/20).
gepostet: 13.07.2023
Aufgeschobener Rentenbeginn: Welcher Besteuerungsanteil gilt?
Viele Bürger sehnen den Renteneintritt herbei und möchten ihre Rente so früh wie möglich beziehen. Es gibt allerdings auch Personen, die noch etwas länger arbeiten und die Rente erst später in Anspruch nehmen möchten. In diesen Fällen stellt sich die Frage, welchem Besteuerungsanteil die jeweilige Rente unterliegt. Antwort: Nach derzeitiger Auffassung ist der Besteuerungsanteil bei einem späteren Rentenbezug höher als bei einem frühzeitigen Renteneintritt, da der maßgebende § 22 EStG nicht auf das Renteneintrittsalter, sondern auf das Kalenderjahr des Rentenbeginns abstellt. Das heißt, der Besteuerungsanteil beträgt bei einem Rentenbeginn im Jahre 2022 "nur" 82 Prozent, während er sich bei einem Rentenbeginn im Jahre 2023 auf 83 Prozent erhöht. Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass der steuerlich maßgebende "Rentenbeginn" immer das Jahr der tatsächlichen Bewilligung ist, auch wenn bereits früher ein Rentenanspruch besteht und dieser auf Antrag des Berechtigten hinausgeschoben wird (BFH-Urteil vom 31.8.2022, X R 29/20). Doch gegen das Urteil des BFH ist Verfassungsbeschwerde erhoben worden. Das Verfahren ist beim Bundesverfassungsgericht unter dem Az. 2 BvR 2212/22 anhängig.
gepostet: 11.07.2023
Gewerbesteuer: Aktuelles zur Hinzurechnung bei Veranstaltungsbetrieben
Für Zwecke der Gewerbesteuer wird der Gewinn aus Gewerbebetrieb durch Hinzurechnungen und Kürzungen modifiziert. Hinzuzurechnen sind unter anderem im bestimmten Umfang Miet- und Pachtzinsen, die zuvor als Betriebsausgaben abgezogen wurden. Im Jahre 2022 hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass Entgelte für Messestandflächen, die ein Unternehmen zu Ausstellungszwecken anmietet, nur dann der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung unterliegen, wenn die Messestandfläche bei unterstelltem Eigentum des ausstellenden Unternehmens zu dessen Anlagevermögen gehören würde (BFH-Beschluss vom 23.3.2022, III R 14/21).

Aktuell hat sich der BFH mit der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung bei einem Unternehmen befasst, das als Messe-, Ausstellungs- und Kongressveranstalter tätig war. Sein Urteil lautet: Mietet eine GmbH, die für ihre Kunden Events und Produktionen organisiert, hierfür bewegliche Wirtschaftsgüter (insbesondere Ausstattungsgegenstände) und unbewegliche Wirtschaftsgüter (insbesondere Locations) an, hängt die Eigenschaft als - fiktives - Anlagevermögen und damit die gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung dieser Aufwendungen davon ab, ob die GmbH längerfristig dieselben oder wiederholt kurzfristig vergleichbare Wirtschaftsgüter vorhalten muss, um mit diesen - entsprechend einem Produktionsmittel - immer wieder neue Events organisieren zu können. Werden die betreffenden Wirtschaftsgüter dagegen voraussichtlich nur für ein einzelnes Event verwendet und fehlt es an der Austauschbarkeit mit anderen angemieteten beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgütern, spricht dies dafür, dass sie in das Produkt "Einzelevent“ eingehen und nur dem Umlaufvermögen zuzuordnen wären. Im letzteren Fall scheidet eine gewerbesteuerliche Hinzurechnung der Mietaufwendungen aus.

Der BFH konnte nicht abschließend entscheiden und hat die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen. Diese muss den Sachverhalt weiter aufklären. Allerdings nennt der BFH folgende weitere Kriterien für eine Einordnung der Aufwendungen: Es könnte sich beispielsweise ergeben, dass die Miete für einige längerfristig oder wiederholt kurzfristig angemietete gleichartige bewegliche Wirtschaftsgüter (wie zum Beispiel Bestuhlungen, Beleuchtungssysteme, Tonanlagen, Ausstellungsvitrinen oder Cateringausstattungen) sowie für gleichartige unbewegliche Wirtschaftsgüter (wie Veranstaltungs- oder Produktionsräume) trotz nur auftragsbezogener Anmietung hinzuzurechnen ist, weil diese wie Werkzeuge eines Warenfabrikanten der Herstellung von Produkten (hier: der Events) dienen. Demgegenüber könnten angemietete Locations oder Ausstattungsgegenstände gewissermaßen in das "Produkt Event“ eingehen, weil sie voraussichtlich nur für einen einzelnen Event Verwendung finden und es an der Austauschbarkeit mit anderen angemieteten beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgütern fehlt.
gepostet: 09.07.2023
Einzel- oder Zusammenveranlagung: Zum Wechsel der Veranlagungsart
Ehegatten können bei der Abgabe ihrer Steuererklärung zwischen der Einzelveranlagung und der Zusammenveranlagung wählen. Wird von dem Wahlrecht nicht oder nicht wirksam Gebrauch gemacht, so unterstellt das Finanzamt eine Zusammenveranlagung. Manchmal erkennen Ehegatten erst im Nachhinein, dass die von ihnen gewählte oder die vom Finanzamt unterstellte Veranlagungsart ungünstig ist und möchten beispielsweise anstelle der Einzelveranlagung doch die Zusammenveranlagung wählen. Dann stellt sich die Frage, ob ein Wechsel der Veranlagungsart im Nachhinein, das heißt nach Ergehen der Steuerbescheide, noch möglich ist. Die Antwort: Grundsätzlich können die Eheleute einen Wechsel der Veranlagungsart beantragen, solange der Steuerbescheid oder die Steuerbescheide noch nicht unanfechtbar ist/sind, also innerhalb eines Monats nach dessen/deren Bekanntgabe. Nach Ablauf dieser Frist kommt ein Wechsel der Veranlagungsart nur noch in ganz engen Grenzen in Betracht, die in § 26 Abs. 2 Satz 4 EStG aufgeführt sind. In diesem Sinne hat auch das Finanzgericht Köln entschieden: Ehegatten können ihr Wahlrecht der Veranlagungsart bis zur Unanfechtbarkeit eines Bescheids - auch mehrfach - ausüben und die einmal getroffene Wahl innerhalb dieser Frist grundsätzlich frei widerrufen. Eine wirksame Ausübung oder Änderung des Wahlrechts ist dagegen nach Eintritt der Unanfechtbarkeit nur noch unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 Satz 4 EStG möglich (FG Köln, Urteil vom 26.9.2022, 15 K 469/22). Die geänderte Ausübung eines Antrags- oder Wahlrechts stelle für sich genommen keine verfahrensrechtliche Grundlage für eine Änderung von Bescheiden dar.

Praxistipp:
Zwar ist die Zusammenveranlagung von Ehegatten zumeist die bessere Wahl, letztlich kommt es aber doch auf den konkreten Fall an. So gibt es durchaus Fälle, in denen die Einzelveranlagung von Eheleuten sinnvoll ist. Es ist also stets ein genaues Durchrechnen erforderlich. Wir möchten allerdings davor warnen, die Zustimmung zur Zusammenveranlagung aufgrund eines Streits zwischen den Partnern willkürlich zu verweigern, wenn diese im Trennungsjahr noch in Betracht kommen könnte und gegenüber der Einzelveranlagung die günstigere Variante ist. So hat beispielsweise das Oberlandesgericht Celle entschieden: Verletzt ein Ehegatte seine Verpflichtung, gemäß § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB der gemeinsamensteuerlichen Veranlagung der Ehegatten (§ 26 EStG) zuzustimmen, kann dem anderen Ehegatten ein Erstattungsanspruch aus § 816 Abs. 2 BGB bzw. ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB zustehen (OLG Celle, Beschluss vom 2.4.2019, 21 UF 119/18).
gepostet: 07.07.2023
Immobilienverkauf: Nutzung durch Vater oder Mutter gilt nicht als Eigennutzung
Wer sein Eigenheim verkauft, muss keinen Veräußerungsgewinn ("Spekulationsgewinn") versteuern, selbst wenn zwischen Erwerb und Verkauf nicht mehr als zehn Jahre liegen. Voraussetzung ist aber, dass die Immobilie zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die unentgeltliche Überlassung einer Wohnung an ein unterhaltsberechtigtes Kind noch als Eigennutzung der Eltern gilt, wenn die Eltern für ihr Kind noch Kindergeld oder den Kinderfreibetrag erhalten (BFH-Urteil vom 24.5.2022, IX R 28/21). Kürzlich hat das Finanzgericht Düsseldorf entschieden, dass die Überlassung einer Wohnung an einen unterhaltsberechtigten Elternteil aber nicht als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Sinne des § 23 EStG gilt und der Verkauf der Immobilie innerhalb der zehnjährigen "Spekulationsfrist" steuerpflichtig ist (FG Düsseldorf, Urteil vom 2.2.2023, 14 K 1525/19 E,F).

Der Sachverhalt: Die Kläger (Eheleute) erwarben im Jahr 2009 eine Eigentumswohnung, die sie unentgeltlich an die Mutter der Klägerin überließen. Nach dem Tod der Mutter im Jahr 2016 verkauften die Kläger die Wohnung. Das Finanzamt berücksichtigte einen Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG aufgrund des Verkaufs der Wohnung. Es war der Ansicht, dass die Überlassung an die Mutter/Schwiegermutter anders als eine Überlassung an unterhaltsberechtigte Kinder keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG darstelle. Der Verkauf sei daher steuerpflichtig. Dagegen trugen die Eheleute unter anderem vor, eine Differenzierung zwischen unterhaltsberechtigten Kindern und anderen zivilrechtlich unterhalts-berechtigten Personen sei widersprüchlich. Doch mit dieser Argumentation vermochten sie weder das Finanzamt noch das Finanzgericht zu überzeugen. Nach Ansicht des FG Düsseldorf ist die Differenzierung zwischen einer Überlassung an unterhaltsberechtigte Kinder und Eltern dadurch gerechtfertigt, dass bei Kindern typisierend eine Unterhaltspflicht und das Entstehen von Aufwendungen für die Eltern anzunehmen sei. Dagegen sei bei anderen unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Einzelfallprüfung erforderlich.

Praxistipp:
Die Kläger hatten in den Vorjahren keine Unterhaltsleistungen an die Mutter/Schwiegermutter geltend gemacht (§ 33a EStG). Ob das Finanzgericht anders entschieden hätte, wenn deren Bedürftigkeit tatsächlich dargelegt worden wäre, ist nicht erkennbar. Es wurde aber die Revision zugelassen. Bei Redaktionsschluss war noch nicht bekannt, ob diese eingelegt wurde.
gepostet: 05.07.2023
Fahrtkosten: Piloten und Flugbegleiter haben erste Tätigkeitsstätte am Flughafen
Aufwendungen für die Fahrten zur Arbeit, das heißt zur ersten Tätigkeitsstätte, dürfen nur mit der Entfernungspauschale steuerlich geltend gemacht werden, während Fahrten zu Auswärtstätigkeiten nach Reisekostengrundsätzen zu berücksichtigen sind. In den vergangenen Jahren mussten sich die Finanzgerichte mehrfach mit der Frage beschäftigen, ob auch Piloten und Flugbegleiter eine erste Tätigkeitsstätte haben. Zwar üben sie ihre Berufstätigkeit überwiegend im Flugzeug aus, allerdings verbringen sie einen Teil ihrer Arbeit auch "am Boden", das heißt am Flughafen.

Der Bundesfinanzhof hatte bereits entschieden, dass der Einsatzflughafen grundsätzlich die erste Tätigkeitsstätte darstellt, wenn der Arbeitgeber, also die Fluggesellschaft, am Einsatzflughafen über eine ortsfeste betriebliche Einrichtung verfügt, der der Mitarbeiter laut Arbeitsvertrag oder Weisung dauerhaft zugeordnet ist. Weitere Voraussetzung sei, dass der Mitarbeiter hier zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten erbringen müsse, die er arbeitsvertraglich schuldet und die zu seinem Berufsbild gehören (BFH-Urteil vom 11.4.2019, VI R 40/16; BFH-Urteil vom 10.4.2019, VI R 17/17). Jüngst hat auch das Finanzgericht Hamburg in diesem Sinne geurteilt. Piloten und Flugbegleiter haben ihre erste Tätigkeitsstätte am Abflughafen. Erforderlich, aber auch ausreichend sei es, dass sie dort zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen haben, die sie arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schulden und die zu ihrem Berufsbild gehören (FG Hamburg, Urteil vom 24.11.2022, 6 K 207/21, NZB VI B 4/23).

Der Sachverhalt: Die verheirateten Kläger, ein Pilot und eine Flugbegleiterin, beantragten, dass ihre Fahrten von der Wohnung zu ihrem regelmäßigen Abflughafen sowie Verpflegungspauschbeträge und Übernachtungskosten nach Dienstreisegrundsätzen als Werbungskosten zu berücksichtigen seien. Das Finanzamt lehnte dies ab, setzte lediglich die Entfernungspauschale für die Fahrtkosten an und bekam Unterstützung durch das Finanzgericht. Begründung: Die Kläger seien der betrieblichen Einrichtung dauerhaft und unbefristet zugeordnet. Zudem seien sie am Flughafen in dem erforderlichen Umfang tätig geworden. Relevant für die Beurteilung seien dabei nur die am Boden durchgeführten Tätigkeiten, während die Tätigkeiten, die im Flugzeug durchgeführt würden, nicht maßgeblich für die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte seien. Die Kläger seien verpflichtet, vor jedem Flug eine bestimmte Zeit vorher am Flughafen zu sein, um insbesondere Briefinggespräche durchzuführen. Für die Durchführung der Briefings seien am Flughafen spezielle Räume vorgesehen. Deshalb sei diese Tätigkeit, auch wenn sie im Vergleich zur Flug- und sonstigen Umlaufzeit einen geringen zeitlichen Umfang beanspruche, ausreichend, um eine erste Tätigkeitstätte zu begründen.
gepostet: 03.07.2023
Auslandsinvestitionen: Kein Abzug finaler ausländischer Betriebsstättenverluste
Inländische Unternehmen dürfen die Verluste, die sie aus einer im EU-Ausland belegenen Niederlassung erwirtschaftet haben, nicht steuermindernd mit im Inland erzielten Gewinnen verrechnen, wenn nach dem jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen für die ausländischen Einkünfte kein deutsches Besteuerungsrecht besteht. Das gilt auch dann, wenn die Verluste im Ausland steuerrechtlich unter keinen Umständen verwertbar und damit "final“ sind. Dies verstößt nicht gegen das Recht der Europäischen Union - so der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 22.2.2023 (I R 35/22).

In dem vom BFH entschiedenen Fall hatte eine in Deutschland ansässige Bank im Jahr 2004 in Großbritannien eine Zweigniederlassung eröffnet. Nachdem die Zweigniederlassung jedoch durchgehend nur Verluste erwirtschaftet hatte, wurde sie im Jahr 2007 wieder geschlossen. Da die Filiale niemals Gewinne erzielt hatte, konnte die Bank die in Großbritannien erlittenen Verluste dort steuerlich nicht nutzen. Der BFH führt aus, dass die Verluste auch in Deutschland nicht nutzbar sind. Denn nach dem einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen unterliegen Betriebsstätteneinkünfte aus Großbritannien nicht der deutschen Besteuerung. Vergleichbare Regelungen enthalten eine Vielzahl der von Deutschland abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen. Fazit: Wenn einerseits ausländische Gewinne in Deutschland nicht versteuert werden müssten, sollen andererseits auch Verluste nicht berücksichtigt werden. Wie der BFH nach Anrufung des Europäischen Gerichtshofs weiter entschied, verstößt dieser Ausschluss des Verlustabzugs auch im Hinblick auf so genannte finale Verluste nicht gegen das Unionsrecht.

Ursprünglich gingen sowohl der EuGH als auch der BFH davon aus, dass aus Gründen der unionsrechtlichen Niederlassungsfreiheit ein Verlustabzug möglich ist, wenn und soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass die Verluste im ausländischen Betriebsstättenstaat "final“ sind. Das EuGH-Urteil Timac Agro Deutschland vom 17.12.2015 (C-388/14) war jedoch vom BFH (Urteil vom 22.2.2017, I R 2/15/17) als Aufgabe dieser Rechtsprechung verstanden worden. Nachdem jedoch aufgrund weiterer EuGH-Entscheidungen daran Zweifel aufgekommen waren, hatte der BFH den EuGH erneut zur Klärung angerufen. Dieser hat mit Urteil vom 22.9.2022 (C-538/20) sein Urteil Timac Agro Deutschland - und damit im Ergebnis die Aufgabe der früheren Rechtsprechung - bestätigt (Mitteilung des BFH vom 27.4.2023).
gepostet: 01.07.2023
Juni 2023
Verkauf des Eigenheims nach Trennung: Steuerpflicht des Veräußerungsgewinns
Ein Verkauf des Eigenheims bleibt selbst dann von der Einkommensteuer verschont, wenn An- und Verkauf innerhalb der zehnjährigen Spekulationsfrist liegen. Voraussetzung dafür ist, dass die Immobilie im Zeitraum zwischen Anschaffung bzw. Fertigstellung und Veräußerung ununterbrochen zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde (Alternative 1) oder im Jahr des Verkaufs und in den beiden Vorjahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde (Alternative 2). Doch Folgendes sollte unbedingt beachtet werden: Trennen sich die Miteigentümer einer Immobile und zieht einer der beiden aus der Wohnung aus, während der andere - eventuell mit den gemeinsamen Kindern - in der Wohnung bleibt, so liegt hinsichtlich des Teils des ausgezogenen Partners keine "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" mehr vor. Folge: Wird die Immobilie innerhalb des Zehn-Jahres-Zeitraums veräußert, muss der Partner, der ausgezogen ist, ggf. einen Veräußerungsgewinn versteuern. So hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 14.2.2023 (IX R 11/21) entschieden.

Der Kläger erwarb in 2008 zusammen mit seiner damaligen Ehefrau ein Einfamilienhaus zu jeweils hälftigem Miteigentum. Dieses bewohnten der Kläger, seine Ex-Frau und der gemeinsame Sohn fortan als Familienheim. Aufgrund der Trennung von seiner Frau zog der Kläger in 2015 aus dem gemeinsamen Haus aus. Im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung veräußerte er seinen Anteil an dem Familienheim an die Ex-Frau. Dies geschah im Jahre 2017, also noch innerhalb der zehnjährigen Spekulationsfrist. Einen Veräußerungsgewinn versteuerte er nicht. Dazu führte er mehrere Gründe an. So habe ihm seine Frau mit der Zwangsversteigerung gedroht, wenn er seinen Anteil nicht an sie veräußern würde. So sei er quasi gezwungen gewesen, seinen Miteigentumsanteil vor Ablauf der Spekulationsfrist zu veräußern, um einen angemessenen Preis beim Verkauf zu erzielen und damit einen wirtschaftlichen Schaden soweit wie möglich zu vermeiden. Im Übrigen habe er seinen hälftigen Miteigentumsanteil nach seinem Auszug nicht seiner Frau, sondern seinem Sohn unentgeltlich überlassen. Und dies gelte noch als Selbstnutzung. Doch das Finanzamt war anderer Auffassung und versteuerte einen Veräußerungsgewinn. Einspruch, Klage und Revision blieben erfolglos.

Begründung: Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken setzt voraus, dass eine Immobilie tatsächlich vom Steuerpflichtigen bewohnt wird. Keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liegt vor, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung an einen Dritten überlässt, ohne sie zugleich selbst zu bewohnen. Zwar ist eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken zu bejahen, wenn der Steuerpflichtige Teile einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung oder die Wohnung insgesamt einem steuerlich zu berücksichtigenden Kind überlässt. Überlässt er die Wohnung aber nicht ausschließlich einem steuerlich zu berücksichtigenden Kind zur Nutzung, sondern zugleich einem Dritten (z.B. der Kindesmutter bzw. dem Kindesvater), liegt keine begünstigte Nutzung zu eigenen Wohnzwecken vor. Das heißt: Besteht die Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft nicht mehr fort und überlässt der unterhaltsverpflichtete Eigentümer den von ihm getrenntlebenden Ehegatten an Stelle des Barunterhalts eine Wohnung zur unentgeltlichen Nutzung, wird die Wohnung aus der Sicht des überlassenden Ehegatten nicht zu eigenen, sondern zu fremden Wohnzwecken genutzt. Dass das gemeinsame Kind in der Wohnung verbleibt, ist insoweit ohne Belang. Eine willentliche Veräußerung kann auch dann vorliegen, wenn der Ehegatte seinen Miteigentumsanteil an dem Einfamilienhaus vor dem Hintergrund der drohenden Zwangsvollstreckung im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung (entgeltlich) auf seinen geschiedenen Ehepartner überträgt. Ob sich der Verkäufer in einer wirtschaftlichen oder emotionalen Zwangssituation befand, ist grundsätzlich ohne Bedeutung. Der Motivlage kommt - abgesehen von den Fällen, in denen der Verlust des Eigentums (aufgrund eines Hoheitsakts) der freien Willensentschließung des Steuerpflichtigen entzogen ist - regelmäßig keine Relevanz zu.

Praxistipp:
Falls möglich, sollte in ähnlichen Fällen mit dem Verkauf der Immobilie oder des Grundstücksteils bis zum Ablauf der zehnjährigen Haltefrist gewartet werden. Ein weitere Möglichkeit wäre zwar noch der Verkauf unmittelbar nach Auszug, um die o.g. Alternative 2 zu erfüllen. Doch ein Verkauf unter Zeitdruck ist oftmals nicht ratsam.
gepostet: 30.06.2023
Betriebsprüfung: Gemeindebeamte dürfen auch bei Interessenkonflikt teilnehmen
In jüngster Zeit ist häufiger festzustellen, dass Gemeindebedienstete an einer Betriebsprüfung des Finanzamtes teilnehmen. Einzelne Gemeinden haben dafür sogar extra Betriebsprüfer eingestellt, die die Außenprüfungen des Finanzamtes zumindest bei Großunternehmen begleiten sollen. Offenbar geht es darum, das Gewerbesteueraufkommen der Gemeinden zu sichern oder zu erhöhen. Wie der Bundesfinanzhof nun geurteilt hat, kann die Teilnahme eines solchen zusätzlichen Prüfers nicht verhindert werden - und zwar selbst dann nicht, wenn Vertragsbeziehungen zwischen dem zu prüfenden Steuerpflichtigen und der Gemeinde bestehen (BFH-Urteil vom 20.10.2022, III R 25/21).

Im zugrundeliegenden Fall unterhielt das zu prüfende Unternehmen mit der Stadt und deren Tochtergesellschaften Vertragsbeziehungen. Die Vorinstanz, das Finanzgericht Düsseldorf, hatte entschieden, dass in einem solchen Fall die Gefahr bestehe, dass der Gemeindebedienstete durch die Prüfung Einblicke in sensible Daten des Unternehmens wie etwa Kalkulationsgrundlagen und weitere Vertragsbeziehungen erhalte. Es seien daher Schutzmaßnahmen erforderlich, um eine Kenntnisnahme dieser Daten durch den Gemeindebediensteten zu verhindern. Da die Teilnahmeanordnung des beklagten Finanzamtes solche Sicherungsmaßnahmen nicht enthalten habe, sei sie rechtswidrig - so die Finanzrichter. Doch der BFH hat der Revision stattgegeben.

Die Teilnahme des Gemeindeprüfers an der Außenprüfung des Finanzamtes sei zulässig. Die berechtigten Interessen des Steuerpflichtigen in Bezug auf die Nichtoffenlegung von Unterlagen, die für die Vertragsbeziehung relevant sind, seien dadurch zu schützen, dass der Außenprüfer des Finanzamtes während der jeweiligen Außenprüfung darüber entscheidet, welche Informationen er an den Gemeindeprüfer weitergibt. Der Steuerpflichtige habe dem Außenprüfer im Rahmen seiner Informations- und Mitwirkungspflicht während der Außenprüfung Gegenstand und Umfang der Vertragsbeziehungen zur Gemeinde zu erläutern und die Unterlagen und/oder Daten im Einzelnen zu bezeichnen, die von der Offenbarung gegenüber dem Gemeindebediensteten ausgenommen werden sollen. Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts müsse die Teilnahmeregelung keine abstrakten Schutzmechanismen bezeichnen, die verhindern sollen, dass zur Kenntnis des Gemeindeprüfers gelangte sensible Daten innerhalb der Gemeindeverwaltung an mit den Vertragsbeziehungen befasste Bedienstete weitergeleitet werden.

Praxistipp:
Entscheidet sich das Finanzamt trotz des Geheimhaltungsbegehrens des Steuerpflichtigen für eine Offenlegung, muss es dies mit einem Verwaltungsakt begründen. Hiergegen kann sich der Steuerpflichtige im Wege des - auch einstweiligen - Rechtsschutzes wehren. Insofern sind betroffene Steuerbürger also nicht schutzlos.
gepostet: 29.06.2023
Scheidung: Zahlungen zur Wiederauffüllung einer Rentenanwartschaft
Kommt es im Rahmen einer Scheidung zum Versorgungsausgleich, verliert der Ausgleichsverpflichtete einen Teil seiner Rentenanwartschaften. Nach dem Sozialgesetzbuch und den Satzungen der Versorgungswerke besteht allerdings zumeist die Möglichkeit, die Rentenanwartschaften ganz oder teilweise wieder aufzufüllen (§ 187 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI). Das Bundesfinanzministerium hat zur steuerlichen Behandlung von Wiederauffüllungszahlungen wie folgt Stellung genommen (BMF-Schreiben vom 21.3.2023, IV C 3-S 2221/19/10035 :001):
- Die ausgleichspflichtige Person kann jederzeit freiwillig Zahlungen vornehmen, um aufgrund eines durchgeführten Versorgungsausgleichs geminderte eigene Versorgungsanwartschaften wieder aufzufüllen. Beiträge in die gesetzlichen Rentenversicherungen, zur landwirtschaftlichen Alterskasse oder zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen sowie zu zertifizierten Basisrentenverträgen können im Jahr der Zahlung als Sonderausgaben im Rahmen des Höchstbetrages nach § 10 Abs. 3 EStG berücksichtigt werden (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst a und b EStG).
- Zahlungen zur Auffüllung eines geminderten Versorgungsanspruchs im Sinne des § 19 EStG, also zur Auffüllung von späteren Pensionsleistungen, können im Jahr der Zahlung als vorweggenommene Werbungskosten berücksichtigt werden, da dies den Bezug höherer Versorgungsbezüge sichert.

Praxistipp:
Die Auffassung des BMF entspricht dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19.8.2021 (X R 4/19). Im Jahre 2022 sind die Altersvorsorgebeiträge insgesamt absetzbar bis zu 25.639 Euro bei Ledigen und 51.278 Euro bei Verheirateten. Davon wirken sich 94 Prozent steuermindernd aus. Im Jahre 2023 beträgt der abzugsfähige Höchstbetrag für Altersvorsorgeaufwendungen 26.528 Euro bei Alleinstehenden und 53.056 Euro bei Verheirateten. Der Höchstbetrag wird seit 2023 zwar nicht weiter gekürzt. Dennoch empfiehlt es sich auch ab 2023, Wiederauffüllungszahlungen auf mehrere Jahre zu verteilen, sofern dies wirtschaftlich sinnvoll und nach der Satzung des Versorgungsträgers zulässig ist. Der Grund liegt darin, dass der Höchstbetrag oft schon zum Teil durch die laufenden Rentenversicherungsbeiträge ausgeschöpft ist, so dass sich zusätzliche (Einmal-)Zahlungen nur begrenzt auswirken.
gepostet: 27.06.2023
Bewirtungskosten: Abschiedsfeier darf nicht zu teuer sein
Aufwendungen für eine Feier anlässlich der Verabschiedung in den Ruhestand können prinzipiell als Werbungskosten zu berücksichtigen sein. Das gilt zumindest dann, wenn die Gäste ausschließlich aktuelle Mitarbeiter, Kollegen und Vorgesetzte waren (BFH-Beschluss vom 26.1.2010, VI B 95/09). Sind Aufwendungen für eine Feier hingegen gemischt veranlasst, weil daran sowohl Gäste aus dem privaten als auch aus dem beruflichen Umfeld teilgenommen haben, wäre hingegen zu prüfen, ob wenigstens eine teilweise Berücksichtigung der Kosten - hinsichtlich der Gäste aus dem beruflichen bzw. geschäftlichen Umfeld - in Betracht kommt (BFH-Urteil vom 18.8.2016, VI R 52/15).

In einem aktuellen Urteil hat das Finanzgericht Nürnberg den Abschied eines GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers aus dem Berufsleben zwar als beruflich veranlasst angesehen, die Kosten für die Abschiedsfeier aber dennoch nicht steuermindernd anerkannt. Im Streitfall kamen die Richter zu dem Ergebnis, dass aufgrund des Ortes der Veranstaltung und des qualitativ extrem hochwertigen Unterhaltungsprogramms besondere Umstände vorgelegen hätten, die zur Annahme eines unangemessenen Repräsentationsaufwandes geführt hätten (FG Nürnberg, Urteil vom 19.10.2022, 3 K 51/22).

Der Geschäftsführer hatte zu einer exklusiven Abschiedsfeier auf einen historischen Gutshof eingeladen. Für die Feier entstanden Aufwendungen in Höhe von 94.980 Euro netto. Es wurden insgesamt 162 Gäste bewirtet. Die "Dankeschön Party" fand im Stil einer Zirkusveranstaltung statt. Das Finanzamt hatte zunächst den für Betriebsveranstaltungen maßgeblichen Freibetrag von 110 Euro, multipliziert mit der Anzahl der Mitarbeiter, anerkannt. Den übersteigenden Betrag beurteilte das Finanzamt als unangemessen. Nachdem sich der Kläger hiermit nicht einverstanden erklärte, wurden die Aufwendungen für die Abschiedsfeier insgesamt nicht berücksichtigt. Dem stimmte das Finanzgericht zu. Nach Auffassung der Richter stellten die Aufwendungen angesichts der luxuriösen Örtlichkeit, des außergewöhnlichen Unterhaltungsprogramms und der aufwendigen Ausstattung der Feier unangemessenen Repräsentationsaufwand dar. Damit seien die Grenzen des Üblichen bei Weitem überschritten und selbst ein teilweiser Abzug der Aufwendungen sei nicht zulässig.
gepostet: 25.06.2023
Schriftsteller, Journalisten, Lehrtätigkeit: Erhöhte Betriebsausgabenpauschale
Parallel zur Anhebung der Betriebsausgabenpauschale für Kindertagespflegepersonen wurden auch die Betriebsausgabenpauschalen für Schriftsteller und Journalisten sowie wissenschaftliche, künstlerische und schriftstellerische Nebentätigkeiten angehoben (BMF-Schreiben vom 6.4.2023, IV C 6-2246/20/10002 :001). Konkret: Es wird nicht beanstandet, wenn die Betriebsausgaben ab dem Jahre 2023 wie folgt pauschaliert werden:
- bei hauptberuflicher selbständiger schriftstellerischer oder journalistischer Tätigkeit auf 30 Prozent der Betriebseinnahmen aus dieser Tätigkeit, höchstens jedoch 3.600 Euro jährlich,
- bei wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Nebentätigkeit (auch Vortrags- oder nebenberufliche Lehr- und Prüfungstätigkeit), soweit es sich nicht um eine Tätigkeit i.S. des § 3 Nummer 26 EStG handelt, auf 25 Prozent der Betriebseinnahmen aus dieser Tätigkeit, höchstens jedoch 900 Euro jährlich. Der Höchstbetrag von 900 Euro kann für alle Nebentätigkeiten, die unter die Vereinfachungsregelung fallen, nur einmal gewährt werden.

Praxistipp:
Bis 2022 gelten folgende Sätze: Für die erste Gruppe 30 Prozent, höchstens 2.455 Euro; für die zweite Gruppe 25 Prozent, höchstens 614 Euro. Selbstverständlich bleibt es den genannten Berufsgruppen unbenommen, etwaige höhere Betriebsausgaben geltend zu machen.

Praxistipp:
Nach § 3 Nr. 26 EStG sind bestimmte Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten ohnehin bis zu 3.000 Euro im Jahr steuerfrei. Dies betrifft zum Beispiel Einnahmen aus nebenberuflichen künstlerischen Tätigkeiten im Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts.
gepostet: 23.06.2023
Gewerbesteuer: Hinzurechnung von Mieten für Messestandflächen
Für Zwecke der Gewerbesteuer wird der Gewinn aus Gewerbebetrieb durch Hinzurechnungen und Kürzungen modifiziert. Hinzuzurechnen sind unter anderem im bestimmten Umfang Miet- und Pachtzinsen, die zuvor als Betriebsausgaben abgezogen wurden. Seit Jahren besteht ein Streit darüber, ob auch Entgelte für Messestandflächen unter die Hinzurechnung fallen. Kürzlich hat der Bundesfinanzhof dazu wie folgt entschieden: Entgelte für Messestandflächen, die ein Unternehmen zu Ausstellungszwecken anmietet, unterliegen nur dann der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung, wenn die Messestandfläche bei unterstelltem Eigentum des ausstellenden Unternehmens zu dessen Anlagevermögen gehören würde (BFH-Beschluss vom 23.3.2022, III R 14/21).

Nunmehr hat der BFH seine Rechtsprechung fortgeführt: Die Zugehörigkeit zum Anlagevermögen ist nach den Umständen des Einzelfalls zu verneinen, wenn der Steuerpflichtige primär ein Produktionsunternehmen unterhält und auch hinsichtlich des daneben ausgeübten Vertriebs der Produkte unter Berücksichtigung der Häufigkeit und Dauer der Messeteilnahme für seinen geschäftlichen Erfolg nicht auf das dauerhafte Vorhandensein der angemieteten Wirtschaftsgüter angewiesen ist (BFH-Urteil vom 20.10.2022, III R 35/21). Im Urteilsfall nutzte die Klägerin die infrage stehenden Wirtschaftsgüter im gesamten Erhebungszeitraum nur an zehn Tagen im Zusammenhang mit ihren Messeteilnahmen. Die Klägerin habe die betreffenden Wirtschaftsgüter folglich nicht ständig in ihrem Betrieb vorhalten müssen. Es seien auch keine Umstände erkennbar, aus denen sich ergibt, dass der wirtschaftliche Erfolg der Klägerin vom permanenten Vorhalten der Messestände abhängt. Die Messestände hätten in Bezug auf die Tätigkeit als Produktionsunternehmen im Übrigen keine wirtschaftliche Bedeutung, da sie nicht als Produktionsmittel eingesetzt wurden.
gepostet: 21.06.2023
Aussetzungszinsen: Sind 0,5 Prozent pro Monat verfassungsgemäß?
Wird ein Steuerbescheid mittels Einspruch angefochten, kann zusätzlich ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt werden, so dass der streitige Steuerbetrag vorläufig nicht entrichtet werden muss - vorausgesetzt, es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts und das Finanzamt stimmt dem Antrag zu (§ 361 AO). Erfolgen die Einspruchsentscheidung oder ein eventuelles Finanzgerichtsurteil zu Ungunsten des Einspruchsführers, wird das Finanzamt den ausgesetzten Betrag aber nachfordern und zudem Aussetzungszinsen erheben. Die Aussetzungszinsen betragen 0,5 Prozent pro Monat.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht zu der so genannten Steuerverzinsung auf Nachzahlungen und Erstattungen entschieden hatte, dass ein monatlicher Zinssatz von 0,5 Prozent verfassungswidrig ist und der diesbezügliche Zinssatz mittlerweile auf 0,15 Prozent pro Monat gesenkt wurde, war fraglich, ob nicht auch die Höhe der Aussetzungszinsen verfassungswidrig ist. Zwar sehen die Finanzgerichte bislang keine Anzeichen für eine solche Verfassungswidrigkeit, doch bald wird sich der Bundesfinanzhof mit der Frage befassen müssen. So hat das Finanzgericht Münster in zwei Urteilen zur Aussetzung der Vollziehung entschieden, dass gegen einen Zinssatz von 0,5 Prozent pro Monat bei Aussetzungszinsen - anders als bei Nachzahlungszinsen - auch bei dem niedrigen Zinsniveau der vergangenen Jahre keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (FG Münster, Urteil vom 8.3.2023, 6 K 2094/22 E; FG Münster, Urteil vom 10.2.2023, 3 V 2464/22). Die gleiche Auffassung vertreten beispielsweise auch das FG Düsseldorf (Beschluss vom 24.1.2023, 12 V 1597/22 A(AO) und das FG München (Urteil vom 7.9.2022, 15 K 358/22).

Praxistipp:
Gegen das Urteil des FG Münster vom 8.3.2023 wurde Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt, die unter dem Az: EIN 298/23 vorliegt. Man darf gespannt sein, wie die BFH-Richter entscheiden werden.
gepostet: 19.06.2023
Deutschlandticket: Arbeitgeberzuschüsse sind steuerfrei
Zum 1. Mai 2023 ist das Deutschlandticket an den Start gegangen. Für 49 Euro monatlich können Bürgerinnen und Bürger den öffentlichen Nahverkehr in ganz Deutschland nutzen. Arbeitgeber haben die Möglichkeit, ihren Beschäftigten das Deutschlandticket als Jobticket bereitzustellen. Wenn sie dabei einen Zuschuss von mindestens 25 Prozent auf den Ausgabepreis des Tickets leisten, gewährt das jeweilige Verkehrsunternehmen zusätzlich fünf Prozent Übergangsabschlag bzw. Rabatt auf den Ausgabepreis. Die Zuschüsse des Arbeitgebers zum Erwerb des Deutschlandtickets oder aber auch die vollständig unentgeltliche Gewährung des Tickets sind steuerfrei, wenn sie zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet werden. Dies ergibt sich aus § 3 Nr. 15 EStG. Der Arbeitgeber muss den Vorgang im Lohnkonto aufzeichnen und den Zuschuss in der Lohnsteuerbescheinigung bei den steuerfreien Fahrtkostenzuschüssen ausweisen. Bei den Arbeitnehmern sind die geleisteten steuerfreien Zuschüsse auf die als Werbungskosten abziehbaren Fahrtkosten anzurechnen, das heißt, die Entfernungspauschale ist entsprechend zu kürzen.
gepostet: 17.06.2023
Corona-Hilfen: Es liegen keine steuerbegünstigten Entschädigungen vor
Unternehmer, die Corona-Soforthilfen, Überbrückungshilfen bzw. vergleichbare Zuschüsse erhalten haben, müssen diese als Betriebseinnahmen versteuern, das heißt, die Hilfen sind einkommen- und gewerbesteuerpflichtig. Das Finanzgericht Münster hat nun entschieden, dass die im Jahr 2020 gezahlten Corona-Hilfen keine außerordentlichen Einkünfte darstellen, die in der Einkommensteuer nur ermäßigt zu besteuern wären. Sie unterliegen folglich nicht der Tarifermäßigung nach der so genannten Fünftel-Regelung (FG Münster, Urteil vom 26.4.2023, 13 K 425/22 E).

Der Sachverhalt: Der Kläger führte eine Gaststätte und ein Hotel. Im Jahr 2020 war er von coronabedingten Einschränkungen und Schließungen betroffen. Ihm wurden in 2020 eine Soforthilfe von 15.000 Euro, eine Überbrückungshilfe I von 6.806 Euro und die November-/ Dezemberhilfe von 42.448 Euro gewährt. Das Finanzamt unterwarf die erhaltenen Corona-Hilfen der tariflichen Einkommensteuer. Hiergegen wandte sich der Kläger und machte geltend, die Corona-Hilfen seien nach § 24 Nr. 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt zu besteuern. Die Hilfszahlungen seien Entschädigungen als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen oder für die Nichtausübung einer Tätigkeit aufgrund der pandemiebedingten Schließung des Geschäftsbetriebs. Sie hätten beim Kläger zu außerordentlichen Einkünften geführt, weil er im Jahr 2020 einen höheren Gewinn verzeichnet habe, als es bei einem normalen Ablauf der Dinge der Fall gewesen wäre. Im Jahr 2020 habe der Kläger ausweislich vorgelegter betriebswirtschaftlicher Auswertungen einen Gewinn vor Steuern von ca. 80.000 Euro erzielt. In den drei Vorjahren habe der Gewinn zwischen 55.000 Euro und 70.000 Euro gelegen und sei damit deutlich geringer gewesen. Daher bestehe Anlass für die Milderung der Einkommensteuer. Das FG Münster hat die Klage abgewiesen. Begründung: Es komme nicht auf die Frage an, ob die Zuschüsse eine Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG oder eine Entschädigung für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG darstellen. Es handele sich nämlich jedenfalls nicht um außerordentliche Einkünfte im Sinne des § 34 Abs. 1 EStG. Im Streitjahr 2020 habe der Kläger lediglich Corona-Hilfen gewinnerhöhend erfasst, die sich auch auf dieses Kalenderjahr bezogen hätten. Weder sollten sich die Corona-Hilfen auf weitere Veranlagungszeiträume erstrecken noch seien sie in einem anderem Veranlagungszeitraum bezogen worden als dem, für den sie gezahlt worden seien, und in diesem Veranlagungszeitraum mit regulären anderen Einkünften des Klägers aus seinem Gewerbebetrieb zusammengetroffen. Dass der Kläger durch die Corona-Hilfen letztlich im Jahr 2020 einen höheren Gewinn erzielt habe, als es bei normalem Ablauf der Dinge der Fall gewesen wäre, sei unerheblich (Quelle: FG Münster, Newsletter Mai 2023).

Praxistipp:
Das Finanzgericht hat die Revision zum Bundesfinanzhof nicht zugelassen. Ob andere Gerichte die Sache anders beurteilen werden oder aber - bei ebenfalls negativen Entscheidungen - wenigstens die Revision zum Bundesfinanzhof zulassen, bleibt abzuwarten.
gepostet: 15.06.2023
Energetische Sanierung: Keine Förderung für Wohnrechtsinhaber?
Nach § 35c des Einkommensteuergesetzes werden bestimmte energetische Maßnahmen am Eigenheim steuerlich gefördert. Werden die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt, können 20 Prozent der Aufwendungen direkt von der Steuerschuld abgezogen werden. Maximal sind 40.000 Euro je Objekt abzugsfähig, und zwar verteilt über drei Jahre: 7 Prozent im ersten und zweiten Jahr, höchstens jeweils 14.000 Euro, und 6 Prozent im dritten Jahr, höchstens 12.000 Euro. Das begünstigte Objekt muss bei Beginn der energetischen Maßnahme älter als zehn Jahre sein. Die Steuerermäßigung kann nur in Anspruch genommen werden, wenn der Steuerpflichtige das Gebäude im jeweiligen Kalenderjahr ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Nach Ansicht der Finanzverwaltung sind nur der bürgerlich-rechtliche Eigentümer oder die Miteigentümer eines zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäudes begünstigt. Das bedeutet: Wenn eine Immobilie bereits auf die nachfolgende Generation unter Vorbehalt des Nießbrauchs oder eines Wohnrechts übertragen wurde, scheidet die Förderung nach § 35c EStG aus. In dem BMF-Schreiben vom 14.1.2021 (BStBl 2021 I S. 103) heißt es sinngemäß: Anspruchsberechtigt ist grundsätzlich der bürgerlich-rechtliche Eigentümer. Die dinglich oder schuldrechtlich nutzungsberechtigte Person kann weder wie ein Eigentümer mit der Sache nach Belieben verfahren noch den Eigentümer wirtschaftlich ausschließen. Damit ist sie nicht anspruchsberechtigt. Der Eigentümer seinerseits kann die Steuerermäßigung nicht erhalten, weil diese nur von demjenigen Steuerpflichtigen in Anspruch genommen werden darf, der das Gebäude selbst zu eigenen Wohnzwecken nutzt.

Praxistipp:
Es wird sich zeigen müssen, ob die Finanzgerichte der Auffassung der Finanzverwaltung folgen werden, denn die Haltung ist durchaus umstritten. Doch bis auf Weiteres sollten sich Wohnrechtsinhaber und Nießbrauchsnehmer darauf einstellen, dass ihnen die Förderung nach § 35c EStG versagt wird.
gepostet: 13.06.2023
Versorgungsausgleich bei Scheidung: Steuerliche Behandlung einer Abfindung
Bei einer Scheidung wird der Versorgungsausgleich durchgeführt. Dabei werden die in der Ehe erworbenen Rentenanrechte zwischen beiden Ehegatten hälftig geteilt. Die Ehegatten können den Versorgungsausgleich aber auch ganz oder teilweise ausschließen. Jüngst hat das Bundesfinanzministerium zur steuerlichen Behandlung von Ausgleichsleistungen zur Vermeidung eines Versorgungsausgleichs Stellung genommen (BMF-Schreiben vom 21.3.2023, IV C 3 - S 2221/19/10035 :001). Es gelten unter anderem die nachfolgenden Grundsätze: Die ausgleichspflichtige Person kann Zahlungen zur Vermeidung des Versorgungsausgleichs auf Antrag als Sonderausgaben abziehen, soweit die ausgleichsberechtigte Person zustimmt (§ 10 Abs. 1a Nr. 3 EStG). Die ausgleichsberechtigte Person muss die Leistung korrespondierend versteuern. Es dürfen sowohl Zahlungen unmittelbar an die ausgleichsberechtigte Person als auch Zahlungen an den Versorgungsträger der ausgleichsberechtigten Person abgezogen werden. Nicht umfasst werden Zahlungen der ausgleichspflichtigen Person an den eigenen Versorgungsträger zur Wiederauffüllung der eigenen Ansprüche. Soweit bei der zahlenden Person die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug vorliegen, führen die Ausgleichsleistungen beim Empfänger zu steuerpflichtigen sonstigen Einkünften (§ 22 Nr. 1a EStG). Es kommt nicht darauf an, dass sich der Sonderausgabenabzug tatsächlich steuermindernd auswirkt.

Praxistipp:
Der Sonderausgabenabzug setzt regelmäßig voraus, dass die ausgleichsverpflichtete und die ausgleichsberechtigte Person unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind. Zudem ist zwingend die Steuer-Identifikationsnummer der ausgleichsberechtigten Person in der Anlage U zur Einkommensteuererklärung anzugeben. Das oben Gesagte gilt für die Vermeidung des gesetzlichen Versorgungsausgleichs. Es gibt daneben auch den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich und damit verbundene schuldrechtliche Ausgleichszahlungen. Hier können andere steuerliche Grundsätze gelten.
gepostet: 11.06.2023
Gebäudeabschreibung: Die Grenzen einer vertraglichen Kaufpreisaufteilung
Die Absetzung für Abnutzung (AfA) bei vermieteten Immobilien darf nur von den Anschaffungskosten des Gebäudes, nicht aber vom Wert des Grund und Bodens erfolgen. Wer also ein Haus oder eine Eigentumswohnung erwirbt, muss den einheitlichen Kaufpreis für AfA-Zwecke um den Grund-und-Boden-Anteil kürzen. Um Streitigkeiten über die Höhe des Grund-und-Boden-Anteils nach Möglichkeit von vornherein zu vermeiden, ist zu empfehlen, bereits im notariellen Kaufvertrag eine Aufteilung des Kaufpreises vorzunehmen. Die Finanzämter sind an diese Werte gebunden, "solange dagegen keine nennenswerten Zweifel bestehen" (BFH-Urteil vom 16.9.2015, IX R 12/14).

Kürzlich hat sich das Finanzgericht Münster mit solchen "nennenswerten Zweifeln" befasst und die Kaufpreisaufteilung im Notarvertrag als willkürlich angesehen, so dass sie im Streitfall nicht zugrunde zu legen war (FG Münster, Urteil vom 22.9.2022, 8 K 2748/20 E). Der Sachverhalt: Der Kläger erwarb mit Notarvertrag vom 17.11.2017 ein Mehrfamilienhaus. Der Kaufpreis in Höhe von 2,4 Mio. Euro sollte zu 400.000 Euro auf den Grund und Boden entfallen und im Übrigen auf das Gebäude. Die vollständige Kaufpreiszahlung und der Besitzübergang erfolgten am 29.3.2018. Das Finanzamt akzeptierte die Kaufpreisaufteilung aber nicht und beauftragte einen Bausachverständigen. Dieser ermittelte nach dem Ertragswertverfahren eine Aufteilungsquote von rund 40 Prozent (Grund und Boden) zu rund 60 Prozent (Gebäude), so dass der Anteil für den Grund und Boden mehr als doppelt so hoch war wie angegeben. Wegen des geringeren Gebäudeanteils wurde die AfA gekürzt. Der Kläger gab sich hiermit nicht einverstanden und führte zahlreiche Argumente an, die den niedrigen Grund-und-Boden-Anteil laut Kaufvertrag rechtfertigen sollten. Ein Kernargument: Auch wenn der Notarvertrag erst Ende 2017 abgeschlossen wurde, so habe der Kaufpreis schon im Frühjahr 2016 festgestanden. Zu diesem Zeitpunkt seien der Kaufpreis und die Kaufpreisaufteilung bereits zwischen dem Verkäufer und ihm, dem Kläger, vereinbart worden. Außerdem hätte der Boden eventuell Altlasten enthalten können. Doch die Klage blieb weitestgehend erfolglos.

Begründung: Eine Korrektur der vertraglichen Kaufpreisaufteilung ist geboten, wenn sie die realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar erscheint. Der Bodenwert laut Kaufvertrag weicht erheblich von dem vom Gutachter ermittelten Bodenwert ab. Nach Auffassung des Gerichts verfehlt die vertragliche Aufteilung die realen Wertverhältnisse folglich in einer solch grundsätzlichen Weise, dass sie wirtschaftlich nicht haltbar erscheint. Sofern ein vermeintliches Altlastenrisiko bestanden haben mag, hätten hierzu Indizien vorliegen müssen. Der Kläger hat aber selbst keine weitergehenden Maßnahmen ergriffen, um ein Altlastenrisiko zu ermitteln und gegebenenfalls abzufedern, etwa durch Bodenproben. Es ist im Übrigen davon auszugehen, dass für die Frage einer erheblichen Abweichung die Wertverhältnisse am Tag des Gefahrübergangs (März 2018) maßgeblich sind und nicht der Zeitpunkt einer eventuellen vorherigen Vereinbarung.
gepostet: 10.06.2023
Kindertagespflege: Betriebsausgabenpauschale beträgt nun 400 Euro
Betreut eine Tagespflegeperson Kinder verschiedener Eltern im eigenen Haushalt oder in anderen Räumen eigenverantwortlich, so handelt es sich um eine selbstständige erzieherische Tätigkeit. Die Tagespflegeperson erzielt Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Der Gewinn kann durch eine Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt werden. Bei der Ermittlung der Einkünfte sind die mit der Betreuung verbundenen Aufwendungen als Betriebsausgaben absetzbar, entweder in tatsächlicher Höhe gegen Nachweis oder ganz einfach in Höhe der Betriebsausgabenpauschale. Diese betrug bislang 300 Euro je Kind und Monat. Bund und Länder haben sich nunmehr aber darauf geeinigt, die Betriebsausgabenpauschale für selbständige Tagesmütter und -väter auf 400 Euro je Kind und Monat anzuheben. Die Erhöhung gilt ab dem Jahr 2023 (BMF-Schreiben vom 6.4.2023, IV C 6-S 2246/19/10004 :004).

Praxistipp:
Die Betriebsausgabenpauschale geht von einer wöchentlichen Betreuungszeit von 40 Stunden aus. Bei geringerer Betreuungszeit wird die Pauschale zeitanteilig gekürzt, bei längerer Betreuungszeit aber nicht erhöht.

Praxistipp:
Während der Corona-Pandemie waren viele Tagespflegepersonen durch behördliche Auflagen an der Betreuung der Kinder gehindert. Die Betriebsausgabenpauschale darf in diesem Fall dennoch in voller Höhe geltend gemacht werden.
gepostet: 09.06.2023
Gewerbesteuer: Keine Berücksichtigung von Vorbereitungshandlungen
Die Ermittlung des Gewerbeertrags für Zwecke der Gewerbesteuer ist zwar in vielerlei Hinsicht identisch mit der Ermittlung des Gewinns für die Einkommen- oder Körperschaftsteuer. Doch einige Tücken hält das Gewerbesteuerrecht bereit. Beispielsweise ist zu berücksichtigen, dass die Gewerbesteuerpflicht das Vorhandensein eines Gewerbebetriebs voraussetzt. Das wiederum führt dazu, dass vor einer Betriebseröffnung entstandene Betriebsausgaben gewerbesteuerrechtlich unbeachtlich sind (BFH-Urteil vom 30.8.2022, X R 17/21). Dem genannten BFH-Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger pachtete ab dem 1.12.2017 einen Imbissbetrieb einschließlich Inventar von der bisherigen Betreiberin an. Im Dezember 2017 renovierte er die angepachteten Räume. Im Januar 2018 eröffnete er den Imbissbetrieb für Gäste. Im Streitjahr 2017 wies der Kläger einen Verlust von über 15.000 Euro aus. Es handelte sich um vorab entstandene Betriebsausgaben. Das Finanzamt setzte den Gewerbesteuermessbetrag 2017 auf 0 Euro fest und legte dabei einen Gewerbeertrag von 0 Euro zugrunde. Ein Betrieb im Sinne des Gewerbesteuergesetzes sei erst ab dem Zeitpunkt der Beteiligung des Klägers am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr anzunehmen. Dies sei hier die Betriebseröffnung im Januar 2018. Die vorhergehende Renovierung stelle eine gewerbesteuerrechtlich unbeachtliche Vorbereitungshandlung dar. Die Richter des BFH sehen dies genauso. Es komme für die Gewerbesteuer nicht auf die persönliche Steuerpflicht eines Unternehmers, sondern auf die sachliche Steuerpflicht des Steuerobjekts an; diese beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Betrieb in Gang gesetzt worden ist. Gegenstand der Gewerbesteuer sei nur der auf den laufenden Betrieb entfallende, durch eigene gewerbliche Leistungen entstandene Gewinn. Der Imbissbetrieb des Klägers sei erst mit seiner Eröffnung für die Kundschaft im Januar 2018 als Steuergegenstand des Gewerbesteuerrechts anzusehen. Dies gelte auch bei einem Betriebsübergang im Ganzen.

Praxistipp:
Bei Kapitalgesellschaften gilt eine andere Rechtslage: Die Gewerbesteuerpflicht beginnt kraft Rechtsform mit der Eintragung in das Handelsregister. Von diesem Zeitpunkt an kommt es auf Art und Umfang der Tätigkeit nicht mehr an (R 2.5 GewStR).
gepostet: 07.06.2023
Außergewöhnliche Belastung: Mitgliedsbeitrag für Fitnessstudio nicht abziehbar
Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio sind auch dann nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar, wenn die Aufwendungen insbesondere für die Durchführung eines Funktionstrainings, etwa einer ärztlich verordneten Wassergymnastik, getätigt werden. So hat das Niedersächsische Finanzgericht mit Urteil vom 14.12.2022 (9 K 17/21) entschieden.

Der Sachverhalt: Der Klägerin wurde Wassergymnastik ärztlich verordnet, um ihre Bewegungseinschränkungen zu verbessern und ihre Schmerzen zu lindern. Ihre Krankenkasse übernahm die Kosten für ein wöchentliches Funktionstraining. Nachdem die Klägerin die Wassergymnastikkurse zunächst in einem Verein durchgeführt hatte, entschied sie sich schließlich, die Kurse in einem näher zu ihrem Wohnort gelegenen Fitnessstudio zu absolvieren. Das Funktionstraining wurde hier von qualifizierten Übungsleitern mit einer gültigen Übungsleiterlizenz für den Reha-Sport durchgeführt. Voraussetzung dafür war jedoch, dass sich die Frau als Mitglied im Fitnessstudio anmelden und den (reduzierten) Beitrag für das auf die Teilnahme an den verordneten Kursen zugeschnittene Modul ("Wellness und Spa") bezahlen musste. Neben der Teilnahme an dem verordneten Funktionstraining enthielt der Beitrag auch noch die Saunabenutzung und weitere Aqua-Fitnesskurse. Das Fitnessstudio stellte der Frau auch den wöchentlichen Beitrag für den Reha-Verein, der das Funktionstraining durchführte, in Rechnung. Vergeblich machte sie ihre Gesamtkosten (Fitnessstudiobeitrag, Reha Vereinsbeitrag, Fahrtkosten) als Teil ihrer Heilbehandlungskosten nach § 33 EStG (außergewöhnliche Belastungen) geltend. Das Finanzgericht gab der Klage nur zum Teil statt.

Die Mitgliedsbeiträge für das Fitnessstudio stellen jedenfalls dann keine außergewöhnlichen Belastungen dar, wenn mit dem Mitgliedsbeitrag auch weitere Leistungen abgegolten werden (im Streitfall: Saunanutzung; Aqua-Fitnesskurse), die ihrer Art nach nicht nur von kranken, sondern auch gesunden Menschen in Anspruch genommen werden. Allein die räumliche Nähe des Fitnessstudios zum Wohnort, die Einsparung von Park- und Fahrtkosten sowie die größere zeitliche Flexibilität hinsichtlich der Durchführung und Nachholung der Kurse könnten die Zwangsläufigkeit der Mitgliedsbeiträge für das Fitnessstudio nicht begründen. Erfolg hatte die Klage jedoch hinsichtlich der Abzugsfähigkeit der zwangsläufig angefallenen Beiträge für einen Reha-Verein, der die ärztlich verordneten Kurses in einem Fitnessstudio durchführt. Diese zählen nach Überzeugung des Finanzgerichts zu den als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennenden Heilbehandlungskosten. Zum Abzug zuzulassen waren zudem die Aufwendungen für die Fahrten zum Fitnessstudio, die ausschließlich im Zusammenhang mit der Durchführung der ärztlich verordneten Kurse anfallen. Diese teilten das Schicksal der Kurskosten als zwangsläufige Heilbehandlungskosten (im Streitfall: Übernahme der Kurskosten durch die Krankenkasse) und stellten daher ebenfalls außergewöhnliche Belastungen dar. Ausdrücklich offengelassen hat das Finanzgericht, ob es anders entschieden hätte, wenn der Klägerin zur Durchführung der ärztlich verordneten Kurse in einem Fitnessstudio keine sinnvolle Alternative zur Verfügung gestanden hätte (Quelle: Niedersächsisches FG vom 19.1.2023).

Praxistipp:
Das Finanzgericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Diese ist auch bereits beim Bundesfinanzhof anhängig (Az. VI R 1/23).
gepostet: 05.06.2023
Lohnsteuer: Mini- neben Hauptjob beim gleichen Arbeitgeber nicht möglich
Wer eine sozialversicherungspflichtige (Haupt-)Beschäftigung ausübt, darf nebenher noch als Minijobber tätig werden, also eine geringfügige Beschäftigung mit einem Verdienst bis zu 520 Euro monatlich ausüben. Allerdings darf es sich nur um einen einzigen Minijob handeln und dieser darf nicht bei dem Arbeitgeber ausgeübt werden, mit dem das Hauptarbeitsverhältnis besteht. Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat diese Grundsätze bestätigt und entschieden, dass es nicht zulässig ist, bei demselben Arbeitgeber neben einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung auch eine versicherungsfreie geringfügige Beschäftigung auszuüben. Die Lohnzahlungen sind daher zusammenzurechnen und unterliegen insgesamt der Sozialversicherung und der individuellen Lohnsteuer, selbst wenn die Arbeitsverhältnisse unterschiedlich ausgestaltet sind (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.12.2022, 6 K 6129/20). Der Kläger arbeitete im Innendienst eines Taxiunternehmens, das Herrn A gehörte. Sein Arbeitslohn unterlag der Sozialversicherung und wurde individuell lohnbesteuert. Einige Jahre nach Aufnahme des ersten Arbeitsverhältnisses schloss er einen weiteren Arbeitsvertrag. Der Arbeitgeber war wiederum Herr A, allerdings wurde der Kläger in einem anderen Betrieb des Herrn A eingesetzt, und zwar im Innendienst eines exklusiven Fahrdienstes mit Chauffeur. Für die zweite Beschäftigung bezog er eine monatliche Bruttovergütung innerhalb der Minijob-Grenze von damals 450 Euro. Das Beschäftigungsverhältnis aufgrund des zweiten Arbeitsvertrages wurde in den Streitjahren durchgehend als Minijob über die Bundesknappschaft mit 2 Prozent pauschaler Lohnsteuer abgerechnet. Nach Ansicht des Finanzamts und nun auch des Finanzgerichts lag hingegen keine geringfügige Beschäftigung vor; denn bei den beiden Tätigkeiten handelte es sich um ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis, so dass die Voraussetzungen der Pauschalbesteuerung, das heißt eines Minijobs, nicht vorlagen.

Die weitere Begründung: Übt ein Arbeitnehmer bei demselben Arbeitgeber gleichzeitig mehrere Beschäftigungen aus, so ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ohne Rücksicht auf die arbeitsvertragliche Gestaltung oder objektive Kriterien der Unterscheidbarkeit in Art, Ort und Zeit der Tätigkeit sozialversicherungsrechtlich von einem einheitlichen Beschäftigungsverhältnis auszugehen, das heißt, die Tätigkeiten werden sozialversicherungsrechtlich einheitlich beurteilt. Da § 40a Abs. 2 EStG an die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften anknüpft, gilt auch lohnsteuerlich, dass eine Zusammenrechnung der Lohnzahlungen vorgenommen werden muss, wenn diese von demselben Arbeitgeber stammen, selbst wenn die Arbeitsverhältnisse unterschiedlich ausgestaltet sind.

Praxistipp:
Das FG Münster hat vor Jahren entschieden, dass etwas anderes gelten könne, wenn der Arbeitnehmer für zwei unterschiedliche Betriebe des Arbeitgebers tätig ist (FG Münster, Urteil vom 21.2.2003, 11 K 1158/01 L). Das FG Berlin-Brandenburg distanziert sich aber von dieser Rechtsprechung. Praxistipp:
Wenn es sich bei den beiden Arbeitgebern rechtlich um verschiedene Personen, etwa zwei einzelne GmbHs handelt, liegen indes zwei unterschiedliche Beschäftigungsverhältnisse vor. Dann wäre es möglich, bei der einen GmbH eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und bei der anderen GmbH einen Minijob auszuüben (Geringfügigkeits-Richtlinien vom 16.8.2022, Tz. 2.1.1.).
gepostet: 03.06.2023
Betriebsaufgabe und -veräußerung: Wahlrecht zur Zuflussbesteuerung möglich
Ein Steuerpflichtiger, der im Rahmen einer Betriebsaufgabe betriebliche Wirtschaftsgüter gegen wiederkehrende Bezüge veräußert, kann - wie bei der vollständigen Betriebsveräußerung gegen wiederkehrende Bezüge - zwischen der Sofortbesteuerung und der Zuflussbesteuerung des entsprechenden Gewinns wählen - so lautet ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom 29.6.2022 (X R 6/20, BStBl 2023 II S. 112). Die Klägerin führte einen handwerklichen Betrieb, den sie Ende des Jahres 2013 einstellte. Einen Großteil der Wirtschaftsgüter ihres Geschäftsbetriebs veräußerte die Klägerin an die A-GmbH gegen Zahlung einer lebenslangen monatlichen Rente. Einige Wirtschaftsgüter waren aber von der Veräußerung ausgenommen und wurden ins Privatvermögen überführt, so dass von einer Betriebsaufgabe und nicht von einer gesamten Betriebsveräußerung auszugehen war. Das Finanzamt war daher der Auffassung, dass die Rentenzahlungen bei der Ermittlung des Aufgabegewinns mit ihrem vollständigen Barwert sofort zu berücksichtigen seien - ein Wahlrecht zur so genannten Zuflussbesteuerung bestehe nicht. Allerdings wurde der ermäßigte Steuersatz für den Betriebsaufgabegewinn gewährt.

Der BFH beurteilt die Sache anders: Im Fall der Betriebsveräußerung gegen bestimmte wiederkehrende Bezüge kann der Steuerpflichtige zwischen der Sofortbesteuerung und der Zuflussbesteuerung wählen. Der Grund für dieses Wahlrecht liegt darin, dass der Veräußerer einerseits ein gewisses Wagnis eingeht, wenn er den Kaufpreis nicht sofort in einer Summe erhält. Andererseits haben die laufenden Zahlungen einen Versorgungscharakter. Im Urteilsfall besteht eine ähnliche Interessenlage, so dass die Zahlungen der A-GmbH bei der Klägerin ebenfalls der Zuflussbesteuerung unterliegen können. Das Wahlrecht zwischen einer Zufluss- und einer Sofortbesteuerung ist im Fall der Betriebsaufgabe nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Steuerpflichtige einen Teil der zuvor betrieblich genutzten Wirtschaftsgüter in seinem Eigentum behält.

Praxistipp:
Bei der Zuflussbesteuerung entsteht ein Gewinn erst, wenn der Kapitalanteil der wiederkehrenden Leistungen das steuerliche Kapitalkonto des Veräußerers zuzüglich etwaiger Veräußerungskosten übersteigt. Der in den wiederkehrenden Leistungen enthaltene Zinsanteil stellt aber bereits im Zeitpunkt des Zuflusses nachträgliche Betriebseinnahmen dar. Um Missverständnisse zu vermeiden: Mit einer "Betriebsveräußerung gegen wiederkehrende Bezüge" ist insbesondere eine Veräußerung gegen Zahlung einer Leibrente gemeint. Davon zu unterscheiden ist die reine Stundung des Kaufpreises.

Praxistipp:
Die Zuflussbesteuerung anstelle einer Sofortbesteuerung bewirkt zwar eine zeitliche Streckung der anfallenden Steuerzahlungen. Dieser Vorteil wird allerdings durch den Verlust der Begünstigungen des § 16 Abs. 4 EStG (Freibetrag) und des § 34 EStG (ermäßigter Steuersatz) "erkauft" und muss daher nicht immer günstig sein.
gepostet: 01.06.2023
Mai 2023
Impfzentren: Verlängerung steuerlicher Erleichterungen für Freiwillige
Bereits in den Jahren 2020 bis 2022 konnten die freiwilligen Helferinnen und Helfer in den Impf- und Testzentren von der so genannten Übungsleiter- oder von der Ehrenamtspauschale profitieren. Wie das Thüringer Finanzministerium berichtet, werden diese Erleichterungen auch für das Jahr 2023 gewährt. Die Anweisung ist bundeseinheitlich abgestimmt (Thüringer FinMin vom 9.2.2023, 1040-21-S 1901/67-18465/2023). Danach gilt: Für all diejenigen, die direkt an der Impfung oder Testung beteiligt sind - also in Aufklärungsgesprächen oder beim Impfen oder Testen selbst - gilt die Übungsleiterpauschale (§ 3 Nr. 26 EStG). Im Jahr 2020 lag die Übungsleiterpauschale bei 2.400 Euro, seit 2021 beträgt sie 3.000 Euro jährlich.

Begünstigt sind insoweit auch Tätigkeiten zur Vor- und Nachbereitung der Impfungen, wie die Registrierung der zu impfenden Personen, die Aufbereitung des Impfstoffs, die Dokumentation der Impfungen sowie die Überwachung der geimpften Personen. Das Gesagte gilt auch für mobile Impfzentren. In Bezug auf die Testzentren gilt: Begünstigt sind neben der Durchführung der Tests selbst auch Tätigkeiten zur Vor- und Nachbereitung der Tests, wie die Registrierung der zu testenden Personen und die Mitteilung und Dokumentation des Testergebnisses.

Wer sich in der Verwaltung und der Organisation von Impf- oder Testzentren engagiert, kann die Ehrenamtspauschale in Anspruch nehmen. Diese lag 2020 bei 720 Euro und erhöhte sich ab 2021 auf 840 Euro (§ 3 Nr. 26a EStG). Auch Personen, die im Bereich der Infrastruktur von Impfzentren mitwirken (z.B. Personenstrommanagement und Sicherheit, Gebäudemanagement, Logistik), können die Ehrenamtspauschale erhalten.

Aufgrund der steuerlichen Vorschriften können die freiwilligen Helferinnen und Helfer die Übungsleiter- oder Ehrenamtspauschale nur in Anspruch nehmen, wenn es sich beim Auftraggeber oder Arbeitgeber um eine gemeinnützige Einrichtung oder einen öffentlichen Arbeitgeber handelt, also das Land oder eine Kommune - nicht aber Arztpraxen oder private Testzentren. Bei den Impfzentren haben sich Bund und Länder aber darauf verständigt, dass die Übungsleiter- und die Ehrenamtspauschale auch dann in Betracht kommen, wenn das Impfzentrum im Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts unter Hinzuziehung von Privaten oder gänzlich von Privaten betrieben wird. Bei Testzentren gilt diese Erleichterung nicht.

Sowohl Übungsleiter- als auch Ehrenamtspauschale greifen lediglich bei Vergütungen für nebenberufliche Tätigkeiten. Das ist in der Regel der Fall, wenn diese Tätigkeiten nicht mehr als ein Drittel der Arbeitszeit einer vergleichbaren Vollzeitstelle in Anspruch nehmen oder die regelmäßige Wochenarbeitszeit nicht mehr als 14 Stunden beträgt. Dabei können auch solche Helferinnen und Helfer nebenberuflich tätig sein, die keinen Hauptberuf ausüben, etwa Studentinnen und Studenten oder Rentnerinnen und Rentner. Die Übungsleiter- und Ehrenamtspauschale sind Jahresbeträge, die nicht zeitanteilig aufzuteilen sind. Werden verschiedene Tätigkeiten (z.B. Tätigkeit im Impfbereich eines Impfzentrums und Übungsleiter eines gemeinnützigen Sportvereins) ausgeübt, die in den Anwendungsbereich des § 3 Nr. 26 oder 26a EStG fallen, kann der jeweilige Höchstbetrag nur einmal gewährt werden.
gepostet: 31.05.2023
Umsatzsteuer: Vermietung von Wohncontainern an Erntehelfer
Die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen an Erntehelfer ist grundsätzlich umsatzsteuerpflichtig, unterliegt aber nur dem ermäßigten Steuersatz von 7 Prozent. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Unterkunft lediglich um Wohncontainer handelt (BFH-Urteil vom 29.11.2022, XI R 13/20). Der Kläger betreibt eine Landwirtschaft mit Schwerpunkt Spargel- und Beerenanbau. Er beschäftigte saisonal jeweils rund 100 Erntehelfer, an die er Räume in Wohncontainern vermietete. Die Wohncontainer waren nicht in das Erdreich eingelassen, sondern standen auf Steinsockeln und waren über gepflasterte Wege zu erreichen. Zwischen dem Kläger und den Erntehelfern wurden neben den Arbeitsverträgen "Leistungsverträge“ geschlossen, in denen die Miete kalendertäglich vereinbart war. Neben der Unterkunft konnten die Erntehelfer auch Verpflegung beziehen, die der Kläger gesondert berechnete. Der Kläger meldete seine Umsätze aus der Vermietung der Räume an Erntehelfer für die Streitjahre zum ermäßigten Steuersatz an. Das Finanzamt unterwarf die betreffenden Umsätze hingegen dem Regelsteuersatz, weil die Unterkünfte keine dauerhaft feste Verbindung zum Grundstück besaßen. Zur Gewährung des ermäßigten Steuersatzes müssten die Wohn- und Schlafräume Teile von Gebäuden sein. Das Finanzgericht gab der hiergegen gerichteten Klage jedoch statt; die Revision des Finanzamts blieb ohne Erfolg.

Begründung: Nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7 Prozent für die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält. Diese Steuerermäßigung umfasst auch die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen in nicht ortsfesten Wohncontainern. Dem Wortlaut der genannten Vorschrift ist nicht zu entnehmen, dass er sich lediglich auf die Vermietung von Grundstücken bezöge. Vielmehr begünstigt die Vorschrift allgemein die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen durch einen Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden. Beim eigenen Personal handelt es sich um zur Beherbergung aufgenommene "Fremde“. Die Auslegung entspricht auch dem Europarecht. Dass ein Landwirt mutmaßlich nur an die eigenen Erntehelfer für die Dauer ihrer Beschäftigung vermietet und die Erntehelfer nur in diesem Zusammenhang ein Interesse an der Beherbergung haben, ist für die steuerrechtliche Einordnung der Leistungen unerheblich. Die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen ist im Übrigen keine Nebenleistung zum Arbeitsverhältnis.

Praxistipp:
Bei der Unterbringung von Saisonarbeitskräften ist von einer kurzfristigen und damit steuerpflichtigen Vermietung auszugehen, wenn das Mietverhältnis nach den Vorstellungen des Vermieters nicht länger als sechs Monate dauern soll. Werden den Saisonarbeitskräften dagegen für einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten feste Unterkünfte gewährt, ist die Vermietung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfrei; ein Verzicht auf die Steuerbefreiung ist nicht möglich (OFD Niedersachsen, Verfügung vom 4.11.2016, S 7168-133-St 173). Die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 12 UStG führt dann zum Verlust des zugehörigen Vorsteuerabzugs.
gepostet: 29.05.2023
Erdgas und Fernwärme: Einzelfragen zur Senkung des Umsatzsteuersatzes
Im vergangenen Jahr hat der Gesetzgeber beschlossen, den Umsatzsteuersatz für die Lieferung von Gas über das Erdgasnetz sowie die Lieferung von Wärme über ein Wärmenetz zu verringern. Befristet vom 1. Oktober 2022 bis 31. März 2024 gilt insoweit der ermäßigte Steuersatz von 7 Prozent (§ 28 Abs. 5 und 6 UStG). Das Bayerische Landesamt für Steuern hat nun mehrere Fragen rund um die Senkung des Steuersatzes beantwortet (Erlass vom 30.3.2023, S 7220.1.1-11/12 St33). So gilt unter anderem:

- Lieferung von Gas über das Erdgasnetz: Neben den Lieferungen von Erdgas und Biogas über das Erdgasnetz (unabhängig von ihrer Nutzung) sind auch die Lieferungen von Flüssiggas (LNG und LPG) per Tanklastwagen (sowohl zur Wärmeerzeugung als auch zur Erzeugung von Prozesswärme) sowie die Abgabe von CNG an der Tankstelle begünstigt. Die Lieferung von Gas über ein privates Netz oder eine private Zuleitung ist der Lieferung von Gas mit einem Tanklastwagen gleichzustellen. Nicht begünstigt ist die Abgabe von Flüssiggas (LPG) als Kraftstoff an der Tankstelle sowie die Abgabe von Gas in Flaschen oder Kartuschen.

- Lieferung von Wärme über ein Wärmenetz: Der Begriff "Lieferung von Wärme über ein Wärmenetz“ umfasst sowohl die Lieferungen größerer Wärmeerzeugungsanlagen, die die breite Öffentlichkeit mit Wärme versorgen, als auch kleinerer Anlagen (z.B. Biogasanlagen oder private Blockheizkraftwerke), die nur einen begrenzten Personenkreis beliefern. Eine aufgrund Eigenverbrauchs zu besteuernde unentgeltliche Wertabgabe ist gemäß § 3 Abs. 1b UStG einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt und unterliegt damit ebenfalls dem ermäßigten Steuersatz.

- Legen eines Wärme-Hausanschlusses: Als "Lieferung von Wärme“ gilt auch das Legen eines Wärme-Hausanschlusses. Insoweit gelten die Regelungen zu Hauswasseranschlüssen analog. Das bedeutet, dass das Legen der Hausanschlüsse nur einem Umsatzsteuersatz von 7 Prozent unterliegt. Das Legen eines Mehrspartenanschlusses (z.B. Wasser, Gas, Strom, Telekommunikation) stellt jedoch eine einheitliche komplexe Leistung "Verschaffung des Zugangs zu sämtlichen Versorgungsleistungen“ dar, die dem Regelsteuersatz von 19 Prozent unterliegt.

- Anschluss an ein örtliches Flüssiggasversorgungsnetz: Entgelte für den Anschluss an ein örtliches Flüssiggasversorgungsnetz unterliegen analog zu den Gas-Hausanschlüssen als “Lieferung von Gas“ dem ermäßigten Steuersatz. Nicht begünstigt ist das Legen eines Anschlusses von einem (privaten) Flüssiggastank an die Leitungen des Verbrauchers im Haus bzw. bis zu einer Hauseinführung, da es sich hierbei nicht um eine Verbindungsstelle zwischen dem Leitungsnetz des (Flüssig-)Gasversorgers und dem Grundstück des Verbrauchers handelt.

- Installation und Wartung: Die Installation und Wartung von Flüssiggasanlagen, Gasthermen, Heizungsanlagen usw. sind nicht Teil der Gas- bzw. Wärmelieferungen. Sie unterliegen als selbständige Leistungen dem Regelsteuersatz.
gepostet: 27.05.2023
Entlohnung für mehrjährige Tätigkeit: Ratierliche Auszahlung ist steuerschädlich
Eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit, beispielsweise eine Lohnnachzahlung für mehrere Jahre, unterliegt der so genannten Fünftel-Regelung des § 34 EStG. Dadurch wird der Steuersatz für die Vergütung zumindest ein Stück weit ermäßigt. Allerdings setzt die Anwendung der Fünftel-Regelung voraus, dass die Vergütung in einem Betrag festgesetzt und zusammengeballt in einem Jahr gezahlt wird. Wird sie in unterschiedlichen Jahren ausgezahlt, wird die Steuervergünstigung - von Ausnahmefällen abgesehen - nicht gewährt. Dies gilt nach einem aktuellen Urteil des Bundesfinanzhofs selbst dann, wenn der Arbeitnehmer die ratierliche Auszahlung der Vergütung gar nicht beeinflussen kann. In den Worten des BFH heißt es konkret: Die Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit ist regelmäßig nicht mittels Fünftel-Regelung nach § 34 EStG tarifbegünstigt, wenn die Auszahlung in drei Veranlagungszeiträumen erfolgt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Zahlung ursprünglich in einer Summe vereinbart war und die Auszahlung in drei Veranlagungszeiträumen auf Gründen beruht, die der Gestaltungsfreiheit des Steuerpflichtigen entzogen sind (BFH-Urteil vom 15.12.2022, VI R 19/21).

Der Sachverhalt: Die Klägerin war Mitgesellschafterin einer GmbH, die ihr zunächst eine Pensionszusage erteilt hatte. In einem Nachtrag wurde aber später vereinbart, dass die zugesagte Altersrente wertgleich in ein Alterskapital in Höhe von 543.000 Euro umzuwandeln ist, auf das die Klägerin mit Erreichen des 64. Lebensjahres Anspruch haben sollte. Nachdem die Klägerin ihr Pensionsalter erreicht hatte, schied sie aus dem Dienst der GmbH aus. Die GmbH zahlte der Klägerin das Alterskapital jedoch nicht wie vereinbart in einer Summe aus. Vielmehr wurde der Betrag in Teilbeträgen über drei Jahre hinweg ausgezahlt. Die Klägerin beantragte, den im Streitjahr bezogenen Betrag (473.000 Euro) als ermäßigt zu besteuernde Vergütung für mehrere Jahre zu berücksichtigen. Das Finanzamt folgte dem nicht. Eine Steuerermäßigung nach § 34 EStG komme nicht in Betracht, da das Alterskapital nicht als Einmalzahlung im Streitjahr geleistet worden sei. Die hiergegen gerichtete Klage und auch die Revision blieben ohne Erfolg.

Begründung: Die Fünftel-Regelung setzt voraus, dass die Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit aus wirtschaftlich vernünftigen Gründen zusammengeballt erfolgt. Im Streitfall fehlte es jedoch an einer zusammengeballten Arbeitslohnzahlung. Zwar können sich auch bei einer Zahlung in zwei (oder mehr) Veranlagungszeiträumen Progressionsbelastungen ergeben. Diese Belastungen müssen aber in Kauf genommen werden. Auch wenn die Zahlung des Alterskapitals ursprünglich in einer Summe vereinbart war und seine Auszahlung in drei Veranlagungszeiträumen auf Gründen beruhte, für die die Klägerin nichts konnte, so rechtfertigt dies keine abweichende Beurteilung. Es kommt nicht darauf an, ob die Modalitäten des Zuflusses vereinbart waren oder dem Zahlungsempfänger aufgezwungen wurden.

Praxistipp:
Eine Auszahlung über mehr als einen Veranlagungszeitraum hinweg ist fast immer steuerschädlich. Ausnahmsweise kann die Fünftel-Regelung dennoch anzuwenden sein, beispielsweise wenn neben der Hauptleistung in späteren Veranlagungszeiträumen aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit Entschädigungszusatzleistungen gewährt werden.
gepostet: 25.05.2023
Umsatzsteuer: Einnahmezufluss noch nicht bei reiner Wertstellung
Wenn die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten berechnet wird (Ist-Versteuerung), kommt es für die Versteuerung eines Umsatzes auf den Zufluss- bzw. Zahlungszeitpunkt an. Doch wann gilt eine Einnahme bei einer Banküberweisung tatsächlich als zugeflossen? Am Tag der Wertstellung oder erst am Buchungstag? Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass es für die Versteuerung auf den Buchungstag und nicht auf den Wertstellungstag bei der Bank ankommt (Urteil vom 17.5.2022, 5 K 5133/21). Es wurde allerdings die Revision zugelassen, die bereits unter dem Az. V R 12/22 vorliegt.

Der Kläger, ein Designer, berechnet seine Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten. Am 31.12.2019 erfolgte die Wertstellung von Rechnungsbeträgen in Höhe von rund 30.000 Euro. Das Finanzamt erhöhte die umsatzsteuerpflichtigen Umsätze des Jahres 2019 um diesen Betrag und forderte die entsprechende Umsatzsteuer nach, während der Kläger der Auffassung ist, dass die Umsätze erst ins Jahr 2020 gehören, weil er in 2019 noch nicht über die Beträge habe verfügen können. Diese sind erst am 2.1.2020 gebucht worden. Die Wertstellung auf den 31.12.2019 sei lediglich für die Verzinsung von Bedeutung. Die Richter sind der Auffassung des Klägers gefolgt.

Begründung: Bei der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten entsteht die Umsatzsteuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind. Bei Überweisungen auf ein Bankkonto des leistenden Unternehmers vereinnahmt dieser das Entgelt oder Teilentgelt nicht im Zeitpunkt der Gutschrift (Datum der Wertstellung) auf dem Konto, sondern im Zeitpunkt der Buchung auf dem Konto des Empfängers, da vor diesem Zeitpunkt rein buchungstechnisch das Geld auf dem Konto noch nicht ersichtlich zugeflossen und zumindest faktisch damit nicht verfügbar ist. Aus § 675t Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt sich nichts anderes. Danach ist der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers zwar verpflichtet, diesem den Zahlungsbetrag unverzüglich verfügbar zu machen, nachdem der Betrag auf dem Konto des Zahlungsdienstleisters eingegangen ist. Doch die Vorschrift regelt schon ihrem Wortlaut nach lediglich eine Verpflichtung der Bank, die indes an der tatsächlichen Verfügungsmacht für den Zahlungsempfänger nichts zu ändern vermag.
gepostet: 23.05.2023
Zweitwohnungssteuer: Erhebung trotz Corona-Zutrittsverbots zur Insel Sylt
Aufgrund der Corona-Maßnahmen konnten Zweit- und Ferienwohnungen insbesondere im Jahr 2020 mitunter über Wochen nicht wie gewohnt genutzt werden. Dennoch haben wohl die meisten Gemeinden ihre Zweitwohnungssteuer unvermindert erhoben. Nun hat das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht entschieden, dass die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer auch dann rechtmäßig war, wenn die steuererhebende Gemeinde auf einer Insel oder Hallig liegt und hier coronabedingt im Jahre 2020 zeitweise ein Zutrittsverbot für alle Personen galt, die nicht ihre Hauptwohnung an diesen Orten hatten (Schleswig-Holsteinisches OVG, Eilbeschluss vom 18.11.2022, 5 MB 23/22).

Der Antragsteller besitzt ein Grundstück auf Sylt und nutzt die dort gelegene Wohnung als Zweitwohnung. Er ist trotz des Zutrittsverbots von der Gemeinde Sylt zu einer uneingeschränkten Zweitwohnungssteuer für das Jahr 2020 herangezogen worden. Das OVG sieht dies in dem Eilbeschluss als rechtens an. Begründung: Die Erhebung der Zweitwohnungssteuer setzt nur das "Innehaben“ einer Zweitwohnung und damit eine rechtlich gesicherte Nutzungsmöglichkeit der Wohnung für eine gewisse Dauer voraus. Diese Möglichkeit sei durch das in der Zeit vom 3. April bis zum 3. Mai 2020 in Schleswig-Holstein geltende Zutrittsverbot zu den Inseln und Halligen an Nord- und Ostsee nicht entfallen, sondern nur vorübergehend eingeschränkt worden. Bei einer solchen pandemiebedingten Einschränkung handele es sich um einen atypischen Sachverhalt, der bei der Auslegung des Begriffs des "Innehabens“ nicht zu berücksichtigen sei. Das Steuerrecht betreffe in der Regel Massenvorgänge des Wirtschaftslebens. Die hierzu erlassenen Regelungen dürften steuerpflichtige Sachverhalte deshalb typisierend erfassen. Die vorliegende Einschränkung sei schließlich auch nicht mit den Folgen einer bauordnungsrechtlichen Nutzungsuntersagung vergleichbar.

Praxistipp:
Das Bundesverwaltungsgericht hat vor einigen Jahren wie folgt entschieden: Verfügt der Inhaber einer Zweitwohnung über eine rechtlich gesicherte Eigennutzungsmöglichkeit von mindestens zwei Monaten, so kann die Regelung einer Zweitwohnungssteuersatzung, nach der er mit dem vollen Jahresbetrag der Steuer veranlagt wird, nicht als unverhältnismäßig beanstandet werden (BVerwG, Urteil vom 26.9.2001, 9 C 1/01, BVerwG, Urteil vom 27.10.2004, 10 C 2.04).
gepostet: 21.05.2023
Verspätete Zahlung: Höhe der Säumniszuschläge ist verfassungsgemäß
Wer eine fällige Steuerzahlung verspätet leistet, muss für jeden angefangenen Monat der Säumnis einen Säumniszuschlag von 1 Prozent des Steuerbetrags entrichten. Nachdem das Bundesverfassungsgericht zu der so genannten Steuerverzinsung auf Nachzahlungen und Erstattungen entschieden hatte, dass ein monatlicher Zinssatz von 0,5 Prozent verfassungswidrig ist und der diesbezügliche Zinssatz mittlerweile auf 0,15 Prozent pro Monat gesenkt wurde, war fraglich, ob nicht auch die Höhe der Säumniszuschläge verfassungswidrig ist.

Nun hat der Bundesfinanzhof aber entschieden, dass gegen die Höhe der Säumniszuschläge auch bei dem niedrigen Zinsniveau der vergangenen Jahre keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (BFH-Urteil vom 15.11.2022, VII R 55/20). Der Säumniszuschlag sei in erster Linie ein Druckmittel eigener Art zur Durchsetzung fälliger Steuern und erfülle primär eine pönale Funktion. Die maßgebende Vorschrift (§ 240 AO) verfolge das Ziel, den Bürger zur zeitnahen Erfüllung seiner Zahlungsverpflichtungen anzuhalten und die Verletzung ebenjener Verpflichtung zu sanktionieren. Die Abschöpfung von Liquiditätsvorteilen sei damit nicht Haupt-, sondern nur Nebenzweck der Regelung. Aus dem bloßen Umstand des Anfalls von Säumniszuschlägen bei nicht fristgerechter Zahlung dürfe nicht auf deren Charakter als Zinsen geschlossen werden. Man dürfe Säumniszuschläge daher auch nicht mit Nachzahlungszinsen vergleichen. Säumige Steuerpflichtige werden durch die Höhe des Zuschlags nach § 240 AO nicht unverhältnismäßig hoch belastet.

Praxistipp:
Bei unbilligen Härten kann ein Antrag auf einen teilweisen oder vollständigen Erlass von Säumniszuschlägen gestellt werden. Ein Erlass kommt zum Beispiel in Betracht bei einem bisher pünktlichen Steuerzahler, dem ein offenbares Versehen unterlaufen ist. Allerdings ist ein Erlassantrag hinreichend zu begründen und daher stets mit einem gewissen Aufwand verbunden.
gepostet: 19.05.2023
Pensionszusage: Vorbehalte sind für Rückstellung grundsätzlich steuerschädlich
Enthält eine Pensionszusage einen Vorbehalt, demzufolge die Pensionsanwartschaft oder Pensionsleistung gemindert oder entzogen werden kann, ist die Bildung einer Pensionsrückstellung steuerrechtlich nur in eng begrenzten Fällen zulässig - so der Bundesfinanzhof laut Urteil vom 6.12.2022 (IV R 21/19).

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hatte eine betriebliche Altersversorgung für ihre Mitarbeiter eingeführt und für die hieraus resultierenden Verpflichtungen Pensionsrückstellungen gebildet. Einzelheiten waren in einer Betriebsvereinbarung geregelt. Die Höhe der Versorgungsleistungen ergab sich aus Versorgungsbausteinen, die aus einer "Transformationstabelle“ abzuleiten waren. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hatte sich vorbehalten, unter anderem diese Transformationstabelle einseitig ersetzen zu können. Wegen dieses Vorbehalts erkannte das Finanzamt die Pensionsrückstellungen nicht an, so dass es in den Streitjahren jeweils zu Gewinnerhöhungen kam.

Auch der BFH sah den Vorbehalt als steuerschädlich an. Die Bildung einer Pensionsrückstellung sei steuerrechtlich nur zulässig, wenn der Vorbehalt ausdrücklich einen nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannten, eng begrenzten Tatbestand normiere, der nur ausnahmsweise eine Minderung oder einen Entzug der Pensionsanwartschaft oder Pensionsleistung gestatte. Demgegenüber seien uneingeschränkte Widerrufsvorbehalte, deren arbeitsrechtliche Gültigkeit oder Reichweite zweifelhaft oder ungeklärt sei, steuerrechtlich schädlich. Auch im Streitfall sei dies gegeben, da der Vorbehalt eine Änderung der Pensionszusage in das Belieben des Arbeitgebers stelle. Der Vorbehalt sei keiner in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannten Fallgruppe zuzuordnen, bei der ein Abschlag ausgeschlossen sei (Quelle: Mittelung des BFH vom 16.3.2023).
gepostet: 17.05.2023
Bausparvertrag: In welchem Jahr sind Bonuszinsen zu versteuern?
Manch Bausparer verfügt noch über einen Bausparvertrag, der ihm nicht nur die Möglichkeit einräumt, ein zinsgünstiges Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen, sondern der eine attraktive Verzinsung des Bausparguthabens bietet. Viele Verträge haben sogar einen Bonuszins für den Fall vorgesehen, dass auf die Inanspruchnahme des Bauspardarlehens bei Zuteilungsreife verzichtet wird. Jüngst musste sich der Bundesfinanzhof mit der Frage befassen, wann ein solcher Bonuszins als zugeflossen gilt, das heißt, in welchem Jahr er zu versteuern ist. Seine Antwort: Bonuszinsen aus einem Bausparvertrag fließen dem Steuerpflichtigen nicht bereits mit dem jährlichen Ausweis der Zinsen auf einem von der Bausparkasse geführten Bonuskonto zu, wenn ein Anspruch auf die Bonuszinsen nur nach einem Verzicht auf das Bauspardarlehen entsteht, die Bonuszinsen erst bei Auszahlung des Bausparguthabens fällig werden und über sie nur in Verbindung mit dem Bausparguthaben verfügt werden kann (BFH-Urteil vom 15.11.2022, VIII R 18/20).

Der Kläger schloss im Jahre 1995 einen Bausparvertrag ab. Das Bausparguthaben wurde mit 2,5 Prozent pro Jahr verzinst. Ferner sollte ein Bonus gezahlt werden, wenn der Kunde vor der ersten Auszahlung aus dem zugeteilten Bausparvertrag auf das Bauspardarlehen verzichtet. Hierdurch sollte sich die Gesamtverzinsung des Bausparguthabens auf 4,75 Prozent p.a. erhöhen. Und in der Tat hatte der Kläger kein Bauspardarlehen beansprucht, so dass ihm der Bonus im Jahre 2013 gewährt wurde. Der Schlussbonus betrug rund 25.000 Euro. Der Kläger war der Ansicht, dass der Bonus nicht in einer Summe im Jahre 2013 zu versteuern war, sondern ratierlich in den Vorjahren, zumal die Bonuszinsen bereits auf dem Bonuskonto ausgewiesen wurden. Klage und Revision blieben aber ohne Erfolg. Die Bonuszinsen waren komplett in 2013 zu versteuern. Die Begründung: Ein Zufluss durch Gutschrift in den Büchern kommt nur in Betracht, wenn und soweit eine Zahlungsverpflichtung besteht. Eine solche habe aber erst in 2013 mit dem Verzicht auf die Inanspruchnahme des Bauspardarlehens bestanden. Eine Ausgestaltung der Verzinsung als eine auf den Vertragsbeginn rückbezogene Erhöhung der Guthabenzinsen lässt nicht den Schluss zu, dass dem Kläger die Bonuszinsen auch bereits seit Vertragsschluss zustanden.

Praxistipp:
Der Kläger hatte seine Zinsen - aus seiner Sicht korrekt - in den Vorjahren erklärt, und zwar auch die vermeintlich bereits entstandenen Bonuszinsen. In 2013 selbst hatte er daher nur noch einen geringen Betrag an Bonuszinsen erklärt. Erst aufgrund einer Kontrollmitteilung hat das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 2013 einige Jahre später geändert. Der BFH sieht diese nachträgliche Änderung als zulässig an; es liege eine neue Tatsache im Sinne des § 173 AO vor.
gepostet: 15.05.2023
Alleinerziehende: Entlastungsbetrag kann zeitanteilig zu gewähren sein
Alleinerziehenden steht ein steuerlicher Entlastungsbetrag zu, wenn zu ihrem Haushalt mindestens ein Kind gehört, für das sie Kindergeld oder den steuerlichen Kinderfreibetrag erhalten, und ansonsten im Haushalt keine andere erwachsene Person lebt. Geregelt ist dies in § 24b des Einkommensteuergesetzes. In 2022 betrug der Entlastungsbetrag 4.008 Euro zuzüglich eines Erhöhungsbetrages für das zweite und jedes weitere Kind von jeweils 240 Euro. In 2023 ist der Entlastungsbetrag um 252 Euro auf 4.260 Euro angehoben worden; der Erhöhungsbetrag von 240 Euro bleibt aber unverändert.

Die Finanzverwaltung wollte den Entlastungsbetrag bislang dann nicht gewähren, wenn für die beiden Elternteile eine Ehegattenveranlagung möglich wäre. Sprich: Ein Abzug sollte dann nicht in Betracht kommen, wenn Alleinerziehende im Laufe des Jahres heiraten oder wenn sich ein Ehepaar trennt und jeder eine eigene Wohnung bezieht. Der Abzugsbetrag sollte dann für das ganze Jahr entfallen; eine zeitanteilige Berücksichtigung sei nicht vorgesehen. Der Bundesfinanzhof ist aber anderer Auffassung: Zusammenveranlagte Ehegatten können den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende im Jahr der Eheschließung zeitanteilig in Anspruch nehmen, wenn sie vor der Heirat nicht mit einer anderen volljährigen Person in einer Haushaltsgemeinschaft gelebt haben (BFH-Urteil vom 28.10.2021, III R 57/20). Im Trennungsjahr ist der Entlastungsbetrag zeitanteilig für die Monate nach der Trennung zu gewähren, wenn im Haushalt keine andere volljährige Person lebt (BFH-Urteil vom 28.10.2021, III R 17/20).

Nunmehr verfügt das Bundesfinanzministerium, dass die Urteile allgemein anzuwenden sind (BMF-Schreiben vom 23.11.2022, BStBl 2022 I S. 1634). In dem Veranlagungszeitraum, in dem Ehegatten bzw. Lebenspartner sich trennen, ist eine zeitanteilige Inanspruchnahme des Entlastungsbetrages möglich, sofern die übrigen Voraussetzungen des § 24b EStG erfüllt sind. Und weiter: Ein Steuerpflichtiger kann den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende im Jahr der Eheschließung/Verpartnerung zeitanteilig in Anspruch nehmen, sofern er die übrigen Voraussetzungen des § 24b EStG erfüllt, insbesondere nicht bereits in einer Haushaltsgemeinschaft mit dem späteren Ehegatten gelebt hat.

Praxistipp:
Eingangs wurde erwähnt, dass im Haushalt keine andere erwachsene Person leben darf. Allerdings gibt es davon einige wenige Ausnahmen. So ist es zum Beispiel unschädlich, wenn es sich bei der anderen volljährigen Person um ein leibliches Kind, Adoptiv-, Pflege-, Stief- oder Enkelkind handelt, für das dem Steuerpflichtigen ein Kinderfreibetrag oder Kindergeld zusteht. Aus Billigkeitsgründen führt zudem die Unterbringung von volljährigen Flüchtlingen aus der Ukraine durch Alleinerziehende nicht zu einer steuerschädlichen Haushaltsgemeinschaft. Damit bleibt der Anspruch auf den Entlastungsbetrag bestehen. Diese Billigkeitsregelung gilt zunächst für 2022 und 2023 (FAQ-Katalog des BMF "Unterstützung der vom Krieg in der Ukraine Geschädigten", Stand 31.1.2023).
gepostet: 13.05.2023
Spekulationsgeschäft: Tageweise Raumvermietung teilweise steuerschädlich
Wer sein Eigenheim verkauft, muss normalerweise nicht fürchten, einen Veräußerungsgewinn ("Spekulationsgewinn") versteuern zu müssen, selbst wenn zwischen Erwerb und Verkauf nicht mehr als zehn Jahre liegen. Voraussetzung ist aber, dass die Immobilie im Zeitraum zwischen Anschaffung bzw. Fertigstellung und Veräußerung ununterbrochen und ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde (Alternative 1) oder im Jahr des Verkaufs und in den beiden Vorjahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde (Alternative 2). Eine Vermietung gilt nicht als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken und ist somit schädlich. Was aber gilt, wenn in den Jahren vor der Veräußerung einzelne Räume des Gebäudes lediglich an einzelnen Tagen vermietet wurden, etwa an Messegäste? Der Bundesfinanzhof hat hierzu wie folgt geurteilt: Wird ein zu eigenen Wohnzwecken genutztes Reihenhaus innerhalb der zehnjährigen Haltefrist veräußert, ist der Veräußerungsgewinn insoweit nicht von der Besteuerung ausgenommen, als er auf tageweise an Dritte vermietete Räume entfällt (BFH-Urteil vom 19.7.2022, IX R 20/21).

Der Sachverhalt: Eheleute erwarben im Jahre 2011 ein Reihenhaus, das sie selbst bewohnten. In den folgenden Jahren vermieteten sie einzelne Zimmer im Dachgeschoss des Hauses daneben tageweise an Messegäste und erzielten daraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Konkret waren es zwischen 12 und 25 Tage pro Jahr. Im Jahre 2017 wurde die Immobilie mit Gewinn verkauft. Das Finanzamt ging wegen der zeitweise erfolgten Vermietung einzelner Zimmer des Hauses davon aus, dass durch die Veräußerung ein privates Veräußerungsgeschäft gemäß § 23 EStG zu berücksichtigen sei. Es ermittelte steuerpflichtige Einkünfte in Höhe von rund 34.000 Euro, wobei es die Fläche des Dachgeschosses ins Verhältnis zur gesamten Wohnfläche setzte. Dies war zutreffend - so der BFH.

Begründung: Die vorübergehende Vermietung einzelner Zimmer einer Wohnung schließt die "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ aus, soweit der Mieter die vermieteten Räume unter Ausschluss des Vermieters nutzt. Das heißt, die oben genannte erste Alternative wird nicht insgesamt ausgeschlossen, sondern nur soweit einzelne Räume durch fremde Dritte vorübergehend genutzt werden (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 Alt. Nr. 1 EStG). Der Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts ist nicht erfüllt, soweit die Wohnung im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich, das heißt zeitlich durchgängig, zu eigenen Wohnzwecken genutzt worden ist. Soweit das aber nicht der Fall war (vorübergehend fremdvermieteter Teil), liegt ein steuerbares privates Veräußerungsgeschäft vor. Die eingangs erwähnte Alternative Nr. 2 war im Urteilsfall nicht erfüllt, da eine Vermietung auch im Verkaufsjahr erfolgte.
gepostet: 11.05.2023
Fahrten zum Sammelpunkt: Wichtige Urteile für Bauarbeiter und Monteure
Bauarbeiter, Monteure und Angehörige ähnlicher Berufe fahren oft mit einem Fahrzeug ihres Arbeitgebers zur jeweiligen Baustelle oder zum Kunden, nachdem sie sich morgens an einem bestimmten Sammelpunkt getroffen haben. Die Fahrten zum Sammelpunkt dürfen nur mit der Entfernungspauschale steuerlich abgezogen werden. Das sind 30 Cent je Entfernungskilometer; ab dem 21. Entfernungskilometer erhöht sich die Pauschale auf 38 Cent. Es gibt aber durchaus Fälle, in denen die genannten Berufsgruppen die Fahrten zum Sammelpunkt statt mit der Entfernungspauschale nach Dienstreisegrundsätzen absetzen dürfen, also mit 30 Cent pro gefahrenem Kilometer (oder den tatsächlichen Kosten). Im Jahre 2021 hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die Fahrten zu einem Sammelpunkt mit 30 Cent pro gefahrenem Kilometer angesetzt werden dürfen, wenn die Sammelstelle nicht typischerweise arbeitstäglich aufgesucht wird (BFH-Urteil vom 19.4.2021, VI R 6/19). Im Urteilsfall war ein Baumaschinenführer häufig auch auf mehrtägigen Fernbaustellen eingesetzt. Nach Ansicht der Richter liegt dann kein typischerweise arbeitstägliches Aufsuchen des Sammelpunktes des Arbeitgebers mehr vor.

Kürzlich hat das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern entschieden, dass keine Fahrten zum Sammelpunkt vorliegen, wenn ein Möbelmonteur den betrieblichen Lkw nach der Arbeit jeweils am Straßenrand oder auf einem - wechselnden - öffentlichen Parkplatz abstellt, von dort mit dem eigenen Pkw nach Hause fährt und den Lkw am Morgen darauf wieder übernimmt (Urteil vom 1.9.2022, 2 K 104/19). Der Sachverhalt: Der Kläger war als Möbelmonteur angestellt. Für die Fahrten zu den Kunden nutzte er einen Lkw des Möbelhauses. Es wurde ihm vom Arbeitgeber aufgegeben, den Lkw nach der Arbeit "an jedem beliebigen Ort zwischen A und W abzustellen." Da es in der Region keinen öffentlichen Lkw-Parkplatz gab, hat der Monteur täglich eine neue Parkgelegenheit für das Fahrzeug gesucht. Es gab weder eine betriebseigene Sammelstelle noch eine Weisung des Arbeitgebers bezüglich einer "ersten Tätigkeitsstätte". Auch hielt sich der Kläger nie lange am Betriebssitz oder am Zentrallager des Arbeitgebers auf. Für die Fahrten von zuhause bis zu dem jeweiligen Lkw-Abstellplatz und wieder zurück beantragte der Monteur daher die Kilometerpauschale für Dienstreisen und nicht nur die Entfernungspauschale. Laut Finanzgericht war das zulässig. Begründung: Der Kläger ist keiner ortsfesten betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers dauerhaft zugeordnet und hatte mithin keine erste Tätigkeitsstätte im Sinne von § 9 Abs. 4 EStG. Es fehlt auch an einer Anweisung des Arbeitgebers, arbeitstäglich einen festgelegten Ort aufzusuchen, um von dort aus die berufliche Tätigkeit zu beginnen. Der vom Kläger jeweils auszuwählende öffentliche Parkplatz gehört weder zum Bereich seines Arbeitgebers noch ist er mit einem Busdepot oder einem konkreten Sammelpunkt vergleichbar.
gepostet: 09.05.2023
GmbH: Einzelner Gesellschafter kann Höhe des Einlagekontos nicht anfechten
Auf dem steuerlichen Einlagekonto einer Kapitalgesellschaft werden insbesondere die Einlagen erfasst, die der Gesellschafter an seine Kapitalgesellschaft geleistet hat. Werden solche Einlagen später an den Gesellschafter aus dem Einlagekonto zurückgezahlt, dann muss der Gesellschafter diese Einlagenrückgewähr - anders als Gewinnausschüttungen - nicht versteuern. Der Bestand des steuerlichen Einlagekontos wird Jahr für Jahr mit einem besonderen Bescheid festgeschrieben (§ 27 Abs. 2 KStG). Dieser Bescheid richtet sich an die Kapitalgesellschaft. Der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft kann den Bescheid über den Bestand des steuerlichen Einlagekontos nicht eigenständig anfechten. Dies hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 21.12.2022 (I R 53/19) entschieden.

Im Streitfall war die Klägerin an einer GmbH beteiligt; sie hatte im Jahr 2007 eine hohe Einlage geleistet. Der Vorgang war irrtümlich nicht deklariert worden und der entsprechende Bescheid wurde bestandskräftig. Erst im Jahr 2018 legte die Klägerin Einspruch mit der Begründung ein, dass ohne Erfassung ihrer Einlage im Bescheid eine spätere steuerfreie Einlagenrückgewähr nicht möglich sei. Weder dieser Einspruch noch die nachfolgende Klage waren erfolgreich. Das Finanzgericht entschied, dass alleine die GmbH als Adressatin des Bescheids das Recht habe, diesen anzufechten. Der Bundesfinanzhof bestätigte diese Auffassung. Grundsätzlich kann ein Bescheid nur von den Adressaten angefochten werden. Das ist im Fall des Bescheids gemäß § 27 Abs. 2 KStG die Kapitalgesellschaft und allein sie kann deshalb Einspruch einlegen und Klage erheben. Der Gesellschafter der Kapitalgesellschaft ist nicht Adressat, sondern als Dritter lediglich mittelbar von dem Bescheid betroffen. Ein eigenes Anfechtungsrecht des Gesellschafters ("Drittanfechtungsrecht") ist auch nicht ausnahmsweise anzuerkennen.

Praxistipp:
Bei der Einlagenrückgewähr durch eine GmbH oder eine andere Kapitalgesellschaft muss unbedingt eine Steuerbescheinigung mittels eines amtlichen Vordrucks ausgestellt und auch aufbewahrt werden (§ 27 Abs. 3 Satz 1 KStG). Der amtliche Vordruck kann nicht durch einen Überweisungsträger mit Angaben zur Einlagenrückgewähr ersetzt werden (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 3.5.2022, 8 K 8077/20). Zudem sind bei Auskehrungen aus dem steuerlichen Einlagekonto weitere Besonderheiten zu beachten. So mindern Leistungen der Kapitalgesellschaft das steuerliche Einlagekonto - unabhängig von ihrer handelsrechtlichen Einordnung - nur, soweit sie den auf den Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs ermittelten ausschüttbaren Gewinn übersteigen.

Praxistipp:
Das handelsrechtliche Pendant zum steuerlichen Einlagekonto ist die Kapitalrücklage. Zwar stimmen Einlagekonto und Kapitalrücklage der Höhe nach oft überein, doch es gibt aufgrund steuerlicher Besonderheiten viele Fälle, in denen die Bestände voneinander abweichen. Daher ist das steuerliche Einlagekonto gesondert zu ermitteln und festzustellen. Ihm kommt eine eigenständige Bedeutung zu.
gepostet: 07.05.2023
Instandhaltungsrücklage: Volle Grunderwerbsteuer, aber keine AfA
Beim Verkauf einer Eigentumswohnung erwirbt der Käufer das Guthaben, das in der Instandhaltungsrücklage der Eigentümergemeinschaft angesammelt worden ist, mit. Zugegebenermaßen ist dies nicht ganz korrekt ausgedrückt, denn rechtlich gehört die Instandhaltungsrücklage, auch als Erhaltungsrücklage oder Instandhaltungsrückstellung bekannt, zum Vermögen der Wohnungseigentümergemeinschaft. Daher kann sie auch gar nicht "verkauft" werden. Nach früherer Auffassung wurde das Guthaben aus einer Instandhaltungsrücklage nicht in die grunderwerbsteuerliche Gegenleistung einbezogen. Doch dies ist nicht mehr aktuell. Der Bundesfinanzhof vertritt nunmehr die Auffassung, dass die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer nicht um die anteilige Instandhaltungsrückstellung zu mindern ist - und zwar selbst dann nicht, wenn die Rücklage im Kaufvertrag gesondert ausgewiesen wird (BFH-Urteil vom 16.9.2020, II R 49/17). Aufgrund der Rechtsänderung bei der Grunderwerbsteuer stellte sich die Frage, ob auch bei der Einkommensteuer Änderungen zu berücksichtigen sind. Doch das wird von der Oberfinanzdirektion Frankfurt/Main verneint (Verfügung vom 9.11.2022, S 2211 A - 12 - St 214). Für die Einkommensteuer gilt: Der bei Erwerb einer Eigentumswohnung im Kaufpreis enthaltene Anteil für das in der Erhaltungsrücklage angesammelte Guthaben gehört nicht zu den Anschaffungskosten der Eigentumswohnung. Zwar habe der BFH mit oben genanntem Urteil entschieden, dass der vereinbarte Kaufpreis als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer nicht um die anteilige Instandhaltungsrücklage zu mindern ist. Dieses Urteil ändere allerdings nicht die Behandlung der erworbenen anteiligen Erhaltungsrücklage im ertragsteuerlichen Sinn. Folge: Wird im Kaufvertrag nur ein einheitlicher Kaufpreis ausgewiesen, ist dieser für ertragsteuerliche Zwecke entsprechend aufzuteilen. Beim Erwerber ist sodann der um die erworbene anteilige Erhaltungsrücklage für die Eigentumswohnung gekürzte Kaufpreis in die Bemessungsgrundlage für die Absetzung für Abnutzung (AfA) einzubeziehen.

Praxistipp:
Auch der Grund-und-Boden-Anteil, der im Kaufpreis einer Eigentumswohnung enthalten ist, mindert die Bemessungsgrundlage für die AfA.
gepostet: 05.05.2023
Außergewöhnliche Belastung: Sind Kosten für ein Liegefahrrad abziehbar?
Menschen mit Behinderungen haben üblicherweise höhere Kosten aufzubringen als Menschen ohne Einschränkungen. Das betrifft auch allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens, deren Kosten von den gesetzlichen Krankenversicherungen nicht übernommen werden. Es ist leider nur wenig bekannt, dass Kosten für medizinische Hilfsmittel, die als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB V anzusehen sind, durchaus als außergewöhnliche Belastung - unter Anrechnung einer zumutbaren Eigenbelastung - abziehbar sein können. Voraussetzung ist allerdings, dass die Aufwendungen "zwangsläufig" entstanden sind. Und der Nachweis dieser Zwangsläufigkeit muss durch ein amtsärztliches Gutachten oder durch die ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung erbracht werden. Wichtig: Der Nachweis muss unbedingt vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestellt worden sein (§ 64 Abs. 1 Nr. 2e EStDV).

Ende 2021 hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg einem Steuerbürger den Kostenabzug für ein Liegefahrrad versagt, weil der oben genannte "qualifizierte Nachweis" nicht erbracht wurde (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 8.11.2021, 7 K 7157/20). Dem Urteil lässt sich aber durchaus entnehmen, dass Kosten für ein Liegefahrrad bzw. Liegedreirad grundsätzlich abzugsfähig sein können, wenn sie von den Sozialträgern nicht übernommen werden. Voraussetzung für den Abzug ist aber stets das rechtzeitig eingeholte amtsärztliche Gutachten oder die ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung. Ein nachträglich ausgestelltes Gutachten hilft leider nicht weiter.
gepostet: 03.05.2023
Betriebsprüfung: Bundesfinanzhof hegt Zweifel an der Richtsatzsammlung
Jahr für Jahr gibt das Bundesfinanzministerium die Richtsatzsammlung heraus, die für viele Branchen beispielsweise die gängigen Rohgewinnaufschläge auf den Waren- und Materialeinsatz auflistet. Die Richtsätze sollen der Finanzverwaltung Anhaltspunkte geben, um Umsätze und Gewinne der Gewerbetreibenden zu verproben. Tatsächlich dient die Richtsatzsammlung oftmals als Schätzungsgrundlage im Anschluss an Betriebsprüfungen, wenn der Prüfer Mängel in der Kassenführung oder Buchführung feststellt. Zumindest kommt es im Rahmen von Außenprüfungen zu Diskussionen, wenn zum Beispiel die Rohgewinnaufschläge des geprüften Betriebs weit unterhalb der Richtsätze laut Richtsatzsammlung liegen.

Schon seit einiger Zeit steht die Richtsatzsammlung der Finanzverwaltung in der Kritik, denn wie das zugrunde liegende Zahlenmaterial zusammengetragen wurde und ob es wirklich repräsentativ ist, ist für Außenstehende kaum nachvollziehbar. Nunmehr hat auch der Bundesfinanzhof Zweifel an der Richtsatzsammlung geäußert und daher in einem Verfahren, in dem es um die Hinzuschätzung von Umsätzen eines Diskothekenbetreibers geht, das Bundesfinanzministerium zur Stellungnahme aufgefordert, das heißt, das BMF muss dem Verfahren "beitreten", wie es in der Gerichtssprache heißt (BFH-Beschluss vom 14.12.2022, X R 19/21). Unklar erscheint dem BFH insbesondere,

- welche Einzeldaten mit welchem Gewicht in die Ermittlung der Richtsätze der jeweiligen Gewerbeklasse einfließen, wie die Repräsentativität der Daten sichergestellt wird und ob es Einzeldaten gibt, die von vornherein ausgeschlossen werden;

- ob die regional zum Teil erheblich unterschiedliche Höhe fixer Betriebskosten (insbesondere Raum- und Personalkosten) der Festlegung bundeseinheitlicher Richtsätze entgegensteht;

- weshalb die Ergebnisse von Außenprüfungen bei so genannten Verlustbetrieben unberücksichtigt bleiben, obwohl auch solche Betriebe grundsätzlich einen positiven Rohgewinnaufschlagsatz ausweisen;

- ob ganz oder teilweise erfolgreiche Rechtsbehelfe des Steuerpflichtigen gegen die auf eine Außenprüfung ergangenen Steuerbescheide Eingang in die Richtsatzsammlung finden.

Zudem stelle sich die Frage, wie dem Steuerpflichtigen ermöglicht werden kann, das Ergebnis einer Schätzung auf der Grundlage der amtlichen Richtsatzsammlung - insbesondere auch im Hinblick auf die spezifischen Daten, die dieser Sammlung zugrunde liegen - nachzuvollziehen und zu überprüfen.
gepostet: 01.05.2023
April 2023
Firmenwagen: Kostenschätzung bei der Fahrtenbuchmethode nicht erlaubt
Arbeitnehmer, die ihren Firmenwagen auch privat nutzen dürfen, müssen den Privatanteil versteuern, und zwar entweder nach der Ein-Prozent-Regelung oder nach der Fahrtenbuchmethode. Letztere ist allerdings mit einem hohen Aufwand verbunden. Nicht nur, dass die Fahrten detailliert aufgezeichnet werden müssen. Hinzu kommt auch, dass alle Kosten per Einzelnachweis zu belegen sind. Eine Schätzung von Aufwendungen kommt selbst dann nicht in Betracht, wenn der Arbeitgeber die Kosten seiner Dienstwagen nicht im Einzelnen erfasst hat und es dem Arbeitnehmer daher nahezu unmöglich ist, die Aufwendungen zu belegen. Ob es von dem Grundsatz, wirklich alle Kosten im Einzelnen belegen zu müssen, Ausnahmen gibt, musste nun der Bundesfinanzhof entscheiden. Seine klare Antwort: Es gibt keinerlei Ausnahmen. Eine Schätzung von belegmäßig nicht nachgewiesenen Aufwendungen - im Urteilsfall der Treibstoffkosten - schließt die Anwendung der Fahrtenbuchmethode aus (BFH-Urteil vom 15.12.2022, VI R 44/20).

Der Sachverhalt: Die Klägerin überließ zwei Arbeitnehmern firmeneigene Fahrzeuge, die diese auch privat nutzen durften. Beide Arbeitnehmer führten ordnungsgemäße Fahrtenbücher. Der Prüfer des Finanzamts stellte aber fest, dass zur Berechnung der tatsächlichen Treibstoffkosten geschätzte Werte hinsichtlich der Verbrauchswerte der Fahrzeuge und der Treibstoffpreise zugrunde gelegt worden waren. Der Grund hierfür war, dass die Betankung der Fahrzeuge an einer betrieblichen Zapfsäule ohne Anzeige der Mengenabgabe und des Preises erfolgt war. Daraufhin berechnete er den geldwerten Vorteil aus der privaten Nutzung der Firmenwagen pauschal nach der Ein-Prozent-Methode. Die hiergegen gerichtete Klage war zwar erfolgreich, doch der BFH gab der Revision des Finanzamts statt. Zur Begründung verweist der BFH auf den Gesetzeswortlaut: § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG setzt für die Fahrtenbuchmethode voraus, dass alle Kfz-Kosten durch Belege nachgewiesen werden.

Praxistipp:
Bei Dienstreisen, die mit dem privaten Pkw - also nicht mit dem Dienstwagen - unternommen werden, ist hingegen anerkannt, dass die Treibstoffkosten geschätzt werden dürfen. Das heißt: Statt die Dienstreisepauschale von 30 Cent/Km in Anspruch zu nehmen, kann der tatsächliche Kilometer-Kostensatz eines Fahrzeugs ermittelt werden. Und dabei dürfen die Treibstoffkosten anhand des durchschnittlichen Kraftstoffverbrauchs geschätzt werden (BFH-Urteil vom 7.4.1992, BStBl 1992 II S. 854).
gepostet: 29.04.2023
Behinderung: Kosten für Gartenumbau sind keine außergewöhnliche Belastung
Aufwendungen für einen behindertengerechten Umbau des zum selbst bewohnten Einfamilienhaus gehörenden Gartens sind keine außergewöhnlichen Belastungen. So hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 26.10.2022 (VI R 25/20) entschieden. Der Sachverhalt: Die Klägerin ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Um die vor dem Haus gelegenen Pflanzenbeete weiter erreichen zu können, ließen sie und ihr Ehemann den Weg vor ihrem Haus in eine gepflasterte Fläche ausbauen und Hochbeete anlegen. Das Finanzamt berücksichtigte die geltend gemachten Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastungen. Dies war nach Ansicht der obersten Steuerrichter rechtens. Als außergewöhnliche Belastungen könnten Aufwendungen nur anerkannt werden, wenn sie dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen seien. Zwar sei die Umbaumaßnahme eine Folge der Verschlechterung des Gesundheitszustands der Klägerin gewesen. Gleichwohl seien die Aufwendungen nicht zwangsläufig entstanden. Denn sie seien nicht vornehmlich der Krankheit oder Behinderung geschuldet, sondern dienten in erster Linie dem Freizeitverhalten. Immerhin wurden die in den Umbaukosten enthalten Lohnaufwendungen als Handwerkerleistungen nach § 35a EStG anerkannt und waren folglich mit 20 Prozent, höchstens 1.200 Euro, von der Steuerschuld abzuziehen.
gepostet: 27.04.2023
Steuerbefreiung: Handy-Ankauf von Arbeitnehmern mit Rücküberlassung
Überlässt ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer ein betriebliches Mobiltelefon - auch - zur privaten Nutzung, so liegt hierin zwar ein geldwerter Vorteil, doch dieser ist nach § 3 Nr. 45 EStG steuerfrei. Das gilt auch für die Übernahme der Grundgebühr und der laufenden Kosten bzw. einer Flatrate durch den Arbeitgeber. Nun ist nicht jeder Arbeitgeber bereit, zunächst ein mehr oder weniger teures Mobiltelefon zu erwerben, das anschließend überlassen wird und so haben einige Arbeitgeber zu folgender Gestaltung gegriffen: Der Arbeitnehmer besitzt ein gebrauchtes Handy. Dieses verkauft er an seinen Arbeitgeber für 1 Euro. Der Arbeitgeber stellt das Mobiltelefon seinem Arbeitnehmer anschließend wieder zur Verfügung, und zwar auch zur privaten Nutzung. Die monatliche Grundgebühr und die Verbindungsentgelte des Arbeitnehmers werden nach dem Kauf vom Arbeitgeber übernommen. Die Kostenübernahme soll nach § 3 Nr. 45 EStG steuerfrei bleiben. Wenig überraschend steht die Finanzverwaltung einer solchen Gestaltung skeptisch gegenüber, so dass sie ihr die Anerkennung verweigert. Doch nun hat der Bundesfinanzhof das Steuermodell entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung in drei Fällen gebilligt (BFH-Urteile vom 23.11.2022, VI R 49/20, VI R 50/20, VI R 51/20).

Die Begründung: Gestaltungen zwischen nahestehenden Personen müssen zwar einem Fremdvergleich standhalten. Zwischen dem Arbeitgeber und seinen Arbeitnehmern bestand bei Abschluss der Verträge aber ein natürlicher Interessengegensatz. Ein Näheverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und seinen Arbeitnehmern ist folglich nicht anzunehmen, so dass die Kaufverträge über die Mobiltelefone gar nicht nach Fremdvergleichsgrundsätzen zu überprüfen sind. Die Verkäufe der Mobiltelefone - in den Urteilsfällen zu Kaufpreisen zwischen 1 Euro und 6 Euro - stellen auch keinen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten dar. Es trifft zwar zu, dass die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 45 EStG nicht in Betracht gekommen wäre, wenn der Arbeitgeber lediglich die Telefongebühren ersetzt hätte, die Mobiltelefone also nicht zuvor angekauft hätte. Doch es steht es den Steuerpflichtigen frei, einen gesetzlich vorgesehenen Steuervorteil in Anspruch zu nehmen. Vereinfacht gesagt: Kein Steuerpflichtiger ist verpflichtet, einen Sachverhalt so zu gestalten, dass die steuerliche Folge dem Wunsch der Finanzverwaltung entspricht.

Praxistipp:
Wird die zu dem jeweiligen Mobilfunkvertrag gehörende SIM-Karte nicht in dem vom Arbeitgeber überlassenen Mobiltelefon verwendet, sondern in einem anderen Gerät, wird die Steuerfreiheit nicht gewährt. Das Modell muss im Übrigen wie vereinbart durchgeführt werden; es darf sich nicht um ein Scheingeschäft handeln.
gepostet: 25.04.2023
Kindergeld: Kein Anspruch während Vorbereitung zur Qualifikation als Fachärztin
Für ein Kind zwischen dem 18. und dem 25. Lebensjahr erhalten die Eltern Kindergeld, wenn es sich noch in der Berufsausbildung befindet. Allerdings gibt es eine wichtige Differenzierung zwischen Erst- und Zweitausbildung: Bei einer Erstausbildung wird das Kind ohne weitere Voraussetzungen berücksichtigt. Bei einer Zweitausbildung, also nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums, wird ein Kind hingegen nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Lediglich eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis sind unschädlich (§ 32 Abs. 4 Satz 2 u. 3 EStG).

Kürzlich hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass eine Facharztweiterbildung im Anschluss an das Medizinstudium lediglich eine Zweitausbildung darstellt. Die Erstausbildung des Kindes ende mit Abschluss des Medizinstudiums durch Ablegung der ärztlichen Prüfung, so dass während der Facharztweiterbildung kein Kindergeld gezahlt werden kann, zumal der Umfang der beruflichen Tätigkeit während der Weiterbildungszeit weit über 20 Stunden liegt (BFH-Urteil vom 22.9.2022, III R 40/21). Der Sachverhalt: Die Klägerin ist die Mutter einer im Mai 1997 geborenen Tochter, die im Dezember 2020 ihr Medizinstudium erfolgreich abschloss. Zum 1.1.2021 begann sie ihre mindestens 60 Monate umfassende Vorbereitungszeit zur Erlangung der Qualifikation als Fachärztin. Das hierzu mit einer Klinik abgeschlossene Dienstverhältnis umfasste eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 42 Stunden. Die Familienkasse gewährte bis zum voraussichtlichen Ende des Medizinstudiums Kindergeld, lehnte eine Weitergewährung des Kindergelds während der Vorbereitung auf die Facharztqualifikation jedoch mit der Begründung ab, dass es sich hierbei nicht mehr um eine Berufsausbildung handele. Das Finanzgericht wies die dagegen gerichtete Klage ab. Der BFH hielt die Revision der Klägerin für unbegründet. Im Streitfall habe der Erwerbscharakter den Ausbildungscharakter überwogen. Im Vergleich mit ihrer praktischen Tätigkeit als Ärztin hatte die theoretische Wissensvermittlung im Rahmen der Facharztausbildung einen deutlich geringeren Umfang. Zudem stand die Erbringung der Arbeitsleistung in der Klinik im Vordergrund und die Tochter erhielt auch keine bloße Ausbildungsvergütung, sondern ein für eine Ärztin angemessenes Entgelt.
gepostet: 23.04.2023
Gebäude-AfA: Anforderung an Gutachten zur Verkürzung des AfA-Zeitraums
Für die Absetzung für Abnutzung (AfA) von Gebäuden sieht der Gesetzgeber bestimmte Prozentsätze vor. Je nach Nutzung und Bauantrag oder Kaufdatum sind dies üblicherweise 2 %, 2,5 % oder 3 %, wenn keine Sonder-AfA infrage kommt. Der Gesetzgeber unterstellt dabei typisierend eine Nutzungsdauer des jeweiligen Gebäudes von 50, 40 oder 33 Jahren. Grundsätzlich ist es zwar zulässig, eine kürzere Nutzungsdauer und damit einen höheren AfA-Satz geltend zu machen. Allerdings verlangen die Finanzämter insoweit Nachweise, das heißt zumeist sehr detaillierte und aufwendige Gutachten (§ 7 Abs. 4 Satz 2 EStG).

Zugunsten der betroffenen Hauseigentümer hat der Bundesfinanzhof im Jahre 2021 allerdings entschieden, dass an den Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer keine überhöhten Anforderungen zu stellen sind. Der Steuerpflichtige kann sich zur Darlegung der verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer jeder Darlegungsmethode bedienen, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint. Die Vorlage eines Bausubstanzgutachtens ist jedenfalls nicht Voraussetzung für die Anerkennung einer verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer (BFH-Urteil vom 28.7.2021, IX R 25/19). Kurz darauf hat das Finanzgericht Münster in ähnlicher Weise entschieden (Urteil vom 27.1.2022, 1 K 1741/18 E).

In einem aktuellen Schreiben stellt das Bundesfinanzministerium nun dar, welche Anforderungen an ein Gutachten zur Verkürzung des AfA-Zeitraums zu stellen sind. Und wie zu erwarten war, legt das BMF die Hürden doch wieder hoch (BMF-Schreiben vom 22.2.2023, IV C 3 - S 2196/22/10006: 005). Danach gilt unter anderem: Der Nachweis einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer ist durch Vorlage eines Gutachtens eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken oder von Personen, die von einer nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständige oder Gutachter für die Wertermittlung von Grundstücken nach entsprechender Norm zertifiziert worden sind, zu erbringen. Die bloße Übernahme einer Restnutzungsdauer aus einem Verkehrswertgutachten ist nicht als Nachweis einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer geeignet. Die Restnutzungsdauer und die Gesamtnutzungsdauer nach der Immobilienwertverordnung (ImmoWertV) entsprechen nicht der tatsächlichen Gesamt- bzw. Restnutzungsdauer eines einzelnen Gebäudes, sondern sind Modellansätze, die nur im Gesamtkontext einer Verkehrswertermittlung zu sachgerechten Ergebnissen führen.

Drei Faktoren können für eine kürzere Nutzungsdauer eines Gebäudes sprechen: der technische Verschleiß, die wirtschaftliche Entwertung sowie rechtliche Gegebenheiten, welche die Nutzungsdauer begrenzen können. Die Absicht, ein zunächst noch genutztes Gebäude abzubrechen oder zu veräußern, rechtfertigt es übrigens nicht, eine kürzere Nutzungsdauer des Gebäudes zugrunde zu legen. Eine Verkürzung der Nutzungsdauer kann erst angenommen werden, wenn die Vorbereitungen zum Gebäudeabbruch soweit gediehen sind, dass die weitere Nutzung in der bisherigen oder einer anderen Weise so gut wie ausgeschlossen ist.

Praxistipp:
Für bestimmte betrieblich genutzte Gebäude (z.B. Hallen in Leichtbauweise oder bei Ställen und Schuppen) kann sich jeweils in Abhängigkeit von der Bauart, der Bauweise und der Nutzung bereits aus den amtlichen AfA-Tabellen eine kürzere Nutzungsdauer ergeben. Berufen sich die Steuerpflichtigen auf die in den AfA-Tabellen enthaltenen Richtwerte, sind diese anzusetzen.

Praxistipp:
Es ist zu beachten, dass die Kosten eines Gutachters vom Steuerpflichtigen zu tragen sind. Eine Erstattung kommt - wenn überhaupt - allenfalls in einem Klageverfahren in Betracht.
gepostet: 21.04.2023
Direktversicherung: Nutzung der Vervielfältigungsregelung bei Abfindungen
Arbeitnehmer, die aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden und eine Abfindung erhalten, fragen oft, ob es eine Möglichkeit gibt, die Steuerlast auf diese Abfindung ein Stück weit zu senken. Eine dieser Möglichkeiten ist die Einzahlung in eine Direktversicherung unter Nutzung der so genannten Vervielfältigungsregelung (§ 3 Nr. 63 EStG; § 40b EStG). Dabei gelten unterschiedliche Steuerregeln für Alt- und Neuverträge.

Wurde die Direktversicherung vor dem 1.1.2005 abgeschlossen, kann bei Beendigung des Dienstverhältnisses für jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit ein Betrag von 1.752 Euro in die Direktversicherung eingezahlt und pauschal besteuert werden. Der so vervielfältigte Betrag vermindert sich um die pauschal versteuerten Versicherungsbeiträge, die im laufenden Jahr und in den vorangegangenen sechs Jahren in die Direktversicherung bereits eingezahlt wurden (§ 52 Abs. 52a EStG). Die Vervielfältigungsregel muss im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses stehen. Um die Vervielfältigungsregel nach altem Recht nutzen zu können, muss vor 2018 mindestens ein Beitrag mit 20 Prozent pauschal besteuert worden sein.

Bei neueren Verträgen mit Vertragsabschluss seit dem 1.1.2005 gilt: Aus Anlass der Beendigung des Dienstverhältnisses geleistete Beiträge sind steuerfrei, soweit sie 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung, vervielfältigt mit der Anzahl der Kalenderjahre, in denen das Dienstverhältnis bestanden hat, höchstens jedoch zehn Kalenderjahre, nicht übersteigen.

Aber wann ist ein Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegeben? Bislang gilt: Ein Zusammenhang mit der Beendigung des Dienstverhältnisses ist insbesondere dann zu vermuten, wenn der Beitrag innerhalb von drei Monaten vor dem Beendigungs-/Auflösungszeitpunkt geleistet wird. Ohne zeitliche Beschränkung kann die Vervielfältigungsregel auch nach dem Ausscheiden genutzt werden, sofern die Umwandlung von Arbeitslohn vor bzw. exakt mit dem Ausscheiden vereinbart wird (BMF-Schreiben vom 12.8.2021, BStBl 2021 I S. 1050; R 40b.1 Abs. 11 LStR). Doch zum 1. Januar wurden die Lohnsteuerrichtlinien in R 40b.1 Abs. 11 LStR geändert. Für die Altfälle, also bei Vertragsabschluss vor dem 1.1.2005, gilt nun:

Die Vervielfältigung der Pauschalierungsgrenze kann nach § 40b Abs. 2 Satz 3 EStG erfolgen, wenn sie im sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Beendigung des Dienstverhältnisses steht; ein solcher Zusammenhang ist insbesondere dann zu vermuten, wenn der Direktversicherungsbeitrag innerhalb von zwölf Monaten vor dem Auflösungszeitpunkt geleistet wird.

Nach Auflösung des Dienstverhältnisses kann sie ohne zeitliche Beschränkung angewendet werden, wenn sie im sachlichen Zusammenhang mit der Auflösung des Dienstverhältnisses steht. Das bedeutet: Die Umwidmung einer Abfindung, eventuell auch einer nachträglich gewährten Tantieme, zwecks Einmalzahlung in eine Direktversicherung kann auch noch nach der Vereinbarung über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses erfolgen.

Praxistipp:
Bei Vertragsabschlüssen ab dem 1.1.2005 bleibt es (noch) bei der Drei-Monats-Frist. Das entsprechende BMF-Schreiben ist noch nicht geändert worden. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass das Gesagte nicht nur für Einzahlungen in eine Direktversicherung, sondern auch für Einzahlungen in eine Pensionskasse gilt.
gepostet: 19.04.2023
Trennung und Scheidung: Wohnungsüberlassung gilt als Unterhaltsleistung
Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder getrennt lebenden Ehegatten können bis zu 13.805 Euro als Sonderausgaben abgesetzt werden, sofern der Empfänger hierzu seine Zustimmung erteilt. Im Gegenzug muss der Empfänger den gleichen Betrag als sonstige Einkünfte versteuern. Dieses Verfahren ist unter dem Namen Realsplitting bekannt. Als Unterhaltsleistungen gelten auch Sachleistungen, insbesondere der Wert der dem Ex-Partner überlassenen Wohnung. Wird dem Ex-Gatten die Wohnung "ohne Miete" aufgrund einer Unterhaltsvereinbarung überlassen und vermindert sich dadurch die Barunterhaltsverpflichtung, wird dies im Rahmen des Realsplittings berücksichtigt (BFH-Urteil vom 12.4.2000, XI R 127/96). Fraglich war bislang, in welcher Höhe die Wohnungsüberlassung beim Sonderausgabenabzug anzusetzen ist. Hierzu hat der Bundesfinanzhof nun wie folgt Stellung genommen:

Bei einer unentgeltlichen Nutzungsüberlassung handelt es sich um Naturalunterhalt, der in Höhe der ortsüblichen Miete beim Realsplitting berücksichtigt werden kann. Die ortsübliche Miete ist auch dann anzusetzen, wenn die Parteien unterhaltsrechtlich einen betragsmäßig geringeren Wohnvorteil vereinbart haben (BFH-Urteil vom 29.6.2022, X R 33/20). Allerdings nimmt der BFH auch eine wichtige Differenzierung vor.

Der Sachverhalt: In der Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung wurde ein Barunterhalt in Höhe von 600 Euro pro Monat bestimmt. Zudem wurde Folgendes geregelt: Solange die Ehefrau noch in der ehemals gemeinsamen Familienwohnung lebt, wird ein Anteil von 400 Euro als Wohnvorteil der Ehefrau bewertet und mithin nur ein Betrag in Höhe von 200 Euro an die Ehefrau vom Ehemann ausgezahlt. Im Rahmen der Steuererklärung legte der Mann jedoch dar, dass der Mietwert ca. 800 Euro beträgt. Demnach machte er anstatt 7.200 Euro ca. 12.000 Euro als Sonderausgaben geltend. Finanzamt und Finanzgericht lehnten diesen höheren Betrag ab, doch der BFH gab dem Steuerzahler zumindest dem Grunde nach Recht.

Eine Naturalunterhaltsleistung ist im Rahmen des Realsplittings auch dann mit dem objektiven Wert, hier mit dem ortsüblichen Mietzins, anzusetzen, wenn die Parteien in einer Unterhaltsvereinbarung subjektiv einen geringeren Betrag zugrunde gelegt haben. Allerdings macht der BFH folgende Einschränkung: Sofern die gemeinsamen Kinder weiter in der überlassenen Wohnung verbleiben, bleibt der auf sie entfallende Wohnvorteil bei den abziehbaren Unterhaltsleistungen außer Betracht. Zudem ist folgende Besonderheit zu beachten: Die Überlassung einer Wohnung an den geschiedenen oder dauerhaft getrennt lebenden Ehegatten kann auch auf einem entgeltlichen Rechtsverhältnis beruhen, also ein "echtes" Mietverhältnis darstellen. Dieses unterfällt nicht dem Realsplitting, sondern ist - wie bei einer Vermietung an Fremde - bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu würdigen.

Praxistipp:
Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarungen können ungeahnte steuerliche Folgen auslösen, insbesondere wenn es auch um die Übertragung von Immobilien geht. So wird zuweilen übersehen, dass die Übertragung eines Grundstücks oder Grundstücksteils im Zuge einer Scheidung ein steuerpflichtiges Spekulationsgeschäft auslösen kann. Bitte benachrichtigen Sie uns daher frühzeitig, wenn Sie entsprechende Vereinbarungen treffen möchten.
gepostet: 17.04.2023
Organschaft: Gewinnabführungsvertrag unbedingt tatsächlich durchführen
Im Bereich der Körperschaft- und Gewerbesteuer sind häufig so genannte Organschaften erwünscht. Dabei wird eine Tochtergesellschaft, die Organgesellschaft, in das Mutterunterunternehmen, den Organträger, in steuerlicher Hinsicht eingegliedert. Der Vorteil einer solchen Organschaft liegt darin, dass im Ergebnis mehrere Gesellschaften als einziges Steuersubjekt behandelt werden und Verluste im Organkreis ausgeglichen werden können. Während Organschaften im Bereich der Umsatzsteuer bereits durch die tatsächlichen Verhältnisse, das heißt durch die finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung entstehen können, bedarf es für ertragsteuerliche Zwecke neben einer finanziellen Eingliederung auch eines Gewinn- bzw. Ergebnisabführungsvertrages. Der Gewinnabführungsvertrag muss auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt werden.

Wichtig ist, dass die Regelungen des Gewinnabführungsvertrages tatsächlich - zeitnah - vollzogen werden. Dies bedeutet unter anderem, dass die ermittelten Gewinne entweder durch Zahlung oder aber durch eine zur Anspruchserfüllung führende und der tatsächlichen Zahlung gleich stehende Aufrechnung abgeführt werden. Zur tatsächlichen Durchführung reicht der Verbindlichkeitsausweis in der Bilanz der Organgesellschaft allein nicht aus; die Organgesellschaft muss diese Verbindlichkeit auch zeitnah erfüllen. Wird der Gewinnabführungsvertrag nicht durchgeführt, so wird die körperschaftsteuerliche Organschaft nicht anerkannt.

In einem aktuellen Urteil ist das Finanzgericht Köln der Ansicht der Finanzverwaltung gefolgt, wonach ein Gewinnabführungsvertrag nur dann tatsächlich durchgeführt wird, wenn die durch den Vertrag begründeten Verpflichtungen innerhalb angemessener Zeit beglichen werden. Eine bloße Verbuchung auf dem Verrechnungskonto hat im Streitfall nicht ausgereicht, um die formellen Voraussetzungen des Gewinnabführungsvertrages zu erfüllen (FG Köln, Urteil vom 21.6.2022, 10 K 1406/18).
gepostet: 15.04.2023
Kryptowährungen: Private Veräußerungsgewinne sind steuerpflichtig
Die Frage, wie Geschäfte rund um Bitcoins und anderen Kryptowährungen steuerlich zu beurteilen sind, beschäftigt seit Jahren die Finanzverwaltung und die Finanzgerichte. Nunmehr hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass Veräußerungsgewinne, die ein Steuerpflichtiger innerhalb eines Jahres aus dem Verkauf oder dem Tausch von Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum und Monero erzielt, der Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft unterfallen (BFH-Urteil vom 14.2.2023, IX R 3/22).

Im Streitfall hatte der Kläger verschiedene Kryptowährungen erworben, getauscht und wieder veräußert. Im Streitjahr 2017 erzielte er daraus einen Gewinn in Höhe von insgesamt 3,4 Mio. Euro. Mit dem Finanzamt kam es zum Streit darüber, ob der Gewinn aus der Veräußerung und dem Tausch von Kryptowährungen der Einkommensteuer unterliegt. Der BFH hat die Steuerpflicht der Veräußerungsgewinne bejaht. Bei Kryptowährungen handele es sich um Wirtschaftsgüter, die bei einer Anschaffung und Veräußerung innerhalb eines Jahres der Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft ("Spekulationsgeschäft") nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG unterfallen.

Virtuelle Währungen stellen nach Auffassung des BFH ein "anderes Wirtschaftsgut" i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG dar. Der Begriff des Wirtschaftsguts sei weit zu fassen. Er umfasse neben Sachen und Rechten auch tatsächliche Zustände sowie konkrete Möglichkeiten und Vorteile, deren Erlangung sich ein Steuerpflichtiger etwas kosten lässt und die nach der Verkehrsauffassung einer gesonderten selbständigen Bewertung zugänglich sind. Diese Voraussetzungen seien bei virtuellen Währungen gegeben. Bitcoin, Ethereum und Monero seien wirtschaftlich betrachtet als Zahlungsmittel anzusehen. Sie werden auf Handelsplattformen und Börsen gehandelt, haben einen Kurswert und können für direkt zwischen Beteiligten abzuwickelnde Zahlungsvorgänge Verwendung finden. Die Besteuerung sei auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein so genanntes strukturelles Vollzugsdefizit, das einer Besteuerung entgegensteht, liege nicht vor (Quelle: Mitteilung des BFH vom 28.2.2023).

Praxistipp:
Bei Privatpersonen ist der Verkauf von erworbenen Bitcoin etc. nach einem Jahr steuerfrei. Die Frist verlängert sich auch dann nicht auf zehn Jahre, wenn etwa Bitcoins zuvor für "Lending" genutzt wurden oder die Steuerbürger beispielsweise Ether einem anderen für dessen Blockerstellung als "Stake" zur Verfügung gestellt haben (BMF-Schreiben vom 10.5.2022, BStBl 2022 I S. 668). Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Vorgänge im Zusammenhang mit virtuellen Währungen aber auch dem Betriebsvermögen zuzuordnen sein können und dann andere Regeln gelten. Maßgebend für eine Zuordnung zum Betriebsvermögen ist unter anderem, ob eine Tätigkeit nachhaltig, also mit einer gewissen Intensität, ausgeübt wird. So ist die Blockerstellung nachhaltig, wenn sie auf Wiederholung angelegt ist.
gepostet: 13.04.2023
Gruppenkrankenversicherung: Unschädliche Vorauszahlung von Beiträgen?
Wenn Arbeitgeber für ihre Mitarbeiter eine Gruppenkrankenversicherung abschließen, die beispielsweise Zusatzleistungen wie Zahnbehandlung und Zahnersatz absichert, ist der Vorteil für die Arbeitnehmer steuerfrei, wenn bestimmte Voraussetzungen eingehalten werden. So darf der Beitrag je Arbeitnehmer im Durchschnitt nicht mehr als 50 Euro (früher 44 Euro) im Monat betragen. Bei dem Betrag von 50 Euro handelt es sich um eine Freigrenze, nicht um einen Freibetrag. Zudem darf der jeweilige Arbeitnehmer vom Arbeitgeber nur den Versicherungsschutz selbst, nicht aber die Auszahlung des entsprechenden Wertes verlangen (BFH-Urteil vom 7.6.2018, BStBl 2019 II S. 371).

Ein vom Arbeitgeber gewährter Vorteil bleibt nur dann steuerfrei, wenn er tatsächlich monatlich bis zur Höhe der Freigrenze gewährt wird. Besser ausgedrückt: Wird dem Arbeitnehmer zum Beispiel gleich im Januar ein Vorteil im Wert von 600 Euro gewährt, so darf dieser nicht rechnerisch auf zwölf Monate verteilt werden, sondern muss - da er 50 Euro übersteigt - im Januar voll versteuert werden. Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat die Vorauszahlung von Beiträgen zu einer Gruppenkrankenversicherung allerdings für die 50-Euro-Grenze bzw. für die damalige 44-Euro-Grenze als unschädlich betrachtet (Urteil vom 21.10.2022, 10 K 262/22).

Der Sachverhalt: Ein Arbeitgeber hat eine betriebliche Gruppenversicherung für seine Arbeitnehmer abgeschlossen. Versichert wurden Zusatzleistungen zur Krankenversicherung wie Vorsorge, Reise, Zahnbehandlung, Zahnersatz. Ein Wahlrecht der Arbeitnehmer zwischen Versicherungsleistung und Geldzahlung war nicht vorgesehen. Nach den Versicherungsbedingungen müssen die Beiträge als laufende Monatsbeiträge gezahlt werden. Der Arbeitgeber leistete die Beiträge dennoch jährlich als Einmalzahlung. Sie beliefen sich je Arbeitnehmer auf Beträge zwischen 99,19 Euro und 432,92 Euro. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Beitragszahlung zum Zufluss von Barlohn für die Arbeitnehmer führe und die damalige 44-Euro-Freigrenze für Sachbezüge deshalb nicht anwendbar sei. Die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich. Begründung: Für die Berechnung, ob die monatliche Freigrenze eingehalten ist, ist der Zuflusszeitpunkt des Sachbezugs maßgeblich. Für den Zufluss von Arbeitslohn kommt es aber nicht auf das Innehaben von Ansprüchen (gegen den Arbeitgeber), sondern auf die Erfüllung dieser Ansprüche an. Zuflusszeitpunkt ist der Tag, an dem der Arbeitnehmer durch die Erfüllung seines Anspruchs die wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt. Diese erlangten die Arbeitnehmer jeweils erst mit der monatlichen Gewährung des Versicherungsschutzes. Mit der jährlichen Vorauszahlung der Beiträge war den Arbeitnehmern der Sachbezug "Versicherungsschutz” bei wirtschaftlicher Betrachtung noch nicht zugeflossen.

Praxistipp: In dem aktuellen Verfahren wurde die Revision zugelassen. Ob diese tatsächlich eingelegt worden ist, ist leider noch nicht bekannt. Wer Streitigkeiten mit dem Finanzamt aus dem Wege gehen möchte, sollte - jedenfalls bis zu einer eventuellen Entscheidung des Bundesfinanzhofs - hohe Beitragsvorauszahlungen besser vermeiden.
gepostet: 11.04.2023
Doppelte Haushaltsführung: Stellplatz fällt nicht unter die 1.000-Euro-Grenze
Wer aus beruflichen Gründen einen zweiten Haushalt am Arbeitsort führt, darf die Kosten der doppelten Haushaltsführung steuerlich geltend machen. Die Kosten der zweiten Unterkunft können mit den tatsächlichen Aufwendungen angesetzt werden, höchstens aber mit 1.000 Euro im Monat. Zu den abzugsfähigen Kosten gehören auch Ausgaben für die Anschaffung von notwendigen Einrichtungsgegenständen und Hausrat. Dabei sind solche Aufwendungen selbst dann abziehbar, wenn der Höchstbetrag von monatlich 1.000 Euro für die Wohnungsnutzung, also für die Miete, bereits ausgeschöpft ist. Dies hatte der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 4.4.2019 (VI R 18/17) entschieden.

Im Jahre 2020 hat das Finanzgericht des Saarlandes darüber hinaus entschieden, dass auch die Kosten für einen angemieteten Stellplatz oder für eine Garage nicht zu den Unterkunftskosten gehören und damit ebenfalls nicht unter die 1.000-Euro-Grenze fallen. Sie sind damit auch dann abziehbar, wenn bereits die Miete für die Wohnung so hoch ist, dass die Grenze überschritten wird (Gerichtsbescheid vom 20.5.2020, 2 K 1251/17). Diese Entscheidung ist rechtskräftig, obwohl die Revision ausdrücklich zugelassen wurde. Nunmehr hat auch das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern geurteilt, dass Aufwendungen für einen - separat von der Wohnung angemieteten - Pkw-Stellplatz nicht zu den Unterkunftskosten gehören. Sie werden nicht von der 1.000-Euro-Grenze erfasst. Die Kosten sind auch nicht mit der Pendlerpauschale für das Kfz abgegolten, sondern gelten als "sonstige", nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG abziehbare Mehraufwendungen der doppelten Haushaltsführung (Urteil vom 21.9.2022, 3 K 48/22). Die Entscheidung ist ebenfalls rechtskräftig.

Praxistipp:
Die Kosten für Heizung und Warmwasser fallen nach Ansicht des FG Mecklenburg-Vorpommern ebenfalls nicht unter die 1.000 Euro-Grenze und sind im Rahmen einer - steuerlich anerkannten - doppelten Haushaltsführung folglich voll abziehbar. Ob die Finanzverwaltung dies genauso sieht, ist allerdings fraglich.
gepostet: 09.04.2023
Erdbeben Türkei und Syrien: Steuermaßnahmen bei Unterstützungsleistungen
Das verheerende Erdbeben in der Türkei und in Syrien im Februar 2023 hat enormes menschliches Leid und massive Schäden an der Infrastruktur verursacht. Um Unterstützungsmaßnahmen zu fördern, hat das Bundesfinanzministerium einen so genannten Katastrophenerlass herausgegeben. Er gilt für Unterstützungsmaßnahmen, die vom 6. Februar 2023 bis zum 31. Dezember 2023 durchgeführt werden (BMF-Schreiben vom 27.2.2023, IV C 4 - S 2223/19/10003 :019). Unter anderem wird geregelt, dass für Spenden ein vereinfachter Zuwendungsnachweis gilt. Statt einer sonst üblichen Zuwendungsbestätigung genügt als Nachweis der Zuwendungen der Bareinzahlungsbeleg oder die Buchungsbestätigung eines Kreditinstitutes (z.B. der Kontoauszug, Lastschrifteinzugsbeleg oder der PC-Ausdruck bei Online-Banking). Der vereinfachte Nachweis genügt für Spenden, die bis zum 31. Dezember 2023 auf spezielle Sonderkonten eingezahlt werden, und zwar bei einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts, einer inländischen öffentlichen Dienststelle oder eines inländischen amtlich anerkannten Verbandes der freien Wohlfahrtspflege einschließlich seiner Mitgliedsorganisationen. Weitere Regelungen betreffen Maßnahmen von steuerbegünstigten Körperschaften für durch das Erdbeben geschädigte Personen, die steuerliche Behandlung von Zuwendungen aus dem Betriebsvermögen, lohnsteuerliche Fragen bei der Unterstützung von Arbeitnehmern und Arbeitslohnspenden, den Verzicht auf Aufsichtsratsvergütungen sowie schenkungsteuerliche Befreiungen bei Zuwendungen an hilfsbedürftige Personen.

Beispielsweise soll der Betriebsausgabenabzug bei Unterstützungsleistungen aus dem Betriebsvermögen heraus nicht behindert werden. So verfügt das BMF: Wendet der Steuerpflichtige bis zum 31. Dezember 2023 seinen von dem Erdbeben geschädigten Geschäftspartnern zum Zwecke der Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehungen in angemessenem Umfang unentgeltlich Leistungen aus seinem inländischen Betriebsvermögen zu, sind die Aufwendungen in voller Höhe als Betriebsausgaben abziehbar. Und weiter: Unter allgemeinen Billigkeitserwägungen ist die Zuwendung von Wirtschaftsgütern oder sonstigen betrieblichen Nutzungen und Leistungen (nicht hingegen Geld) des Steuerpflichtigen aus einem inländischen Betriebsvermögen an durch das Erdbeben Geschädigte oder mit der Bewältigung des Erdbebens befasste Betriebe oder Einrichtungen (einschließlich der juristischen Personen des öffentlichen Rechts) als Betriebsausgabe zu behandeln.

Darüber hinaus gilt im Bereich der Umsatzsteuer: Bei der unentgeltlichen Bereitstellung von Gegenständen und Personal für humanitäre Zwecke durch Unternehmen an Einrichtungen, die einen unverzichtbaren Einsatz zur Bewältigung der Auswirkungen und Folgen bei den von dem Erdbeben Geschädigten leisten, wie insbesondere Hilfsorganisationen, Einrichtungen für geflüchtete Menschen und zur Versorgung Verletzter sowie weitere öffentliche Institutionen, wird von der Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe im Billigkeitswege abgesehen. Beabsichtigt ein Unternehmer bereits beim Leistungsbezug, die Leistungen ausschließlich und unmittelbar für die genannten Zwecke zu verwenden, sind die entsprechenden Vorsteuerbeträge im Billigkeitswege abziehbar, sofern ansonsten die allgemeinen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs erfüllt sind, also insbesondere eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt. Die folgende unentgeltliche Wertabgabe wird im Billigkeitswege nicht besteuert.
gepostet: 07.04.2023
Spekulationsgeschäft: Teilverkauf des Gartens kann Steuerpflicht auslösen
Wer eine Immobilie innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb wieder verkauft, muss einen eventuellen Veräußerungsgewinn versteuern. Steuerfrei bleibt - unter bestimmten Voraussetzungen - nur der Verkauf des selbstgenutzten Eigenheims. Was aber gilt, wenn lediglich ein Teil des Grundstücks, auf dem sich das Eigenheim befindet, verkauft wird und das Haus mitsamt des Restgrundstücks weiter selbst genutzt wird? Das Niedersächsische Finanzgericht hat entschieden, dass der Teilverkauf eines Grundstücks, hier eines Gartenteils, die so genannte Spekulationsbesteuerung auslöst (Urteil vom 20.7.2022, 4 K 88/21). Der Sachverhalt: Eheleute erwarben in 2014 ein Einfamilienhaus mitsamt eines sehr großen Grundstücks. Als im Jahre 2018 in der Nachbarschaft gebaut wurde, erkannten die Eheleute, dass auf ihrem Grundstück noch ein weiteres Gebäude errichtet werden könnte. Daraufhin veranlassten sie die Teilung des Grundstücks und veräußerten in 2019 eine Parzelle. Dem Finanzamt gegenüber erläuterten sie, dass sie lediglich einen Teil ihres Gartens des von ihnen selbst genutzten Grundstücks veräußert hätten. Das von ihnen in 2014 angeschaffte Grundstück in dem kleinen Dorf sei von ortsüblicher Größe gewesen. Das Finanzamt und nun auch das Finanzgericht waren dennoch der Auffassung, dass ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft (§§ 22, 23 EStG) vorgelegen habe. Dies sei auch dann gegeben, wenn das restliche Grundstück weiterhin zu eigenen Wohnzwecken genutzt werde.

Begründung: Der Verkauf eines zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäudes ist steuerfrei, und zwar inklusive des dazugehörigen Grund und Bodens. Im Streitfall diente das verkaufte Flurstück aber nicht mehr eigenen Wohnzwecken. Mit der Grundstücksteilung und der Bildung des neuen Flurstücks zum Zwecke des Verkaufs war der Zusammenhang mit dem weiterhin zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäude aufgehoben. Der Grund und Boden gehörte nicht mehr zum eigengenutzten Gebäude und konnte daher auch nicht länger zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden.

Praxistipp:
Es wurde die Revision zugelassen. Die Frage, ob eine Parzellierung einer zuvor erworbenen Grundstückfläche und deren Weiterverkauf innerhalb des zehnjährigen Veräußerungszeitraums wegen der Weiternutzung des erworbenen Gebäudes zu eigenen Wohnzwecken zu einem Veräußerungsgeschäft i.S.v. § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG führt, habe grundsätzliche Bedeutung. Die Revision ist beim Bundesfinanzhof anhängig unter dem Az. IX R 14/22.
gepostet: 05.04.2023
Infektionsschutzgesetz: Keine Lohnsteuer-Nachforderung in Bagatellfällen
Insbesondere im Erstjahr der Corona-Pandemie wurden viele Arbeitnehmer in Quarantäne geschickt, ohne selbst krank gewesen zu sein. Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) sieht in § 56 eine Verdienstausfallentschädigung für diese Fälle vor. Den Verdienstausfall zahlt zunächst der Arbeitgeber. Die Leistung wird dem Arbeitgeber aber auf Antrag von der Entschädigungsbehörde erstattet. Das Bundesfinanzministerium hat nun zu steuerlichen Fragen rund um die Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz Stellung genommen und dabei eine erfreuliche Nichtbeanstandungsgrenze eingeführt (BMF-Schreiben vom 25.1.2023, IV C 5 - S 2342/20/10008 :003). Danach gilt unter anderem:

Die Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz ist steuerfrei (§ 3 Nr. 25 EStG), unterliegt aber dem Progressionsvorbehalt. Stellt der Arbeitgeber im Nachhinein fest, dass seine ursprüngliche Behandlung der Lohnzahlung/Verdienstausfallentschädigung (Lohnversteuerung bzw. Steuerfreistellung) unzutreffend war, ist er verpflichtet, zu viel erhobene Lohnsteuer bei der nächsten Lohnzahlung zu erstatten bzw. noch nicht erhobene Lohnsteuer bei der nächsten Lohnzahlung einzubehalten. Eine Änderung des Lohnsteuerabzugs ist aber nur bis zur Übermittlung bzw. bis zum Ausstellen der Lohnsteuerbescheinigung zulässig. Wurde die elektronische Lohnsteuerbescheinigung vom Arbeitgeber bereits an die Finanzverwaltung übermittelt, ist eine Änderung des Lohnsteuerabzugs nicht mehr möglich (§ 41c Abs. 3 EStG). Die elektronische Lohnsteuerbescheinigung und die Lohnsteuer-Anmeldung dürfen nicht berichtigt werden.

Zahlt der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer Arbeitslohn, der zunächst versteuert wird, und erhält der Arbeitgeber später auf seinen Antrag hin von der Entschädigungsbehörde eine Erstattung nach § 56 IfSG, so liegt insoweit eine unzutreffende Lohnversteuerung zuungunsten des Arbeitnehmers vor. Im Falle der unzutreffenden Lohnversteuerung unterliegt der Arbeitgeber in der Regel aber keiner lohnsteuerlichen Mitteilungspflicht gegenüber dem Betriebsstätten-Finanzamt. Der Arbeitnehmer kann seinen Anspruch auf Erstattung der vom Arbeitgeber zu Unrecht einbehaltenen Lohnsteuer daher (nur) im Rahmen seiner Einkommensteuerveranlagung geltend machen.

Geht der Arbeitgeber zunächst davon aus, dass eine Zahlung an den Arbeitnehmer als Verdienstausfallentschädigung nach dem IfSG steuerfrei ist und wird der Erstattungsantrag des Arbeitgebers später von der Entschädigungsbehörde abgelehnt oder ein niedrigerer Betrag als beantragt erstattet, hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig einbehalten. Grundsätzlich sollte der Arbeitgeber eine zu viel gezahlte Verdienstausfallentschädigung zwar vom Arbeitnehmer zurückfordern und die Lohnsteuerbescheinigung entsprechend ändern, doch wenn zwischen Antragstellung und späterer Ablehnung der Entschädigung viele Monate vergangen sind, wird das nicht möglich sein.

Kommt eine Berichtigung der Lohnsteuer(-bescheinigung) durch den Arbeitgeber nicht infrage, muss er dem Betriebsstätten-Finanzamt den nicht vorgenommenen Lohnsteuerabzug anzeigen. Das Betriebsstätten-Finanzamt fordert die zu wenig erhobene Lohnsteuer beim Arbeitnehmer nach (Nachforderungsbescheid). Die nachgeforderte Lohnsteuer wird dann bei der Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers auf die Einkommensteuer angerechnet. Wahlweise kann das Betriebsstätten-Finanzamt auf die Nachforderung verzichten, wenn der Arbeitnehmer ohnehin zur Einkommensteuer veranlagt wird.

Praxistipp:
In den Fällen unzutreffender Steuerfreistellung wird es nicht beanstandet, wenn der Arbeitgeber von seiner Anzeigepflicht absieht, sofern die Differenz zwischen der dem Arbeitnehmer gezahlten Verdienstausfallentschädigung und der dem Arbeitgeber bewilligten Erstattung 200 Euro pro Quarantänefall nicht übersteigt. Insoweit haftet der Arbeitgeber auch nicht für die nicht vorschriftsmäßig einbehaltene Lohnsteuer. Von einer Nachforderung der zu wenig erhobenen Lohnsteuer beim Arbeitnehmer wird abgesehen. In diesen Fällen unterbleibt auch eine Korrektur der unzutreffenden Steuerfreistellung im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers.
gepostet: 03.04.2023
Übungsleiterpauschale: Vorträge bei Verbänden sind nicht begünstigt
Für bestimmte Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten wird die so genannte Übungsleiterpauschale in Höhe von 3.000 Euro gewährt. Das heißt, bis zu diesem Betrag bleiben die Einnahmen steuerfrei. Voraussetzung ist aber, dass die Tätigkeiten im Dienst oder im Auftrag einer gemeinnützigen Institution oder eines öffentlich-rechtlichen Auftraggebers erfolgen. Das Finanzgericht Köln ist der Auffassung, dass eine Steuerfreiheit nicht in Betracht kommt, wenn Vortragstätigkeiten gegenüber Verlagen und Verbänden erbracht werden. Das gilt auch dann, wenn die Veranstaltungen von den Teilnehmern besucht werden, um einer Fortbildungspflicht nachzukommen und die Erfüllung dieser Pflicht wiederum von einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung, zum Beispiel einer Berufskammer, geprüft wird. Ein mittelbarer Zusammenhang zu einem öffentlich-rechtlichen Auftraggeber reicht folglich nicht aus, um die Übungsleiterpauschale zu erlangen (Urteil vom 20.1.2022, 15 K 1317/19). Der Kläger erzielte Vortragshonorare, für die er die Übungsleiterpauschale nach § 3 Nr. 26 EStG beantragte. Die Vorträge wurden bei Verlagen und Verbänden gehalten; Zielgruppe waren Rechtsanwälte. Die Veranstaltungen konnten als Fachanwaltsfortbildung berücksichtigt werden. Die Überprüfung der entsprechenden Fortbildungspflicht obliegt den Rechtsanwaltskammern. Damit lag nach Ansicht des Klägers eine begünstigte Tätigkeit im Dienst oder im Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts vor. Finanzamt und Finanzgericht indes versagten die Steuerbefreiung. Die Steuerbefreiung verlange als Leistungsempfänger entweder bestimmte privatrechtliche steuerbegünstigte Körperschaften oder eine Tätigkeit im Dienst oder im Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts. Das sei hier nicht gegeben. Die spätere Anerkennung der Veranstaltungen als Fortbildung für Fachanwälte bewirke keine Steuerbefreiung.
gepostet: 01.04.2023
März 2023
Erdbeben Türkei und Syrien: Steuermaßnahmen bei Unterstützungsleistungen
Das verheerende Erdbeben in der Türkei und in Syrien im Februar 2023 hat enormes menschliches Leid und massive Schäden an der Infrastruktur verursacht. Um Unterstützungsmaßnahmen zu fördern, hat das Bundesfinanzministerium einen so genannten Katastrophenerlass herausgegeben. Er gilt für Unterstützungsmaßnahmen, die vom 6. Februar 2023 bis zum 31. Dezember 2023 durchgeführt werden (BMF-Schreiben vom 27.2.2023, IV C 4 - S 2223/19/10003 :019). Unter anderem wird geregelt, dass für Spenden ein vereinfachter Zuwendungsnachweis gilt. Statt einer sonst üblichen Zuwendungsbestätigung genügt als Nachweis der Zuwendungen der Bareinzahlungsbeleg oder die Buchungsbestätigung eines Kreditinstitutes (z.B. der Kontoauszug, Lastschrifteinzugsbeleg oder der PC-Ausdruck bei Online-Banking). Der vereinfachte Nachweis genügt für Spenden, die bis zum 31. Dezember 2023 auf spezielle Sonderkonten eingezahlt werden, und zwar bei einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts, einer inländischen öffentlichen Dienststelle oder eines inländischen amtlich anerkannten Verbandes der freien Wohlfahrtspflege einschließlich seiner Mitgliedsorganisationen. Weitere Regelungen betreffen Maßnahmen von steuerbegünstigten Körperschaften für durch das Erdbeben geschädigte Personen, die steuerliche Behandlung von Zuwendungen aus dem Betriebsvermögen, lohnsteuerliche Fragen bei der Unterstützung von Arbeitnehmern und Arbeitslohnspenden, den Verzicht auf Aufsichtsratsvergütungen sowie schenkungsteuerliche Befreiungen bei Zuwendungen an hilfsbedürftige Personen.

Beispielsweise soll der Betriebsausgabenabzug bei Unterstützungsleistungen aus dem Betriebsvermögen heraus nicht behindert werden. So verfügt das BMF: Wendet der Steuerpflichtige bis zum 31. Dezember 2023 seinen von dem Erdbeben geschädigten Geschäftspartnern zum Zwecke der Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehungen in angemessenem Umfang unentgeltlich Leistungen aus seinem inländischen Betriebsvermögen zu, sind die Aufwendungen in voller Höhe als Betriebsausgaben abziehbar. Und weiter: Unter allgemeinen Billigkeitserwägungen ist die Zuwendung von Wirtschaftsgütern oder sonstigen betrieblichen Nutzungen und Leistungen (nicht hingegen Geld) des Steuerpflichtigen aus einem inländischen Betriebsvermögen an durch das Erdbeben Geschädigte oder mit der Bewältigung des Erdbebens befasste Betriebe oder Einrichtungen (einschließlich der juristischen Personen des öffentlichen Rechts) als Betriebsausgabe zu behandeln.

Darüber hinaus gilt im Bereich der Umsatzsteuer: Bei der unentgeltlichen Bereitstellung von Gegenständen und Personal für humanitäre Zwecke durch Unternehmen an Einrichtungen, die einen unverzichtbaren Einsatz zur Bewältigung der Auswirkungen und Folgen bei den von dem Erdbeben Geschädigten leisten, wie insbesondere Hilfsorganisationen, Einrichtungen für geflüchtete Menschen und zur Versorgung Verletzter sowie weitere öffentliche Institutionen, wird von der Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe im Billigkeitswege abgesehen. Beabsichtigt ein Unternehmer bereits beim Leistungsbezug, die Leistungen ausschließlich und unmittelbar für die genannten Zwecke zu verwenden, sind die entsprechenden Vorsteuerbeträge im Billigkeitswege abziehbar, sofern ansonsten die allgemeinen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs erfüllt sind, also insbesondere eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt. Die folgende unentgeltliche Wertabgabe wird im Billigkeitswege nicht besteuert.
gepostet: 04.03.2023
Außergewöhnliche Belastungen: Kosten für medizinische Heilhypnose
Wer die Kosten für eine medizinische Heilhypnose selbst trägt, kann diese nur dann als außergewöhnliche Belastung steuerlich geltend machen, wenn die medizinische Indikation vor Beginn der Maßnahme durch ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen bescheinigt wird. Bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangt § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a bis f EStDV in einer abschließenden Aufzählung den Nachweis der Zwangsläufigkeit durch die genannten Unterlagen. Ein solcher qualifizierter Nachweis ist auch bei krankheitsbedingten Aufwendungen für psychotherapeutische Behandlungen zu erbringen. Selbst wenn ein Kostenabzug dem Grunde nach möglich ist, wird aber eine zumutbare Eigenbelastung gegengerechnet (Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 24.6.2021, 6 K 1784/29).
gepostet: 29.03.2023
Investmentfonds: Vorabpauschale für 2023 bekanntgegeben
Zu Beginn des Jahres 2018 ist die Besteuerung von Investmentfonds neu geregelt worden. Unter anderem gibt es nun die so genannte Vorabpauschale für thesaurierende und teilweise thesaurierende Fonds, also Fonds, die ihre Gewinne nicht oder nicht vollständig ausschütten. Diese Vorpauschale führt zu einer gewissen Mindestbesteuerung, das heißt, durch die Vorabpauschale sollen Werterhöhungen des Fonds vorab versteuert und die Verlagerung von Steuerzahlungen in kommende Jahre vermieden werden. Die Vorabpauschale beträgt 70 Prozent des jährlichen Basiszinses der Bundesbank multipliziert mit dem Wert des Fondsanteils zum Jahresbeginn (sog. Basisertrag). Sofern der tatsächliche Wertzuwachs des Fonds im Kalenderjahr geringer ist, wird aber nur dieser angesetzt. Gab es keine Wertsteigerung, erfolgt auch keine Vorabbesteuerung. Zugegebenermaßen ist die Besteuerung von Fonds alles andere als leicht.

Für das Jahr 2021 war keine Vorabpauschale zu versteuern. Grund ist, dass bereits der Basiszins für 2021 mit -0,45 Prozent negativ war. Folglich konnte sich rein rechnerisch auch keine steuerpflichtige Vorabpauschale ergeben (BMF-Schreiben vom 6.1.2021, BStBl 2021 I S. 56). Auch für das Jahr 2022 war keine Vorabpauschale zu versteuern, denn der Basiszins war weiterhin negativ (BMF-Schreiben vom 7.1.2022, BStBl 2022 I S. 122). Zur Vorabpauschale für das Jahr 2023 gilt Folgendes: Der Basiszins vom 2.1.2023 beträgt 2,55 Prozent. 70 Prozent des Basiszinssatzes ergeben 1,785 Prozent. Die Vorabpauschale gilt beim Anleger als am ersten Werktag des folgenden Jahres zugeflossen, also am 2.1.2024 (BMF-Schreiben vom 4.1.2023, IV C 1-S 1980-1/19/10038:007).
gepostet: 27.03.2023
Abfindung an weichende Mieter: Sofortabzug der Zahlung möglich
Die umfassende Renovierung einer Immobilie ist zuweilen nur möglich, wenn die Mieter zuvor ausgezogen sind. Sofern den Mietern für den - vorzeitigen - Auszug Abfindungen gezahlt werden, ist in steuerlicher Hinsicht die Frage zu beantworten, ob die Entschädigungen sofort abziehbar sind oder ob sie zu Herstellungskosten führen und nur im Wege der Absetzung für Abnutzung (AfA) zu berücksichtigen sind. Im November 2021 hatte das Finanzgericht Münster entschieden, dass an Mieter gezahlte Abfindungen für die vorzeitige Räumung der Wohnungen zum Zweck der Durchführung von Renovierungsmaßnahmen zu anschaffungsnahen Herstellungskosten führen können. Sie wären danach nur per AfA abziehbar (Urteil vom 12.11.2021, 4 K 1941/20 F). Doch der Bundesfinanzhof hat der hiergegen gerichteten Revision entsprochen und einem Sofortabzug der Kosten zugestimmt.

Der Sachverhalt: Ein Vermieter erwarb im Jahr 2016 eine denkmalgeschützte Immobilie mit vier Wohnungen für 1,2 Mio. Euro, die er in den folgenden zwei Jahren für 615.000 Euro renovierte. Vom Kaufpreis entfielen rund 836.000 Euro auf das Gebäude. Um die Mieter zum vorzeitigen Auszug zu bewegen und die Renovierungsarbeiten dadurch einfacher zu gestalten, zahlte der Vermieter Mieterabfindungen von insgesamt 35.000 Euro. Diesen Betrag machte er als sofort abzugsfähige Werbungskosten geltend. Das Finanzamt behandelte die Abfindungen dagegen als anschaffungsnahe Herstellungskosten und versagte den sofortigen Abzug. Die hiergegen gerichtete Klage blieb zunächst ohne Erfolg. Begründung: Zu den Herstellungskosten eines Gebäudes gehören auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen (netto) 15 Prozent der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen (anschaffungsnahe Herstellungskosten gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG). Die Mieterabfindungen seien als solche anschaffungsnahen Herstellungskosten zu behandeln.

Der Bundesfinanzhof hingegen hat entschieden, dass eine Abfindung, die der Eigentümer für die vorzeitige Kündigung des Mietvertrags und die Räumung der Wohnung an seinen Mieter zahlt, um das Gebäude für Vermietungszwecke umfangreich renovieren zu können, als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sofort absetzbar ist. Sie gehört nicht zu den anschaffungsnahen Herstellungskosten gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG, die sich lediglich im Wege der Abschreibung steuermindernd auswirken (BFH-Urteil vom 20.9.2022, IX R 29/21).

Zu den anschaffungsnahen Herstellungskosten rechnen nur bauliche Maßnahmen, durch die Mängel oder Schäden an vorhandenen Einrichtungen eines bestehenden Gebäudes oder am Gebäude selbst beseitigt werden oder das Gebäude durch Erneuerung in einen zeitgemäßen Zustand versetzt wird. Nicht dazu gehören ausdrücklich Aufwendungen für Erweiterungen sowie Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten, die jährlich üblicherweise anfallen. Sonstige Aufwendungen, die durch die Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen lediglich (mit-)veranlasst sind, gehören ebenfalls nicht dazu. Dies betrifft beispielsweise Mieterabfindungen.

Praxistipp:
Im Urteilsfall ging es unzweifelhaft um eine - fortgesetzte - Vermietungstätigkeit. Anders wäre der Fall zu beurteilen gewesen, wenn eine Eigennutzung oder ein Verkauf geplant wären. Wäre die Abfindung im Übrigen geleistet worden, um auf dem Grundstück ein neues Gebäude zu errichten, würde die Zahlung zu den Herstellungskosten des Gebäudes gehören, die wiederum nur im Wege der AfA berücksichtigt würden.
gepostet: 25.03.2023
Solidaritätszuschlag: In 2020 und 2021 war er nicht verfassungswidrig
Die Erhebung des Solidaritätszuschlags war in den Jahren 2020 und 2021 noch nicht verfassungswidrig; eine Vorlage der Sache an das Bundesverfassungsgericht sei daher nicht geboten. Dies hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 17.1.2023 (IX R 15/20) entschieden.

Beim Solidaritätszuschlag handelte es sich in den Jahren 2020 und 2021 nach Ansicht des BFH noch um eine verfassungsrechtlich zulässige Ergänzungsabgabe. Der Solidaritätszuschlag sollte bei seiner Einführung im Jahr 1995 der Abdeckung der im Zusammenhang mit der deutschen Vereinigung entstandenen finanziellen Lasten dienen. Mit dem Auslaufen des Solidarpakts II und der Neuregelung des Länderfinanzausgleichs zum Jahresende 2019 habe der Solidaritätszuschlag seine Rechtfertigung als Ergänzungsabgabe nicht verloren. Eine zwingende rechtstechnische Verbindung zwischen dem Solidarpakt II, dem Länderfinanzausgleich und dem Solidaritätszuschlag bestehe nicht. Zudem habe in den Streitjahren 2020 und 2021 nach wie vor ein wiedervereinigungsbedingter Finanzbedarf des Bundes bestanden. Der Gesetzgeber habe in der Gesetzesbegründung auf diesen fortbestehenden Bedarf, der unter anderem im Bereich der Rentenversicherung und des Arbeitsmarkts gegeben war, hingewiesen. Er habe weiterhin schlüssig dargelegt, dass die Einnahmen aus dem ab 2021 fortgeführten Solidaritätszuschlag zukünftig die fortbestehenden wiedervereinigungsbedingten Kosten nicht decken werden.

Dass sich diese Kosten im Laufe der Zeit weiter verringern werden, habe der Gesetzgeber mit der ab dem Jahr 2021 in Kraft tretenden Beschränkung des Solidaritätszuschlags auf die Bezieher höherer Einkommen und der damit verbundenen Reduzierung des Aufkommens in Rechnung gestellt. Aus dem Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags werde daher deutlich, dass der Gesetzgeber diesen nicht unbegrenzt erheben will, sondern nur für eine Übergangszeit. Ein finanzieller Mehrbedarf des Bundes, der aus der Bewältigung einer Generationenaufgabe resultiert, könne auch für einen sehr langen Zeitraum anzuerkennen sein. Dieser Zeitraum sei beim Solidaritätszuschlag jedenfalls 26 bzw. 27 Jahre nach seiner Einführung noch nicht abgelaufen.

Der Solidaritätszuschlag verstoße auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Ab dem Jahr 2021 werden aufgrund der erhöhten Freigrenzen nur noch die Bezieher höherer Einkommen mit Solidaritätszuschlag belastet. Die darin liegende Ungleichbehandlung sei aber gerechtfertigt. Bei Steuern, die wie die Einkommensteuer und damit auch der Solidaritätszuschlag an der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtet sind, sei die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte zulässig. Daher könne auch der Gesetzgeber beim Solidaritätszuschlag, der im wirtschaftlichen Ergebnis eine Erhöhung der Einkommensteuer darstellt, sozialen Gesichtspunkten Rechnung tragen und diesen auf Steuerpflichtige mit hohen Einkünften beschränken. Vor diesem Hintergrund sei die ab 2021 bestehende Staffelung des Solidaritätszuschlags mit Blick auf das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes gerechtfertigt (Quelle: BFH, Mitteilung vom 30.1.2023).

Praxistipp:
Es steht zu vermuten, dass die jetzt unterlegenen Kläger Verfassungsbeschwerde einlegen werden. Ungeachtet dessen wird sich das Bundesverfassungsgericht über kurz oder lang mit einem Beschluss des Niedersächsischen Finanzgerichts befassen müssen, in dem es um die Frage geht, ob der Solidaritätszuschlag bereits im Veranlagungszeitraum 2007 verfassungswidrig war (Az. des BVerfG: 2 BvL 6/14). Zudem liegt eine weitere Verfassungsbeschwerde unter dem Az. 2 BvR 1505/20 vor.
gepostet: 23.03.2023
Umsatzsteuer: Vorsteuerabzug für Pkw-Vermietung an den Ehegatten
Eine Pkw-Vermietung unter Ehegatten ist steuerlich anzuerkennen, wenn diese einem Fremdvergleich standhält. In einem aktuellen Urteil sieht der Bundesfinanzhof in der entgeltlichen Überlassung eines Kfz an den Ehepartner keinen Gestaltungsmissbrauch und hat dem überlassenden Ehegatten, hier der Ehefrau, den Vorsteuerabzug aus den Anschaffungskosten des Pkw gewährt (BFH-Urteil vom 29.9.2022, V R 29/20).

Es ging um folgenden Sachverhalt: Die Ehefrau kaufte einen Pkw mit eigenen finanziellen Mitteln und überließ das Fahrzeug ihrem Ehemann, der als selbstständiger Arzt tätig war, im Rahmen eines Leasingvertrages entgeltlich zur Nutzung. Als Laufzeit des Leasingvertrages wurden 36 Monate vorgesehen. Die vereinbarten Leasingraten waren marktüblich. Auch der gesamte Leasingvertrag wurde fremdüblich gestaltet und durchgeführt. Der Ehemann nutzte den Wagen ganz überwiegend beruflich. Nach den Modalitäten des Leasingvertrages war die Ehefrau nicht nur zivilrechtlich, sondern auch wirtschaftlich als Eigentümerin des Pkw anzusehen. Vor dem BFH ging es nun speziell um die Frage, ob der Ehefrau der Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Pkw zusteht. Die Richter führen diesbezüglich aus: Der Vorsteuerabzug des Vermieters eines Pkw, hier der Ehefrau, ist nicht systemwidrig und daher auch nicht missbräuchlich. Dies gilt bei einer Vermietung unter Ehegatten jedenfalls für die Vermietung von Pkw, die nicht dem unmittelbaren Familienbedarf dienen (BFH-Urteil vom 29.9.2022, V R 29/20).

Praxistipp:
Die steuerlichen Folgen des Modells "Vermietung unter Ehegatten" sind optimalerweise die Folgenden: Der nutzende Ehegatte, hier der Ehemann als Leasingnehmer, kann die Leasingraten vorbehaltlich eines Privatanteils voll als Betriebsausgaben abziehen. Beim Leasinggeber, hier der Ehefrau, liegen sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG - und keine gewerblichen oder Vermietungseinkünfte - vor (R 15.7 EStR). Diese sonstigen Einkünfte sind bei Unterschreiten einer Freigrenze von 256 EUR komplett steuerfrei. Vor allem aber muss ein späterer Veräußerungsgewinn beim Verkauf des Kfz nicht besteuert werden. Das liegt daran, dass der Pkw (auch) beim Leasinggeber nicht zu Betriebsvermögen wird. Und ein Verkauf aus dem Privatvermögen heraus ist steuerfrei, da ein Pkw als "Gegenstand des täglichen Gebrauchs" gilt (§ 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Umsatzsteuerlich besteht für den Leasinggeber ein voller Vorsteuerabzug aus den Anschaffungskosten, wenn er auf die Kleinunternehmerregelung verzichtet. Sofern er nach Ablauf von fünf Jahren zur Kleinunternehmerregelung zurückkehrt, unterliegt der Veräußerungserlös nicht der Umsatzsteuer. Das heißt, dass das Fahrzeug erst nach mehr als fünf Jahren verkauft werden darf, auch wenn der Leasingvertrag nur 36 Monate läuft.
gepostet: 21.03.2023
Wohnungsrecht: Kosten der Ablösung können sofort abziehbar sein
Werden Immobilien auf die nachfolgende Generation übertragen, behalten sich die Eltern oftmals ein Wohnungsrecht oder ein Nießbrauchrecht vor. Doch manchmal ändern sich die Lebensumstände und ein solches Wohnungs- oder ein Nießbrauchrecht wird abgelöst. Erfolgt die Ablösung entgeltlich, stellt sich die Frage, ob die Kosten sofort abziehbare Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung darstellen oder ob sie nur im Wege der Absetzung für Abnutzung (AfA) zu berücksichtigen sind. Vorausgesetzt natürlich, die Immobilie soll weiterhin bzw. nach Auszug des Wohnungsrechtsinhabers vermietet werden.

In einem aktuellen Urteil hat der Bundesfinanzhof die Aufwendungen für die Aufgabe des Wohnungsrechts als - sofort abziehbare - Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anerkannt (BFH-Urteil vom 20.9.2022, IX R 9/21).

Der Sachverhalt: Der Kläger hatte im Jahr 2012 das Erbbaurecht für ein Grundstück erworben. Auf dem Grundstück befindet sich ein Wohngebäude (Doppelhaushälfte). Das Erbbaurecht war mit einem Wohnungsrecht zugunsten der A belastet. Im Jahre 2017 verzichte A gegen Zahlung einer einmaligen "Ausgleichsentschädigung" in Höhe von 40.000 Euro auf ihr Wohnungsrecht und verpflichtete sich, das Gebäude zu räumen. Nach einer umfassenden Renovierung wird die Doppelhaushälfte seit 2018 vom Kläger dauerhaft zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung genutzt. Das Finanzamt wertete die Ausgleichsentschädigung für die Aufgabe des Wohnungsrechts nicht als sofort abzugsfähige Werbungskosten, sondern als Anschaffungskosten des Wohngebäudes und berücksichtigte nur eine anteilige lineare AfA in Höhe von 2 Prozent. Der BFH sieht die Sache anders.

Es sei ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit künftigen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anzunehmen, wenn dem Inhaber eines Wohnungsrechts ein Entgelt dafür gezahlt wird, dass dieser der Löschung seines Rechts zustimmt, er das Gebäude räumt und der Eigentümer bzw. der Erbbauberechtigte so erreicht, dass die Wohnung vermietet werden kann. Mithin seien im Urteilsfall vorab entstandene Werbungskosten in Gestalt der Ausgleichsentschädigung (40.000 Euro) sowie auch der Notarkosten für die Beurkundung des Verzichts auf das Wohnungsrecht abzuziehen.

Praxistipp:
Anders als im Urteilsfall soll die Ablösung eines Wohnungs- oder Nießbrauchrechts oftmals unentgeltlich erfolgen. Dann kann allerdings eine hohe Schenkungsteuer ausgelöst werden. Bitte informieren Sie uns daher frühzeitig, wenn bei Ihnen die Ablösung eines entsprechenden Rechts geplant ist.
gepostet: 19.03.2023
Arbeitslohn: Kostenerstattung für Führungszeugnis ist nicht zu versteuern
Kostenerstattungen eines kirchlichen Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer für die Einholung polizeilicher Führungszeugnisse zum Zweck der Prävention gegen sexualisierte Gewalt führen nicht zu steuerpflichtigem Arbeitslohn - so hat das Finanzgericht Münster mit Urteil vom 23.3.2022 (7 K 2350/19 AO) entschieden. Die Kläger gehören zum Arbeitgeberkreis eines Generalvikariats. Nach der Ordnung zur Prävention gegen sexualisierte Gewalt an Minderjährigen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen haben sich die kirchlichen Rechtsträger unter anderem folgende Verpflichtungen auferlegt: Mitarbeitende sowie ehrenamtlich Tätige, die Minderjährige, schutz- oder hilfebedürftige Erwachsene beaufsichtigen, betreuen, erziehen, ausbilden oder vergleichbaren Kontakt zu ihnen haben, müssen bei der Einstellung bzw. Beauftragung und nachfolgend im regelmäßigen Abstand von fünf Jahren ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen. Die Kosten werden den Mitarbeitern erstattet. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die erstatteten Aufwendungen für die Erteilung von erweiterten Führungszeugnissen in den jeweils laufenden Beschäftigungsverhältnissen als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu erfassen seien. Die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich.

Begründung: Arbeitslohn ist dann nicht anzunehmen, wenn ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers vorliegt. Für ein solches Interesse des Arbeitgebers spricht bereits, dass sich die Regelungen der Präventionsordnung an den Arbeitgeber und nicht an die Beschäftigten richten. Die Arbeitnehmer selbst haben kein bedeutsames eigenes Interesse an der Einholung eines Führungszeugnisses.

Praxistipp:
In vielen Berufen ist die Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses erforderlich. Das Urteil hat daher nicht nur für die kirchlichen Arbeitgeber und deren Mitarbeiter Bedeutung. Gegen das Urteil wurde die Revision eingelegt. Das Az. beim BFH lautet: VI R 10/22.
gepostet: 17.03.2023
Gewerbesteuer: Hinzurechnung von Wartungskosten bei Leasingverträgen
Für Zwecke der Gewerbesteuer wird der Gewinn aus Gewerbebetrieb durch Hinzurechnungen und Kürzungen modifiziert. Hinzuzurechnen sind auch Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens. Die Hinzurechnung erfolgt allerdings nicht in voller Höhe, sondern nur mit einem bestimmten Prozentsatz. Zudem wird ein Freibetrag berücksichtigt.

Wenn allerdings der Freibetrag von 200.000 Euro (früher: 100.000 Euro) überschritten wird, kommt es im Rahmen von Betriebsprüfungen häufig zu Diskussionen darüber, was tatsächlich unter den Begriff der Miet- und Pachtzinsen fällt. So gehört beispielsweise die Grundsteuer, die vom Vermieter geschuldet, aber vertraglich auf den gewerbetreibenden Mieter umgelegt wird, zur Miete und ist deshalb gewerbesteuerrechtlich dem Gewinn zum Teil hinzuzurechnen (BFH-Urteil vom 2.2.2022, III R 65/19). Nun hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass auch Wartungskosten, die vertraglich auf den Leasingnehmer abgewälzt werden, Teil der "Leasingrate“ sind und gewerbesteuerrechtlich hinzugerechnet werden (BFH-Urteil vom 20.10.2022, III R 33/21).

Der Sachverhalt: Die Klägerin hat als Leasingnehmerin Leasingverträge über Kraftfahrzeuge mit verschiedenen Unternehmen abgeschlossen. Wie vertraglich vereinbart, übernahm die Klägerin die anfallenden Wartungsgebühren. Das Finanzamt gelangte zu der Ansicht, dass die Wartungsgebühren Teil der Leasingraten seien. Diese seien gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG mit einem Fünftel in die Summe einzuberechnen, die zu einem Viertel dem Gewinn aus Gewerbebetrieb wieder hinzuzurechnen sei. Die anschließende Klage und auch die Revision blieben erfolglos.

Ausgehend von den zivilrechtlichen Regelungen des Mietrechts habe zwar der Leasinggeber dem Leasingnehmer die Leasingsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Es stehe dem Leasinggeber aber grundsätzlich frei, von dieser gesetzlichen Grundregel abzuweichen und die Wartungskosten auf den Leasingnehmer abzuwälzen. Wirtschaftlich stellen die besonderen Vergütungen für die Wartungsarbeiten dann nichts anderes dar als Teile des Entgelts, das der Leasingnehmer für die Überlassung des Gebrauchs einschließlich der Nutzung und der mit der Nutzung verbundenen Abnutzung zu entrichten hat.
gepostet: 16.03.2023
Erbschaft- und Schenkungsteuer: Bayern strengt Verfassungsklage an
Wir hatten Sie bereits darüber informiert, dass der Gesetzgeber die Faktoren für die Ermittlung der pauschalierten Grundstückswerte angepasst hat, die bei der Schenkung- und Erbschaftsteuer zugrunde zu legen sind. Dies geschah mit dem Jahressteuergesetz 2022. Die recht technisch klingende Gesetzesänderung kann dazu führen, dass sich die Grundstückswerte und damit die Erbschaft- und Schenkungsteuer bei Immobilienübertragungen erheblich erhöhen.

Die Bayerische Landesregierung hatte sich - zur Abmilderung der steuerlichen Auswirkungen - für eine Erhöhung der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Freibeträge eingesetzt, ist mit ihrem Antrag aber im Bundesrat gescheitert. Der Bayerische Staatsminister der Finanzen, Albert Füracker, hat daher unmittelbar nach der Verabschiedung des Jahressteuergesetzes 2022 angekündigt, dass Bayern für höhere Freibeträge vor das Bundesverfassungsgericht ziehen wird (Quelle: Pressemitteilung Nr. 425 vom 22.12.2022, Bayerisches Staatsministerium der Finanzen und für Heimat).

Das Ministerium hat nun bestätigt, dass der Antrag tatsächlich erarbeitet wird. In Anbetracht der hohen juristischen Komplexität der Materie werde dies allerdings noch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen (Quelle: www.steuerrat24.de).

Praxistipp:
Natürlich ist nicht vorhersehbar, ob der Antrag Bayerns Erfolg haben wird und wann das Bundesverfassungsgericht entscheiden wird. Aber dennoch gilt: Wer mit einer Schenkung noch etwas warten kann, sollte dies zumindest in Erwägung ziehen. Denn wenn der Antrag Bayerns tatsächlich in Karlsruhe vorliegt, könnte im Nachgang zu einem Schenkungsteuerbescheid (und eventuell einem Bescheid über die Feststellung des Grundbesitzwertes) Einspruch eingelegt und ein Ruhen des Verfahrens beantragt werden. Damit besteht zumindest ein kleiner Funken Hoffnung auf den Ansatz höherer Freibeträge.
gepostet: 15.03.2023
Versorgungswerk: Besteuerung auch bei unterbliebenem Sonderausgabenabzug
Zum 1. Januar 2005 ist das Alterseinkünftegesetz in Kraft getreten, mit dem damals der Abzug von Vorsorgeaufwendungen und die Besteuerung von Renten neu geregelt wurden. Manch Steuerbürger hat gerade in der Umstellungsphase auf das neue Recht vergessen, seine Beiträge zu einem berufsständischen Versorgungswerk als Sonderausgaben geltend zu machen. Ist in einem solchen Fall die jetzt gezahlte Rente aus dem Versorgungswerk dennoch mit dem vollen Besteuerungsanteil anzusetzen? Leider ja. Eine doppelte Besteuerung von Renten könne sich nicht allein daraus ergeben, dass ein Steuerpflichtiger in der Vergangenheit keine Altersvorsorgeaufwendungen geltend gemacht hat, obwohl sie einkommensteuerlich abziehbar gewesen wären - so der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 6.4.2022 (X R 27/20).

Der Kläger leistete ab 1985 Beiträge an das Versorgungswerk der Rechtsanwälte. Seine für das Jahr 2005 entrichteten Beiträge in Höhe von rund 3.600 Euro blieben bei der Einkommensteuerveranlagung für 2005 mangels Geltendmachung als Sonderausgaben steuerlich unberücksichtigt. Im Streitjahr 2015 begehrte der Kläger, die zu versteuernde Rente um einen Teilbetrag zu mindern, soweit dieser auf den Beitragsleistungen des Jahres 2005 beruhte. Denn die Beiträge, die die entsprechend höhere Rente erst ermöglicht haben, sind in 2005 steuerlich nicht abgezogen worden. Dadurch komme es in der Rentenphase zu einer überhöhten Besteuerung (Doppelbesteuerung oder Übermaßbesteuerung). Mit diesem Begehren scheiterte der Kläger letztlich aber auch vor dem BFH. Begründung: Eine möglicherweise eintretende Doppelbelastung beruhe im Streitfall nicht auf einem Fehler des Gesetzes oder dessen Auslegung, sondern allein darauf, dass der Kläger die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit zum Sonderausgabenabzug der Beiträge für das Jahr 2005 tatsächlich nicht in Anspruch genommen habe.
gepostet: 13.03.2023
Darlehensverträge: Steuerpflichtiger Nutzungsersatz bei Widerruf?
Wenn ein Darlehensvertrag rechtswirksam widerrufen wird, kommt es zu einer Rückabwicklung des Rechtsgeschäfts. Das heißt, dass der Darlehensnehmer die Darlehenssumme zurückzahlen muss und die Bank gleichzeitig die gesamten vom Darlehensnehmer geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen herausgeben muss. Gleichzeitig sind die wechselseitig gezogenen Nutzungen herauszugeben (vgl. BGH-Urteil vom 25.4.2017, XI ZR 108/16 und XI ZR 573/15). Das Finanzgericht Düsseldorf hat entschieden, dass Nutzungsentschädigungen der Bank zwar nicht als steuerpflichtiger Kapitalertrag anzusehen sind; es kann aber - teilweise - ein Veranlassungszusammenhang zu den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gegeben sein, so dass die Entschädigung dort zu versteuern wäre (Urteil vom 29.9.2022, 11 K 314/20 E).

Der Sachverhalt: Die Kläger hatten 2007 bei der Bank zwei Darlehen aufgenommen: Ein Darlehen diente der Finanzierung ihrer privat genutzten Wohnung, das andere verwendeten die Kläger zur Finanzierung einer vermieteten Wohnung. Nach Widerruf der beiden Darlehensverträge aufgrund einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung im Jahr 2014 und Abschluss diesbezüglicher Zivilrechtsstreitigkeiten erhielten die Kläger von der Bank im Rahmen der Rückabwicklung u.a. einen Nutzungswertersatz in Höhe von 7.670 Euro für beide Darlehen. Im Einkommensteuerbescheid für 2017 berücksichtigte das beklagte Finanzamt diesen Nutzungsersatz bei den Einkünften aus Kapitalvermögen. Dagegen wandten sich die Kläger und argumentierten, dass sich lediglich wechselseitige Nutzungsentschädigungen gegenübergestanden hätten. Insbesondere sei ihnen im Zuge der Rückabwicklung kein Überschuss entstanden, denn der an die Bank zu leistende Nutzungsersatz habe den eigenen Nutzungsersatzanspruch gegen die Bank überstiegen. Ferner müssten im Falle einer Steuerpflicht zumindest die geleisteten Zinszahlungen anzurechnen sein. In seinem Urteil sah das Gericht die Nutzungsentschädigungen zwar nicht als steuerpflichtigen Kapitalertrag an; es sei jedoch teilweise ein Veranlassungszusammenhang zu den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gegeben.

Die Begründung des Gerichts: Der Nutzungswertersatz aus der Rückabwicklung des Darlehens für die selbstgenutzte Wohnung führe nicht zu Einkünften aus Kapitalvermögen. Es habe zu keinem Zeitpunkt eine Kapitalüberlassung der Kläger an die Bank vorgelegen. Vielmehr habe die Bank den Nutzungswertersatz im Rahmen einer Zug-um-Zug zu erfüllenden Rückabwicklung geleistet. Aus denselben Gründen sei auch der Nutzungswertersatz aus der Rückabwicklung des Darlehens für die vermietete Wohnung kein steuerbarer Kapitalertrag. Diese Nutzungsentschädigung stehe aber im Zusammenhang mit den für das widerrufene Darlehen gezahlten Schuldzinsen. Letztere hätten Werbungskosten dargestellt. Der teilweise Rückfluss dieser Werbungskosten sei durch die Einnahmeerzielung aus der Wohnungsvermietung veranlasst und deshalb als steuerpflichtige Einnahme bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu qualifizieren.

Praxistipp:
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Das Finanzamt hat gegen das Urteil die vom Gericht zugelassene Revision eingelegt. Das Az. beim Bundesfinanzhof lautet: VIII R 16/22.
gepostet: 11.03.2023
Umsatzsteuer: Vorsteuerabzug für bürgerliche Kleidung ist unzulässig
Der Bundesfinanzhof hatte mit Urteil vom 16.3.2022 (VIII R 33/18) entschieden, dass ein Betriebsausgabenabzug für bürgerliche Kleidung auch dann ausscheidet, wenn diese bei der Berufsausübung getragen wird. Das betrifft beispielsweise den schwarzen Anzug eines Trauerredners oder Kellners. Nun hat der BFH seine Rechtsprechung zur Einkommensteuer auf die Umsatzsteuer übertragen: Der Vorsteuerabzug für die Kosten bürgerlicher Kleidung ist ausgeschlossen. Für die Versagung des Vorsteuerabzugs reicht es aus, wenn beispielsweise die Benutzung eines schwarzen Kleids oder eines schwarzen Anzugs als normale bürgerliche Kleidung im Rahmen des Möglichen und Üblichen liegt. Ein Vorsteuerabzug kommt auch dann nicht in Betracht, wenn ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer schwarze Kleidung zur Ausübung seiner Tätigkeit unentgeltlich überlässt (BFH-Urteil vom 24.8.2022, XI R 3/22).

Praxistipp:
Die Ausgaben für Kleidung sind steuerlich nur dann zu berücksichtigen, wenn es sich um "typische" Berufskleidung handelt. Das ist zum einen Spezialkleidung; darunter fallen zumeist Schutzbekleidungen oder Uniformen. Zum anderen sind es Kleidungsstücke, die zumindest uniformartig beschaffen sind. Für die "Uniformartigkeit" muss das jeweilige Kleidungsstück ein - deutlich sichtbares - Firmenlogo haben. Bei typischer Berufskleidung sind nach wie vor ein Betriebsausgaben- und ein Vorsteuerabzug möglich.
gepostet: 09.03.2023
Müllabfuhr und Abwasserentsorgung: Weiterhin keine haushaltsnahen Dienste
Steuerbürger dürfen die Kosten für haushaltsnahe Dienstleistungen mit 20 Prozent, höchstens 4.000 Euro im Jahr, direkt von der Steuerschuld abziehen (§ 35a Abs. 2 EStG). Die Steuervergünstigung ist also äußerst attraktiv. Was tatsächlich als haushaltsnahe Dienstleistung gilt, kann aber durchaus umstritten sein, so etwa hinsichtlich der Kosten für die Müllabfuhr und die Abwasserentsorgung. Die Finanzverwaltung sieht hierin keine haushaltsnahen Dienstleistungen und versagt den Abzug nach § 35a EStG. Kürzlich hat das Finanzgericht Münster diese Sichtweise zwar bestätigt, aber ausdrücklich die Revision zugelassen, die auch eingelegt wurde (Urteil vom 24.2.2022, 6 K 1946/21 E).

Leider ist die Revision der Klägerin als unzulässig verworfen worden (BFH-Beschluss vom 1.9.2022, VI R 8/22). Damit liegt immer noch keine materiell-rechtliche Entscheidung des Bundesfinanzhofs zum Abzug von Müllgebühren (und Gebühren der Abwasserentsorgung) vor. Folglich werden sich die Finanzämter auf die negative Entscheidung des Finanzgerichts Münster berufen und einen Abzug der Kosten weiterhin verwehren.
gepostet: 07.03.2023
Spekulationsgeschäft: Verkauf einer ETW nach Nutzung durch Sohn oder Tochter
Der Verkauf des Eigenheims bleibt selbst dann von der Einkommensteuer verschont, wenn An- und Verkauf innerhalb der zehnjährigen Spekulationsfrist liegen. Voraussetzung dafür ist, dass die Immobilie im Zeitraum zwischen Anschaffung bzw. Fertigstellung und Veräußerung ununterbrochen zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde oder im Jahr des Verkaufs und in den beiden Vorjahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. Grundsätzlich gilt auch die kostenlose Überlassung der Wohnung an ein Kind noch als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken, so dass ein Verkauf der Immobilie im Prinzip unter eine der beiden Ausnahmeregelungen fällt. Aber: Dies gilt nur, solange das Kind in einer Berufsausbildung ist und das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, die Eltern also kindergeldberechtigt sind. Anders ausgedrückt: Überschreitet das Kind während der Überlassung der Wohnung die Altersgrenze (oder beendet bereits zuvor seine Ausbildung) und wird die Immobilie dann verkauft, wird diese im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Der Veräußerungsgewinn kann bei einem Wohnungsverkauf folglich zu versteuern sein.

Bereits im Jahre 2016 hat das Finanzgericht Baden-Württemberg wie folgt entschieden: Ist das Kind, dem die Wohnung überlassen wird, älter als 25 Jahre, wird es bei den Eltern nicht mehr steuerlich berücksichtigt, sodass hinsichtlich der überlassenen Wohnung keine "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" mehr vorliegt. Dies gilt auch dann, wenn die zivilrechtliche Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind über das 25. Lebensjahr hinaus weiter besteht (Urteil vom 4.4.2016, 8 K 2166/14). Der Gewinn aus dem Wohnungsverkauf musste folglich versteuert werden.

Im Jahre 2021 hat das Niedersächsische Finanzgericht im gleichen Sinne geurteilt und dabei ergänzend entschieden, dass die Steuerbefreiung auch dann entfällt, wenn eine Wohnung sowohl von einem Kind bewohnt wird, das sein Studium beendet hat als auch von einem Kind, das sich noch in der Ausbildung befindet (Urteil vom 16.6.2021, 9 K 16/20). Der Bundesfinanzhof hat dieses Urteil nun bestätigt.

Der Sachverhalt: Die Mutter besaß eine Wohnung am Studienort der Kinder. Die Wohnung hatte sie im Jahre 2010 für 130.000 Euro erworben. Ende 2016 hat sie die Immobilie für 350.000 Euro wieder verkauft. Die Wohnung wurde ab Erwerb bis zur Veräußerung durch zwei Söhne (Zwillinge) im Rahmen ihres Studiums genutzt. Der dritte Sohn nutzte die Wohnung zumindest an einigen Wochenenden. Eine Fremdvermietung hatte nicht stattgefunden. Die Zwillinge waren im Zeitpunkt des Wohnungsverkaufs bereits 27 Jahre alt, das dritte Kind hat sein 25. Lebensjahr erst nach dem Verkauf vollendet. Das Finanzamt hat den Veräußerungsgewinn besteuert, weil für die Zwillinge kein Anspruch auf Kindergeld mehr bestanden hatte. Daher sei die Wohnung nicht mehr eigengenutzt worden.

Die Klage der Mutter blieb ohne Erfolg. Begründung: Die fortdauernde Mitbenutzung der Wohnung durch Kinder, die steuerlich nicht mehr zu berücksichtigen sind, ist schädlich. Das Bestehen einer zivilrechtlichen Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern reiche allein nicht aus, um eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken annehmen zu können. Hinzukommen müsse die steuerliche Berücksichtigung der Kinder nach § 32 EStG, also die Kindergeldberechtigung. Die gleichzeitige Überlassung der Wohnung an ein Kind, das zu berücksichtigen ist, hier also an den dritten Sohn, kann die "schädliche" Nutzung nicht aufheben.

Praxistipp:
Vor dem Verkauf einer Immobilie sollte stets sorgfältig geprüft werden, ob ein "Spekulationsgewinn" anfallen könnte. Bitte sprechen Sie uns frühzeitig vor einem geplanten Verkauf an.
gepostet: 05.03.2023
Sonn-, Feiertags-, Nachtzuschläge: Was gilt bei Rufbereitschaften?
Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit, die neben dem Grundlohn gezahlt werden, sind bis zu bestimmten Höchstgrenzen steuer- und sozialversicherungsfrei (§ 3b EStG). Steuerfrei sind aber nur Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Arbeit gezahlt werden. Werden Zuschläge gezahlt, ohne dass in der begünstigten Zeit tatsächlich Arbeiten verrichtet wurden, sind diese steuerpflichtig. Dies gilt auch im Rahmen von Rufbereitschaften. Das heißt: Die bloße Rufbereitschaft genügt nicht für die Steuerfreiheit von Zuschlägen, wohl aber kann für die während der Rufbereitschaft geleistete Arbeit ein Zuschlag steuerfrei gewährt werden - vorausgesetzt, die Arbeit erfolgt zu den Zeiten, wie sie in § 3b EStG genannt sind (BFH-Urteil vom 26.10.1984, BStBl 1985 II S. 57). Werden Bereitschaftsdienste pauschal zusätzlich zum Grundlohn ohne Rücksicht darauf vergütet, ob die Tätigkeit an einem Samstag oder einem Sonntag erbracht wird, handelt es sich nicht um steuerfreie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit i.S. des § 3b Abs. 1 EStG (BFH-Urteil vom 29.11.2016, VI R 61/14).
gepostet: 03.03.2023
Häusliches Arbeitszimmer: Zum Mittelpunkt der Tätigkeit eines Gutachters
Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer können als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abgesetzt werden, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Dann sind die Arbeitszimmerkosten bis 1.250 Euro abziehbar (ab 2023 gilt insoweit eine etwas andere Regelung mit einer Tagespauschale von bis zu 1.260 Euro). Hingegen sind die Kosten in voller Höhe abzugsfähig, wenn das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit darstellt. Das Finanzgericht Münster hat entschieden, dass das häusliche Arbeitszimmer eines psychologischen Gutachters den Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit darstellen kann mit der Folge, dass die Aufwendungen unbegrenzt abzugsfähig sind (FG Münster, Urteil vom 18.8.2022, 8 K 3186/21 E).

Der Sachverhalt: Ein selbstständiger psychologischer Gutachter wird vor allem in Überprüfungsverfahren für Strafvollstreckungskammern und für Einrichtungen des Maßregelvollzugs tätig. Er machte Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von rund 2.400 Euro als Betriebsausgaben geltend. Das Finanzamt erkannte die Aufwendungen lediglich in Höhe von 1.250 Euro an, weil das häusliche Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der Tätigkeit des Klägers darstelle. Der qualitative Schwerpunkt liege in den für die Begutachtung unerlässlichen Explorationen der zu begutachtenden Personen. Hiergegen wandte der Kläger ein, dass die Explorationen und die Gerichtstermine im Verhältnis zur Tätigkeit im Arbeitszimmer in einem zeitlich untergeordneten Rahmen lägen (Verhältnis zwischen 1:3 und 1:5). Die Ausarbeitung der Gutachten erfordere die Auswertung aller vorliegenden Informationen und stelle die eigentliche Tätigkeit dar. Das FG hat der Klage stattgegeben.

Begründung: Der Mittelpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung bestimme sich vorrangig nach dem qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit. Beim Kläger liege dieser in seinem Arbeitszimmer. Kern seiner Gutachtertätigkeit sei es, unter Ermittlung der erforderlichen Tatsachengrundlage eine Prognoseentscheidung zu treffen. Alleiniger Schwerpunkt dieser Tätigkeit seien die im Arbeitszimmer ausgeübten Tätigkeiten der Auswertung der Akten und der Explorationen und die darauf aufbauenden, für das Treffen und die Begründung der Prognoseentscheidung erforderlichen Recherche-, Rechen-, Bewertungs- und Schreibarbeiten. Demgegenüber stellten die Explorationen selbst keinen weiteren wesentlichen Teil der Tätigkeit des Klägers dar.
gepostet: 01.03.2023
Februar 2023
Lohnsteuer: Merkblatt der Finanzverwaltung zur Steuerklassenwahl
Ehegatten können für den Lohnsteuerabzug grundsätzlich wählen, ob sie beide in die Steuerklasse IV eingeordnet werden wollen oder ob einer von ihnen (der Höherverdienende) nach Steuerklasse III und der andere nach Steuerklasse V besteuert werden will. Die Steuerklassenkombination III/V ist so gestaltet, dass die Summe der Steuerabzugsbeträge beider Ehegatten in etwa der zu erwartenden Jahressteuer entspricht, wenn der in Steuerklasse III eingestufte Ehegatte ca. 60 Prozent und der in Steuerklasse V eingestufte ca. 40 Prozent des gemeinsamen Arbeitseinkommens erzielt.

Bei abweichenden Verhältnissen des gemeinsamen Arbeitseinkommens kann es aufgrund des verhältnismäßig niedrigen Lohnsteuerabzugs zu Steuernachzahlungen kommen. Aus diesem Grund besteht bei der Steuerklassenkombination III/V generell die Pflicht zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung. Zur Vermeidung von Steuernachzahlungen bleibt es den Ehegatten daher unbenommen, sich trotzdem für die Steuerklassenkombination IV/IV zu entscheiden, wenn sie den höheren Steuerabzug bei dem Ehegatten mit der Steuerklasse V vermeiden wollen; dann entfällt jedoch für den anderen Ehegatten die günstigere Steuerklasse III. Zudem besteht die Möglichkeit, die Steuerklassenkombination IV/IV mit Faktor zu wählen ("Faktorverfahren“). Bitte beachten Sie, dass das Gesagte gleichermaßen für Lebenspartner im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes gilt.

Um Verheirateten und Lebenspartnern die Steuerklassenwahl zu erleichtern, haben das Bundesministerium der Finanzen und die Finanzbehörden der Länder ein Merkblatt erstellt, das unter folgendem Link abrufbar ist:
https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/Steuerarten/Lohnsteuer/BMF_Schreiben_Allgemeines/2023-02-14-aktualisiertes-merkblatt-steuerklassenwahl-2023.pdf?__blob=publicationFile&v=2
gepostet: 28.02.2023
Sonderausgaben: Kein Abzug von Mitgliedsbeiträgen an Musikvereine
Mitgliedsbeiträge an Vereine, die in erster Linie der Freizeitgestaltung dienen, dürfen nicht als Sonderausgaben abgezogen werden. Folglich können auch Beiträge an Musikvereine steuerlich nicht berücksichtigt werden. So lautet ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs vom 28.9.2022 (X R 7/21). Zum Hintergrund: Im Grundsatz können sowohl Spenden als auch Mitgliedsbeiträge an gemeinnützige Einrichtungen als Sonderausgaben geltend gemacht werden. Eine gesetzliche Sonderregelung (§ 10b Abs. 1 Satz 8 EStG) schließt jedoch u.a. bei Vereinen den Abzug von Mitgliedsbeiträgen aus, die kulturelle Betätigungen fördern, die wiederum in erster Linie der Freizeitgestaltung dienen. Dasselbe gilt zum Beispiel für Sportvereine. Spenden an solche Vereine bleiben hingegen abziehbar.

In dem vom BFH entschiedenen Fall ging es um einen gemeinnützigen Verein, der ein Blasorchester für Erwachsene und eines für Jugendliche unterhält. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, der Kläger dürfe keine Zuwendungsbestätigungen ("Spendenbescheinigungen“) für Mitgliedsbeiträge ausstellen. Das von dem Verein angerufene Finanzgericht Köln gab der Klage zwar statt, doch der BFH ist der Ansicht der Finanzverwaltung gefolgt und hat das Urteil der Vorinstanz aufgehoben. Nach dem klaren Wortlaut der gesetzlichen Regelung seien Mitgliedsbeträge schon dann nicht abziehbar, wenn der Verein auch kulturelle Betätigungen fördert, die in erster Linie der Freizeitgestaltung dienen. In einem solchen Fall komme es nicht mehr darauf an, ob der Verein daneben auch noch andere Zwecke fördert. Gleiches folge aus der Entstehungsgeschichte der Norm sowie aus ihrem Zweck. Damit kam es nicht darauf an, dass der klagende Verein - wovon das FG ausgegangen war - neben den Freizeitbetätigungen noch andere Zwecke fördert.
gepostet: 26.02.2023
Sonderabschreibung: § 7b EStG für Mietwohnungsneubau wieder "aufgelegt"
Die Sonderabschreibung nach § 7b EStG soll Anreize für den Bau von Mietwohnungen setzen. Mit dem Jahressteuergesetz 2022 wird die Sonderabschreibung wieder "aufgelegt". Im Einzelnen gilt nun:
- Begünstigt sind Mietwohnungen, für die der Bauantrag zwischen dem 1.1.2023 und dem 31.12.2026 gestellt wird oder eine entsprechende Bauanzeige erfolgt.
- Die Sonderabschreibung beträgt in den ersten vier Jahren jeweils 5 Prozent der Anschaffungs- oder Herstellungskosten bis zur förderfähigen Bemessungsgrundlage. Zusätzlich ist die lineare AfA von 2 Prozent p.a. absetzbar, die sich allerdings auf eine andere Bemessungsgrundlage bezieht, nämlich die tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten.
- Begünstigt sind nach § 7b EStG Anschaffungs- oder Herstellungskosten bis 2.500 Euro je qm Wohnfläche.
- Begünstigt sind nach § 7b EStG Gebäude, deren Baukosten nicht höher als 4.800 Euro je qm Wohnfläche sind.
- Die Anschaffung einer solchen Wohnung ist dann begünstigt, wenn der Erwerber das Gebäude oder die neue Wohnung bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung rechtswirksam erwirbt.

Für die Inanspruchnahme der Sonderabschreibung werden die Voraussetzungen an die Wohnung an bestimmte Effizienzvorgaben gekoppelt. So ist die Inanspruchnahme der Sonderabschreibung davon abhängig, dass das Gebäude, in dem die neue Wohnung hergestellt wird, die Kriterien für ein "Effizienzhaus 40" mit Nachhaltigkeitsklasse/Effizienzgebäude-Stufe 40 erfüllt. Voraussetzung ist das "Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude" (QNG). Das QNG-Siegel ist ein staatliches Gütesiegel des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen für Gebäude, das durch akkreditierte Zertifizierungsstellen vergeben wird. Das QNG stellt die Erfüllung von Anforderungen an die ökologische, soziokulturelle und ökonomische Qualität von Gebäuden sowie an die Qualität der Planungs- und Bauprozesse sicher. Voraussetzung für die Vergabe des QNG durch eine akkreditierte Zertifizierungsstelle ist eine Zertifizierung mit einem Bewertungssystem für Nachhaltiges Bauen und die Einhaltung von besonderen Anforderungen im öffentlichen Interesse, die aktuelle Ziele in den Bereichen Klimaschutz, Ressourcenschonung, Gesundheitsschutz und Teilhabe aufgreifen.

Praxistipp:
Angesichts der dynamischen und nur schwer zu prognostizierenden Entwicklung insbesondere der Baukosten könnte zukünftig Änderungsbedarf bei den Kostenbezugsgrößen (2.500 Euro / 4.800 Euro) entstehen. Darauf weist der Gesetzgeber schon jetzt in der Gesetzesbegründung hin.

Praxistipp:
Es müssen zwar die Voraussetzungen der so genannten De-minimis-Beihilfen eingehalten werden. Aber: Die Regelungen zur Einhaltung der De-Minimis-Verordnung werden auf Anspruchsberechtigte beschränkt, die Gewinneinkünfte erzielen und damit unternehmerisch tätig sind. Damit entfällt für Anspruchsberechtigte mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung die Einhaltung beihilferechtlicher Voraussetzungen.

Praxistipp:
Neue Wohnungen, die aufgrund einer Bauanzeige oder eines Bauantrages im Jahr 2022 hergestellt werden, sind vom Anwendungsbereich des § 7b EStG ausgeschlossen.
gepostet: 25.02.2023
GmbH: BFH lockert Voraussetzung für inkongruente Gewinnausschüttungen
Gesellschafter einer GmbH nehmen an den Gewinnausschüttungen grundsätzlich im Verhältnis ihres Anteils am Stammkapital teil. Doch dies ist nicht immer gewünscht, das heißt, zuweilen bietet es sich an, einem Gesellschafter einen geringeren Betrag auszuschütten als es seinem Anteil am Stammkapital entsprechen würde, während die übrigen Gesellschafter ihren "normalen" Anteil erhalten. Dies wird als inkongruente oder disquotale Gewinnausschüttung bezeichnet.

Bundesfinanzhof und Finanzverwaltung akzeptieren diese Art von Gewinnausschüttungen, allerdings fordert die Finanzverwaltung für eine steuerliche Anerkennung, dass eine vom Anteil am Grund- oder Stammkapital abweichende Gewinnverteilung zivilrechtlich wirksam bestimmt ist. Dies sei bei der GmbH der Fall, wenn der Gesellschaftsvertrag einen anderen Maßstab der Verteilung als das Verhältnis der Geschäftsanteile erlaubt. Oder: Die Satzung enthält anstelle eines konkreten Verteilungsmaßstabs eine Klausel, nach der alljährlich mit Zustimmung der beeinträchtigten Gesellschafter oder einstimmig über eine von der satzungsmäßigen Regelung abweichende Gewinnverteilung beschlossen werden kann, und der Beschluss ist mit der in der Satzung bestimmten Mehrheit gefasst worden.

Jüngst hat der BFH geurteilt, dass auch ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss über eine inkongruente Vorabausschüttung, der von der Gesellschafterversammlung einstimmig gefasst worden ist und von keinem Gesellschafter angefochten werden kann, als zivilrechtlich wirksamer Ausschüttungsbeschluss anzuerkennen ist (BFH-Urteil vom 28.9.2022, VIII R 20/20). Es ging um folgenden Sachverhalt: Der Kläger war in den Streitjahren zu 50 Prozent an einer GmbH 1 beteiligt. Weiterer Gesellschafter war eine Gmb